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Veröffentlicht am 24.10.2021

Ein hochspannendes Actionabenteuer!

Das Babel Projekt 1. Lifelike
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Mit "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" habe ich heute Morgen mein allererstes Buch von Jay Kristoff beendet und frage mich seitdem, weshalb ich mich nicht schon viel früher an seine Werke gewagt habe. In dieser ...

Mit "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" habe ich heute Morgen mein allererstes Buch von Jay Kristoff beendet und frage mich seitdem, weshalb ich mich nicht schon viel früher an seine Werke gewagt habe. In dieser brandneuen Young-Adult-Dystopie erzählt der Bestsellerautor ein hochspannendes Actionabenteuer und nimmt mit in eine verseuchte Wüstenlandschaft voll Schrott, Dreck, Tod und Wunder.


"So viel Kummer. So viele Verluste. Alle Wundern klafften wieder auf und fingen wieder an zu bluten. Der Junge, der überhaupt kein Junge war, hielt sie einfach fast, so wie sie es mit ihm getan hatte. In einem wunderschönen Garten. In einem verlorenen Paradies."


Im Mittelpunkt des Covers und der Geschichte stehen die "Lifelikes" - starke, schnelle und schöne Androiden, die trotz ihrer verbesserten Fähigkeiten so lebensähnlich sind, dass sie auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Sie denken wie Menschen, sie lieben wie Menschen und sie hassen wie Menschen - was unterscheidet sie also von uns? Im Anklang an diese zentrale Frage ist auch die hintere Hälfte des Titels halb aufgelöst abgebildet, sodass aus "Lifelike" nur "Life" zu werden scheint. Neben dem prominenten Titel in Weiß ist im Hintergrund ein strahlend himmelblauer, an ein Auge erinnernder Kreis voller Mechanik zu sehen, welcher sich vom ansonsten dunkelroten Grund abhebt. Ebenfalls positiv an der Gestaltung hervorzuheben ist die Karte, welche in den beiden Innenseiten der Buchdeckel vorne und hinten abgebildet ist. Jene gibt einen Überblick über die einzelnen Standorte der Handlung und ist zusammen mit den vorangestellten drei Robotergesetzen und der Definitionen von Automata, Maschina und Logika sehr hilfreich beim Verstehen des Buches.


"Verunreinigt. Unnatürlich. Noch mehr Beleidigungen, die zu solchen wie abartig oder abnorm hinzukamen. Eine weitere Gruppe von Leuten, die sie nicht leiden konnten. Sie fragte ich, ob es auf der Welt wohl irgendjemanden gab, der sie einfach so akzeptierte, wie sie war. Ob es einen Ort gab, an den sie passte."


Denn Jay Kristoff hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, sondern wirft uns direkt kopfüber in die Geschichte. Nach einem tragischen Prolog beginnt ohne große Umschweife direkt der erste von insgesamt vier recht gleichlangen Teilen, in denen der Autor seine zusammengewürfelte Gruppe ohne Verschnaufpause durch eine erbarmungslose, postapokalyptische Welt jagt. Tödliche Roboterkämpfe in der Kampfkuppel, Überlebenskampf im Maschinenschrott, blutrünstige Bruderschaften, lebendige Krakenschiffe, kybernetische Kopfgeldjäger und verstrahlte Glasstürme sind nur einige der Bedrohungen, die unsere Figuren während der 465 Seiten auf Trab halten. Wir rennen zusammen mit Eve, Lemon, Ezekiel, Cricket und Kaiser von einem Desaster in das nächste und müssen nebenher auch noch geheimnisvolle Kräfte, alte Geheimnisse, neue Liebe und eine ordentliche Identitätskrise verdauen. Die Geschichte gleicht also einem einzigen Rausch aus Adrenalin, Action, Emotionen und Überraschungen von Anfang bis Ende.


"Eure Narben erinnern euch daran, wer ihr seid. Eure Haut ist die Seite und eure Wundern sin die Tinte, die eure Lebensgeschichte erzählt. Deine Narben machen dich erst schön. Abartigkeit, oder wie du es sonst nennen willst, das ist doch bloß ein anderes Wort dafür. Du nennst es abnormal. Ich nenne es unglaublich."


