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Veröffentlicht am 21.05.2022

KRASS KRASS KRASS!

Chaos Walking - Es gibt immer eine Wahl
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Mit "Chaos Walking - Es gibt immer eine Wahl" ist letzte Woche endlich der zweite Teil der Chaos-Walking-Trilogie von Patrick Ness erschienen, welcher die Geschichte von Todd und Viola weiterspinnt und ...

Mit "Chaos Walking - Es gibt immer eine Wahl" ist letzte Woche endlich der zweite Teil der Chaos-Walking-Trilogie von Patrick Ness erschienen, welcher die Geschichte von Todd und Viola weiterspinnt und abermals ins dystopische New World führt. Nachdem Lesen bin ich nun emotional gefangen zwischen Entsetzen und Faszination, Enttäuschung und Begeisterung und weiß nur, dass das, was auf diesen 592 Seiten passiert ist KRASS KRASS KRASS ist!

Wem die Handlung, der Autor oder die Namen der Figuren bekannt vorkommen: Patrick Ness´ Trilogie ist schon 2009 unter den Namen "New World - Die Flucht", "New World - Das dunkle Paradies" und "New World - Das brennende Messer" im Ravensburger Buchverlag erschienen. Schon im Januar 2021 ist Band 1 der Reihe erneut bei cbt erschienen und trug ein Filmcover passend zur Verfilmung von Lionsgate mit Tom Holland und Daisy Ridley (HIER geht´s übrigens zur Filmkritik). Band 2 ist nun stark an der Originalausgabe orientiert und zeigt den Titel in großen, weißen Buchstaben, welcher sich vom dunklen Hintergrund mit wildem Buchstabengekritzel in einem interessanten Kontrast abhebt. Auch wenn mir sowohl der Kontrast als auch die optisch und haptisch hervorgehobenen Buchstaben des Hintergrund gut gefallen und ich auch den Untertitel "Es gibt immer eine Wahl" treffend gewählt finde, sind drei Dinge an der Gestaltung schade. Erstens passt die äußere Gestaltung des zweiten Teils schlecht zum ersten (wobei die Paperbacks immerhin dieselbe Größe haben). Zweitens wäre statt des großen, blauen "C"s eher ein "A" wie auf der Originalausgabe angebracht gewesen, da dies inhaltlich besser zur Geschichte passen würde und drittens gibt es keinen treffenderen Titel als den Originaltitel "The Ask and the Answer".

Erster Satz: "Dein Lärm verrät dich, Todd Hewitt."

Dafür gefällt mir die innere Gestaltung dieser Fortsetzung ein wenig besser als die des ersten Teils. Genau wie in "Chaos Walking 1" ist auch hier der sogenannte "Lärm" der männlichen Bewohner von New World als wildes Gekritzel in unterschiedlichen Schriftarten quer über die Seiten dargestellt und der Wechsel der Erzählperspektiven zwischen den beiden Hauptfiguren wird ebenfalls durch einen Wechsel der Schriftart deutlich gemacht. Genau wie in Band 1 hat Patrick Ness seine Handlung wieder in sechs übergeordnete Abschnitte eingeteilt, welche wiederum in 42 Kapitel inklusive eines unnummerierten Prologs und Epilogs unterteilt sind. Zusätzlich erleichtert uns eine kurze "Was bisher geschah"-Zusammenfassung den Einstieg.

Zeitlich knüpft diese Fortsetzung punktgenau an das Ende des ersten Bandes an und erzählt, was passiert, nachdem Todd und Viola sich mit letzter Kraft nach Haven geschleppt haben, nur um dort statt ihrer Rettung Bürgermeister Prentiss vorzufinden, der die Stadt unter seine Gewalt gebracht hat und ein "New Prentisstown" nach seinen Vorstellungen errichtet. Schnell stellt sich unter dem Regime der fremden Armee eine gewisse Normalität ein und die Bürger von Haven scheinen den Machtwechsel erstaunlich gelassen zu sehen. Viola, die nach ihrer gefährlichen Schussverletzung in einem Haus der Heilung behandelt werden muss, bemerkt aber, dass sich vor allem unter den unterdrückten Frauen im Geheimen Widerstand sammelt. Während Bürgermeister Prentiss, der sich zum Präsidenten ausgerufen hat, versucht, Todd für seine Zwecke einzuspannen, wird Viola von der Heilerin Mistress Coyle für die sogenannte "Antwort" rekrutiert, die Prentiss´ Willkür entgegentritt. Todd versucht sich still zu verhalten, um endlich Viola besuchen zu dürfen und Viola ist sich sicher, mit dem stillen Protest den BürgerInnen von Haven zu helfen. Doch dann fallen die ersten Bomben und die beiden finden sich auf entgegengesetzten Seiten eines Bürgerkriegs wieder, den keiner von ihnen jemals wollte...

Viola: "Wir können die Welt retten", sage ich und versuche zu lächeln. "Du und ich."

Während in Band 1 mit dem Bürgermeister Prentiss und seinen Männern die Antagonisten klar festgelegt waren, wird es in Band 2 deutlich komplizierter, da sich in New Prentisstown blitzschnell zwei Fronten auftun. Spätestens als es auf beiden Seiten die ersten Opfer gibt und Todd und Viola zu Schlimmem gedrängt werden, ist klar, dass man mit einer Unterteilung in "gut" und "böse" hier nicht mehr weiterkommt. Stattdessen beginnen wir uns zu fragen, welche Seite nun das geringere Übel darstellt und sind gemeinsam mit den beiden Hauptfiguren perplex, wie es überhaupt zu einer derartigen Eskalation kommen konnte. Ich hatte sehr geringe Erwartungen und noch weniger Ideen davon, in welche Richtung sich die Geschichte nach dem offenen Ende von Band 1 weiterentwickeln würde, dass wir es hier mit einem blutigen Bürgerkrieg voller Psychospielchen, Populismus, Genozid, Terrorismus und Grausamkeit zu tun bekommen würden, hätte ich aber nicht in tausend Jahren gedacht. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen meiner großen Überraschung kann ich nur meinen Hut vor Patrick Ness ziehen, der hier auf interessante Art und Weise davon erzählt, wie sich scheinbar aus dem Nichts ein Krieg entwickeln und wie eine ganze Zivilisation von den Ideen einzelner gelenkt untergehen kann. Neben den erschreckenden Entgleisungen befasst sich der Autor auch auf eindringliche Art und Weise mit den Themen Gehorsam, Verantwortung, Moral, Macht und Menschlichkeit und legt damit den Finger in eine aufgrund des aktuellen Weltgeschehens offene Wunde.

