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Veröffentlicht am 03.09.2021

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman!

Poet X
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Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ...

Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ich habe mich ganz asozial draufgestürzt, als ich es zwischen ein paar Kinderbüchern entdecket habe und kann nicht garantieren, dass umstehende potentielle Konkurrenten keinen Rempler bekommen haben - aber was tut man nicht alles für günstige Bücher, muhahaha). Als ich "Poet X" dann gelesen habe, konnte ich kaum glauben, was mir die ganze Zeit über entgegen ist. Denn Elizabeth Acevedo erzählt hier kraftvoll, lebendig und wütend von Rassismus, Religion, Sexualität, Erwachsenwerden, erster Liebe, Freundschaft, Familie und dem Finden der eigenen Stimme. Aus der Ich-Perspektive geschrieben sind wir dabei sehr nah an unserer Protagonistin und begleiten sie durch ihren Alltag - die Schule, den Kommunionsunterricht, das Familienleben - und auch durch diverse Konflikte und Abgründe, die sich auftun, als sie beginnt, für das zu kämpfen, was sie ist: eine Poetin.

Schreibstil: Betrachtet man nur die sich hier abzeichnende Handlung und die Themen, hätte Elizabeth Acevedo also auch einen durchschnittlichen Coming-of-Age-Roman erzählen können, in dem die Protagonisten wie viele Leidensgenossen ihres Alters nach Freiheit und Selbstverwirklichung streben. Wodurch sich "Poet X" von anderen Jugendromanen abhebt, ist die Erzählweise. Die Autorin erzählt Xiomaras Geschichte in Form von 240 kurzen Gedichten, die eingeteilt in drei größere Abschnitte fließend ineinander übergehen. Dabei variieren Form, Stil, Anordnung auf der Seite und teilweise auch die Sprache - der grundsätzliche Erzählton bleibt jedoch gleich und die Energie, Wut und Vitalität, die von den wenigen Zeilen ausgeht, haben mich laufend beeindruckt. Man muss sich zwar erstmal auf das ungewöhnliche Format einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz. Dabei ist anzumerken, dass die Übersetzung durch die deutsche Poetry-Slammerin Leticia Wahl wirklich außerordentlich gut gelungen ist, ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch in Originalsprache nochmal deutlich mehr Kraft entfaltet.

Figuren: Hervorsticht vor allem die Hauptfigur Xiomara, deren Name "eine, die zum Kämpfen bereit ist" bedeutet und die mit ihren knapp 16 Jahren auch schon eine Menge kämpfen musste. Sie schwingt nicht nur auf den Straßen von New York für ihren zarten, nerdigen Zwillingsbruder regelmäßig die Fäuste und muss sich gegen sexualisierte Übergriffe wehren, seit sie eine üppige Figur bekommen hat, sondern steht auch im Konflikt zur strengen religiösen Erziehung ihrer Mutter, die aus dem Wildfang am liebsten eine Nonne machen würde. Aus der dominikanischen Republik stammend ist sie eine dunkelhäutige Latina und entspricht damit ganz und gar nicht der durchschnittlichen YA-Protagonistin. Und genau das war es, was Elizabeth Acevedo nach eigenen Angaben dazu gebracht hat, diese Geschichte zu schreiben: als eine Schülerin zu ihr sagte "keines dieser Bücher handelt von uns. Wo sind die Bücher über uns?" und damit anprangerte, dass auch in Büchern die Sichtbarkeit von farbigen Menschen viel zu gering ist.



Die Zitate:


"Vielleicht ist es das, was Freundschaft ausmacht.
Man hilft sich täglich gegenseitig,
die beste Version seiner selbst zu sein,
schafft einen Ort, eine Zuflucht, ein Zuhause,
wenn man es woanders verloren hat."

“Hoffnung ist das Ding mit Federn.
Und auch wenn ich zweifele, dringt sie doch flatternd in die Ecken meines Körpers“

"Sein Grinsen wirkt auf einmal traurig,
und ich denke an all die Dinge, die wir sein könnten,
wenn uns niemand sagte, unsere Körper seien dafür nicht gemacht."

"Mein Herz ist eine Hand,
die sich langsam
zu einer Faust ballt.
Es ist eine schrumpfende Rosine.
Gekrümmte Finger,
die keine andere Hand finden,
die sie hält.
Bis sie merken,
sie schneiden sich
ins eigene Fleisch."

