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Veröffentlicht am 31.03.2022

Eine wichtige und ausdrucksstarke Geschichte - leider eher spannungsarm und leblos erzählt!

Firekeeper's Daughter
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"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für ...

"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für Furore gesorgt und soll jetzt sogar von den Obamas als Netflix-Serie produziert werden. Kein Wunder also, dass ich sehr gespannt auf Angeline Boulleys Thriller über eine Native American war und mir ein Rezensionsexemplar angefragt hatte. Leider hatte ich gerade mit dem ersten Drittel der Geschichte so sehr zu kämpfen wie schon lange mit keinem Buch mehr und war mehrmals kurz davor, die Geschichte abzubrechen. Das Ende macht zwar einiges wieder wett, dennoch kann ich leider nur eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen und komme nicht umhin, ein wenig enttäuscht zu sein.

Doch starten wir wie immer am Anfang: mit dem Cover. Jenes zeigt ein buntes Motiv auf cremefarbenem Grund, welches entfernt an Ledger Art erinnert. Von geometrisch-abstrahierten Flammen, einer Sonne und Tiermotiven umrahmt ist ein Schmetterling zu sehen, dessen Flügel zwei Gesichtshälften bilden. Damit greift das Cover wesentliche Motive der Erzählung auf und bildet den Spirit Name der Hauptfigur grafisch dar. Auf Daunis´ (übersetzt: Tochter) Abstammung von der Familie der Firekeeper (übersetzt: Feuerhüter) weist auch der Titel hin, welcher glücklicherweise vom Verlag aus dem Original übernommen wurden. Sehr gut gefällt mir auch, dass jedes der 57 Kapiteln mit einer kleinen stilisierten Flamme beginnt und auch die Unterteilung in vier Teile, die jeweils nach einer Himmelsrichtung benannt sind, mit Motiven des Covers ausgestaltet sind. Ebenfalls positiv anzumerken ist das Bonusmaterial am Endes des Buches, das aus einem Glossar, einer Sammlung von Erklärungen und einer historischen Einordnung besteht.

Erster Satz: "Ich beginne meinen Tag vor Sonnenaufgang, ziehe Joggingsachen an und lege eine Prise semaa an die Ostseite des Baumes, dort werden die Sonnenstrahlen zuerst auf den Tabak fallen."

Jene drei Abschnitte sind auch dringend notwendig, um der Geschichte ohne großes Vorwissen und regelmäßiger Recherche folgen zu können. Denn Angeline Boulley, welche selbst ein registriertes Mitglied des Sault Saint Marie Tribes der Chippewa Indians auf Michigans Oberer Handinsel ist, hat es sich in "Firekeeper´s Daughter" zur Aufgabe gemacht, ihre LeserInnen die Sprache, Kultur und Lebensart ihrer Ojibwe-Gemeinschaft lebendig zu übermitteln. Als Own-Voice-Autorin kann sie mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufklären und für aktuelle Probleme sensibilisieren. Die große Stärke des Buches ist also, dass man beim Lesen sehr niederschwellig eine Menge lernen kann und mit Sicherheit schlauer aus den 560 Seiten hervorgeht, als man gestartet ist.

Etwas schade ist nur, dass gerade zu Beginn die Balance zwischen Information und Handlung leider gar nicht funktioniert und ich die ersten 200 Seiten als ein wenig künstlich und überfüllt mit Informationen wahrgenommen habe. Da ich wirklich keinerlei Vorwissen mitbrachte, fiel es mir sehr schwer, die zahlreichen Begriffe, Rituale, Verwandtschaftsverhältnisse und Ausdrücke, mit der man auf jeder Seite konfrontiert wird, zu verstehen und gedanklich zu sortieren. Das Glossar zu verwendeten Ausdrücken und Übersetzungen der Ojibwe-Sprache Anishinaabemowin sowie die historische Einordnung helfen dabei nur bedingt und leider habe ich mich mit zunehmender Seitenzahl dabei ertappt, Begriffe oder auch ganze Abschnitte zu überspringen, um mich beim Nachschlagen nicht wieder aus dem Lesefluss bringen zu lassen. Es dauerte also eine ganze Weile, bis ich mich zwischen Powwows und Little People zurechtfand, wusste, was mit Seema oder kwe gemeint ist und was der Unterschied zwischen anishanaabe und anishnaabeg ist, während die Bedeutung mancher Wörter ganz an mir vorbeigegangen ist. Ich würde sagen, dass das erste Drittel also ganz klar unter den guten Absichten der Autorin gelitten hat, ihren LeserInnen möglichst viele Informationen mitzugeben. Doch weniger ist manchmal eben mehr...

"Ich werde ihre Informantin sein. Ich werde herausfinden, was dazu führte, dass Travis Lily getötet hat. Ich richte mich zu voller Größe auf. Meine Wirbelsäule ist eine Stahlstange. Ich überrage Jamie. TJ werfe ich noch einen vernichtenden Blick über den Parkplatz hinweg zu. Ich werde meine Gemeinschaft schützen. Mich. Die Stilettos sind keine Fick-mich-Schuhe. Sondern Fickt-euch-Schuhe. "Ja", erkläre ich Jamie. "Ich bin so weit."