Viola: "Er hätte es nicht tun können, wenn er bleiben wollte, wer er war, wenn er Todd Hewitt bleiben wollte. Der Junge, der nicht töten kann. Der Mann, der nicht töten kann. Wir haben die Wahl, was aus uns wird."

Leider müssen wir aufgrund des Themas über die beinahe 600 Seiten hinweg sehr viele Grausamkeit ertragen. Folter, sexuelle Übergriffe, Verstümmelung, Entwürdigung, Unterdrückung und gezielter Mord - die hier beschriebenen Verbrechen gegenüber Menschen (insbesondere Frauen), aber auch gegenüber der einheimischen Bevölkerung des Planeten, den Spackle ist kaum zu ertragen und unterstreicht erneut, dass "Chaos Walking" trotz des jungen Alters der Hauptfiguren kein Kinder- oder Jugendbuch ist! Auch das Leiden der beiden Hauptfiguren trägt zu dringlichen, düsteren, unter die Haut gehenden Atmosphäre der Geschichte bei. Nachdem die beiden in Band 1 eine strapaziöse Flucht vor dem wütenden Mob aus Prentisstown überstehen mussten, geht aufgrund des explosiven Bürgerkriegs ihr ständiger Kampf ums Überleben nahtlos weiter. Auch hier leiden und bluten und schwitzen und kämpfen die Figuren ohne Pause und wenn man gerade gedacht hat, sie haben es endlich geschafft, sind entkommen, sind in Sicherheit, dann leiden, bluten, schwitzen und kämpfen sie noch ein kleines bisschen mehr. Was die beiden durchmachen müssen, was sie aufgeben müssen, um am Leben zu bleiben und wie sehr sie ihre Würde, ihre Menschlichkeit und ihre Unschuld füreinander und für das, was sie für richtig halten, opfern, tut noch mehr weh, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass die Figuren mit 14/15 Jahren wahnsinnig jung sind.

Todd: "Dabei vergisst er aber", fährt sie fort, "dass Todd und ich gemeinsam über den halben Planeten geflohen sind. Ganz allein. Wir sind mit einem irrsinnigen Prediger fertig geworden. Wir sind einer ganzen Armee davongelaufen, wir haben es überlebt, dass man auf uns geschossen, uns geschlagen und gehetzt hat. Und immer sind wir, verdammt noch mal, am Leben geblieben. Man hat uns nicht in die Luft gejagt, man hat uns nicht zu Tode gefoltert, wir sind nicht im Krieg umgekommen." Sie nimmt Lees Hand und stützt sich jetzt nur noch auf mich. "Ich und Todd? Wir beide gemeinsam gegen den Bürgermeister?" Sie lächelt. "Er hat nicht die geringste Chance."

Diese Leidensintensität hat das Lesen zwar nicht gerade angenehm gestaltet, die Spannung aber immer hochgehalten und dafür gesorgt, dass trotz einiger Wiederholungen keine Leseflaute aufkommt. Ebenfalls zur konstant hohen Spannung beigetragen hat, dass das Buch seine Geheimnisse bis fast ganz zum Schluss für sich behält und kaum mehr als kümmerliche Andeutungen und Raum für Spekulationen bereithält. Was ist der Plan von Bürgermeister Prentiss? Wie kann er den Lärm kontrollieren? Was hat es mit der Medizin auf sich? Was ist im Spackle-Krieg passiert? Wann, woher und weshalb kommen die Siedler nach New World? Und allen voran: wem kann man vertrauen? Das Setting bleibt also genauso undurchsichtig und verwirrend wie in Band 1, wird hier aber weiter ausgebaut.

Wie bereits in der Rezension zu Band 1 erklärt, hat der Autor für seine Geschichte ein außerirdisches, sehr ursprüngliches, naturbelassenes Setting gewählt, das an das unkolonialisierte Amerika erinnert, nur dass die Weiten der Landschaft nicht von grasenden Büffeln, sondern von seltsamen Geschöpfen wie die vogelstraußartigen "Cassors" oder laut die "HIER!"-denkenden "Viecher" bewohnt werden. Darüber hinaus können alle Lebewesen sprechen (die Komplexität und Aussagekraft deren Kommunikation schwankt aber beachtlich) und wir treffen auf die einheimische intelligente Spezies der Spackle, die wir in den Freund-Feind-Kontext einordnen müssen. Das bäuerliche Siedler-Leben wiederum wird gepaart mit allerlei technischen Errungenschaften, sodass Schaffarmen, abgestürzte Raumschiffe, Atomfahrräder und Wunderheilverbände oft innerhalb einer einzigen Seite vorkommen. Der Fluch der Viellesenden ist, dass man fast jede Idee, jede mögliche Welt, jede Wendung und jede Figur schon in ähnlicher Weise irgendwo gelesen hat. Einfallsreichtum und Originalität sind demnach zwei sehr entscheidende Kriterien für meine Bewertungen - vor allem in den Genres Fantasy und Science-Fiction. Beurteilt man "Chaos Walking" nur nach diesen beiden Kriterien, sprengt diese verrückte Geschichte über den Gedankenlärm fanatischer Siedler in einer außerirdischen Welt also wohl die Messlatte.

Todd: "Ich habe nur Befehle befolgt", äfft der Bürgermeister mich nach. "Dieser Satz dient Schurken seit ewigen Zeiten als Ausrede."

Patrick Ness erzählt seine Geschichte abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Todd und Viola und nutzt dabei sehr viele direkte Gedanken. die manchmal in langen Satzreihen mit vielen Absätzen oder fließenden Nebensätzen beinahe gedankenstromartig aus dem jungen Erzähler herausströmen. Wie beim "Lärm" - der innovativen, aber gruseligen Grundidee der Geschichte - scheint es hier keinen Filter zu geben, sodass sich die Erzählung sehr erlebnisnah liest, man mit einigen sehr dysfunktionalen, manchmal auch gewalttätigen Gedanken aber auch hadert. Diese Art der Erzählweise reißt zwar mit, man ist dem was passiert aber auch ausgeliefert. Genauso ist es auch mit dem allgemeinen Sprachstil, der recht derb und direkt ist und sich kaum Zeit für Beschönigungen, Erklärungen oder Beschreibungen nimmt. Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass Todd uns LeserInnen an einigen Stellen direkt anspricht, indem er Fragen stellt, sein Verhalten erklärt oder sich rechtfertigt. So ist man schon recht bald in einem Zwiespalt zwischen dem Drang, sich etwas von Handlung und Erzähler zu distanzieren und dem mitreißenden Sog durch die erlebnisnahe Erzählweise. Einige fantastische Horrorelemente - Grusel-Sümpfe, die mystische Überlegenheit Prentiss´, der zombiehafte Spackle 1017 - tun ihr übriges und feuern die mulmige, düstere Atmosphäre weiter an. Man kann also festhalten, dass die Geschichte alles andere als schön zu lesen ist, dabei aber in einem Maße spannend, dass man sich kaum losreißen kann!