"Wäre mein Körper eine Flasche Mineralwasser,
dann eine, die kräftigt geschüttelt wurde,
die jeden Moment explodieren kann
und die ganze Welt
schwallartig überrascht."

"Es war nur ein Gedicht, Xiomara", denke ich.
Doch es fühlt sich an
wie ein Geschenk."




Fazit
:

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman, der mit einer kämpferischen Protagonistin, wichtigen Themen und einer poetischen Erzählweise besticht. Zwar muss man sich auf das ungewöhnliche Format erstmal einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.09.2021

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman!

Poet X
0

Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ...

Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ich habe mich ganz asozial draufgestürzt, als ich es zwischen ein paar Kinderbüchern entdecket habe und kann nicht garantieren, dass umstehende potentielle Konkurrenten keinen Rempler bekommen haben - aber was tut man nicht alles für günstige Bücher, muhahaha). Als ich "Poet X" dann gelesen habe, konnte ich kaum glauben, was mir die ganze Zeit über entgegen ist. Denn Elizabeth Acevedo erzählt hier kraftvoll, lebendig und wütend von Rassismus, Religion, Sexualität, Erwachsenwerden, erster Liebe, Freundschaft, Familie und dem Finden der eigenen Stimme. Aus der Ich-Perspektive geschrieben sind wir dabei sehr nah an unserer Protagonistin und begleiten sie durch ihren Alltag - die Schule, den Kommunionsunterricht, das Familienleben - und auch durch diverse Konflikte und Abgründe, die sich auftun, als sie beginnt, für das zu kämpfen, was sie ist: eine Poetin.

Schreibstil: Betrachtet man nur die sich hier abzeichnende Handlung und die Themen, hätte Elizabeth Acevedo also auch einen durchschnittlichen Coming-of-Age-Roman erzählen können, in dem die Protagonisten wie viele Leidensgenossen ihres Alters nach Freiheit und Selbstverwirklichung streben. Wodurch sich "Poet X" von anderen Jugendromanen abhebt, ist die Erzählweise. Die Autorin erzählt Xiomaras Geschichte in Form von 240 kurzen Gedichten, die eingeteilt in drei größere Abschnitte fließend ineinander übergehen. Dabei variieren Form, Stil, Anordnung auf der Seite und teilweise auch die Sprache - der grundsätzliche Erzählton bleibt jedoch gleich und die Energie, Wut und Vitalität, die von den wenigen Zeilen ausgeht, haben mich laufend beeindruckt. Man muss sich zwar erstmal auf das ungewöhnliche Format einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz. Dabei ist anzumerken, dass die Übersetzung durch die deutsche Poetry-Slammerin Leticia Wahl wirklich außerordentlich gut gelungen ist, ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch in Originalsprache nochmal deutlich mehr Kraft entfaltet.

Figuren: Hervorsticht vor allem die Hauptfigur Xiomara, deren Name "eine, die zum Kämpfen bereit ist" bedeutet und die mit ihren knapp 16 Jahren auch schon eine Menge kämpfen musste. Sie schwingt nicht nur auf den Straßen von New York für ihren zarten, nerdigen Zwillingsbruder regelmäßig die Fäuste und muss sich gegen sexualisierte Übergriffe wehren, seit sie eine üppige Figur bekommen hat, sondern steht auch im Konflikt zur strengen religiösen Erziehung ihrer Mutter, die aus dem Wildfang am liebsten eine Nonne machen würde. Aus der dominikanischen Republik stammend ist sie eine dunkelhäutige Latina und entspricht damit ganz und gar nicht der durchschnittlichen YA-Protagonistin. Und genau das war es, was Elizabeth Acevedo nach eigenen Angaben dazu gebracht hat, diese Geschichte zu schreiben: als eine Schülerin zu ihr sagte "keines dieser Bücher handelt von uns. Wo sind die Bücher über uns?" und damit anprangerte, dass auch in Büchern die Sichtbarkeit von farbigen Menschen viel zu gering ist.



Die Zitate:


"Vielleicht ist es das, was Freundschaft ausmacht.
Man hilft sich täglich gegenseitig,
die beste Version seiner selbst zu sein,
schafft einen Ort, eine Zuflucht, ein Zuhause,
wenn man es woanders verloren hat."