Der Einstieg wurde mir jedoch nicht nur dadurch erschwert, dass man mit einer ganzen Flut an Informationen und fremdartigen Begriffen erschlagen wird, sondern auch dadurch, dass die eigentliche Handlung erst nach 100 Seiten mit dem ersten Mord startet, der Daunis dazu bringt, als verdeckte Ermittlerin beim FBI anzufangen. Sobald die Kriminalgeschichte um einen Drogenring, der innerhalb und außerhalb der Reservation Crystal Meth verkauft und regelmäßig Todesopfer fordert, angelaufen ist, habe ich auch besser in die Geschichte gefunden, da die vielen kleinen Alltagsrituale und Anekdoten aus Daunis´ Leben nun endlich in einen spannungsgebenden Rahmen eingebettet waren. Auch wenn ich schon sehr bald meinen ersten Verdacht hatte, wer zu den Drahtziehern hinter den Verbrechen stecken könnte, mochte ich, wie die Autorin ihre Krimihandlung mit Thriller-Elementen, Träumen und einer Liebesgeschichte verbindet. Vor allem die letzten 200 Seiten machen den schwachen Einstieg wieder wett, da die Erzählung einmal Fahrt aufgenommen die einzelnen Motive der Handlung zu einem spannenden Showdown verbindet.

Trotz des starken Finales bleibt ein gemischter Eindruck zurück. Da "Firekeeper´s Daughter" sich schnell als ausdrucksstarke und authentische Erzählung zu wichtigen Themen entpuppte, habe ich wirklich versucht, es zu mögen, aber neben dem zähen Einstieg konnten mich auch Schreibstil und Figuren nicht so sehr mitreißen wie gehofft. Denn leider gelang es dem Schreibstil von Angeline Boulley bei allen Beschreibungen, Rückblicken und Kunstgriffen nicht, die Figuren und deren Gefühle glaubhaft und lebhaft an mich zu vermitteln. Es gab zwar einige Passagen, in denen der Charakter der Hauptfigur durchschien oder ein wenig Humor aufleuchtete, leider habe ich die Nähe zur Handlung dann aber genauso schnell wieder verloren, während mir an wieder anderen Stellen die etwas derbe Sprache negativ auffiel.

"In Jamies gelbbraunen Augen leuchtet etwas Heftiges auf - Wut, Verzweiflung, Trotz. Ich revanchiere mich umgehend. Diesmal ist es ein Starr-Wettbewerb. Nein… ein Vernichtender-Blick-Wettkampf. "Keine Ahnung, warum ihr zwei es so eilig habt", sagt Ron, als er schließlich auftaucht. Er geht wie ein Messer zwischen uns und durchtrennt die Spannung. "Ich habe die Autoschlüssel."


Ich bin mir also nicht ganz sicher, ob es an der Fremdheit der Kultur, dem eher leblosen Schreibstil, dem durch das ständige Nachschlagen unterbrochenen Lesefluss, an der Übersetzung oder schlichtweg an der Charakterzeichnung liegt, aber ich während der gesamten Erzählung einfach keinen richtigen Draht zu Daunis finden können. Und das ist wirklich schade, denn sie ist nicht nur clever, meinungsstark und loyal, sondern hat auch mit einigen sehr interessanten inneren und äußeren Konflikte zu kämpfen, bei denen ich sehr gerne auch emotional mehr involviert gewesen wäre. Leider blieb ich während der gesamten 560 Seiten eine distanziert Beobachterin, die die Hochs wie die zelebrierte Freundschaft, Liebe, Familie, Stärke und Herkunft, aber auch die Tiefs wie Rassismus, Drogenmissbrauch, Mord, sexuelle Gewalt und Ungerechtigkeit eher unbeteiligt verfolgte.



Fazit:


In "Firekeeper´s Daughter" hat es sich Angeline Bouelley zur Aufgabe gemacht, mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA zu informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufzuklären und für aktuelle Probleme zu sensibilisieren. Leider ist die gerät die eigentliche Handlung dabei gerade zu Beginn zu sehr in den Hintergrund, sodass ich nur schwer Anschluss gefunden habe und bis zum Ende keinen wirklichen Draht zur Protagonistin finden konnte. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2022

Eine wichtige und ausdrucksstarke Geschichte - leider eher spannungsarm und leblos erzählt!

Firekeeper's Daughter
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"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für ...

"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für Furore gesorgt und soll jetzt sogar von den Obamas als Netflix-Serie produziert werden. Kein Wunder also, dass ich sehr gespannt auf Angeline Boulleys Thriller über eine Native American war und mir ein Rezensionsexemplar angefragt hatte. Leider hatte ich gerade mit dem ersten Drittel der Geschichte so sehr zu kämpfen wie schon lange mit keinem Buch mehr und war mehrmals kurz davor, die Geschichte abzubrechen. Das Ende macht zwar einiges wieder wett, dennoch kann ich leider nur eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen und komme nicht umhin, ein wenig enttäuscht zu sein.

Doch starten wir wie immer am Anfang: mit dem Cover. Jenes zeigt ein buntes Motiv auf cremefarbenem Grund, welches entfernt an Ledger Art erinnert. Von geometrisch-abstrahierten Flammen, einer Sonne und Tiermotiven umrahmt ist ein Schmetterling zu sehen, dessen Flügel zwei Gesichtshälften bilden. Damit greift das Cover wesentliche Motive der Erzählung auf und bildet den Spirit Name der Hauptfigur grafisch dar. Auf Daunis´ (übersetzt: Tochter) Abstammung von der Familie der Firekeeper (übersetzt: Feuerhüter) weist auch der Titel hin, welcher glücklicherweise vom Verlag aus dem Original übernommen wurden. Sehr gut gefällt mir auch, dass jedes der 57 Kapiteln mit einer kleinen stilisierten Flamme beginnt und auch die Unterteilung in vier Teile, die jeweils nach einer Himmelsrichtung benannt sind, mit Motiven des Covers ausgestaltet sind. Ebenfalls positiv anzumerken ist das Bonusmaterial am Endes des Buches, das aus einem Glossar, einer Sammlung von Erklärungen und einer historischen Einordnung besteht.