Viola: "Der Bürgermeister hat Unrecht. Er wird niemals Recht behalten. Es stimmt nicht, dass man niemals etwas so lieben darf, dass es Macht über einen gewinnt. Im Gegenteil, man muss etwas oder jemanden so sehr lieben, dass nichts anderes Macht über einen gewinnen kann. Das ist keine Schwäche. Es ist die größte Stärke, die man besitzen kann."

Ebenfalls in einen starken Zwiespalt gedrängt haben mich die beiden Hauptprotagonisten, welche von der Handlung stark auf die Probe gestellt werden und deren Sympathiewerte ordentlich ins Wanken gekommen sind. Auch wenn beide einige furchtbare Dinge tun, die ich ihnen nicht verzeihen kann (und sie selbst sich auch nicht) und ich vor allem Todd an einigen Stellen fast gehasst habe, ist es Patrick Ness´ große Stärke, hinterrücks dafür zu sorgen, dass man die Figuren trotz allem lieben muss. Denn all die Verfehlungen, all die Handlungen, all die Entscheidungen, all die Gefühle sind so menschlich und nachvollziehbar geschildert, dass man sich nie ganz sicher sein kann, dass man in der Situation nicht anders gehandelt hätte. Ich denke, dass jeder von uns davon überzeugt ist (oder zumindest stark hofft), in Situationen großer Ungerechtigkeit oder Grausamkeit nicht einfach nur dazustehen, sondern sich laut für die Wahrheit einzusetzen und NEIN zu sagen. Dadurch dass wir Viola und Todd trotz ihrer Fehler und Schwäche verstehen können, stellt genau diese intrinsische Überzeugung aber in Frage, was natürlich unbequem ist und weh tut - aber eben auch dringend notwendig ist, um uns in der Realität vor Gleichmut und Abstumpfung zu schützen. Somit ist "Chaos Walking" auch ein Buch über Freundschaft, über Liebe und über Entscheidungen. Denn egal in welcher Situation wir uns befinden sind es doch unsere Entscheidungen, die uns zu dem machen, was wir sind und schon mit dem Untertitel dieser Fortsetzung mahnt Patrick Ness zur Vorsicht und schreibt jedem einzelnen Verantwortung zu: "Es gibt immer eine Wahl"

Ganz objektiv betrachtet müsste ich der Geschichte für den meisterhaften Schreibstil, die originelle Grundidee, die schneidende Gesellschaftskritik, die irrsinnig hohe Spannung und die menschlichen Figuren, die uns selbst den Spiegel vorhalten also mindestens 4,5 Sterne zuschreiben. Leider funktionieren Rezensionen aber nun mal nicht als rein objektive Einschätzung und da mein subjektiver Eindruck der Geschichte eben auch sehr von Abneigung, Entsetzen und Angst geprägt war, kann ich keine solche Spitzenbewertung für diesen Roman vergeben. "Chaos Walking - Es gibt immer eine Wahl" ist die Art von Geschichte, die man beim Lesen am liebsten an die Wand werfen würde. Alle Figuren sind auf ihre eigene Art und Weise kaputt und deren endloses Leiden fühlt sich vor dem Hintergrund, dass es sich hier um Kinder handelt, noch furchtbarer an. Was Menschen einander antun können ging mir viel zu nahe, hat mich verstört und verängstigt und sich für meinen Geschmack viel zu real angefühlt. Und ja, ich weiß, dass das für die Handlung, für den Schreibstil des Autors und für dessen Art, diese Geschichte zu erzählen spricht, für die Flut an negativen Gefühlen, die beim Lesen bei mir ausgelöst wurde, muss ich aber trotzdem eineinhalb Sterne abziehen.

Da die Geschichte sehr offen und damit auch sehr frustrierend endet, werde ich so bald wie möglich zum Finale greifen und bin schon sehr gespannt, was darin noch auf Todd, Viola und uns zukommt. Band 3, "Chaos Walking - Die Zukunft der Welt" erscheint im Januar 2023, falls ich es bis dorthin nicht aushalte, werde ich wohl einfach zur englischen Ausgabe greifen.

Todd: "Beherrsche deinen Lärm und du beherrschst dich selbst. Und wer sich selbst beherrscht", er schiebt das Kinn vor, "kann die Welt beherrschen".



Fazit:


"Chaos Walking - Es gibt immer eine Wahl" ist eine düstere und vielschichtige Geschichte über Populismus, Gehorsam, Verantwortung, Moral, Macht, Krieg, Genozid, Terrorismus, Menschlichkeit und die Macht unserer Entscheidungen. Objektiv betrachtet müsste ich der Geschichte für den meisterhaften Schreibstil, die originelle Grundidee, die schneidende Gesellschaftskritik, die irrsinnig hohe Spannung und die menschlichen Figuren, die uns selbst den Spiegel vorhalten also mindestens 4,5 Sterne vorschreiben. Subjektiv muss ich jedoch warnen, dass die Geschichte alles andere als schön zu lesen ist und neben einem Gefühl der Faszination auch Entsetzen, Angst und Verstörung in mir ausgelöst hat.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Eine sehr interessante Idee, deren Umsetzung jedoch wenig reizvoll und etwas zäh daherkommt...

Hiding Hurricanes
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Handlung: Nachdem mich Band 2 der "Fletcher University Reihe" von Tami Fischer weit mehr überzeugen konnte als Band 1, hatte ich große Hoffnungen in Band 3 gesetzt. Leider konnte mich die Geschichte um ...

Handlung: Nachdem mich Band 2 der "Fletcher University Reihe" von Tami Fischer weit mehr überzeugen konnte als Band 1, hatte ich große Hoffnungen in Band 3 gesetzt. Leider konnte mich die Geschichte um Lenny und Creed nur mäßig packen, da "Hiding Hurricanes" deutlich weniger spannend, mitreißend und atmosphärisch ist, als die Grundidee versprach. Denn der Gedanke, den "Friends to lovers"-Trope mit einer Zwei-Identitäts-Geschichte rund um das Thema Tanzen und Stripclub zu mischen, hätte wahnsinnig interessant sein können. Statt wie in Band 2 eine irrsinnige Chemie und Spannung zwischen den Figuren aufzubauen, beschert uns die Handlung jedoch nur jede Menge emotionales Hin und Her, welches etwa 200 Seiten lang trägt, bevor man fast ein wenig genervt davon ist. Gerade im Mittelteil gibt es viele Wiederholungen von ähnlichen Szenen und dadurch, dass die Konflikte sich auf genau das beschränkt, was schon nach dem Lesen den Klapptextes absehbar war, schleppt sich die Geschichte ein wenig träge dahin.