“Hoffnung ist das Ding mit Federn.
Und auch wenn ich zweifele, dringt sie doch flatternd in die Ecken meines Körpers“

"Sein Grinsen wirkt auf einmal traurig,
und ich denke an all die Dinge, die wir sein könnten,
wenn uns niemand sagte, unsere Körper seien dafür nicht gemacht."

"Mein Herz ist eine Hand,
die sich langsam
zu einer Faust ballt.
Es ist eine schrumpfende Rosine.
Gekrümmte Finger,
die keine andere Hand finden,
die sie hält.
Bis sie merken,
sie schneiden sich
ins eigene Fleisch."

"Wäre mein Körper eine Flasche Mineralwasser,
dann eine, die kräftigt geschüttelt wurde,
die jeden Moment explodieren kann
und die ganze Welt
schwallartig überrascht."

"Es war nur ein Gedicht, Xiomara", denke ich.
Doch es fühlt sich an
wie ein Geschenk."




Fazit
:

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman, der mit einer kämpferischen Protagonistin, wichtigen Themen und einer poetischen Erzählweise besticht. Zwar muss man sich auf das ungewöhnliche Format erstmal einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2021

Eine warmherzige, leicht melancholische Geschichte über Heimat, Wurzeln und den Charme Shetlands.

Where the Roots Grow Stronger
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Auf "Where the Roots Grow Stronger", welches genau heute am 1. September seinen Buchgeburtstag feiert, habe ich mich über Monate riesig gefreut, da ich nach der "Love is..." und der "Believe in Seconds ...

Auf "Where the Roots Grow Stronger", welches genau heute am 1. September seinen Buchgeburtstag feiert, habe ich mich über Monate riesig gefreut, da ich nach der "Love is..." und der "Believe in Seconds Chances"-Reihe (und wegen ihres Katzen-Contents auf Instagram, haha) ein großer Fan von Kathinka Engel bin. Mit dieser warmherzigen, leicht melancholischen Geschichte über Heimat, Wurzeln und Shetlands raue Landschaft startet nicht nur eine neue Trilogie, sondern hat Kathinka Engel auch mal wieder bewiesen, warum sie zu den festen Größen des deutschen New Adult Genres gehört!

Bei der Gestaltung der Geschichte hat der Piper Verlag sich mal wieder selbst übertroffen. Ich habe mich schon beim Cover Reveal total in die Gestaltung verliebt, als ich das Buch mit dem schimmernd grünem Blatt auf creme-weißem Grund, dem geschwungenen Titel und den goldenen geprägten Linien dann aber das erste Mal in der Hand hielt, war ich endgültig hin und weg. Das Cover ist zart, bodenständig, edel und ein kleines bisschen magisch - also das perfekte Kleid für diese Geschichte, die mit genau diesen Adjektiven auch treffend beschrieben werden kann. Auch die Gestaltungen der beiden Folgebände gefallen mir wahnsinnig gut, weshalb ich es kaum erwarten kann, die drei Teile gemeinsam im Schrank stehen zu sehen. Toll ist auch die Karte von den Shetlandinseln und genauer der Stadt Lerwick, welche in der inneren Leselasche des Buches abgebildet ist. Die 37 Kapitelanfänge werden jeweils von einer der goldenen Blätterranken geziert, welche auch auf dem Cover abgebildet sind und sind ab und zu von einem kurzen Gedicht umrahmt. Mit einem dieser Gedichte beginnt auch das erste Kapitel:


Erster Satz: "Zwischen gestern und heute liegt mein Herz."


