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Veröffentlicht am 29.12.2021

Ein hochspannender, rasant erzählter Reihenauftakt

Legend - Fallender Himmel
1

Die "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu ...

Die "Legend"-Trilogie von Marie Lu habe ich zwar schon 2016 in meiner Dystopien-Phase gelesen, da ich sie aber als eine der besten Dystopien aller Zeiten in Erinnerung behalten habe (und in Relation dazu nur noch erschreckend wenig über den Inhalt weiß), habe ich beschlossen, das Jahr mit einem Reread ausklingen zu lassen. Nach dem zweiten Lesen und einigen verstrichenen Jahren muss ich nun feststellen: "Legend - Fallender Himmel" ist sogar noch besser, als ich es in Erinnerung hatte - eine Dystopie ganz nach meinem Geschmack, temporeich, wendungsreich und intelligent erzählt!+


June: "Ich habe kein Mitleid mit einem Verbrecher, weise ich mich scharf zurecht. Nur eine Rechnung zu begleichen."


Das Cover der Reihe besticht durch minimalistische Eleganz. Auf dem schlichten weißen Hintergrund gehalten, kommen das goldene Republik-Emblem, der Titel in goldener Prägung und die lilafarbenen Schrift wunderbar zur Geltung und passen zu einer klar geordneten, militärisch-akkuraten Dystopie, in der sich vieles um den äußeren Anschein dreht. Abgerundet wird der Eindruck vom lilafarbenen, integrierten Lesebändchen. Das Cover ist dem englischen Original stark nachempfunden und auch der Haupttitel der Reihe ist an das Original angelehnt. Woher jedoch der Untertitel kommt und was genau er mir sagen will, habe ich noch nicht so ganz durchschaut. Falls das jemand verstanden hat, würde ich mich freuen, wenn er/sie mich aufklären möge. Es ist so ein deutscher Tick, die englischsprachigen Titel des ersten Bandes als Reihenname zu übernehmen und dann einen mehr oder weniger bedeutungslosen Untertitel für jeden Band zu erfinden. Nach meinem Geschmack hätte es sich hier besser angeboten, die englischen Titel von Band 2 "Prodigy" (Wunderkind) und Band 3 "Champion" zu übernehmen.


Erster Satz: "Meine Mutter glaubt, dass ich tot bin."


Wir steigen ohne große Umschweife mit einem Tag im Leben des jungen Rebellen Day in die Geschichte ein, der sich zusammen mit dem Waisenmädchen Tess auf den Straßen eines futuristischen San Francisco durchschlägt. Für die rebellischen Patrioten, die gegen die Republik kämpfen, ist er durch seine spektakulären Coups ein Held, für das Militärregime der Republik steht er ganz oben auf der Abschussliste. Wir lernen ihn jedoch erstmal als ganz normalen Jungen kennen, der versucht, seine Familie über Wasser zu halten. Sein genaues Gegenüber und gleichzeitig unsere zweite Protagonistin ist die 15jährige June. Als Wunderkind der Republik, die als einzige den "Großen Test" mit vollen 1500 Punkten bestanden hat, ist sie gerade dabei, verfrüht die Universität abzuschließen und einen glorreichen Weg nach oben in der Karriereleiter des Militärs anzutreten. Die Welt, die sie als Republik kennt, besteht nicht aus täglichem Überlebenskampf in den Slums, der ständigen Angst vor der umhergehenden Seuche und der Suche nach Lebensmitteln in den verfallenen Gassen. Ihre Republik ist stark, stolz und drauf und dran den seit Generationen tobenden Krieg mit den benachbarten Kolonien zu gewinnen. Als die beiden sich treffen, während June undercover nach dem Staatsfeind Nummer 1 und gleichzeitig dem Mörder ihres Bruders ermittelt, müssen beide feststellen, dass die Welt doch nicht so schwarz-weiß ist, wie sie ihr ganzes Leben lang angenommen haben...


Day: "Meine Mutter hat immer gehofft, dass ich meine bescheidenen Wurzeln eines Tages hinter mir lassen würde. Dass ich erfolgreich werden würde oder sogar berühmt. Tja, berühmt bin ich nun, allerdings glaube ich nicht, dass sie so etwas im Sinn gehabt hat."


Marie Lus 368seitige Auftaktband wird abwechselnd aus der Ich-Perspektive von Day und June erzählt. Passend dazu ist der Roman auch in zwei Teile geteilt, die die Titel "Der Junge, der im Licht wandelt" und "Das Mädchen, das das Glas zerschmettert" tragen. Der ständige Perspektivwechsel bringt den großen Vorteil mit sich, dass wir dadurch die Republik schon von Beginn an aus verschiedenen Blickwinkeln kennenlernen können. Die Autorin erzählt nämlich ihre packende, spannende und brutale Geschichte vor der Kulisse einer totalitären Militärregierung, deren Abgründe mit zunehmender Seitenzahl aufgedeckt werden. Nachdem Amerika von schlimmen Überschwemmungen und anderen Folgen des Klimawandels heimgesucht wurde, zerfielen die Vereinigten Staaten in die Republik im Westen und die Kolonien im Osten, die sich seitdem in erbittertem Krieg um Territorium befinden. Über die Republik herrschen ein diktatorischer Elektor und dessen beratender Senat, die sich mithilfe des Militärs über die unterdrückte Bevölkerung behaupten. Um auszuwählen, welche Kinder sich für eine Ausbildung der Oberschicht oder eine Laufbahn im Militär eignen und welche in den verseuchten und verarmten Slums arbeiten müssen, durchlaufen alle Kinder im Alter von 10 Jahren den sogenannten "Großen Test". Addiert man zu diesem Gesamtbild dann auch noch eine Widerstandsorganisation, die sich die "Patrioten" nennen und zwei Figuren, die irgendwo zwischen den Fronten stehen, hinzu, erhält man die perfekten Zutaten für eine spannende Dystopie.


June: "Früher haben mich Days Taten fasziniert. Jetzt ist er mein schlimmster Feind - mein Zielobjekt. Meine erste Mission."


Wie jede gut erzählte Dystopie wird hier also allein durch das Worldbuilding, das viele beunruhigend realistische Szenarien und Ideen enthält, schon eine Menge Spannung erzeugt. Dabei behalten wir einen klaren Fokus auf die aktuelle Handlung bei und hetzen mit sehr hohem Erzähltempo durch Verfolgungsjagden, Verhöre, Hinrichtungen und Aufstände. Die einzelnen Informationen zum Gesellschaftssystem werden nebenbei gelungen in die Handlung eingebaut, und zum Beispiel durch Erinnerungen von Day oder June wiedergegeben, wobei schon viel recht früh aufgedeckt wird. Die "Legend"-Reihe beginnt also zu einem viel späteren Zeitpunkt als viele anderen Dystopien: die Machenschaften der Regierung werden fast vollständig schon im ersten Teil aufgedeckt, die Stimmung in der Bevölkerung ist kurz vorm Hochkochen, sodass nicht viel zur Eskalation fehlt und auch die beiden Figuren sind schon zu Symbolträgern ihrer jeweiligen Seite geworden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Frage, welchen Weg die Figuren einschlagen sollen und was ihre jeweilige Vision für die Republik ist.


Day: "Jeder Tag bedeutet vierundzwanzig neue Stunden. Jeder Tag bedeutet, dass alles möglich ist. Man lebt den Moment oder man stirbt darin, aber man lebt sein Leben einen Tag nach dem anderen." Er sieht zur offenen Tür des Waggons, wo dunkler Regen die Welt verschleiert. "Und man versucht immer, auf die Sonnenseite zu gelangen. Ins Licht."