Erster Satz: "Ich beginne meinen Tag vor Sonnenaufgang, ziehe Joggingsachen an und lege eine Prise semaa an die Ostseite des Baumes, dort werden die Sonnenstrahlen zuerst auf den Tabak fallen."

Jene drei Abschnitte sind auch dringend notwendig, um der Geschichte ohne großes Vorwissen und regelmäßiger Recherche folgen zu können. Denn Angeline Boulley, welche selbst ein registriertes Mitglied des Sault Saint Marie Tribes der Chippewa Indians auf Michigans Oberer Handinsel ist, hat es sich in "Firekeeper´s Daughter" zur Aufgabe gemacht, ihre LeserInnen die Sprache, Kultur und Lebensart ihrer Ojibwe-Gemeinschaft lebendig zu übermitteln. Als Own-Voice-Autorin kann sie mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufklären und für aktuelle Probleme sensibilisieren. Die große Stärke des Buches ist also, dass man beim Lesen sehr niederschwellig eine Menge lernen kann und mit Sicherheit schlauer aus den 560 Seiten hervorgeht, als man gestartet ist.

Etwas schade ist nur, dass gerade zu Beginn die Balance zwischen Information und Handlung leider gar nicht funktioniert und ich die ersten 200 Seiten als ein wenig künstlich und überfüllt mit Informationen wahrgenommen habe. Da ich wirklich keinerlei Vorwissen mitbrachte, fiel es mir sehr schwer, die zahlreichen Begriffe, Rituale, Verwandtschaftsverhältnisse und Ausdrücke, mit der man auf jeder Seite konfrontiert wird, zu verstehen und gedanklich zu sortieren. Das Glossar zu verwendeten Ausdrücken und Übersetzungen der Ojibwe-Sprache Anishinaabemowin sowie die historische Einordnung helfen dabei nur bedingt und leider habe ich mich mit zunehmender Seitenzahl dabei ertappt, Begriffe oder auch ganze Abschnitte zu überspringen, um mich beim Nachschlagen nicht wieder aus dem Lesefluss bringen zu lassen. Es dauerte also eine ganze Weile, bis ich mich zwischen Powwows und Little People zurechtfand, wusste, was mit Seema oder kwe gemeint ist und was der Unterschied zwischen anishanaabe und anishnaabeg ist, während die Bedeutung mancher Wörter ganz an mir vorbeigegangen ist. Ich würde sagen, dass das erste Drittel also ganz klar unter den guten Absichten der Autorin gelitten hat, ihren LeserInnen möglichst viele Informationen mitzugeben. Doch weniger ist manchmal eben mehr...

"Ich werde ihre Informantin sein. Ich werde herausfinden, was dazu führte, dass Travis Lily getötet hat. Ich richte mich zu voller Größe auf. Meine Wirbelsäule ist eine Stahlstange. Ich überrage Jamie. TJ werfe ich noch einen vernichtenden Blick über den Parkplatz hinweg zu. Ich werde meine Gemeinschaft schützen. Mich. Die Stilettos sind keine Fick-mich-Schuhe. Sondern Fickt-euch-Schuhe. "Ja", erkläre ich Jamie. "Ich bin so weit."


Der Einstieg wurde mir jedoch nicht nur dadurch erschwert, dass man mit einer ganzen Flut an Informationen und fremdartigen Begriffen erschlagen wird, sondern auch dadurch, dass die eigentliche Handlung erst nach 100 Seiten mit dem ersten Mord startet, der Daunis dazu bringt, als verdeckte Ermittlerin beim FBI anzufangen. Sobald die Kriminalgeschichte um einen Drogenring, der innerhalb und außerhalb der Reservation Crystal Meth verkauft und regelmäßig Todesopfer fordert, angelaufen ist, habe ich auch besser in die Geschichte gefunden, da die vielen kleinen Alltagsrituale und Anekdoten aus Daunis´ Leben nun endlich in einen spannungsgebenden Rahmen eingebettet waren. Auch wenn ich schon sehr bald meinen ersten Verdacht hatte, wer zu den Drahtziehern hinter den Verbrechen stecken könnte, mochte ich, wie die Autorin ihre Krimihandlung mit Thriller-Elementen, Träumen und einer Liebesgeschichte verbindet. Vor allem die letzten 200 Seiten machen den schwachen Einstieg wieder wett, da die Erzählung einmal Fahrt aufgenommen die einzelnen Motive der Handlung zu einem spannenden Showdown verbindet.

Trotz des starken Finales bleibt ein gemischter Eindruck zurück. Da "Firekeeper´s Daughter" sich schnell als ausdrucksstarke und authentische Erzählung zu wichtigen Themen entpuppte, habe ich wirklich versucht, es zu mögen, aber neben dem zähen Einstieg konnten mich auch Schreibstil und Figuren nicht so sehr mitreißen wie gehofft. Denn leider gelang es dem Schreibstil von Angeline Boulley bei allen Beschreibungen, Rückblicken und Kunstgriffen nicht, die Figuren und deren Gefühle glaubhaft und lebhaft an mich zu vermitteln. Es gab zwar einige Passagen, in denen der Charakter der Hauptfigur durchschien oder ein wenig Humor aufleuchtete, leider habe ich die Nähe zur Handlung dann aber genauso schnell wieder verloren, während mir an wieder anderen Stellen die etwas derbe Sprache negativ auffiel.