Wir steigen mit Fionas Abschlussfeier in Bristol, auf der sie ihren Bachelor in bildender Kunst entgegennimmt, in die Geschichte ein. Mit einem Vorstellungsgespräch für einen Job und eine eigene Ausstellung in einer Galerie winken ihr und ihren Tonfiguren eine Karriere als Künstlerin. Ein Neuanfang. Weit weg von zuhause. Als sie jedoch kurz vor dem Gespräch vom Tod ihres Vaters erfährt, hat sie keine andere Möglichkeit, als nach Hause zurückzukehren. Zurück auf die rauen Shetland-Inseln, die sie insgeheim immer vermisst hat, zurück ins kleinstädtische Lerwick, in dem jeder jeden kennt, zurück zu ihren beiden Schwestern, die sie vor drei Jahren überstürzt verlassen hat und zurück zu Connal, ihrer großen Liebe, dessen Herz ihre plötzliche Flucht zerschmettert hat. Fionas Rückkehr nach Lerwick fällt ihr also aus verschiedenen Gründen alles andere als leicht und so sind die ersten Kapitel eher schwermütig zu lesen. Von Gefühlen wie Schuld, Einsamkeit und Sehnsucht geprägt, versucht sie zu kitten, was sie mit ihrer überstürzten Abreise vor drei Jahren zerbrochen hat - sowohl innerhalb ihrer Familie als auch in der Stadt. Vor allem bei Connal hat ihr Verschwinden tiefe Spuren hinterlassen und so ist ihre ersten Konfrontationen bei der Beerdigung ihres Vaters alles andere als ein freundliches Wiedersehen. So wirklich begreift sie aber erst, was sie ihm angetan hat, als sie ihn bei ihrem Einleben und dem Wiederentdecken der Inseln immer wieder über den Weg läuft. Doch trotz all der negativen Gefühle ist da immer noch diese Verbindung zwischen den beiden und so beschließt sie, um ihn zu kämpfen und ihn diesmal nicht loszulassen...


"Durch die einfachen Glasfenster dringt das leise Meeresrauschen an meine Ohren. Der Geschmack des süßen Hufsie umschmeichelt noch meine Zunge. Und so dämmere ich langsam fort. Die Gedanken irgendwo zwischen Bristol und Lerwick, zwischen Absolventin und Schwester, zwischen Familie und Fremde. Zwischen Einsamkeit und einem Uns, einem er und ich, das lange vergangen ist."


Trotz dieser fortlaufenden Begegnungen steht die Liebesgeschichte gerade in der ersten Hälfte der Geschichte nicht im Vordergrund und lässt viel Platz für die Vorstellung der Inseln, der Nebenfiguren und Fionas Ankommen. Besonders gut gefallen hat mir, dass wir Fiona hier zusehen dürfen, sie sie langsam ihre Wurzeln neu entdeckt, mit jedem Tag beginnt, alte Heimat mit neuen Augen zu sehen und sich mit der Zeit immer mehr eingestehen kann, dass es ein Fehler war, damals zu verschwinden. Was genau vor drei Jahren für ihre überstürzte Flucht gesorgt hat und wie es dazu gekommen ist, erfahren wir dabei nur nach und nach. Zwar streut Kathinka Engel großzügig Andeutungen ein, durch die man Fionas Entscheidung und ihr Innenleben Schritt für Schritt rekonstruieren kann, das volle Bild enthüllt sich jedoch erst gegen Ende des Buches. Dabei war ich mal wieder beeindruckt, wie greifbar und nachvollziehbar die Autorin die Gefühle und Entscheidungen ihrer Hauptfigur schildert, sodass selbst paradoxe Glaubenssätze und Emotionen beim Leser ankommen und verstanden werden können. Fiona erscheint so menschlich, so durchschnittlich und dennoch in ihrer Einzigartigkeit so wunderbar, dass man sie am liebsten durch die Seiten hinweg fest drücken und zur besten Freundin machen will. Das Herzstück der Geschichte ist auch in "Where the Roots Grow Stronger" also mal wieder die Protagonistin und deren Entwicklung!


"In meinem Kopf schwirrt es. Das Gefühl, wieder zu Hause zu sein, das ich beim Anblick der grünen Hügel, des grauen, wütenden Meeres empfand, ringt mit dem Drang, erneut abzuhauen. Der Schmerz darüber, gegangen zu sein, wird abgelöst von der Gewissheit, ihm und mir Schmerz erspart zu haben. Aber warum empfinde ich dann jetzt so viel davon?"


Auch die weiteren Figuren der Geschichte sind wie gewohnt mit viel Tiefe und einer nachvollziehbaren Entwicklung ausgestattet. Über Fionas Schwestern, die lebensfrohe Effie und die stark Nessa, erfahren wir noch mehr in den beiden Folgebänden, in denen die zwei auch zwischen grünen Hügeln, wolligen Schafen und stürmischen Wellen ihre Liebe finden. Dennoch ging die Charakterisierung der beiden schon hier weit über die zweiter Nebenfiguren hinaus und die beiden sind mir sehr ans Herz gewachsen. Im Vergleich zu den drei Schwestern blieb mir Connal aber leider ein bisschen zu blass. Anders als bei Fiona, die als Ich-Erzählerin auftritt, fließen seine Gedanken und Gefühle nur durch Fionas Beschreibungen mit ein. Zwar haben wir zusätzlich die kurzen, aber wunderschönen Gedichte zwischen den Kapiteln, die uns einen Hinweis darauf geben, wie es in seinem Inneren aussieht, seine Konflikte werden aber nur angedeutet und wir fiebern nicht so mit wie bei Fionas Ringen um Vergebung, Liebe, Zugehörigkeit und Heimat.