Dementsprechend prägend für die Geschichte sind deshalb die beiden Figuren und deren Weltsichten. Beide sind sehr starke, mutige und schlagfertige Persönlichkeiten, die mir auf ihre jeweilige Art sehr ans Herz gewachsen sind. Day, der eigentlich Daniel Wing heißt, ist ein rebellischer Frauenheld mit leichtem Hang zum Größenwahn, der jedoch alles tun würde, um die zu beschützen, die er liebt. Besonders viel zu den Hintergründen seiner früheren Taten und wie genau er nach dem Großen Test überlebt hat, erfahren wir in diesem Teil noch nicht, trotz der recht lückenhaften Backstory nimmt man ihm die kämpferische Robin-Hood-Rolle aber gut ab. Mir gefällt an ihm sehr gut, dass er für seine Glaubensgrundsätze einsteht und dabei den LeserInnen das Gefühl vermittelt, dass auch wir unsere Welt verbessern können, wenn wir uns noch so klein und unbedeutend fühlen.


June: "Im Geiste gebe ich dem Mörder meines Bruders ein lautloses Versprechen: Ich werde dich finden. Ich werde die Straßen von Los Angeles nach dir durchkämmen. Jede Straße der Republik, wenn es sein muss. Ich werde dich in die Irre führen und überlisten, ich werde lügen, betrügen und stehlen, um dich zu finden, dich aus deinem Versteck locke und dich jagen, bis es keinen Ort mehr gibt, an den du fliehen kannst. Das verspreche ich dir: Dein Leben gehört mir."


June hingegen ist ganz entgegen der sonstigen Dystopie-Checklist gestaltet. Statt eine naive Systemtreue wie zum Beispiel Tris aus "Die Bestimmung" oder eine emotionale Kämpferin wie Katniss aus "Die Tribute von Panem" zu sein, ist sie ein berechnendes, beherrschtes und gut ausgebildetes Militärwunderkind, mit dem man erstmal warm werden muss. Emotionen wie zum Beispiel nach dem Tod ihres Bruders hält sie kontrolliert zurück, Entscheidungen trifft sie oft sehr rational. Addiert man dann noch dazu, dass sie sehr selbstsicher auftritt, da sie genau weiß, wie klug und begabt sie ist, erscheint sie an einigen Stellen zu Beginn emotionslos und arrogant und ist damit keine typische Sympathieträgerin. Mir hat das aber total gut gefallen, da ich Protagonisten, die sich die Sympathie der LeserInnen erst erarbeiten müssen, oftmals im Laufe der Geschichte stärker ans Herz schließe als die, die schon auf den ersten Blick als perfekte Helden erscheinen.


Day: "Du hast alles zurückgelassen." Ich hebe die Hand, um ihr Gesicht zu berühren, um ihr den Regen aus den Wimpern zu streichen. "Dein ganzes Leben - alles, woran du je geglaubt hast... Warum hast du das für mich getan?" June hat noch nie so schön ausgesehen wie in diesem Moment, unverfälscht und ehrlich, verletzlich und gleichzeitig unbesiegbar. Als ein Blitz über den Himmel zuckt, funkeln ihre dunklen Augen wie Gold. "Weil du recht hattest", flüstert sie. "Mit allem."


Obligatorisch entwickelt sich zwischen den Beiden im Laufe der Handlung eine zarte Liebesgeschichte, die jedoch emotional eher im Hintergrund bleibt, und vor allem dadurch besticht, dass June und Day sich auf gegengesetzten Seiten befinden und gegenseitig immer wieder ihre Ideologien hinterfragen und Einstellungen überdenken müssen. Man kann kritisieren, dass die Liebe sich sehr schnell entwickelt und vielleicht zu Beginn nicht ganz glaubwürdig ist, da die Figuren aber so jung sind, nimmt man es ihnen im Großen und Ganzen aber doch ab. Kritikwürdig ist an der Charaktergestaltung in meinen Augen eher das sehr junge Alter an sich. Auch wenn es sich hier um ein Jugendbuch handelt, dass eine 14+-Zielgruppe ansprechen soll, empfand ich es als extrem unlogisch, dass die Hauptpersonen erst 15 Jahre alt sind. Zwar verhalten sich die beiden gelegentlich schon ihres Alters entsprechend, aber diese Zahl im Kopf behaltend sind die beiden Grundvoraussetzungen, dass June die beste Soldatin und Day der meistgesuchte Verbrecher der Republik sein soll, äußerst fragwürdig.


June: "Im Spiegel sehe ich aus wie immer. Doch innerlich bin ich ein anderer Mensch. Ich bin ein Wunderkind, das die Wahrheit kennt, und ich weiß, was ich zu tun habe."


Nimmt man diese winzige Hürde jedoch nicht zu schwer, ist "Legend - Fallender Himmel" eine hochspannende Dystopie, die einen sofort in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt, bevor man nicht auch die letzte Seite gelesen hat. Gegen Ende hält die Autorin dann noch einige überraschende Wendungen bereit und macht mit einem recht offenen aber zum Glück cliffhangerfreien Ende Lust auf den nächsten Teil.



Fazit:


Ein hochspannender, rasant erzählter Reihenauftakt, der vor der Kulisse einer totalitären Militärregierung von zwei starken Figuren handelt, die zwischen den Fronten für die Liebe zu ihrem Land, zu ihrer Familie und zueinander kämpfen. Marie Lu hat mit "Legend - Fallender Himmel" eine Dystopie ganz nach meinem Geschmack eine Dystopie begonnen: temporeich, wendungsreich und intelligent!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2021

Eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte!

Blue – Wo immer du mich findest
0

Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ...

Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ist. Und auch wenn hohe Erwartungen häufig enttäuscht werden, konnte mich die Autorin mit ihrer neuen Reihe wieder vollkommen überzeugen. So ist es auch keine Überraschung, dass die Fortsetzung "Blue - Wo immer du mich findest“ ebenso wieder alles hat, was man sich als schmachtender Leser nur wünschen kann: ein anbetungswürdiger Love-Interest, der abseits der typischen Klischees überzeugt, eine sympathische, verletzliche aber auf ihre Weise starke Protagonistin, eine prickelnde Dynamik zwischen den beiden und natürlich dramatische Umstände, die ihnen im Weg stehen....


Alex: "Du hast mir Stille geschenkt, als ich dachte, im Lärm der Welt ertrinken zu müssen."


Genau wie schon "It was always you", "It was always love" und auch "Ever" ist "Blue" mal wieder einfach hinreißend und hochwertig gestaltet. Passend zum Reihennamen ist die Klappbroschur aus dickerem Papier, auf welchem sich der blau-goldene Titel und der Origami-Fuchs haptisch hervorheben. Der türkisblaue-Farbklecks, die Wasserfarbenschlieren und die Veredelung mit Goldfolie geben dem Cover noch einen zusätzlichen Glow. Die Wasserfarben- und Origami-Motive ziehen sich auch innen durch Buch. Jeder Kapitelanfang beginnt mit einer Farbwolke und jede Seite ist mit einem kleinen Origami-Koi unten im Eck verziert, welcher über die Seiten schwimmt, wenn man das Buch schnell durchblättert. Neben dem tollen Daumenkino sind auch die Anleitungen am Ende des Buches ein weiters Plus der Gestaltung. Diese laden dazu ein, sich selbst an das ein oder andere im Buch vorkommende Origami-Tier zu wagen.


Erster Satz: "Wo warst du letzte Nacht."


Wir steigen ohne große Umschweife nach Ende von Band 1 in Janes Geschichte ein. Das bedeutet, sie hat erst kürzlich durch ihren Bruder David erfahren, dass der reiche Erbe einer Papier-Dynastie und Gouverneur-Anwärter William Hayden ihr leiblicher Vater ist und ihre verstorbene Mutter sie ihr Leben lang belogen hat. Wütend auf ihre gesamte Familie verkriecht sie sich deshalb auf dem Sofa von Chases Diner, in dem sie arbeitet, um David in seinem Studium finanziell zu unterstützen. Niemals hätte sie gedacht, dass sie ausgerechnet in dem einen Menschen Trost findet, der sie systematisch auf die Palme bringt: der gutaussehende Politikstudent und Stammgast im Diner, alias der "Poloshit-Idiot"....


Alex: "Das Problem ist doch nicht diese Linie. Das Problem ist die Linie in meinem Kopf. Trotzdem sage ich sofort: "Okay." Weil mich nichts auf der Welt davon abhalten könnte, mich mit Jane in den Abgrund zu stürzen."