Figuren:
Auch die beiden Hauptfiguren konnten meine Erwartungen leider nicht ganz erfüllen. Lenny war mir zwar grundsätzlich sympathisch und auch ihr Konflikt rund um ihre beiden Identitäten wurde glaubhaft vermittelt. Neben der Tatsache, dass sie sehr lange für ihre Erkenntnisse braucht, hat mich aber ... -nennen wir es mal ganz wertfrei- "überrascht", dass sie weitaus weniger taff und dafür deutlich verletzlicher auftrat, als ich das nach den anderen Bänden angenommen hatte. Das ist überhaupt kein Problem, ich fand es jedoch etwas schwierig, das hier von ihr präsentierte Bild mit dem Eindruck zu vereinbaren, welchen ich nach Band 1 und 2 von ihr hatte.
Auch mein Bild von Creed wurde hier nicht unbedingt bestätigt. Zunächst muss ich anmerken, dass er als Love Interest generell sehr blass bleibt. Wichtige Informationen zu ihm erhalten wir erst in den letzten zwei Kapiteln, was den Effekt hatte, dass er bis zum Ende kaum einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen konnte, als Figur wenig greifbar war und in meinem Kopf mit vielen anderen Love Interrests verschwamm. Neben dem Fakt, dass er sehr blass blieb, fand ich es auch einfach unglaubwürdig, dass Creed Lenny nicht schon viel früher in Daisy erkennt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Creed in den anderen Bänden als sehr aufmerksamer Beobachter und sensibler Freund aufgetaucht ist, wäre die Offenlegung ihrer Rolle in meinen Augen spätestens ab ihrer Begegnung hinter dem Club überfällig gewesen. Dass er hier 400 Seiten lang mit einem derartigen Brett vor dem Kopf umherstolziert, fand ich schlichtweg realitätsfern, was zu einem künstlichen In-die-Länge-ziehen des Konflikts geführt hat.
Kritisieren muss ich hier ebenfalls, dass die Kapitelübergänge zum Teil sehr holprig waren und sich mir nicht immer offenbart hat, weshalb nun wer erzählen darf. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Lenny, Daisy und Creed, wobei vor allem letzterer sehr wenig Raum bekommt und eigentlich nur bei ergänzenden Handlungssträngen zu Wort kommt. Es gab mehrere Szenen, bei denen ich am Kapitelende fest davon ausgegangen bin, dass nun aus Creed Perspektive an das Geschehen angeknüpft werden würde und fast entsetzt war, dass ein Zeitsprung zu einer ganz anderen Szene folgte.
Schade ist auch, dass die Freundesgruppe aus Lennys Sicht sehr oberflächlich erschien. Gerade Ella, Summer und Savannah waren hier kaum mehr als zum Leben erweckte Klischees. Nebenfiguren, die etwas mehr Substanz bekommen haben sind hier Alma, Vince und mein persönliches Highlight - die Stripperin Gigi.

Schreibstil:
Den ansonsten eher mittelprächtigen Gesamteindruck ordentlich aufpoliert hat wieder Tami Fischers flüssiger, humorvoller und emotionaler Schreibstil. Die Dialoge sind knackig, Popkulturreferenzen und Anspielungen erweichen das Nerdherz, in den romantischen Szenen knistert es ordentlich und neben lockerer Romantik rockt "Hiding Hurricanes" auch ernstere, tiefgründigere Szenen. Auch wenn mich diese Geschichte also nicht so sehr überzeugen konnte wie die Vorgänger, werde ich allein wegen Tami Fischers süchtigmachender Art zu Schreiben nach den beiden übrigen Bänden der Reihe greifen und Savannahs und Summers Geschichten lesen.


Die Zitate

"Die Musik leitete mich durch die Schritte. Es waren rhythmische, betörende Bewegungen. Verführerisch und geheimnisvoll. Glück durchströmte mich, während ich mich um die Stange herum, von ihr weg und wieder zurück bewegte. Die Bühne war mein Reich, und ich kostete all den Platz voll und ganz aus. Hier oben war ich in meinem Element. Jede Show war wie ein Theaterstück, in welchem ich Hauptrolle, Regie und Drehbuch selbst in der Hand hatte. Es waren wortlose Geschichten voller Sehnsucht, Lust und Geheimnisse."

"Wir alle haben Angst. Das Entscheidende ist, was wir daraus machen."


Das Urteil


"Hiding Hurricanes" dreht sich um eine grundsätzlich sehr interessante Idee, deren Umsetzung jedoch wenig reizvoll und etwas zäh daherkommt. Auch wenn mich die Figuren und die Handlung weniger überzeugen konnten als in Band 2, sichert aber Tami Fischers Schreibstil den Unterhaltungsfaktor!

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Eine sehr interessante Idee, deren Umsetzung jedoch wenig reizvoll und etwas zäh daherkommt...

Hiding Hurricanes
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Handlung: Nachdem mich Band 2 der "Fletcher University Reihe" von Tami Fischer weit mehr überzeugen konnte als Band 1, hatte ich große Hoffnungen in Band 3 gesetzt. Leider konnte mich die Geschichte um ...

Handlung: Nachdem mich Band 2 der "Fletcher University Reihe" von Tami Fischer weit mehr überzeugen konnte als Band 1, hatte ich große Hoffnungen in Band 3 gesetzt. Leider konnte mich die Geschichte um Lenny und Creed nur mäßig packen, da "Hiding Hurricanes" deutlich weniger spannend, mitreißend und atmosphärisch ist, als die Grundidee versprach. Denn der Gedanke, den "Friends to lovers"-Trope mit einer Zwei-Identitäts-Geschichte rund um das Thema Tanzen und Stripclub zu mischen, hätte wahnsinnig interessant sein können. Statt wie in Band 2 eine irrsinnige Chemie und Spannung zwischen den Figuren aufzubauen, beschert uns die Handlung jedoch nur jede Menge emotionales Hin und Her, welches etwa 200 Seiten lang trägt, bevor man fast ein wenig genervt davon ist. Gerade im Mittelteil gibt es viele Wiederholungen von ähnlichen Szenen und dadurch, dass die Konflikte sich auf genau das beschränkt, was schon nach dem Lesen den Klapptextes absehbar war, schleppt sich die Geschichte ein wenig träge dahin.