"In Jamies gelbbraunen Augen leuchtet etwas Heftiges auf - Wut, Verzweiflung, Trotz. Ich revanchiere mich umgehend. Diesmal ist es ein Starr-Wettbewerb. Nein… ein Vernichtender-Blick-Wettkampf. "Keine Ahnung, warum ihr zwei es so eilig habt", sagt Ron, als er schließlich auftaucht. Er geht wie ein Messer zwischen uns und durchtrennt die Spannung. "Ich habe die Autoschlüssel."


Ich bin mir also nicht ganz sicher, ob es an der Fremdheit der Kultur, dem eher leblosen Schreibstil, dem durch das ständige Nachschlagen unterbrochenen Lesefluss, an der Übersetzung oder schlichtweg an der Charakterzeichnung liegt, aber ich während der gesamten Erzählung einfach keinen richtigen Draht zu Daunis finden können. Und das ist wirklich schade, denn sie ist nicht nur clever, meinungsstark und loyal, sondern hat auch mit einigen sehr interessanten inneren und äußeren Konflikte zu kämpfen, bei denen ich sehr gerne auch emotional mehr involviert gewesen wäre. Leider blieb ich während der gesamten 560 Seiten eine distanziert Beobachterin, die die Hochs wie die zelebrierte Freundschaft, Liebe, Familie, Stärke und Herkunft, aber auch die Tiefs wie Rassismus, Drogenmissbrauch, Mord, sexuelle Gewalt und Ungerechtigkeit eher unbeteiligt verfolgte.



Fazit:


In "Firekeeper´s Daughter" hat es sich Angeline Bouelley zur Aufgabe gemacht, mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA zu informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufzuklären und für aktuelle Probleme zu sensibilisieren. Leider ist die gerät die eigentliche Handlung dabei gerade zu Beginn zu sehr in den Hintergrund, sodass ich nur schwer Anschluss gefunden habe und bis zum Ende keinen wirklichen Draht zur Protagonistin finden konnte. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2022

Eine wichtige und ausdrucksstarke Geschichte - leider eher spannungsarm und leblos erzählt!

Firekeeper's Daughter
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"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für ...

"Firekeeper´s Daughter" ist eine weitere Neuerscheinung des Monats März, auf welche ich mich lange gefreut hatte! Der Roman hat in den USA schon nach dem Erscheinen der Originalausgabe im Jahr 2021 für Furore gesorgt und soll jetzt sogar von den Obamas als Netflix-Serie produziert werden. Kein Wunder also, dass ich sehr gespannt auf Angeline Boulleys Thriller über eine Native American war und mir ein Rezensionsexemplar angefragt hatte. Leider hatte ich gerade mit dem ersten Drittel der Geschichte so sehr zu kämpfen wie schon lange mit keinem Buch mehr und war mehrmals kurz davor, die Geschichte abzubrechen. Das Ende macht zwar einiges wieder wett, dennoch kann ich leider nur eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen und komme nicht umhin, ein wenig enttäuscht zu sein.

Doch starten wir wie immer am Anfang: mit dem Cover. Jenes zeigt ein buntes Motiv auf cremefarbenem Grund, welches entfernt an Ledger Art erinnert. Von geometrisch-abstrahierten Flammen, einer Sonne und Tiermotiven umrahmt ist ein Schmetterling zu sehen, dessen Flügel zwei Gesichtshälften bilden. Damit greift das Cover wesentliche Motive der Erzählung auf und bildet den Spirit Name der Hauptfigur grafisch dar. Auf Daunis´ (übersetzt: Tochter) Abstammung von der Familie der Firekeeper (übersetzt: Feuerhüter) weist auch der Titel hin, welcher glücklicherweise vom Verlag aus dem Original übernommen wurden. Sehr gut gefällt mir auch, dass jedes der 57 Kapiteln mit einer kleinen stilisierten Flamme beginnt und auch die Unterteilung in vier Teile, die jeweils nach einer Himmelsrichtung benannt sind, mit Motiven des Covers ausgestaltet sind. Ebenfalls positiv anzumerken ist das Bonusmaterial am Endes des Buches, das aus einem Glossar, einer Sammlung von Erklärungen und einer historischen Einordnung besteht.

Erster Satz: "Ich beginne meinen Tag vor Sonnenaufgang, ziehe Joggingsachen an und lege eine Prise semaa an die Ostseite des Baumes, dort werden die Sonnenstrahlen zuerst auf den Tabak fallen."

Jene drei Abschnitte sind auch dringend notwendig, um der Geschichte ohne großes Vorwissen und regelmäßiger Recherche folgen zu können. Denn Angeline Boulley, welche selbst ein registriertes Mitglied des Sault Saint Marie Tribes der Chippewa Indians auf Michigans Oberer Handinsel ist, hat es sich in "Firekeeper´s Daughter" zur Aufgabe gemacht, ihre LeserInnen die Sprache, Kultur und Lebensart ihrer Ojibwe-Gemeinschaft lebendig zu übermitteln. Als Own-Voice-Autorin kann sie mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufklären und für aktuelle Probleme sensibilisieren. Die große Stärke des Buches ist also, dass man beim Lesen sehr niederschwellig eine Menge lernen kann und mit Sicherheit schlauer aus den 560 Seiten hervorgeht, als man gestartet ist.