Dem Klapptext zufolge hätte ich hier mit einem typischen Enemies-to-Lovers-Plot gerechnet. Nikola Hotel hat sich hier aber was ganz anderes für ihre beiden Figuren ausgedacht. Statt Jane und Alex gegeneinander aufzuhetzen und dann aus einem großen Bündel Wut und Hass Lust und Liebe entstehen zu lassen, erzählt sie sehr behutsam davon, wie die beiden ihr gegenseitiges Unverständnis Schritt für Schritt ablegen und sich zur Stütze werden. Wie in Nikola Hotels vorheriger Blakely-Reihe passiert dabei auf den 432 Seiten auf der reinen Handlungsebene nicht viel Spektakuläres, dennoch wurde ich von der ersten Seite an in die Geschichte gesogen. Die Autorin nimmt sich hier viel Zeit, ihre Figuren vorzustellen, lässt uns Alex´ Arbeit an seiner Bachelorarbeit, Janes Arbeit im Diner und ihre gemeinsamen Ausflüge zu einem Tiny House am Pemi miterleben. Auf diese Weise haben wir ganz viel Raum, die sich langsam verändernde Dynamik zwischen den beiden zu beobachten.

Und diese ist von einer überraschenden Sanftheit, die ich aufgrund des Enemies-to-Lovers-Tropes überhaupt nicht erwartet hatte. Obwohl es keine "klassische Sexszene" gibt und die Liebe zwischen den beiden sich mehr als "slow burn" entwickelt, konnte ich das Knistern durch die Seiten hindurch zwischen meinen Fingern spüren (woran die ein oder andere Fantasie bestimmt nicht unbeteiligt gewesen ist - Nikola, was hast du nur mit Duschszenen...?). Neben der prickelnden Anziehungskraft, und den unterdrückten Gefühlen sorgen hier auch die Geheimnisse und neue und alte Wunden für eine unterschwellige Spannung, die einen nicht mehr loslässt. Obwohl sowohl Jane und Alex abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählen, werden viele der Fragen, die wir uns beim Lesen stellen, erst nach und nach gelüftet, sodass die Spannung hoch bleibt.


Alex: "Du kannst alles von mir haben. Alles, was von mir übrig ist, Jane. Ist... ist das genug?"


Wunderbar ist auch, dass die beiden Hauptfiguren von Anfang an nicht in typische Klischees passen und mit ihrer Widersprüchlichkeit ein lebendiges, rundes Bild abgegeben haben. Besonders Alex hat es mir hier angetan, da seine gesamte Charakterisierung ein Zeichen gegen toxische Männlichkeit setzt, die leider auch in modernen Liebesgeschichten noch ab und zu propagiert wird. Zwar dürfen Männer in den allermeisten Romanen gerne mal weinen und sich verletzlich zeigen, aber dann müssen sie aber dafür mindestens ein Sixpack haben und Frauen wild knurrend gegen die Wand drücken, um dennoch "männlich" dazustehen. Alex hingegen ist weder mit übertriebenen Muskeln bestückt noch ein dominanter Playboy, sondern einfach nur... realistisch und lebensnah. Er hat wenig Erfahrung mit Liebe, Beziehungen und Sexualität und weiß nur, dass das, was ihm sein Vater und sein Bruder vorgelebt und eingebläut haben, nicht das sein kann, was er will. Nikola Hotel beweist hier mal wieder, dass in Liebesgeschichten nicht Figuren, die eine möglichst schicke Projektionsfläche bieten, sondern solche, die möglichst authentisch sind, am meisten Gefühle transportieren können. Ich würde in Zukunft gerne viel öfter von solchen Love Interests lesen!


Jane: "Ich hasse es, dass wir immer so viele Dinge bedenken müssen. Wie wir uns anziehen, wie wir uns verhalten, welche Straßen wir langgehen, wenn es dunkel ist. Sachen, dir für uns so selbstverständlich sind, über die die meisten Männer aber nie nachdenken müssen. Es sei denn, sie sind trans oder homosexuell, dann sind sie noch viel schlimmeren Anfeindungen ausgesetzt. Ich hasse es, dass ich nachts unter den Straßenlaternen langgehen muss, um mich sicherer zu führen, oder extra einen Umweg mache, weil der besser ausgeleuchtet ist. (...) Wie gruselig ist es eigentlich, dass das unsere tägliche Routine ist und man das gar nicht mehr groß in Frage stellt?"


Auch abseits der viel realistischeren Darstellung fand ich Alex sehr liebenswert. Da wir aus seiner Perspektive viele seiner Gedanken und Gefühle offengelegt bekommen, können wir seine Beweggründe von Beginn an gut nachvollziehen und verstehen, was wirklich dahintersteckt, wenn er mal wieder ruppig zu Jane ist. Wenn er nicht mehr weiterweiß, flüchtet er sich nämlich gerne mal in die Ironie und scheint in seiner Unsicherheit oft verletzend oder arrogant. Nachdem Jane das verstanden hat, kann sie damit besser umgehen und versucht durch sanften Nachdruck herauszufinden, was ihn so sehr verletzt hat, dass er eine derart schlechte Meinung von sich selbst hat. Auch wenn ich gerade zu Beginn ein wenig Schwierigkeiten hatte, ihren Charakter zu fassen zu bekommen, da sie so vielseitig und wandelbar ist, habe ich sie sehr ins Herz geschlossen und gerade für diese geduldige Art mit Alex umzugehen, bewundert. Zwar macht auch Jane ab und zu Fehler, geht aber immer wieder auf Alex zu, lässt sich von dem ein oder anderen Streit nicht aus der Ruhe bringen und versucht seine Schale mit viel Fingerspitzengefühl zu knacken. Wenn etwas mal nicht funktioniert, sprechen die beiden einfach darüber oder helfen sich mit etwas Humor aus. Besonders die süßen Flüche, die sie sich scherzhaft gegenseitig an den Hals wünschen sind einfach nur herzallerliebst!


Alex: "Niemand darf dir jemals wieder so weh tun." Okay, ihre Stimme ist nur ein Flüstern, aber die Worte hallen trotzdem in meinem Körper wider, stoßen etwas an, verzweigen sich, bis ich das, was sie gesagt hat, wirklich in jeder Zelle spüren kann. ich wusste gar nicht, dass etwas gleichzeitig weh- und guttun kann. Schmerz und Heilung. "Niemals wieder, Alex. Das hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Ich... ich werde dich wertschätzen, dich respektieren und dir immer zuhören. Ich halte dich fest. Wenn du willst, halte ich dich fest."


Obendrauf gibt es hier (wie immer) eine Menge toller Nebenfiguren, die mich immer wieder zum Lächeln gebracht haben. Nikola Hotels Figuren sind direkt aus dem Leben gegriffen und in ihrer leichten Schrägheit wahnsinnig liebenswert. Eine große Rollen spielen natürlich wieder Janes Halbschwester Abbi und ihr Bruder David, es tauchen aber auch Nebenfiguren anderer Werke auf. Neben Abbi und David schlägt die Autorin durch den Doppelauftritt von Barbesitzer Chase und Therapeutin Kadence den Bogen zur Blakely-Reihe und lässt somit Noah, Aubree, Ivy und Asher nochmal kurz auftauchen.

Addiert man nun noch Nikola Hotels spritzigen Schreibstil zur Gleichung hinzu, ist ein emotionales Auf und Ab garantiert. Sie scheut zwar nicht das große Drama, hat durch ihre sensible und zart romantische Art, die Gefühle der Protagonisten auszudrücken aber trotzdem mein Herz gewonnen. Mir gefällt die Leichtigkeit, die zwischen den Seiten zu finden ist, die aber dennoch nicht mit Oberflächlichkeit einhergeht. Denn auch hier hat die Autorin mal wieder ein paar ernstere Themen verpackt, geht diese aber so emotional, sensibel und zart romantisch an, dass einem als Leser das Herz aufgeht. Zwar bleibt einiges nur angerissen und von anderen Aspekten wie zum Beispiel Janes Krankheit oder Alex´ Studium hätte ich mir mehr erwartet, dennoch wirkt diese Geschichte bedeutungsvoller, wichtiger und tiefgründiger als man es der Verpackung zutraut. Ein bisschen Ironie, Humor, viele Anspielungen auf Filme und Serien und natürlich auch ein paar erotische Szenen dürfen nicht fehlen... So entsteht ein atmosphärisches, lebendiges, authentisches Gesamtbild, in das ich mich einfach verlieben musste.