Figuren:
Auch die beiden Hauptfiguren konnten meine Erwartungen leider nicht ganz erfüllen. Lenny war mir zwar grundsätzlich sympathisch und auch ihr Konflikt rund um ihre beiden Identitäten wurde glaubhaft vermittelt. Neben der Tatsache, dass sie sehr lange für ihre Erkenntnisse braucht, hat mich aber ... -nennen wir es mal ganz wertfrei- "überrascht", dass sie weitaus weniger taff und dafür deutlich verletzlicher auftrat, als ich das nach den anderen Bänden angenommen hatte. Das ist überhaupt kein Problem, ich fand es jedoch etwas schwierig, das hier von ihr präsentierte Bild mit dem Eindruck zu vereinbaren, welchen ich nach Band 1 und 2 von ihr hatte.
Auch mein Bild von Creed wurde hier nicht unbedingt bestätigt. Zunächst muss ich anmerken, dass er als Love Interest generell sehr blass bleibt. Wichtige Informationen zu ihm erhalten wir erst in den letzten zwei Kapiteln, was den Effekt hatte, dass er bis zum Ende kaum einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen konnte, als Figur wenig greifbar war und in meinem Kopf mit vielen anderen Love Interrests verschwamm. Neben dem Fakt, dass er sehr blass blieb, fand ich es auch einfach unglaubwürdig, dass Creed Lenny nicht schon viel früher in Daisy erkennt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Creed in den anderen Bänden als sehr aufmerksamer Beobachter und sensibler Freund aufgetaucht ist, wäre die Offenlegung ihrer Rolle in meinen Augen spätestens ab ihrer Begegnung hinter dem Club überfällig gewesen. Dass er hier 400 Seiten lang mit einem derartigen Brett vor dem Kopf umherstolziert, fand ich schlichtweg realitätsfern, was zu einem künstlichen In-die-Länge-ziehen des Konflikts geführt hat.
Kritisieren muss ich hier ebenfalls, dass die Kapitelübergänge zum Teil sehr holprig waren und sich mir nicht immer offenbart hat, weshalb nun wer erzählen darf. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Lenny, Daisy und Creed, wobei vor allem letzterer sehr wenig Raum bekommt und eigentlich nur bei ergänzenden Handlungssträngen zu Wort kommt. Es gab mehrere Szenen, bei denen ich am Kapitelende fest davon ausgegangen bin, dass nun aus Creed Perspektive an das Geschehen angeknüpft werden würde und fast entsetzt war, dass ein Zeitsprung zu einer ganz anderen Szene folgte.
Schade ist auch, dass die Freundesgruppe aus Lennys Sicht sehr oberflächlich erschien. Gerade Ella, Summer und Savannah waren hier kaum mehr als zum Leben erweckte Klischees. Nebenfiguren, die etwas mehr Substanz bekommen haben sind hier Alma, Vince und mein persönliches Highlight - die Stripperin Gigi.

Schreibstil:
Den ansonsten eher mittelprächtigen Gesamteindruck ordentlich aufpoliert hat wieder Tami Fischers flüssiger, humorvoller und emotionaler Schreibstil. Die Dialoge sind knackig, Popkulturreferenzen und Anspielungen erweichen das Nerdherz, in den romantischen Szenen knistert es ordentlich und neben lockerer Romantik rockt "Hiding Hurricanes" auch ernstere, tiefgründigere Szenen. Auch wenn mich diese Geschichte also nicht so sehr überzeugen konnte wie die Vorgänger, werde ich allein wegen Tami Fischers süchtigmachender Art zu Schreiben nach den beiden übrigen Bänden der Reihe greifen und Savannahs und Summers Geschichten lesen.


Die Zitate

"Die Musik leitete mich durch die Schritte. Es waren rhythmische, betörende Bewegungen. Verführerisch und geheimnisvoll. Glück durchströmte mich, während ich mich um die Stange herum, von ihr weg und wieder zurück bewegte. Die Bühne war mein Reich, und ich kostete all den Platz voll und ganz aus. Hier oben war ich in meinem Element. Jede Show war wie ein Theaterstück, in welchem ich Hauptrolle, Regie und Drehbuch selbst in der Hand hatte. Es waren wortlose Geschichten voller Sehnsucht, Lust und Geheimnisse."

"Wir alle haben Angst. Das Entscheidende ist, was wir daraus machen."


Das Urteil


"Hiding Hurricanes" dreht sich um eine grundsätzlich sehr interessante Idee, deren Umsetzung jedoch wenig reizvoll und etwas zäh daherkommt. Auch wenn mich die Figuren und die Handlung weniger überzeugen konnten als in Band 2, sichert aber Tami Fischers Schreibstil den Unterhaltungsfaktor!

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Atmosphärisch, aber leider ein bisschen zu undurchsichtig!

The Beautiful
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Mit "The Beautiful - Tödliche Dämmerung" startet eine brandneue vierbändige Reihe aus der Feder von Renée Ahdieh, welche mich vor allem mit ihrer Dilogie um "Zorn und Morgenröte" und "Rache und Rosenblüte" ...

Mit "The Beautiful - Tödliche Dämmerung" startet eine brandneue vierbändige Reihe aus der Feder von Renée Ahdieh, welche mich vor allem mit ihrer Dilogie um "Zorn und Morgenröte" und "Rache und Rosenblüte" überzeugen konnte. In Band 1 und 2 der "Der Hof der Löwen"-Reihe geht es um die hier vorgestellte Protagonistin Celine, während sich Band 3 und 4 um Celines Freundin Pippa drehen wird. Doch egal mit welcher Protagonistin - die Autorin entführt hier in ein düsteres, magisches New Orleans im späten 19. Jahrhundert, welches von Kreaturen wie Vampiren, Werwölfen, Dämonen und anderen Nachtwesen der Anderswelt heimgesucht wird und bereitet so abermals die Bühne für eine historische Romantasy-Geschichte. Leider konnte dieser Auftakt trotz düsterer Atmosphäre, einem lebendigen Setting, einem tollen Schreibstil und einer starken Hauptfigur nicht ganz halten, was die tollen Zutaten versprachen...

"Liebe ist, jemanden anzusehen, als würden Sterne in seinen Augen leuchten."

Das beginnt schon mit dem Cover: der dunkle Hintergrund, der umgeschüttete Kelch, aus dem sich blutrote Rosenblätter ergießen und der geschwungene weiße Titel sollten eigentlich in Kombination ein düsteres, sinnliches Gesamtbild ergeben, aber leider wirkt die Komposition in meinen Augen zwar interessant, aber ein wenig unfertig und unrund. Rein aufgrund des Covers hätte ich diese Geschichte wohl nicht zur Hand genommen - da musste ich erst von Klapptext und dem Namen der Autorin überzeugt werden. Positiv sticht an der Gestaltung nur die integrierte Karte des French Quarters in New Orleans hervor, welche sowohl in roter Farbe in den beiden Leselaschen als auch in Schwarz-Weiß-Druck vor den ersten Kapiteln zu finden ist.