Etwas schade ist nur, dass gerade zu Beginn die Balance zwischen Information und Handlung leider gar nicht funktioniert und ich die ersten 200 Seiten als ein wenig künstlich und überfüllt mit Informationen wahrgenommen habe. Da ich wirklich keinerlei Vorwissen mitbrachte, fiel es mir sehr schwer, die zahlreichen Begriffe, Rituale, Verwandtschaftsverhältnisse und Ausdrücke, mit der man auf jeder Seite konfrontiert wird, zu verstehen und gedanklich zu sortieren. Das Glossar zu verwendeten Ausdrücken und Übersetzungen der Ojibwe-Sprache Anishinaabemowin sowie die historische Einordnung helfen dabei nur bedingt und leider habe ich mich mit zunehmender Seitenzahl dabei ertappt, Begriffe oder auch ganze Abschnitte zu überspringen, um mich beim Nachschlagen nicht wieder aus dem Lesefluss bringen zu lassen. Es dauerte also eine ganze Weile, bis ich mich zwischen Powwows und Little People zurechtfand, wusste, was mit Seema oder kwe gemeint ist und was der Unterschied zwischen anishanaabe und anishnaabeg ist, während die Bedeutung mancher Wörter ganz an mir vorbeigegangen ist. Ich würde sagen, dass das erste Drittel also ganz klar unter den guten Absichten der Autorin gelitten hat, ihren LeserInnen möglichst viele Informationen mitzugeben. Doch weniger ist manchmal eben mehr...

"Ich werde ihre Informantin sein. Ich werde herausfinden, was dazu führte, dass Travis Lily getötet hat. Ich richte mich zu voller Größe auf. Meine Wirbelsäule ist eine Stahlstange. Ich überrage Jamie. TJ werfe ich noch einen vernichtenden Blick über den Parkplatz hinweg zu. Ich werde meine Gemeinschaft schützen. Mich. Die Stilettos sind keine Fick-mich-Schuhe. Sondern Fickt-euch-Schuhe. "Ja", erkläre ich Jamie. "Ich bin so weit."


Der Einstieg wurde mir jedoch nicht nur dadurch erschwert, dass man mit einer ganzen Flut an Informationen und fremdartigen Begriffen erschlagen wird, sondern auch dadurch, dass die eigentliche Handlung erst nach 100 Seiten mit dem ersten Mord startet, der Daunis dazu bringt, als verdeckte Ermittlerin beim FBI anzufangen. Sobald die Kriminalgeschichte um einen Drogenring, der innerhalb und außerhalb der Reservation Crystal Meth verkauft und regelmäßig Todesopfer fordert, angelaufen ist, habe ich auch besser in die Geschichte gefunden, da die vielen kleinen Alltagsrituale und Anekdoten aus Daunis´ Leben nun endlich in einen spannungsgebenden Rahmen eingebettet waren. Auch wenn ich schon sehr bald meinen ersten Verdacht hatte, wer zu den Drahtziehern hinter den Verbrechen stecken könnte, mochte ich, wie die Autorin ihre Krimihandlung mit Thriller-Elementen, Träumen und einer Liebesgeschichte verbindet. Vor allem die letzten 200 Seiten machen den schwachen Einstieg wieder wett, da die Erzählung einmal Fahrt aufgenommen die einzelnen Motive der Handlung zu einem spannenden Showdown verbindet.

Trotz des starken Finales bleibt ein gemischter Eindruck zurück. Da "Firekeeper´s Daughter" sich schnell als ausdrucksstarke und authentische Erzählung zu wichtigen Themen entpuppte, habe ich wirklich versucht, es zu mögen, aber neben dem zähen Einstieg konnten mich auch Schreibstil und Figuren nicht so sehr mitreißen wie gehofft. Denn leider gelang es dem Schreibstil von Angeline Boulley bei allen Beschreibungen, Rückblicken und Kunstgriffen nicht, die Figuren und deren Gefühle glaubhaft und lebhaft an mich zu vermitteln. Es gab zwar einige Passagen, in denen der Charakter der Hauptfigur durchschien oder ein wenig Humor aufleuchtete, leider habe ich die Nähe zur Handlung dann aber genauso schnell wieder verloren, während mir an wieder anderen Stellen die etwas derbe Sprache negativ auffiel.

"In Jamies gelbbraunen Augen leuchtet etwas Heftiges auf - Wut, Verzweiflung, Trotz. Ich revanchiere mich umgehend. Diesmal ist es ein Starr-Wettbewerb. Nein… ein Vernichtender-Blick-Wettkampf. "Keine Ahnung, warum ihr zwei es so eilig habt", sagt Ron, als er schließlich auftaucht. Er geht wie ein Messer zwischen uns und durchtrennt die Spannung. "Ich habe die Autoschlüssel."


Ich bin mir also nicht ganz sicher, ob es an der Fremdheit der Kultur, dem eher leblosen Schreibstil, dem durch das ständige Nachschlagen unterbrochenen Lesefluss, an der Übersetzung oder schlichtweg an der Charakterzeichnung liegt, aber ich während der gesamten Erzählung einfach keinen richtigen Draht zu Daunis finden können. Und das ist wirklich schade, denn sie ist nicht nur clever, meinungsstark und loyal, sondern hat auch mit einigen sehr interessanten inneren und äußeren Konflikte zu kämpfen, bei denen ich sehr gerne auch emotional mehr involviert gewesen wäre. Leider blieb ich während der gesamten 560 Seiten eine distanziert Beobachterin, die die Hochs wie die zelebrierte Freundschaft, Liebe, Familie, Stärke und Herkunft, aber auch die Tiefs wie Rassismus, Drogenmissbrauch, Mord, sexuelle Gewalt und Ungerechtigkeit eher unbeteiligt verfolgte.