Jane: "Es kann so vieles schiefgehen. Man kann krank werden oder einen Unfall haben. Man kann an sich selbst verzweifeln. Man kann alles vermasseln, wenn man anfängt. Aber wenn man gar nicht erst anfängt, wird man sich irgendwann fragen, was passiert wäre, wenn man es wenigstens versucht hätte. Ich muss mein Leben anfangen. Mit wild pochendem Herzen und wackligen Knien. Nur so läuft das."


"Blue" ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch wegliest und danach kaum glauben kann, dass das wirklich über 400 Seiten waren, da es sich wie maximal die Hälfte angefühlt hat. Das Ende von Janes und Alex´ Reise durch Angst, Vertrauen und Liebe kam demnach wieder viel zu schnell. Ein leiser Trost ist nur, dass wir auf eine neue Reihe der Autorin nur bis zum 19. Juli 2022 warten müssen. Dort erscheint dann nämlich mit "Dark Ivy - Wenn ich falle" der Auftakt des erst kürzlich angekündigten Dark-Academia-Duetts.



Fazit:


Auch mit "Blue - Wo immer du mich findest" hat Nikola Hotel mal wieder eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte geschrieben, die man einfach wegsuchten und aus tiefstem Herzen lieben muss. Neben den vielschichtigen Figuren überzeugen hier auch der sensible Schreibstil und die toll verpackten Botschaften!

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2021

Eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte!

Blue - Wo immer du mich findest
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Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ...

Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ist. Und auch wenn hohe Erwartungen häufig enttäuscht werden, konnte mich die Autorin mit ihrer neuen Reihe wieder vollkommen überzeugen. So ist es auch keine Überraschung, dass die Fortsetzung "Blue - Wo immer du mich findest“ ebenso wieder alles hat, was man sich als schmachtender Leser nur wünschen kann: ein anbetungswürdiger Love-Interest, der abseits der typischen Klischees überzeugt, eine sympathische, verletzliche aber auf ihre Weise starke Protagonistin, eine prickelnde Dynamik zwischen den beiden und natürlich dramatische Umstände, die ihnen im Weg stehen....


Alex: "Du hast mir Stille geschenkt, als ich dachte, im Lärm der Welt ertrinken zu müssen."


Genau wie schon "It was always you", "It was always love" und auch "Ever" ist "Blue" mal wieder einfach hinreißend und hochwertig gestaltet. Passend zum Reihennamen ist die Klappbroschur aus dickerem Papier, auf welchem sich der blau-goldene Titel und der Origami-Fuchs haptisch hervorheben. Der türkisblaue-Farbklecks, die Wasserfarbenschlieren und die Veredelung mit Goldfolie geben dem Cover noch einen zusätzlichen Glow. Die Wasserfarben- und Origami-Motive ziehen sich auch innen durch Buch. Jeder Kapitelanfang beginnt mit einer Farbwolke und jede Seite ist mit einem kleinen Origami-Koi unten im Eck verziert, welcher über die Seiten schwimmt, wenn man das Buch schnell durchblättert. Neben dem tollen Daumenkino sind auch die Anleitungen am Ende des Buches ein weiters Plus der Gestaltung. Diese laden dazu ein, sich selbst an das ein oder andere im Buch vorkommende Origami-Tier zu wagen.


Erster Satz: "Wo warst du letzte Nacht."


Wir steigen ohne große Umschweife nach Ende von Band 1 in Janes Geschichte ein. Das bedeutet, sie hat erst kürzlich durch ihren Bruder David erfahren, dass der reiche Erbe einer Papier-Dynastie und Gouverneur-Anwärter William Hayden ihr leiblicher Vater ist und ihre verstorbene Mutter sie ihr Leben lang belogen hat. Wütend auf ihre gesamte Familie verkriecht sie sich deshalb auf dem Sofa von Chases Diner, in dem sie arbeitet, um David in seinem Studium finanziell zu unterstützen. Niemals hätte sie gedacht, dass sie ausgerechnet in dem einen Menschen Trost findet, der sie systematisch auf die Palme bringt: der gutaussehende Politikstudent und Stammgast im Diner, alias der "Poloshit-Idiot"....


Alex: "Das Problem ist doch nicht diese Linie. Das Problem ist die Linie in meinem Kopf. Trotzdem sage ich sofort: "Okay." Weil mich nichts auf der Welt davon abhalten könnte, mich mit Jane in den Abgrund zu stürzen."


Dem Klapptext zufolge hätte ich hier mit einem typischen Enemies-to-Lovers-Plot gerechnet. Nikola Hotel hat sich hier aber was ganz anderes für ihre beiden Figuren ausgedacht. Statt Jane und Alex gegeneinander aufzuhetzen und dann aus einem großen Bündel Wut und Hass Lust und Liebe entstehen zu lassen, erzählt sie sehr behutsam davon, wie die beiden ihr gegenseitiges Unverständnis Schritt für Schritt ablegen und sich zur Stütze werden. Wie in Nikola Hotels vorheriger Blakely-Reihe passiert dabei auf den 432 Seiten auf der reinen Handlungsebene nicht viel Spektakuläres, dennoch wurde ich von der ersten Seite an in die Geschichte gesogen. Die Autorin nimmt sich hier viel Zeit, ihre Figuren vorzustellen, lässt uns Alex´ Arbeit an seiner Bachelorarbeit, Janes Arbeit im Diner und ihre gemeinsamen Ausflüge zu einem Tiny House am Pemi miterleben. Auf diese Weise haben wir ganz viel Raum, die sich langsam verändernde Dynamik zwischen den beiden zu beobachten.

Und diese ist von einer überraschenden Sanftheit, die ich aufgrund des Enemies-to-Lovers-Tropes überhaupt nicht erwartet hatte. Obwohl es keine "klassische Sexszene" gibt und die Liebe zwischen den beiden sich mehr als "slow burn" entwickelt, konnte ich das Knistern durch die Seiten hindurch zwischen meinen Fingern spüren (woran die ein oder andere Fantasie bestimmt nicht unbeteiligt gewesen ist - Nikola, was hast du nur mit Duschszenen...?). Neben der prickelnden Anziehungskraft, und den unterdrückten Gefühlen sorgen hier auch die Geheimnisse und neue und alte Wunden für eine unterschwellige Spannung, die einen nicht mehr loslässt. Obwohl sowohl Jane und Alex abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählen, werden viele der Fragen, die wir uns beim Lesen stellen, erst nach und nach gelüftet, sodass die Spannung hoch bleibt.


Alex: "Du kannst alles von mir haben. Alles, was von mir übrig ist, Jane. Ist... ist das genug?"


Wunderbar ist auch, dass die beiden Hauptfiguren von Anfang an nicht in typische Klischees passen und mit ihrer Widersprüchlichkeit ein lebendiges, rundes Bild abgegeben haben. Besonders Alex hat es mir hier angetan, da seine gesamte Charakterisierung ein Zeichen gegen toxische Männlichkeit setzt, die leider auch in modernen Liebesgeschichten noch ab und zu propagiert wird. Zwar dürfen Männer in den allermeisten Romanen gerne mal weinen und sich verletzlich zeigen, aber dann müssen sie aber dafür mindestens ein Sixpack haben und Frauen wild knurrend gegen die Wand drücken, um dennoch "männlich" dazustehen. Alex hingegen ist weder mit übertriebenen Muskeln bestückt noch ein dominanter Playboy, sondern einfach nur... realistisch und lebensnah. Er hat wenig Erfahrung mit Liebe, Beziehungen und Sexualität und weiß nur, dass das, was ihm sein Vater und sein Bruder vorgelebt und eingebläut haben, nicht das sein kann, was er will. Nikola Hotel beweist hier mal wieder, dass in Liebesgeschichten nicht Figuren, die eine möglichst schicke Projektionsfläche bieten, sondern solche, die möglichst authentisch sind, am meisten Gefühle transportieren können. Ich würde in Zukunft gerne viel öfter von solchen Love Interests lesen!