"Ich breche dich, ich breche mich.
Wir kennen es nicht anders.
Das gegenseitige Brechen, Zerbrechen.
Ein letztes Mal noch im Kummer vereint.
Denn wir können uns nicht halten,
können uns nicht lassen,
weil ich dich nicht noch einmal verlieren kann.
Lass mich mein kleines Leben leben.
lass dich mein Traum sein.
Lass uns heilen, dich von mir und mich von dir.
Und geh. Geh fort, wie damals.
Geh und bleib, wo auch immer du dein Glück findest.
Doch bitte, bitte such es nicht bei mir.
Denn mich zerstört die Möglichkeit der Möglichkeit.
Das Haben-Können und Verlieren-Müssen.
Das Vielleicht und das Wahrscheinlich.
Und das Warum."


Genau wie die anderen Bücher der Autorin ist "Where the Roots Grow Stronger" zusätzlich mal wieder wunderschön geschrieben. Kathinka Engels Schreibstil ist gewohnt lebendig, ehrlich und emotional, verliert dabei aber nie die Charakterentwicklung und ihre Themen aus dem Blick. Neben inhaltlichen Schwerpunkten wie Kunst, Kinderlosigkeit, Heimat, Flucht und Angst, wird auch das Setting auf den Shetland Inseln stark miteingebunden. Ich selbst war noch nie in Schottland, geschweige denn auf den Shetland Inseln, dennoch konnte ich mir die weite, baumleere Landschaft mit den grünen Büschen, wolligen Schafen, robusten Ponys unter einem windigen, regennassen Himmel bildlich vorstellen. Neben der rauen Schönheit der Natur führt uns Kathinka Engel auch die Herzlichkeit der Bewohner Lerwicks und den inspirierenden Familienzusammenhalt vor Augen, welche am "Nordpol", wie Fionas Freundin Irina Shetland zu nennen pflegt normal zu sein scheint. Kurzum: ich habe mich verliebt und habe dank der Autorin ein neues Wunschreiseziel (aber unbedingt für den Sommer!).


"Es ist eine raue Schönheit, die sich mit der Wehmut der Natur verbindet. Als wäre sie vom Regen geküsst, jedoch von der Sonne vernachlässigt. Und von mir. Sie hat so viel Leibe verdient, udn ich habe sie ihr in den letzten Jahren nicht gegeben. Ich habe sie vergessen. Und doch ist sie jetzt für mich da, weht meine Probleme einfach weg, spült sie weg. Das alles hier ist mir so bekannt und stiehlt sich schmerzhaft schön zurück in mein Herz."



Auch wenn die Atmosphäre vor allem während der ersten Hälfte ein wenig schwermütig ist und Kathinka Engel nicht vor ernsten Themen und negativ-gedämpften Emotionen zurückschreckt, handelt es sich hier um ein Wohlfühlbuch mit alles in allem vorhersehbarem Verlauf, herzerwärmender Story und gütigen Versprechen auf ein Happy End, die über jedem Problem schweben. Die Autorin lässt sich zwar ein bisschen Zeit, um ihre heimelig-melancholische, authentische Geschichte zu einem Ende zu bringen, kommt aber nach guten 380 Seiten doch wie vorgesehen beim Happy End an. Dieses bildet mit seiner Offenheit und Schlichtheit ein perfekter Abschluss für die Geschichte und lässt uns zufrieden, aber auch neugierig auf die beiden anderen Bände zurück.


"Menschen machen Fehler. Die jungen vielleicht mehr als die alten. Aber deswegen haben sie dennoch Liebe verdient."