Fazit:


In "Firekeeper´s Daughter" hat es sich Angeline Bouelley zur Aufgabe gemacht, mit großer Authentizität und Bedeutungsschwere über das Leben der modernen indigenen Bevölkerung der USA zu informieren, über die Geschichte und das Trauma dieses Volks aufzuklären und für aktuelle Probleme zu sensibilisieren. Leider ist die gerät die eigentliche Handlung dabei gerade zu Beginn zu sehr in den Hintergrund, sodass ich nur schwer Anschluss gefunden habe und bis zum Ende keinen wirklichen Draht zur Protagonistin finden konnte. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.02.2022

Grundsätzlich interessant, aber mit blassen Figuren und oberflächlicher Message!

Als die Stadt in Flammen stand
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Mit "Als die Stadt in Flammen stand" von den beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal hoffte ich, einen spannenden Roman über gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Armut, Polizeigewalt und ...

Mit "Als die Stadt in Flammen stand" von den beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal hoffte ich, einen spannenden Roman über gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Armut, Polizeigewalt und die Entstehung von Unruhen zu lesen. Leider entpuppte sich die Geschichte zwar als grundsätzlich interessant gemacht, wie aber einen deutlich geringeren inhaltlichen Fokus und teilweise unrunde Handlung auf, sodass meine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden.

Das Cover ist simpel, aber eindrucksvoll gestaltet. Zu sehen ist eine Gegenüberstellung der beiden Protagonistinnen im Comic-Profil vor einem dunkelblauen Hintergrund. Der Titel ist in Rot in eine weiße Form gedruckt, die wirkt, als würde sich der Mond von der Nacht abheben. Motivisch ist das Cover damit sehr stark an das Originalcover angelehnt. Letzteres hinterlässt aufgrund der farblichen Schwarz-Weiß-Kontraste und der ausdrucksvolleren Gesichter der beiden Mädchen aber einen bleibenderen Eindruck auf mich. Zur Gestaltung zwischen den Buchdeckeln ist zu sagen, dass die kurze Geschichte durch schwarze Deckblätter in die fünf Teile "Massenunruhe", "Notruf", "Der erste Stein", "Tödlicher Strom" und "Nachwehen" unterteilt wird. Dazwischen erzählen Lena und Campbell abwechselnd in 28 Kapiteln aus ihrer Sicht von den Erlebnissen der Nacht. Kurze Ortsangaben zur Beginn der Kapitel erleichtern die Verfolgung beim Lesen, wo sich die beiden Mädchen gerade aufhalten.


Erster Satz: "Auf Black warten steht bei dir fett im Kalender, nicht bei mir", blafft mich LaShunda an, während wir das Gebäude verlassen."


"Als die Stadt in Flammen stand" Geschichte spielt auf den Straßen des nicht-fiktiven Haverfords in Pennsylvania, theoretisch könnte der Handlungsort aber überall in den USA sein, da die geschilderten Probleme und Konflikte sich auf die gesamte Gesellschaft übertragen lassen. Die Geschichte erzählt von einem schwarzen und einem weißen Mädchen, die sich nach der Eskalation eines Footballspiels zusammen durch eine Stadt voller Unruhen, Plündereien und Gewalt ihren Weg nach Hause suchen. Dabei geraten die beiden von einer Gefahr zur nächsten und laufen bald nicht nur vor einem wütend protestierenden, schwarzen Mob und weißen Provokateuren mit Föderationsflaggen, sondern auch vor der Polizei davon. Es beginnt mit ökonomischen Unzufriedenheit und rassistischen Provokationen einer benachbarten Stadt und endet mit einer Nacht voller Verbrechen und Gewalt...

Für mich, die aus einem kleinen, behüteten Dorf im Schwarzwald stammt, wirkten viele der im Buch geschilderten Geschehnisse auf den ersten Blick übertrieben und unrealistisch. Ich habe jedoch schon genügend Nachrichtenbeiträge über Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen, Massenschlägereien, nächtliche Krawalle und Randale gesehen, um erkennen zu können, dass die Erzählung eben leider NICHT aus der Luft gegriffen ist. Besonders aus den USA mussten wir in letzter Zeit einige erschreckende Bilder von Eskalationen sehen, deren Dynamik man nicht nachvollziehen kann, wenn man sich nicht mitten in einer befunden hat. Schade ist jedoch, dass die Geschichte diese wunderbare Vorlage fast gar nicht nutzt und weitaus weniger tief in die Rassismus-Unruhe-Thematik einsteigt, als ich das angesichts des Klapptexts gedacht hatte. Statt sich auf die inhaltliche Kritik gesellschaftlicher Strukturen einzulassen, konzentrieren sich die beiden Autorinnen sehr stark auf die tatsächliche Handlung. Dabei sorgen die ständige Gefahr und das hohe Erzähltempo der Geschichte durchaus dafür, dass man den 272seitigen Roman gespannt in einem Rutsch weglesen will. Leider bleibt der gewünschte inhaltliche Mehrwert der Geschichte aus.


Campbell: "Wir kauern uns auf dem Boden zusammen, während draußen das Chaos regiert. Schreie. Fluchen. Knallen. (...) "Es ist total außer Kontrolle." Die Worte kommen mir nicht richtig über die Lippen, bleiben teilweise in meinem Hals stecken, dick und trocken wie Wattebäusche. "Das kann nicht sein."