Erster Satz: "New Orleans ist eine Stadt, die von den Toten regiert wird."

Auch die Geschichte an sich liest sich genau wie das Cover aussieht: durchaus interessant, aber ein bisschen unfertig und unrund. Der Einstieg erfolgt mit der Ankunft der jungen Celine Rousseau in New Orleans, die in den Armen der Kirche einen Neuanfang sucht, nachdem sie ein grauenvolles Ereignis aus Paris vertrieben hat. Schon gleich an ihrem ersten Abend in der "Crescent City" ereignet sich ein grauenvoller Mord an den Docks, der schon bald zu einer blutigen Serie werden soll, die seltsamerweise mit ihr zusammenzuhängen scheint. Spätestens nach der vierten Leiche, die direkt in ihrer Nähe gefunden wird, ist klar: der Mörder hat es auf Celine abgesehen. Doch liegt es an der Bekanntschaft des einflussreichen Sébastien Saint Germains und dessen "Hof der Löwen", an dem einiges nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheint, oder klebt der Tod seit jenem schicksalshaften Moment in Paris an ihr, als sie mit einem Kristalllüster in der Hand zur Mörderin wurde...?

"Sie wollte sein wie ein Geist in der Nacht, der allen anderen um sich herum wortlos Befehle erteilte. In diesem Moment glaubte Celine, eine Ahnung davon zu haben, wie es sein musste, ein Monster zu sein. Monströse Taten zu begehen. Sich monströse Dinge herbeizusehen. In der Dunkelheit zu schwelgen."

Die Autorin lässt uns Celines Erlebnisse aus der Sicht eines personalen Er-Erzählers beobachten, welcher ab und an zwischen Celine und Sébastien wechselt und in eine rauschartige, sündhafte Parallelwelt führt, in die ein Krimiplot eingeflochten wurde. Unterbrochen wird diese Haupterzählung immer wieder durch Passagen aus der Perspektive eines unbekannten Ich-Erzählers, welcher sich schon bald als für die Mordserie verantwortlich offenbart. Um wen es sich hierbei handelt, ist natürlich die große Frage der Erzählung und das wichtigste spannungsgebende Element. Tatsächlich blieb mir bis zum Ende rätselhaft, wer hinter den Morden stecken könnte. Obwohl es natürlich erstmal positiv anzumerken ist, dass mich die Enthüllung sehr überrascht hat (was nicht oft vorkommt, ich habe in den allermeisten Fällen einen guten Riecher für Krimigeschichten), ist diese überraschende Wendung weniger auf Renée Ahdiehs geschicktes Versteckspiel, sondern eher auf die generelle Unübersichtlichkeit und Verwirrung der Handlung zurückzuführen.

"Deine Welt ist wunderschön, Bastien. Ich wünschte, ich könnte darin bleiben."
"Ich auch."
Bei diesen Worten entzog Celine ihm ihre Hand, wobei ihre Fingerspitzen den Kontakt eine Sekunde länger als notwendig hielten. Danach drehte sie sich zum Konvent um und stellte erstaunt fest, dass es möglich war, gleichzeitig froh und am Boden zerstört zu sein."

Trotzdass ich mich schon nach wenigen Seiten in die geheimnisvolle Atmosphäre der Geschichte und das bunte, pulsierende Setting verliebt habe, muss ich nämlich leider sagen, dass mit der rätselhaften Atmosphäre auch eine Menge Verwirrung und Enttäuschung einhergeht. Statt uns zusammen mit Celine immer mehr auf- und entdecken zu lassen, behält die Autorin bis zum Ende verklärende Metaphern bei und lüftet den Schleier über der Magie nur für vage Andeutungen. Wer sich hier also auf eine komplexe Vampirgeschichte gefreut hat, wird wohl enttäuscht werden. Das magische Worldbuilding ist hier in dem Sinne kaum vorhanden, als dass wir über die Fronten der Fantasywelt und das Magiesystem so gut wie keine Informationen erhalten. An einigen Stellen werden zwar Worte wie "Mentalisten", "Gefallene" und die "Bruderschaft" fallen gelassen und als aufmerksame/r LeserIn kann man sich nach einigen hundert Seiten auch erschließen, dass es sich hier um Variationen von Werwölfen und Vampiren handelt, aber wer nun genau was ist und mit wem verfeindet ist und wieso bleibt sehr undurchsichtig und ist auch nach dem Ende der Geschichte nur schwer zu sagen.

"Ein glänzender schwarzer Einspänner hielt direkt von dem Eisentor des Konvents. Auf der Tür prangte das Symbol einer Lilie im Maul eines brüllenden Löwen. Celine erlaubte sich einen Augenblick lang die Hoffnung, ein breitschultriger junger Mann mit Augen wie geschliffene Dolche und einer markanten Kinnpartie könnte dem Gefährt entsteigen. Sie wagte zu träumen, dass er ihr diese verzauberte Kutsche schenkte, die sie ans andere Ende der Welt bringen konnte. Dass er ihr sagte, sie könne hingehen, wo immer sie hinwolle. Dass er ihr schwor, ihr zu folgen, sogar in die Hölle. Lächerlich. Es sollte keinen Mann erfordern, ihr diese Art von Freiheit zu schenken. Celine sollte in der Lage sein, sie sich selbst zu nehmen (...) Die Märchen aus ihrer Kindheit waren nichts als Lügen gewesen."


Grundsätzlich finde ich es nicht schlecht, wenn man sich beim Lesen vieles selbst zusammenreimen muss und nicht alles auf dem Silbertablett präsentiert bekommt. Hier fehlten mir aber so viele essenzielle Informationen, sodass ich mich nicht so ganz in die Handlung fallen lassen konnte. Das sieht man beispielsweise an der Romanze zwischen Celine und Sébastian, welche wahnsinnig viel Potenzial hat, aber vor allem dadurch ausgebremst wird, dass wir bis kurz vor Schluss nicht einschätzen können, wer oder was er genau ist und in welchem Zusammenhang er mit den Morden steht. Das sorgt zwar für Spannung, verhindert aber auch, dass wir uns beim Lesen auf die Liebesgeschichte einlassen können. So bleibt Bastien leider trotz vieler toller Ansätze seinem Spitznamen "Le Fantôme" treu und ist weniger ein greifbarer Charakter als ein geheimnisvolles Phantom. Als wäre diese Situation nicht schon frustrierend genug, lässt die Autorin dann mit dem Detective Michael auch noch einen zweiten Mann mit unklarem Hintergrund auftauchen und verwickelt Celine somit auch noch in ein Liebesdreieck.