Fazit:

"Where the Roots Grow Stronger" ist eine warmherzige, leicht melancholische Geschichte über Heimat, Wurzeln und den Charme Shetlands. Kathinka Engel überzeugt hier mal wieder mit einem tollen Setting, authentischen Charakteren, vielen Gefühlen und einer wunderschönen Erzählweise.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2021

Mit viel Herz, Humor und Hintergründigkeit!

Ex Talk – Liebe live auf Sendung
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Handlung: "Bring die Leute zum Weinen und dann bring sie zum Lachen", sagte mein Dad immer. "Aber vor allem erzähl eine gute Geschichte." - und genau das macht Rachel Lynn Solomon "Ex Talk". Anders als ...

Handlung: "Bring die Leute zum Weinen und dann bring sie zum Lachen", sagte mein Dad immer. "Aber vor allem erzähl eine gute Geschichte." - und genau das macht Rachel Lynn Solomon "Ex Talk". Anders als ich erwartet hätte, ist ihr Debüt im Erwachsenenbereich nicht nur eine unglaublich süße Liebesgeschichte, sondern greift auch ernstere Themen wie die Angst vor Veränderungen, Sexismus bei der Arbeit, Trauerbewältigung und die großen und kleinen Hürden des Erwachsenwerdens- und seins auf. Toll ist dabei auch der Fokus auf das Radio, welches hier nicht nur ein nettes Zusatzdetail bleibt, sondern das authentische Herzstück der Geschichte einnimmt. Da die Autorin selbst jahrelang Radiosendungen produziert hat, ist es nicht überraschend, dass ihr Einblick in die Welt der RedakteurInnen und ModeratorInnen lebendig, glaubhaft und einfach nur hinreißend ist. Aufgepeppt wird die Handlung zusätzlich durch Ausschnitte aus dem Transkript von Ex Talk, kurze Einbezüge vom Twitter-Feed der Sendung, I-Tunes-Rezensionen, Emails und Textnachrichten. Ich bin also von der ersten bis zur letzten Seite mitgerissen worden von dieser spritzigen Geschichte. Etwas schade - und das ist der einzige Grund für den Punktabzug - ist nur, dass gegen Ende die gesamte Geschichte etwas chaotisch auseinander fällt (was sich aufgrund der Lüge, auf der die Sendung von Shay und Dominic beruht, zwar angedeutet hat, insgesamt jedoch etwas über das Ziel hinausschießt).

Figuren: Das beste an der Geschichte sind die sehr echten, lebendigen und diversen Figuren, die verschiedene Religionen, Sexualitäten und Ethnien wunderbar beiläufig miteinbringen und vormachen, dass Charaktere in Liebesromanen mehr sein können als oberflächliche Projektionsfläche für hormongesteuerte Träume. "Ich bin ein komplexer, vielschichtiger Mensch", sagt Dominic von sich selbst, als Shay bemerkt, dass er mehr verbirgt, als sie nach dem ersten Eindruck angenommen hätte und das stimmt: beide Hauptfiguren sind so authentisch und mit vielen liebenswerten Eigenheiten gefüllt, dass man beinahe annimmt, man könne ihnen ohne weiteres auf der Straße über den Weg laufen. Diese Echtheit führt zusammen mit der anfänglichen Haters-to-Lovers-Energie dazu, dass die beiden eine tolle Dynamik haben und man das Prickeln zwischen ihnen "Live auf Sendung", bei einem Wochenendtrip oder auch im ganz normalen Alltag fühlen kann.

Schreibstil: Rachel Lynn Solomons Schreibstil ist dabei locker, witzig und so jugendlich-modern, dass man merkt, dass die Autorin zuvor vor allem im Young Adult Genre anzutreffen war. Überrascht war ich von den doch eher expliziten Sexszenen, die ich aufgrund der Atmosphäre und des Erzählstils in der Form nicht erwartet hätte. Neben den selbstironischen Gedanken Shays, denen wir dank der Ich-Perspektive lauschen dürfen, und den Schlagabtäusche mit Dominic machen auch die vielen Insiderwitze die Geschichte lesenswert. Besonders inspiriert hat mich Shays Lebensmotto WWEMWMT, bei dem sie sich regelmäßig die Frage stellt, "Was würde ein mittelmäßiger weißer Mann tun?", sobald sie sich unsicher fühlt, um eine Sache zu bitten, die für Männer ganz selbstverständlich sind. Hier kommt genau wie in der Charakterarbeit und der reflektierten Darstellung von Misogynie durch Shays Chef Kent ein Hauch von Feminismus durch, der die Geschichte nochmal viel besser macht!