Jane: "Ich hasse es, dass wir immer so viele Dinge bedenken müssen. Wie wir uns anziehen, wie wir uns verhalten, welche Straßen wir langgehen, wenn es dunkel ist. Sachen, dir für uns so selbstverständlich sind, über die die meisten Männer aber nie nachdenken müssen. Es sei denn, sie sind trans oder homosexuell, dann sind sie noch viel schlimmeren Anfeindungen ausgesetzt. Ich hasse es, dass ich nachts unter den Straßenlaternen langgehen muss, um mich sicherer zu führen, oder extra einen Umweg mache, weil der besser ausgeleuchtet ist. (...) Wie gruselig ist es eigentlich, dass das unsere tägliche Routine ist und man das gar nicht mehr groß in Frage stellt?"


Auch abseits der viel realistischeren Darstellung fand ich Alex sehr liebenswert. Da wir aus seiner Perspektive viele seiner Gedanken und Gefühle offengelegt bekommen, können wir seine Beweggründe von Beginn an gut nachvollziehen und verstehen, was wirklich dahintersteckt, wenn er mal wieder ruppig zu Jane ist. Wenn er nicht mehr weiterweiß, flüchtet er sich nämlich gerne mal in die Ironie und scheint in seiner Unsicherheit oft verletzend oder arrogant. Nachdem Jane das verstanden hat, kann sie damit besser umgehen und versucht durch sanften Nachdruck herauszufinden, was ihn so sehr verletzt hat, dass er eine derart schlechte Meinung von sich selbst hat. Auch wenn ich gerade zu Beginn ein wenig Schwierigkeiten hatte, ihren Charakter zu fassen zu bekommen, da sie so vielseitig und wandelbar ist, habe ich sie sehr ins Herz geschlossen und gerade für diese geduldige Art mit Alex umzugehen, bewundert. Zwar macht auch Jane ab und zu Fehler, geht aber immer wieder auf Alex zu, lässt sich von dem ein oder anderen Streit nicht aus der Ruhe bringen und versucht seine Schale mit viel Fingerspitzengefühl zu knacken. Wenn etwas mal nicht funktioniert, sprechen die beiden einfach darüber oder helfen sich mit etwas Humor aus. Besonders die süßen Flüche, die sie sich scherzhaft gegenseitig an den Hals wünschen sind einfach nur herzallerliebst!


Alex: "Niemand darf dir jemals wieder so weh tun." Okay, ihre Stimme ist nur ein Flüstern, aber die Worte hallen trotzdem in meinem Körper wider, stoßen etwas an, verzweigen sich, bis ich das, was sie gesagt hat, wirklich in jeder Zelle spüren kann. ich wusste gar nicht, dass etwas gleichzeitig weh- und guttun kann. Schmerz und Heilung. "Niemals wieder, Alex. Das hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Ich... ich werde dich wertschätzen, dich respektieren und dir immer zuhören. Ich halte dich fest. Wenn du willst, halte ich dich fest."


Obendrauf gibt es hier (wie immer) eine Menge toller Nebenfiguren, die mich immer wieder zum Lächeln gebracht haben. Nikola Hotels Figuren sind direkt aus dem Leben gegriffen und in ihrer leichten Schrägheit wahnsinnig liebenswert. Eine große Rollen spielen natürlich wieder Janes Halbschwester Abbi und ihr Bruder David, es tauchen aber auch Nebenfiguren anderer Werke auf. Neben Abbi und David schlägt die Autorin durch den Doppelauftritt von Barbesitzer Chase und Therapeutin Kadence den Bogen zur Blakely-Reihe und lässt somit Noah, Aubree, Ivy und Asher nochmal kurz auftauchen.

Addiert man nun noch Nikola Hotels spritzigen Schreibstil zur Gleichung hinzu, ist ein emotionales Auf und Ab garantiert. Sie scheut zwar nicht das große Drama, hat durch ihre sensible und zart romantische Art, die Gefühle der Protagonisten auszudrücken aber trotzdem mein Herz gewonnen. Mir gefällt die Leichtigkeit, die zwischen den Seiten zu finden ist, die aber dennoch nicht mit Oberflächlichkeit einhergeht. Denn auch hier hat die Autorin mal wieder ein paar ernstere Themen verpackt, geht diese aber so emotional, sensibel und zart romantisch an, dass einem als Leser das Herz aufgeht. Zwar bleibt einiges nur angerissen und von anderen Aspekten wie zum Beispiel Janes Krankheit oder Alex´ Studium hätte ich mir mehr erwartet, dennoch wirkt diese Geschichte bedeutungsvoller, wichtiger und tiefgründiger als man es der Verpackung zutraut. Ein bisschen Ironie, Humor, viele Anspielungen auf Filme und Serien und natürlich auch ein paar erotische Szenen dürfen nicht fehlen... So entsteht ein atmosphärisches, lebendiges, authentisches Gesamtbild, in das ich mich einfach verlieben musste.


Jane: "Es kann so vieles schiefgehen. Man kann krank werden oder einen Unfall haben. Man kann an sich selbst verzweifeln. Man kann alles vermasseln, wenn man anfängt. Aber wenn man gar nicht erst anfängt, wird man sich irgendwann fragen, was passiert wäre, wenn man es wenigstens versucht hätte. Ich muss mein Leben anfangen. Mit wild pochendem Herzen und wackligen Knien. Nur so läuft das."


"Blue" ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch wegliest und danach kaum glauben kann, dass das wirklich über 400 Seiten waren, da es sich wie maximal die Hälfte angefühlt hat. Das Ende von Janes und Alex´ Reise durch Angst, Vertrauen und Liebe kam demnach wieder viel zu schnell. Ein leiser Trost ist nur, dass wir auf eine neue Reihe der Autorin nur bis zum 19. Juli 2022 warten müssen. Dort erscheint dann nämlich mit "Dark Ivy - Wenn ich falle" der Auftakt des erst kürzlich angekündigten Dark-Academia-Duetts.



Fazit:


Auch mit "Blue - Wo immer du mich findest" hat Nikola Hotel mal wieder eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte geschrieben, die man einfach wegsuchten und aus tiefstem Herzen lieben muss. Neben den vielschichtigen Figuren überzeugen hier auch der sensible Schreibstil und die toll verpackten Botschaften!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2021

Eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte!

Blue – Wo immer du mich findest
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Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ...

Seit der Blakely-Brüder-Reihe bin ich ein großer Fan von Nikola Hotel und hatte deshalb große Hoffnungen auf ihre neue Paper-Love-Dulogie gesetzt, die im Juni mit "Ever - Wann immer du mich berührst" gestartet ist. Und auch wenn hohe Erwartungen häufig enttäuscht werden, konnte mich die Autorin mit ihrer neuen Reihe wieder vollkommen überzeugen. So ist es auch keine Überraschung, dass die Fortsetzung "Blue - Wo immer du mich findest“ ebenso wieder alles hat, was man sich als schmachtender Leser nur wünschen kann: ein anbetungswürdiger Love-Interest, der abseits der typischen Klischees überzeugt, eine sympathische, verletzliche aber auf ihre Weise starke Protagonistin, eine prickelnde Dynamik zwischen den beiden und natürlich dramatische Umstände, die ihnen im Weg stehen....


Alex: "Du hast mir Stille geschenkt, als ich dachte, im Lärm der Welt ertrinken zu müssen."