"Zorn dauert einen Augenblick. Reue hält ewig. Celine hatte schon genug zu bereuen. Wegzulaufen wie ein Opfer sollte nicht auch noch dazugehören. Sie war kein Opfer. Sie war eine Überlebende."

Auch das Setting wurde leider weniger mit eingebunden, als ich das erwartet, oder gehofft hatte. Die Handlung pendelt eigentlich fast nur zwischen dem "Hof der Löwen" über dem Restaurant Jaques´, dem Polizeirevier und dem Ursulinenkonvent hin und her. Zeit, zusammen mit Celine die Stadt zu erkunden, die Karnevalsumzüge zu besuchen und ganz in die schillernde Unterwelt der Stadt einzutauchen bekommen wir leider gar nicht. Da wir es hier mit dem Auftakt einer Reihe zu tun haben, hoffe ich natürlich sehr, dass sowohl auf das Setting als auch auf das Worldbuilding inklusive Vampir-Motiv in den folgenden Bänden mehr eingegangen wird. Hätte die Autorin ihrem Setting dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet, mit der sie hier die Kleidung und das Aussehen ihrer Figuren beschreibt, hätte ich die Geschichte wohl kaum aus der Hand legen können... Etwas schade ist auch, dass viele der hier vorkommenden französischen (teilweise vereinzelt auch italienischen und spanischen) Aussprüche nicht übersetzt und somit nur beizeiten im Zusammenhang verständlich sind. Mit guten Sprachkenntnissen kann man das als anregend empfinden, ohne diese geht beim Lesen leider etwas verloren.

"Er war fast schon schmerzhaft schön. Nicht wie ein Kunstwerk oder ein Gedicht, sondern eher auf gewalttätige Art und Weise: wenn ein Anblick einen Menschen packte und nicht mehr losließ. Wie ein Gewitter hinter einer Wolkenbank. Eine Welle, die ans Ufer schlug. Eine Erinnerung, dass das ganze Leben nur ein einzelner Moment in der Zeit war. Dass man jede Sekunde davon genießen sollte."


Sehr gefreut hat mich hingegen, dass in "The Beautiful" nicht nur Renée Ahdiehs typischer mit Metaphern und Wortbildern angereicherter Schreibstil, sondern auch ihre weibliche Hauptfigur wunderbar zur Geltung kommen. Genau wie schon bei Shahrzad aus ihrer 1001-Nacht-Reihe hat sie es wieder geschafft, eine Figur zu erschaffen, welche ihrer Zeit in gewisser Hinsicht weit voraus ist, aber dennoch auf glaubwürdige Art und Weise mit den Einschränkungen der Gesellschaft kämpft. Celine ist leidenschaftlich, mutig, entschlossen, selbstbewusst und trägt auch eine dunkle Seite in sich, womit sie in kürzester Zeit mein Herz im Sturm erobert hat. Andere Figuren hatten es da schon schwerer und litten ebenfalls unter der Undurchsichtigkeit der Handlung. Dennoch hat Renée Ahdieh mit Celines Freundinnen aus dem Konvent, Sébastians Freunden vom Hof der Löwen und den Polizisten der New Orleans Metropolitan Police einen ganzen Strauß an interessanten (und ganz dem Titel folgend vergleichsweise übertrieben schönen) Nebenfiguren geschaffen, über die man gerne mehr erfahren will. Besonders die rätselhafte Odette und Celines Freundin Pippa konnten mich sehr überzeugen und unterstrichen trotz meiner leicht enttäuschten Erwartungen, welch großes Potential die Geschichte hat, sodass ich nun sehr auf Band 2 gespannt bin und diesen auch unbedingt lesen möchte, wenn er am 30. Juni 2022 erscheint!

"Celine war durch und durch das Mädchen im edelsteinfarbenen Kleid, das sich nach der liebevollen, fröhlichen Atmosphäre eines Nachmittagstees sehnte. Ebenso war sie aber auch das Mädchen in Schwarz, dessen Herz von Mondlicht erfüllt war und das einen Mörder zur Strecke bringen wollte. Konnten diese beiden gegensätzlichen Kräfte überhaupt in derselben Seele existieren? (...) Das Beste, was sie tun konnte, war zu hoffen. Denn Hoffnung war schließlich eine eigene Art von Magie."




Fazit:


Renée Ahdieh entführt hier in ein düsteres, magisches New Orleans im späten 19. Jahrhundert, welches von Kreaturen wie Vampiren, Werwölfen, Dämonen und anderen Nachtwesen der Anderswelt heimgesucht wird und bereitet so die Bühne für eine historische Romantasy-Reihe. "The Beautiful" glänzt mit einer düsteren Atmosphäre, einem lebendigen Setting, einem tollen Schreibstil, einer starken Hauptfigur und einer prickelnden Liebesgeschichte. Trotz der tollen Zutaten bleibt aufgrund des vagen Worldbuildings und der vielen bis zum Ende unbeantworteten Fragen jedoch ein gemischter Eindruck zurück.

Ich wollte es wirklich lieben, aber mehr als mittelmäßig begeisterte 3,5 Sterne mit leichter Aufwärtstendenz kann ich jedoch leider nicht vergeben...

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Veröffentlicht am 21.03.2022

Ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt

Blossom
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"Blossom" ist der Auftakt einer neuen College-Romance-Dilogie, die heute ihren Erscheinungstermin feiert. Da das Bloggerportal mir schon letzte Woche ein Exemplar zugeschickt hat, kann ich heute pünktlich ...

"Blossom" ist der Auftakt einer neuen College-Romance-Dilogie, die heute ihren Erscheinungstermin feiert. Da das Bloggerportal mir schon letzte Woche ein Exemplar zugeschickt hat, kann ich heute pünktlich zum Buchgeburtstag meine Meinung verkünden. In meinen Augen ist "Blossom" ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt mit leichten Schwächen gegen Ende.

Doch beginnen wir beim Cover. Zu sehen ist eine rot-violette Farbexplosion, deren Formen entfernt an eine Blüte erinnert und damit perfekt zum Titel passt. Am besten gefällt mir an der Gestaltung jedoch die metallic-schimmernde Oberfläche des Covers, welches die Farben leuchten und das Buch aus jeder Perspektive und bei jedem Licht strahlend und hochwertig aussehen lässt. Der Titel, "Blossom", klingt auf den ersten Blick sehr süß und einfach, hinterlässt nach dem Lesen jedoch einen bitteren Geschmack auf der Zunge, da sich hinter dem vermeintlich simplen Wort eine dunkle Geschichte verbirgt...


Erster Satz: "Habt Ihr alles?", frage ich und zerzause meinen Geschwistern das blonde Haar."