Die Zitate:



"Die meiste Zeit zwischen zwanzig und dreißig habe ich dieser Idee von Familienglück hinterhergejagt, mit dem ich aufgewachsen bin. Und ich weiß eigentlich noch nicht mal mehr, was das heißt... nur dass ich mich so sehr nach Beständigkeit und Behaglichkeit sehen, dass es mir manchmal Angst macht."
"Erwachsensein ist ganz schön scheiße", sagt er und die Direktheit seiner Worte bringt mich trotz allem zum Lachen.
„Allerdings“, stimme ich zu."

"Es macht mir Angst. Das alles macht mir Angst - seine Eltern und das Kinderzimmer und die Seiten von ihm, die er niemandem sonst zeigt. Das alles wirft in mir die Frage auf, ob er letztendlich doch nicht so verkehrt für mich ist. Wenn er mich weiter so berührt, als wäre ich etwas Kostbares, etwas Zerbrechliches, könnte ich mich tatsächlich in ihn verlieben. Vielleicht bin ich auch schon halb verliebt..."

"Du brauchst es mir nicht zu erklären", sage ich, obwohl ich nur zu gern eine detaillierte Erklärung mit begleitender PowerPoint-Präsentation hätte."

"Wenn man jemanden verliert, passiert das nicht nur einmal. Es passiert jedes Mal wieder, wenn man etwas Großartiges macht, von dem man sich wünscht, die Person könnte es sehen, jedes Mal, wenn man nicht weiterweiß und einen Ratschlag bräuchte. Jedes Mal, wenn man versagt. Es untergräbt das Gefühl für das Normale, und was stattdessen entsteht, ist eindeutig nicht normal, und trotzdem muss man irgendwie damit leben. Zehn Jahre, und immer noch verliere ich ihn jeden Tag aufs Neue."




Das Urteil


"Ex Talk - Liebe live auf Sendung" erzählt humorvoll und liebenswert von den großen und kleinen Hürden des Erwachsenseins und einer unerwarteten Liebe. Dabei überrascht Rachel Lynn Solomon vor allem durch komplexe Charaktere, hintergründige Themen und die lebendige Darstellung des Radios.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.08.2021

Mit viel Herz, Humor und Hintergründigkeit!

Ex Talk
0

Handlung: "Bring die Leute zum Weinen und dann bring sie zum Lachen", sagte mein Dad immer. "Aber vor allem erzähl eine gute Geschichte." - und genau das macht Rachel Lynn Solomon "Ex Talk". Anders als ...

Handlung: "Bring die Leute zum Weinen und dann bring sie zum Lachen", sagte mein Dad immer. "Aber vor allem erzähl eine gute Geschichte." - und genau das macht Rachel Lynn Solomon "Ex Talk". Anders als ich erwartet hätte, ist ihr Debüt im Erwachsenenbereich nicht nur eine unglaublich süße Liebesgeschichte, sondern greift auch ernstere Themen wie die Angst vor Veränderungen, Sexismus bei der Arbeit, Trauerbewältigung und die großen und kleinen Hürden des Erwachsenwerdens- und seins auf. Toll ist dabei auch der Fokus auf das Radio, welches hier nicht nur ein nettes Zusatzdetail bleibt, sondern das authentische Herzstück der Geschichte einnimmt. Da die Autorin selbst jahrelang Radiosendungen produziert hat, ist es nicht überraschend, dass ihr Einblick in die Welt der RedakteurInnen und ModeratorInnen lebendig, glaubhaft und einfach nur hinreißend ist. Aufgepeppt wird die Handlung zusätzlich durch Ausschnitte aus dem Transkript von Ex Talk, kurze Einbezüge vom Twitter-Feed der Sendung, I-Tunes-Rezensionen, Emails und Textnachrichten. Ich bin also von der ersten bis zur letzten Seite mitgerissen worden von dieser spritzigen Geschichte. Etwas schade - und das ist der einzige Grund für den Punktabzug - ist nur, dass gegen Ende die gesamte Geschichte etwas chaotisch auseinander fällt (was sich aufgrund der Lüge, auf der die Sendung von Shay und Dominic beruht, zwar angedeutet hat, insgesamt jedoch etwas über das Ziel hinausschießt).