Auch die Beziehung und die Charakterisierung von Lena und Campbell bleibt oberflächlicher, als ich mir das erhofft hatte. Während die beiden wie verrückt durch die Straßen rennen fällt nur wenig Zeit dafür ab, die beiden als Figuren kennenzulernen. Wir erfahren wirklich nur das aller nötigste über die beiden und selbst dort muss man sich vieles selbst zusammenreimen. Die Reduktion der beiden geht sogar so weit, dass einige der Fragen, die im Laufe der Geschichte aufkommen, nie beantwortet werden. Was ist nun mit Lenas Freund? Haben die Geschehnisse ihre Meinung zu ihm irgendwie verändert? Wie steht es um die Beziehung von Campbell zu ihren Eltern? Wer ist Lenas Freundin LaShunda und weshalb hat sie diesen Spitznamen? Wo sind Lenas Eltern und warum wohnt sie bei ihrem Großvater? Und warum ruft sie ihn nicht einfach an, damit er sie abholen kommt? Dazu kommt, dass ich auch viele der Handlungen der beiden schlichtweg nicht nachvollziehbar und glaubwürdig fand. Ich hätte mich einfach bei der erstbesten bekannten Person zu Hause verkrochen, bis das Schlimmste vorbei ist. Diese Lücken in der Charakterisierung führten mit der Zeit leider dazu, dass ich beim Lesen eher einer stummen Beobachterin glich, als wirklich emotional am Geschehen beteiligt zu sein.


Lena: "Ich komm hier nicht raus, wenn ich mir nicht irgendetwas einfallen lassen und von hier verschwinde. Ich war den ganzen Abend die Königin der schnellen Lösungen, aber jetzt gehen mir echt die Ideen aus. Vielleicht hab ich ja jede aufgebraucht, die in meinem Kopf ist. "Wir müssen rennen." Das ist er also, mein Eine-Million-Dollar-Plan: rennen."


Auch die Perspektivwechsel der beiden hätten noch deutlich mehr Potential gehabt. Kimberly Jones und Gilly Segal haben sich beim Schreiben der Kapitel abgewechselt, sodass die Sichtweisen der Mädchen beide ihren individuellen Touch haben. Auffällig ist bei Lenas Kapiteln vor allem ihr leichter Slang, welcher zwar nicht schlecht, aber definitiv nicht so gut im Deutschen umgesetzt wurde wie bei den Angie-Thomas-Büchern. Hätten die beiden Autorinnen Lena und Campbell handlungstechnisch zwischendurch auch mal eine kleine Pause gegönnt, wäre vielleicht noch Zeit geblieben, das Bild, dass sie von der jeweiligen anderen hatten zu hinterfragen und sich wirklich kennenzulernen. Auf diese Weise bleiben nach dem offenen Ende nur ein flüchtiger Eindruck von Figuren und Handlung sowie die Gewissheit zurück, dass "Als die Stadt in Flammen stand" so viel hätte mehr sein können als ein gehetzter Rassismus-Thriller.


Fazit:


"Als die Stadt in Flammen stand" ist eine durchaus interessante und spannende Geschichte über Race, Vorurteile und die Entstehung von Massenunruhen. Leider bleiben die Figuren vor dem Hintergrund der dominanten Handlung sehr blass und die beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal verpassen es, inhaltlich tief in die Thematik einzusteigen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.02.2022

Grundsätzlich interessant, aber mit blassen Figuren und oberflächlicher Message!

Als die Stadt in Flammen stand
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Mit "Als die Stadt in Flammen stand" von den beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal hoffte ich, einen spannenden Roman über gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Armut, Polizeigewalt und ...

Mit "Als die Stadt in Flammen stand" von den beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal hoffte ich, einen spannenden Roman über gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Armut, Polizeigewalt und die Entstehung von Unruhen zu lesen. Leider entpuppte sich die Geschichte zwar als grundsätzlich interessant gemacht, wie aber einen deutlich geringeren inhaltlichen Fokus und teilweise unrunde Handlung auf, sodass meine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden.

Das Cover ist simpel, aber eindrucksvoll gestaltet. Zu sehen ist eine Gegenüberstellung der beiden Protagonistinnen im Comic-Profil vor einem dunkelblauen Hintergrund. Der Titel ist in Rot in eine weiße Form gedruckt, die wirkt, als würde sich der Mond von der Nacht abheben. Motivisch ist das Cover damit sehr stark an das Originalcover angelehnt. Letzteres hinterlässt aufgrund der farblichen Schwarz-Weiß-Kontraste und der ausdrucksvolleren Gesichter der beiden Mädchen aber einen bleibenderen Eindruck auf mich. Zur Gestaltung zwischen den Buchdeckeln ist zu sagen, dass die kurze Geschichte durch schwarze Deckblätter in die fünf Teile "Massenunruhe", "Notruf", "Der erste Stein", "Tödlicher Strom" und "Nachwehen" unterteilt wird. Dazwischen erzählen Lena und Campbell abwechselnd in 28 Kapiteln aus ihrer Sicht von den Erlebnissen der Nacht. Kurze Ortsangaben zur Beginn der Kapitel erleichtern die Verfolgung beim Lesen, wo sich die beiden Mädchen gerade aufhalten.


Erster Satz: "Auf Black warten steht bei dir fett im Kalender, nicht bei mir", blafft mich LaShunda an, während wir das Gebäude verlassen."


"Als die Stadt in Flammen stand" Geschichte spielt auf den Straßen des nicht-fiktiven Haverfords in Pennsylvania, theoretisch könnte der Handlungsort aber überall in den USA sein, da die geschilderten Probleme und Konflikte sich auf die gesamte Gesellschaft übertragen lassen. Die Geschichte erzählt von einem schwarzen und einem weißen Mädchen, die sich nach der Eskalation eines Footballspiels zusammen durch eine Stadt voller Unruhen, Plündereien und Gewalt ihren Weg nach Hause suchen. Dabei geraten die beiden von einer Gefahr zur nächsten und laufen bald nicht nur vor einem wütend protestierenden, schwarzen Mob und weißen Provokateuren mit Föderationsflaggen, sondern auch vor der Polizei davon. Es beginnt mit ökonomischen Unzufriedenheit und rassistischen Provokationen einer benachbarten Stadt und endet mit einer Nacht voller Verbrechen und Gewalt...