Genau wie schon "It was always you", "It was always love" und auch "Ever" ist "Blue" mal wieder einfach hinreißend und hochwertig gestaltet. Passend zum Reihennamen ist die Klappbroschur aus dickerem Papier, auf welchem sich der blau-goldene Titel und der Origami-Fuchs haptisch hervorheben. Der türkisblaue-Farbklecks, die Wasserfarbenschlieren und die Veredelung mit Goldfolie geben dem Cover noch einen zusätzlichen Glow. Die Wasserfarben- und Origami-Motive ziehen sich auch innen durch Buch. Jeder Kapitelanfang beginnt mit einer Farbwolke und jede Seite ist mit einem kleinen Origami-Koi unten im Eck verziert, welcher über die Seiten schwimmt, wenn man das Buch schnell durchblättert. Neben dem tollen Daumenkino sind auch die Anleitungen am Ende des Buches ein weiters Plus der Gestaltung. Diese laden dazu ein, sich selbst an das ein oder andere im Buch vorkommende Origami-Tier zu wagen.


Erster Satz: "Wo warst du letzte Nacht."


Wir steigen ohne große Umschweife nach Ende von Band 1 in Janes Geschichte ein. Das bedeutet, sie hat erst kürzlich durch ihren Bruder David erfahren, dass der reiche Erbe einer Papier-Dynastie und Gouverneur-Anwärter William Hayden ihr leiblicher Vater ist und ihre verstorbene Mutter sie ihr Leben lang belogen hat. Wütend auf ihre gesamte Familie verkriecht sie sich deshalb auf dem Sofa von Chases Diner, in dem sie arbeitet, um David in seinem Studium finanziell zu unterstützen. Niemals hätte sie gedacht, dass sie ausgerechnet in dem einen Menschen Trost findet, der sie systematisch auf die Palme bringt: der gutaussehende Politikstudent und Stammgast im Diner, alias der "Poloshit-Idiot"....


Alex: "Das Problem ist doch nicht diese Linie. Das Problem ist die Linie in meinem Kopf. Trotzdem sage ich sofort: "Okay." Weil mich nichts auf der Welt davon abhalten könnte, mich mit Jane in den Abgrund zu stürzen."


Dem Klapptext zufolge hätte ich hier mit einem typischen Enemies-to-Lovers-Plot gerechnet. Nikola Hotel hat sich hier aber was ganz anderes für ihre beiden Figuren ausgedacht. Statt Jane und Alex gegeneinander aufzuhetzen und dann aus einem großen Bündel Wut und Hass Lust und Liebe entstehen zu lassen, erzählt sie sehr behutsam davon, wie die beiden ihr gegenseitiges Unverständnis Schritt für Schritt ablegen und sich zur Stütze werden. Wie in Nikola Hotels vorheriger Blakely-Reihe passiert dabei auf den 432 Seiten auf der reinen Handlungsebene nicht viel Spektakuläres, dennoch wurde ich von der ersten Seite an in die Geschichte gesogen. Die Autorin nimmt sich hier viel Zeit, ihre Figuren vorzustellen, lässt uns Alex´ Arbeit an seiner Bachelorarbeit, Janes Arbeit im Diner und ihre gemeinsamen Ausflüge zu einem Tiny House am Pemi miterleben. Auf diese Weise haben wir ganz viel Raum, die sich langsam verändernde Dynamik zwischen den beiden zu beobachten.

Und diese ist von einer überraschenden Sanftheit, die ich aufgrund des Enemies-to-Lovers-Tropes überhaupt nicht erwartet hatte. Obwohl es keine "klassische Sexszene" gibt und die Liebe zwischen den beiden sich mehr als "slow burn" entwickelt, konnte ich das Knistern durch die Seiten hindurch zwischen meinen Fingern spüren (woran die ein oder andere Fantasie bestimmt nicht unbeteiligt gewesen ist - Nikola, was hast du nur mit Duschszenen...?). Neben der prickelnden Anziehungskraft, und den unterdrückten Gefühlen sorgen hier auch die Geheimnisse und neue und alte Wunden für eine unterschwellige Spannung, die einen nicht mehr loslässt. Obwohl sowohl Jane und Alex abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählen, werden viele der Fragen, die wir uns beim Lesen stellen, erst nach und nach gelüftet, sodass die Spannung hoch bleibt.


Alex: "Du kannst alles von mir haben. Alles, was von mir übrig ist, Jane. Ist... ist das genug?"


Wunderbar ist auch, dass die beiden Hauptfiguren von Anfang an nicht in typische Klischees passen und mit ihrer Widersprüchlichkeit ein lebendiges, rundes Bild abgegeben haben. Besonders Alex hat es mir hier angetan, da seine gesamte Charakterisierung ein Zeichen gegen toxische Männlichkeit setzt, die leider auch in modernen Liebesgeschichten noch ab und zu propagiert wird. Zwar dürfen Männer in den allermeisten Romanen gerne mal weinen und sich verletzlich zeigen, aber dann müssen sie aber dafür mindestens ein Sixpack haben und Frauen wild knurrend gegen die Wand drücken, um dennoch "männlich" dazustehen. Alex hingegen ist weder mit übertriebenen Muskeln bestückt noch ein dominanter Playboy, sondern einfach nur... realistisch und lebensnah. Er hat wenig Erfahrung mit Liebe, Beziehungen und Sexualität und weiß nur, dass das, was ihm sein Vater und sein Bruder vorgelebt und eingebläut haben, nicht das sein kann, was er will. Nikola Hotel beweist hier mal wieder, dass in Liebesgeschichten nicht Figuren, die eine möglichst schicke Projektionsfläche bieten, sondern solche, die möglichst authentisch sind, am meisten Gefühle transportieren können. Ich würde in Zukunft gerne viel öfter von solchen Love Interests lesen!


Jane: "Ich hasse es, dass wir immer so viele Dinge bedenken müssen. Wie wir uns anziehen, wie wir uns verhalten, welche Straßen wir langgehen, wenn es dunkel ist. Sachen, dir für uns so selbstverständlich sind, über die die meisten Männer aber nie nachdenken müssen. Es sei denn, sie sind trans oder homosexuell, dann sind sie noch viel schlimmeren Anfeindungen ausgesetzt. Ich hasse es, dass ich nachts unter den Straßenlaternen langgehen muss, um mich sicherer zu führen, oder extra einen Umweg mache, weil der besser ausgeleuchtet ist. (...) Wie gruselig ist es eigentlich, dass das unsere tägliche Routine ist und man das gar nicht mehr groß in Frage stellt?"


Auch abseits der viel realistischeren Darstellung fand ich Alex sehr liebenswert. Da wir aus seiner Perspektive viele seiner Gedanken und Gefühle offengelegt bekommen, können wir seine Beweggründe von Beginn an gut nachvollziehen und verstehen, was wirklich dahintersteckt, wenn er mal wieder ruppig zu Jane ist. Wenn er nicht mehr weiterweiß, flüchtet er sich nämlich gerne mal in die Ironie und scheint in seiner Unsicherheit oft verletzend oder arrogant. Nachdem Jane das verstanden hat, kann sie damit besser umgehen und versucht durch sanften Nachdruck herauszufinden, was ihn so sehr verletzt hat, dass er eine derart schlechte Meinung von sich selbst hat. Auch wenn ich gerade zu Beginn ein wenig Schwierigkeiten hatte, ihren Charakter zu fassen zu bekommen, da sie so vielseitig und wandelbar ist, habe ich sie sehr ins Herz geschlossen und gerade für diese geduldige Art mit Alex umzugehen, bewundert. Zwar macht auch Jane ab und zu Fehler, geht aber immer wieder auf Alex zu, lässt sich von dem ein oder anderen Streit nicht aus der Ruhe bringen und versucht seine Schale mit viel Fingerspitzengefühl zu knacken. Wenn etwas mal nicht funktioniert, sprechen die beiden einfach darüber oder helfen sich mit etwas Humor aus. Besonders die süßen Flüche, die sie sich scherzhaft gegenseitig an den Hals wünschen sind einfach nur herzallerliebst!


Alex: "Niemand darf dir jemals wieder so weh tun." Okay, ihre Stimme ist nur ein Flüstern, aber die Worte hallen trotzdem in meinem Körper wider, stoßen etwas an, verzweigen sich, bis ich das, was sie gesagt hat, wirklich in jeder Zelle spüren kann. ich wusste gar nicht, dass etwas gleichzeitig weh- und guttun kann. Schmerz und Heilung. "Niemals wieder, Alex. Das hätte überhaupt nicht passieren dürfen. Ich... ich werde dich wertschätzen, dich respektieren und dir immer zuhören. Ich halte dich fest. Wenn du willst, halte ich dich fest."