Figuren: Das beste an der Geschichte sind die sehr echten, lebendigen und diversen Figuren, die verschiedene Religionen, Sexualitäten und Ethnien wunderbar beiläufig miteinbringen und vormachen, dass Charaktere in Liebesromanen mehr sein können als oberflächliche Projektionsfläche für hormongesteuerte Träume. "Ich bin ein komplexer, vielschichtiger Mensch", sagt Dominic von sich selbst, als Shay bemerkt, dass er mehr verbirgt, als sie nach dem ersten Eindruck angenommen hätte und das stimmt: beide Hauptfiguren sind so authentisch und mit vielen liebenswerten Eigenheiten gefüllt, dass man beinahe annimmt, man könne ihnen ohne weiteres auf der Straße über den Weg laufen. Diese Echtheit führt zusammen mit der anfänglichen Haters-to-Lovers-Energie dazu, dass die beiden eine tolle Dynamik haben und man das Prickeln zwischen ihnen "Live auf Sendung", bei einem Wochenendtrip oder auch im ganz normalen Alltag fühlen kann.

Schreibstil: Rachel Lynn Solomons Schreibstil ist dabei locker, witzig und so jugendlich-modern, dass man merkt, dass die Autorin zuvor vor allem im Young Adult Genre anzutreffen war. Überrascht war ich von den doch eher expliziten Sexszenen, die ich aufgrund der Atmosphäre und des Erzählstils in der Form nicht erwartet hätte. Neben den selbstironischen Gedanken Shays, denen wir dank der Ich-Perspektive lauschen dürfen, und den Schlagabtäusche mit Dominic machen auch die vielen Insiderwitze die Geschichte lesenswert. Besonders inspiriert hat mich Shays Lebensmotto WWEMWMT, bei dem sie sich regelmäßig die Frage stellt, "Was würde ein mittelmäßiger weißer Mann tun?", sobald sie sich unsicher fühlt, um eine Sache zu bitten, die für Männer ganz selbstverständlich sind. Hier kommt genau wie in der Charakterarbeit und der reflektierten Darstellung von Misogynie durch Shays Chef Kent ein Hauch von Feminismus durch, der die Geschichte nochmal viel besser macht!



Die Zitate:



"Die meiste Zeit zwischen zwanzig und dreißig habe ich dieser Idee von Familienglück hinterhergejagt, mit dem ich aufgewachsen bin. Und ich weiß eigentlich noch nicht mal mehr, was das heißt... nur dass ich mich so sehr nach Beständigkeit und Behaglichkeit sehen, dass es mir manchmal Angst macht."
"Erwachsensein ist ganz schön scheiße", sagt er und die Direktheit seiner Worte bringt mich trotz allem zum Lachen.
„Allerdings“, stimme ich zu."

"Es macht mir Angst. Das alles macht mir Angst - seine Eltern und das Kinderzimmer und die Seiten von ihm, die er niemandem sonst zeigt. Das alles wirft in mir die Frage auf, ob er letztendlich doch nicht so verkehrt für mich ist. Wenn er mich weiter so berührt, als wäre ich etwas Kostbares, etwas Zerbrechliches, könnte ich mich tatsächlich in ihn verlieben. Vielleicht bin ich auch schon halb verliebt..."

"Du brauchst es mir nicht zu erklären", sage ich, obwohl ich nur zu gern eine detaillierte Erklärung mit begleitender PowerPoint-Präsentation hätte."

"Wenn man jemanden verliert, passiert das nicht nur einmal. Es passiert jedes Mal wieder, wenn man etwas Großartiges macht, von dem man sich wünscht, die Person könnte es sehen, jedes Mal, wenn man nicht weiterweiß und einen Ratschlag bräuchte. Jedes Mal, wenn man versagt. Es untergräbt das Gefühl für das Normale, und was stattdessen entsteht, ist eindeutig nicht normal, und trotzdem muss man irgendwie damit leben. Zehn Jahre, und immer noch verliere ich ihn jeden Tag aufs Neue."




Das Urteil


"Ex Talk - Liebe live auf Sendung" erzählt humorvoll und liebenswert von den großen und kleinen Hürden des Erwachsenseins und einer unerwarteten Liebe. Dabei überrascht Rachel Lynn Solomon vor allem durch komplexe Charaktere, hintergründige Themen und die lebendige Darstellung des Radios.

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