Für mich, die aus einem kleinen, behüteten Dorf im Schwarzwald stammt, wirkten viele der im Buch geschilderten Geschehnisse auf den ersten Blick übertrieben und unrealistisch. Ich habe jedoch schon genügend Nachrichtenbeiträge über Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen, Massenschlägereien, nächtliche Krawalle und Randale gesehen, um erkennen zu können, dass die Erzählung eben leider NICHT aus der Luft gegriffen ist. Besonders aus den USA mussten wir in letzter Zeit einige erschreckende Bilder von Eskalationen sehen, deren Dynamik man nicht nachvollziehen kann, wenn man sich nicht mitten in einer befunden hat. Schade ist jedoch, dass die Geschichte diese wunderbare Vorlage fast gar nicht nutzt und weitaus weniger tief in die Rassismus-Unruhe-Thematik einsteigt, als ich das angesichts des Klapptexts gedacht hatte. Statt sich auf die inhaltliche Kritik gesellschaftlicher Strukturen einzulassen, konzentrieren sich die beiden Autorinnen sehr stark auf die tatsächliche Handlung. Dabei sorgen die ständige Gefahr und das hohe Erzähltempo der Geschichte durchaus dafür, dass man den 272seitigen Roman gespannt in einem Rutsch weglesen will. Leider bleibt der gewünschte inhaltliche Mehrwert der Geschichte aus.


Campbell: "Wir kauern uns auf dem Boden zusammen, während draußen das Chaos regiert. Schreie. Fluchen. Knallen. (...) "Es ist total außer Kontrolle." Die Worte kommen mir nicht richtig über die Lippen, bleiben teilweise in meinem Hals stecken, dick und trocken wie Wattebäusche. "Das kann nicht sein."


Auch die Beziehung und die Charakterisierung von Lena und Campbell bleibt oberflächlicher, als ich mir das erhofft hatte. Während die beiden wie verrückt durch die Straßen rennen fällt nur wenig Zeit dafür ab, die beiden als Figuren kennenzulernen. Wir erfahren wirklich nur das aller nötigste über die beiden und selbst dort muss man sich vieles selbst zusammenreimen. Die Reduktion der beiden geht sogar so weit, dass einige der Fragen, die im Laufe der Geschichte aufkommen, nie beantwortet werden. Was ist nun mit Lenas Freund? Haben die Geschehnisse ihre Meinung zu ihm irgendwie verändert? Wie steht es um die Beziehung von Campbell zu ihren Eltern? Wer ist Lenas Freundin LaShunda und weshalb hat sie diesen Spitznamen? Wo sind Lenas Eltern und warum wohnt sie bei ihrem Großvater? Und warum ruft sie ihn nicht einfach an, damit er sie abholen kommt? Dazu kommt, dass ich auch viele der Handlungen der beiden schlichtweg nicht nachvollziehbar und glaubwürdig fand. Ich hätte mich einfach bei der erstbesten bekannten Person zu Hause verkrochen, bis das Schlimmste vorbei ist. Diese Lücken in der Charakterisierung führten mit der Zeit leider dazu, dass ich beim Lesen eher einer stummen Beobachterin glich, als wirklich emotional am Geschehen beteiligt zu sein.


Lena: "Ich komm hier nicht raus, wenn ich mir nicht irgendetwas einfallen lassen und von hier verschwinde. Ich war den ganzen Abend die Königin der schnellen Lösungen, aber jetzt gehen mir echt die Ideen aus. Vielleicht hab ich ja jede aufgebraucht, die in meinem Kopf ist. "Wir müssen rennen." Das ist er also, mein Eine-Million-Dollar-Plan: rennen."


Auch die Perspektivwechsel der beiden hätten noch deutlich mehr Potential gehabt. Kimberly Jones und Gilly Segal haben sich beim Schreiben der Kapitel abgewechselt, sodass die Sichtweisen der Mädchen beide ihren individuellen Touch haben. Auffällig ist bei Lenas Kapiteln vor allem ihr leichter Slang, welcher zwar nicht schlecht, aber definitiv nicht so gut im Deutschen umgesetzt wurde wie bei den Angie-Thomas-Büchern. Hätten die beiden Autorinnen Lena und Campbell handlungstechnisch zwischendurch auch mal eine kleine Pause gegönnt, wäre vielleicht noch Zeit geblieben, das Bild, dass sie von der jeweiligen anderen hatten zu hinterfragen und sich wirklich kennenzulernen. Auf diese Weise bleiben nach dem offenen Ende nur ein flüchtiger Eindruck von Figuren und Handlung sowie die Gewissheit zurück, dass "Als die Stadt in Flammen stand" so viel hätte mehr sein können als ein gehetzter Rassismus-Thriller.


Fazit:


"Als die Stadt in Flammen stand" ist eine durchaus interessante und spannende Geschichte über Race, Vorurteile und die Entstehung von Massenunruhen. Leider bleiben die Figuren vor dem Hintergrund der dominanten Handlung sehr blass und die beiden Autorinnen Kimberly Jones und Gilly Segal verpassen es, inhaltlich tief in die Thematik einzusteigen.

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