Obendrauf gibt es hier (wie immer) eine Menge toller Nebenfiguren, die mich immer wieder zum Lächeln gebracht haben. Nikola Hotels Figuren sind direkt aus dem Leben gegriffen und in ihrer leichten Schrägheit wahnsinnig liebenswert. Eine große Rollen spielen natürlich wieder Janes Halbschwester Abbi und ihr Bruder David, es tauchen aber auch Nebenfiguren anderer Werke auf. Neben Abbi und David schlägt die Autorin durch den Doppelauftritt von Barbesitzer Chase und Therapeutin Kadence den Bogen zur Blakely-Reihe und lässt somit Noah, Aubree, Ivy und Asher nochmal kurz auftauchen.

Addiert man nun noch Nikola Hotels spritzigen Schreibstil zur Gleichung hinzu, ist ein emotionales Auf und Ab garantiert. Sie scheut zwar nicht das große Drama, hat durch ihre sensible und zart romantische Art, die Gefühle der Protagonisten auszudrücken aber trotzdem mein Herz gewonnen. Mir gefällt die Leichtigkeit, die zwischen den Seiten zu finden ist, die aber dennoch nicht mit Oberflächlichkeit einhergeht. Denn auch hier hat die Autorin mal wieder ein paar ernstere Themen verpackt, geht diese aber so emotional, sensibel und zart romantisch an, dass einem als Leser das Herz aufgeht. Zwar bleibt einiges nur angerissen und von anderen Aspekten wie zum Beispiel Janes Krankheit oder Alex´ Studium hätte ich mir mehr erwartet, dennoch wirkt diese Geschichte bedeutungsvoller, wichtiger und tiefgründiger als man es der Verpackung zutraut. Ein bisschen Ironie, Humor, viele Anspielungen auf Filme und Serien und natürlich auch ein paar erotische Szenen dürfen nicht fehlen... So entsteht ein atmosphärisches, lebendiges, authentisches Gesamtbild, in das ich mich einfach verlieben musste.


Jane: "Es kann so vieles schiefgehen. Man kann krank werden oder einen Unfall haben. Man kann an sich selbst verzweifeln. Man kann alles vermasseln, wenn man anfängt. Aber wenn man gar nicht erst anfängt, wird man sich irgendwann fragen, was passiert wäre, wenn man es wenigstens versucht hätte. Ich muss mein Leben anfangen. Mit wild pochendem Herzen und wackligen Knien. Nur so läuft das."


"Blue" ist eines der Bücher, die man in einem Rutsch wegliest und danach kaum glauben kann, dass das wirklich über 400 Seiten waren, da es sich wie maximal die Hälfte angefühlt hat. Das Ende von Janes und Alex´ Reise durch Angst, Vertrauen und Liebe kam demnach wieder viel zu schnell. Ein leiser Trost ist nur, dass wir auf eine neue Reihe der Autorin nur bis zum 19. Juli 2022 warten müssen. Dort erscheint dann nämlich mit "Dark Ivy - Wenn ich falle" der Auftakt des erst kürzlich angekündigten Dark-Academia-Duetts.



Fazit:


Auch mit "Blue - Wo immer du mich findest" hat Nikola Hotel mal wieder eine bewegende, intensive und authentische Liebesgeschichte geschrieben, die man einfach wegsuchten und aus tiefstem Herzen lieben muss. Neben den vielschichtigen Figuren überzeugen hier auch der sensible Schreibstil und die toll verpackten Botschaften!

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Veröffentlicht am 15.12.2021

Überzeugt mit intensiver "Enemies-to-Lovers"-Geschichte, Humor und starker Charakterentwicklung!

Where the Waves Rise Higher
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Auf "Where the Waves Rise Higher" habe ich mich über Monate riesig gefreut, da ich nach der "Love is..." und der "Believe in Seconds Chances"-Reihe (und wegen ihres Katzen-Contents auf Instagram, haha) ...

Auf "Where the Waves Rise Higher" habe ich mich über Monate riesig gefreut, da ich nach der "Love is..." und der "Believe in Seconds Chances"-Reihe (und wegen ihres Katzen-Contents auf Instagram, haha) ein großer Fan von Kathinka Engel bin und mich schon Band 1 der Shetland-Love-Reihe wieder überzeugen konnte. Genau wie der Auftakt "Where the Roots Grow Stronger" thematisiert auch Nessas Geschichte wieder auf warmherzige Art und Weise die Themen Heimat, Wurzeln und Liebe umgeben von Shetlands rauer Landschaft.

Bei der Gestaltung der Geschichte hat der Piper Verlag sich mal wieder selbst übertroffen. Ich habe mich schon beim Cover Reveal total in die Gestaltung der drei Bände verliebt, als ich das Buch mit dem schimmernd blauem Blatt auf creme-weißem Grund, dem geschwungenen Titel und den goldenen geprägten Linien dann aber das erste Mal in der Hand hielt, war ich endgültig hin und weg. Das Cover ist zart, bodenständig, edel und ein kleines bisschen magisch - also das perfekte Kleid für diese Geschichte, die mit genau diesen Adjektiven auch treffend beschrieben werden kann. Auch die Gestaltungen der anderen beiden Bänden der Reihe gefallen mir wahnsinnig gut, weshalb ich es kaum erwarten kann, die drei Teile gemeinsam im Schrank stehen zu sehen. Toll ist auch die Karte von den Shetlandinseln und genauer der Stadt Lerwick, welche in der inneren Leselasche des Buches abgebildet ist. Die 40 Kapitelanfänge werden jeweils von einer der goldenen Blätterranken geziert, welche auch auf dem Cover abgebildet sind und sind ab und zu von einem kurzen Ausschnitt aus einem Interview eingerahmt, welches den roten Faden der Geschichte bildet und den Roman auch einläutet.


Erster Satz: "Ich habe einen wiederkehrenden Traum"


Schon in Band 1, "Where the Roots Grow Stronger", habe ich die rationale, kühle Nessa lieben und den arroganten Whisky-Erben Boyd hassen gelernt, sodass ich mir für Band 2 eine explosive Aneinanderreihung von Begegnungen versprochen habe, bis die beiden zusammenfinden. Tatsächlich ist Kathinka Engels Interpretation von "Enemies to lovers", welcher übrigens einer meiner absoluten Lieblings-Tropes ist, jedoch deutlich ruhiger als gedacht. Nessa und Boyd gestehen sich ihre Gefühle für sehr lange Zeit nicht ein, sodass die Atmosphäre zwischen ihnen im ersten Drittel eher von Verachtung geprägt ist statt von anderen Gefühlen und als es dann schließlich "klick" macht, werden die ganzen destruktiven Emotionen sehr schnell abgebaut (in einer übrigens wahnsinnig lesenswerten Szene, seufz!!!!), bevor wir in eher gemütliches Fahrwasser übergehen. Das Potential des Erzählschemas "Enemies to lovers" wurde also nicht bis zum Ende ausgenutzt, da die Übergänge zwischen "Unbeteiligte entfernte Bekannte" zu "Enemies" zu "Lovers" relativ schnell passieren und gerade der prickelnde Zwischenbereich "Ich hasse dich, aber ich will dich" auf mehr oder weniger ein Kapitel fällt. Davor ist es nur Hass und danach sehr schnell nur Liebe. Eben von "null auf hundert", wie Nessa es in Kapitel 27 beschreibt.


"Sein Gesicht. Es ist unbeweglich. Undeutbar. Dieser Augenblick ist noch verwirrender als alles andere. Das Zwischenstadium zwischen einem Kuss und dem Danach, von dem noch niemand sagen kann, wie es aussieht."