Die Geschichte beginnt wie eine typische NA-Romanze. In spritzigem, lockeren Erzählton stellt Amelia Cadan ihre beiden auf dem Campus berühmten Hauptfiguren während des Beginns des neuen Semesters vor und lässt sie als Dates einer Gala das erste Mal aufeinandertreffen. Während Leith vor allem im Doppelpack mit seiner Ex-Langzeitfreundin Ella bekannt ist, ist Jun ein aufgehender Stern am Schauspielhimmel. Keiner weiß jedoch, dass sie auch außerhalb des Theaters ständig eine Rolle zu spielen hat und nie wäre sie darauf gekommen, dass ausgerechnet der Golden Boy der Baseballmannschaft Leith es vermag, hinter diese Fassade zu blicken...

Nach den ersten beiden Kapiteln hatte ich mit einer Enemies-to-Lovers-Geschichte á la L.J. Shen gerechnet, in dem sich die doch sehr unterschiedlichen Figuren ordentlich aneinander reiben. Schnell wurde jedoch klar, dass die Autorin mit ihrem Auftakt in eine ganz andere Richtung geht. Die Klischees des goldenen Baseballstars und der Eisprinzessin werden schon bald aufgeweicht und wir erkennen, dass sich hinter Juns eisiger Fassade der verzweifelte Versuch, den Schein aufrechtzuerhalten und der Außenwelt nicht zu zeigen, was bei ihr zuhause los ist, verbirgt, während Leith alles andere als ein Aufreißer ist und sich nach nichts mehr sehnt, als einer festen Beziehung. Da auch die beiden vom jeweils anderen überrascht sind, verläuft die Annäherung relativ schnell und wir können den beiden zusehen, wie sie sich in einem Zeitraum von wenigen Tagen ineinander verlieben. Besonders im Mittelteil konnte mich die Chemie der beiden sehr gut erreichen und die Lovestory hat irrsinnig viel Spaß gemacht! Statt Feindseligkeit und Fremdheit können wir hier beobachten, wie die beiden sich füreinander öffnen und Jun in Leith einen überraschenden sicheren Hafen findet.


Jun: "Mir ist schlecht. Die gute Art von schlecht. Gut-schlechte Art von schlecht. Die Art, bei der man sich fühlt, als flatterten einem eine Million wild gewordener Schmetterlinge im Magen herum, deren Flügelschläge bis in die eigenen Fingerspitzen hinein zu spüren sind und einem die Gedanken durcheinanderwirbeln."


Begleitet wird die Liebesgeschichte durch einen modernen Schreibstil mit vielen englischen Ausdrücken und großartigem Humor. Eigentlich finde ich es eher anstrengend, wenn zu viele fremdsprachige Ausdrücke oder Jugendsprache verwendet wird. Da die Geschichte jedoch auf einem amerikanischen College angesiedelt ist und die genutzte Sprache gut zu den beiden Figuren passt, hat es mich hier nicht gestört. Man merkt dem Schreibstil übrigens auch überhaupt nicht an, dass es sich hier um Amelia Cadans Debüt handelt. Im Gegenteil - die Art und Weise, wie die Autorin die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren prägnant und einfach auf den Punkt bringt, wirkte sehr routiniert und hat mir sehr gut gefallen. Leith und Jun dürfen hier abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählen und sind mir auf diese Weise sehr schnell ins Herz gewachsen. Während Jun hier ganz schön zu kämpfen hat und vor allem Mitleid, aber auch Bewunderung in uns LeserInnen hervorruft, machte sich Leith durch sein großes Herz, seine Verletzlichkeit und Authentizität unentbehrlich. Natürlich kann man kritisieren, dass ihm vielleicht ein paar Ecken und Kanten fehlen, aber alles in allem ist er ein wunderbarer Bookboyfriend, der durch die Abwesenheit eigener Probleme genügend Raum lässt, damit Juns ausreichend ausgebreitet werden können.

Und das ist auch dringend notwendig, denn neben der Liebesgeschichte steht nicht nur die Tablettenabhängigkeit von Juns Mutter und deren Auswirkungen auf die Familie im Vordergrund - "Blossom" wagt auch eine überraschend intensive Auseinandersetzung mit der #MeToo-Bewegung. Diesen thematischen Fokus hätte ich unter dem Tarnmantel einer College-Romance so nicht erwartet und war doppelt überrascht, da dies auch im Klapptext mit keinem Wort erwähnt wird. In meinem Fall handelte es sich jedoch um eine absolut positive Überraschung, da mir sehr gut gefallen hat, wie die Autorin verschiedene Perspektiven beleuchtet, für das Thema sensibilisiert und ihrer Erzählung damit überraschend viel Tiefe verleiht. Da das aber sicherlich nicht für alle LeserInnen gilt und einige der geschilderten Szenen verstörend oder triggernd wirken können, hätte ich mir hier definitiv eine Triggerwarnung gewünscht.


Leith: "Irgendwann sind Juns Tränen gefroren. Sie hat jede einzelne genommen, Eisblöcke daraus geformt und damit eine Mauer um sich errichtet."


Ich halte also schon mal fest, dass die Geschichte eine süße, aber prickelnde Lovestory bereithält und einen überraschenden thematischen Fokus setzt. Weniger gut gefallen hat mir an "Blossom" leider das Ende. Das lag nicht nur daran, dass Leiths Fehler, der zum großen, unvermeidlichen Prä-Happy-End-Drama führt, absolut dämlich ist und mich nicht nur zum genervten Augenrollen gebracht, sondern ihn auch ein paar Sympathiepunkte gekostet hat, sondern vor allem daran, dass die bis zu diesem Zeitpunkt sehr engmaschige Erzählung durch große Zeitsprünge ausgedünnt wird. Während zuvor in wenigen Tagen das Gerüst einer Beziehung aufgebaut wurde, wagt die Autorin hier gleich zwei große Zeitsprünge, sodass uns insgesamt ganze 12 Monate fehlen. Das führt dazu, dass wir wichtige Entwicklungen nicht mitbekommen und das Happy End ein wenig überzogen wirkt (denn können 12 Monate Drama und Trennung wirklich gegen wenige Tage Liebe bestehen....?). Trotzdass mich das Ende nicht komplett überzeugen konnte, bin ich nun sehr gespannt auf den zweiten Band der Dilogie, in dem es um Leiths besten Freund Ryder und seine kleine Schwester Lizzy gehen wird, welche mir in "Blossom" beide schon sehr ans Herz gewachsen sind.



Fazit:


"Blossom" ist ein überraschend tiefgründiges und sehr unterhaltsames New Adult Debüt mit leichten Schwächen gegen Ende. Ich bin schon sehr gespannt auf Band 2!

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