Dennoch hat mir Kathinka Engels Umsetzung des Tropes sehr gut gefallen. Das liegt zum Einen daran, dass die Emotionen durch die schnellen Übergänge sehr intensiv sind (deutlich mitreißender als in Band 1) und zum Anderen, dass trotz der fortlaufenden Begegnungen von Nessa und Boyd die Liebesgeschichte auch hier wieder deutlich weniger im Vordergrund steht als in anderen New Adult Reihen. Dadurch dass die Handlung hier nicht komplett von der Liebesgeschichte dominiert wird, bleibt viel Platz für die Vorstellung der Inseln, der Nebenfiguren, der Familiendynamik und Nessas großem Traum: dem Whisky-Brennen. Auch wenn mich wirklich überhaupt nichts mit dem traditionell gebrauten, hochprozentigen Alkohol verbindet, fand ich die gemeinsame Begeisterung von Nessa und Boyd sehr mitreißend und fand die Ausführungen rund um den Whisky-Contest, Mikrodestillerien und Innovationen überraschend spannend.


"Wir sind alle drei so unterschiedlich und dann doch wieder so ähnlich. So tief verwurzelt auf Shetland, so sehr Teil dieser rauen, wilden, schönen Welt. So sehr aufeinander angewiesen, auf Effie für die gute Laune, auf Fiona für die tiefen Gedanken, auf mich für die Beständigkeit, als Fels in der Brandung. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass keine von uns je wieder auf die anderen verzichten muss."


Neben den deutlich intensiveren Emotionen der Liebesgeschichte hat mir auch die allgemeine Stimmung in Band 2 besser gefallen als in Band 1. Während Fionas Geschichte von einer melancholischen und schwermütigen Atmosphäre durchzogen wurde, geht es in "Where the Waves Rise Higher" deutlich kämpferischer, leidenschaftlicher und auch humorvoller zu. Dafür sorgen natürlich zum Teil die Schlagabtausche zwischen Nessa und Boyd, zum Schmunzeln gebracht haben mich aber auch immer wieder die Kabbeleien der drei Schwestern untereinander. Sehr gut gefällt mir auch, wie die Autorin mit den äußeren Bedingungen der Erzählung spielt und zum Beispiel in einem wiederkehrenden Traum Nessas das Wellenmotiv des Titels aufgreift, einige Anspielungen über den Reihentitel "Shetland-Love" einbaut und Witze zum "Enemies-To-Lovers"-Motiv fallen lässt. Trotz der humorvolleren, teilweise auch hitzigeren Herangehensweise und den einzelnen Erzähltricks handelt es sich aber in erster Linie wieder um ein Wohlfühlbuch mit alles in allem vorhersehbarem Verlauf, herzerwärmender Story und gütigen Versprechen auf ein Happy End.


"Schade. Das hätte echt Potential. Die ultimative Enemies-to-Lovers-Romanze." Effie seufzt theatralisch. Wenn dies ein Cartoon wäre, hätte sie Herzen in den Augen. "Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das hier ist die Realität, und da heißt es nun mal Unbeteiligte-entfernte-Bekannte-to-Enemies-to-ein-Moment-der-ausgesprochenen-Seltsamheit-back-to-Enemies-für-immer-ohne-auch-nur-die-leiseste-Ähnlichkeit-mit-einer-Romanze". "Das wird sich nicht durchsetzen", sagt Effie. "Das ist wirklich sperrig."


Große Überraschungen kann man hier also nicht erwarten. Womit man aber wieder rechnen kann, ist eine tolle Protagonistin mit interessanter Entwicklung. Wie gesagt dreht sich die Geschichte um die eher kühle, verkopfte Nessa, die für ihre Schwestern nach dem Tod ihrer Mutter und der alkohol- und trauerinduzierten Abwesenheit ihres Vaters immer rational und erwachsen sein musste und erst durch ungeahnte Spannungen mit Boyd ihre wilderen, spontanen, emotionalen Seiten ausleben kann. Er bringt zugleich das Beste und das Schlechteste in ihr hervor und lässt sie vor allem endlich zu 100 Prozent lebendig fühlen. Genau wie Fiona in Band 1 erscheint Nessa dabei so menschlich, so durchschnittlich und dennoch in ihrer Einzigartigkeit so wunderbar, dass man sie am liebsten durch die Seiten hinweg fest drücken und zur besten Freundin machen würde.


"Es fühlt sich an wie Macht. Aber gleichzeitig wie Geborgenheit, weil er so sehr um mich herum ist wie sonst nur Badewasser oder Luft oder Duft."


Auch die weiteren Figuren der Geschichte sind wie gewohnt mit viel Tiefe und einer nachvollziehbaren Entwicklung ausgestattet. Besonders Nessas Schwestern stechen dabei positiv hervor. Über die melancholische Fiona haben wir in Band 1 schon mehr erfahren, der Geschichte der lebensfrohen Effie wird der dritte Band der Reihe gewidmet, in der sie ebenfalls zwischen grünen Hügeln, wolligen Schafen und stürmischen Wellen ihre Liebe findet. Auch wenn die beiden besonders in ihren eigenen Geschichten vertieft werden, ging die Charakterisierung von Effie und Fiona schon hier weit über die zweiter Nebenfiguren hinaus und die beiden sind mir sehr ans Herz gewachsen. Tolle neue Nebenfiguren sind Nessas bester Freund und Arbeitspartner Henry und Boyds bissige, aber einsame kleine Schwester Jamielee. Im Vergleich zu den zwei Schwestern bleibt Boyd selbst jedoch - genau wie Connal im Vorgängerband auch schon - leider ein bisschen zu blass. Anders als bei Nessa, die als Ich-Erzählerin auftritt, fließen seine Gedanken und Gefühle nur durch Nessas Beschreibungen mit ein. Zwar haben wir zusätzlich die kurzen Ausschnitte aus seinem Interview mit dem Magazin "World of Whiskey" die uns einen Hinweis darauf geben, wie es in seinem Inneren aussieht, seine Konflikte werden aber nur angedeutet und wir fiebern nicht so mit wie bei Nessas Ringen um Vergebung, Liebe, Zugehörigkeit und Heimat.

Genau wie die anderen Bücher der Autorin ist "Where the Waves Rise Higher" zusätzlich mal wieder wunderschön geschrieben. Kathinka Engels Schreibstil ist gewohnt lebendig, ehrlich und emotional, verliert dabei aber nie die Charakterentwicklung und ihre Themen aus dem Blick. Neben inhaltlichen Schwerpunkten wie Whiskey, Träume, Verantwortung, Heimat, Existenzsorgen und Angst, wird auch das Setting auf den Shetland Inseln stark miteingebunden. Ich selbst war noch nie in Schottland, geschweige denn auf den Shetland Inseln, dennoch konnte ich mir die weite, baumleere Landschaft mit den grünen Büschen, wolligen Schafen, robusten Ponys unter einem windigen, regennassen Himmel bildlich vorstellen. Neben der rauen Schönheit der Natur führt uns Kathinka Engel auch die Herzlichkeit der Bewohner Lerwicks und den inspirierenden Familienzusammenhalt vor Augen. Kurzum: ich habe mich verliebt und habe dank der Autorin ein neues Wunschreiseziel (aber unbedingt für den Sommer!).


"Shetland-Love", rufen wir lachend im Chor und lassen erneut unsere Gläser aneinanderklirren."


Das Ende bildet mit seiner Offenheit und Schlichtheit dann einen perfekten Abschluss für die Geschichte und lässt uns zufrieden, aber auch neugierig auf den letzten Band zurück, in dem Effies Geschichte erzählt wird. Allzulange müssen wir darauf auch nicht mehr warten: "Where the Clouds Move Faster" erscheint am 24. Februar 2022.




Fazit:

Band 2 der "Shetland-Love"-Reihe überzeugt mit einer intensiven "Enemies-to-Lovers"-Geschichte, einer humorvolleren Atmosphäre und einer starken Charakterentwicklung. Zusätzlich thematisiert auch Nessas Geschichte genau wie "Where the Roots Grow Stronger auf warmherzige Art und Weise die Themen Heimat, Wurzeln und Liebe umgeben von Shetlands rauer Landschaft.

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