Unterbrochen wird diese hochspannende Reise durch eine dystopische Variante Kaliforniens immer wieder durch Rückblicke auf ein Massaker vor zwei Jahren, in dem Eves gesamte Familie gestorben ist. Zusammen mit Eves zunehmendem Wissen über ihre eigene Vergangenheit steigt auch die Spannung an und die offenen Fragen nehmen mit jeder Offenbarung zu. Was ist in Babel tatsächlich passiert? Was hat das Lifelike-Projekt mit Eve zu tun? Wem kann sie überhaupt vertrauen? Wer ist sie vor ihrer Verletzung gewesen, die ihr ihre Erinnerungen genommen haben? Wie sehr will sie sich durch ihre Vergangenheit bestimmen lassen? Und wer will sie sein? Jay Kristoff nimmt sich für Eves Identitätskonflikt trotz des hohen Erzähltempos viel Zeit und nutzt die vielen ungeklärten Fragen und Rätsel als Nährboden für eine ganze Armee aus Twists. In "Lifelike" gibt es Wendungen zu Beginn, im Mittelteil und am Ende; Wendungen, die man kommen sieht und welche, die man sich nicht in seinen Träumen hätte ausmalen können; Wendungen, die mich freudig lächeln haben lassen und welche, die mein Herz gebrochen haben; Wendungen, die klein beginnen und dann die gesamte Geschichte herumdrehen und Wendungen, die groß wirken und im Nichts verpuffen. Kurzum: ich habe noch niemals eine Young Adult Dystopie gelesen, in welcher schon im Auftaktband so eine unfassbar große Vielfalt an Plottwists vorhanden war, sodass ich bald keiner Aussage mehr um die Ecke getraut habe.


"Sie spürte die beiden Menschen jetzt wieder in ihrem Kopf. Das Mädchen, das sie gewesen war, und das Mädchen, zu dem sie geworden war. Und sie wusste nicht, ob sie beim Anblick des Turms, des Ortes, an dem das eine Mädchen gestorben und das andere geboren worden war, Trauer oder Erleichterung empfinden sollte."


Auch das Worldbuilding rund um dieses komplexe Handlungskonstrukt ist wirklich erste Sahne. Zwar erfindet Jay Kristoff hier das Rad nicht komplett neu, dafür mischt er in seiner neuen Trilogie ein episches Reise-Abenteuer, eine Roboterrebellion, mutantische Magie, verbotene Liebe, Endzeitstimmung und die Mensch-vs.-Maschinen-Thematik so zusammen, dass ein Mix entsteht, dem man nicht widerstehen kann. Neben verschiedenen Arten von Robotern wie Machina, Automata und Logika, bevölkern Cyborgs, Mutanten und künstliche Lebewesen das vom Krieg und Umweltkatastrophen zerstörte Kalifornien. Die Linie zwischen Mensch und Maschine wird dabei wie in vielen Dystopien absichtlich aufgeweicht und verwischt. Das geschieht nicht nur durch die Existenz der Lifelikes, sondern auch dadurch, dass Maschinen Gefühle zugestanden werden, zu liebenswerten Protagonisten werden und beginnen, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen. Das staubige, lebensfeindliche Wüstensetting voll Technologie und Abfall verströmt definitiv "Mad Max"- und "Bladerunner"-Vibes und ist geprägt von verschiedenen Gegensätzen. Wir sehen, wie sich Fortschritt in den Trümmern einer alten Zivilisation erhebt, wie sich Großkonzerne um die Macht bekriegen, während in den Gassen Menschen neben Maschinen ums Überleben kämpfen und eine Bruderschaft Mutanten jagt, die sich mit besonderen Fähigkeiten aus dem Dreck zu erheben wagen.


"Die Farmfabriken, die Megopolis ernähren, sind mit Automata und Logika bevölkert, nicht von Menschen. Die Soldaten, die eure Kriege führen, die Gladiatoren, die in euren KampfKuppeln bluten und sterben, sie sind alle aus Eisen und Stahl, nicht aus Fleisch und Blut. Schau dich vor dieser Tür da draußen um, und du siehst eine Welt, die auf metallenem Rücken errichtet wurde. Die von metallenen Händen zusammengehalten wird. Und eines Tages werden sich diese metallenen Händen schließen. Zu Fäusten."


Lebendig wird diese eigentlich unmögliche Mischung durch den brachialen, aber trotzdem detailversessenen Schreibstil von Jay Kristoff, welcher ab und zu ein wenig über das Ziel hinausschießt (zum Beispiel bei der Beschreibung von Farbe, Konsistenz und Geruch verschiedener Sorten von Schleim im Magen eines Seeungeheuers), aber wahnsinnig unter die Haut geht. Auch wenn der Autor wie gesagt ein ordentliches Tempo verlegt, behält er dabei den Fokus auf die Figuren bei. Anstatt sich auf eine Erzählperspektive festzulegen, wählt der Autor hier einen personalen Er-Erzähler, welcher zwischen den Hauptfiguren und auch einigen Nebenfiguren wechselt, dabei aber am längsten bei Eve verweilt. Sie ist jedoch lange nicht die einzige spannende Figur. Jeder der Charaktere ist auf seine Art und Weise ein Ausgestoßener und bringt um einiges mehr mit, als man das auf den ersten Blick erwartet. Neben der großen Frage nach der Maschinen-Ethik und was Freundschaft, Loyalität und auch Liebe im Kontext der drei Maschinen-Gesetze bedeuten, müssen die drei Hauptfiguren Eve, Ezekiel und Lemon jeweils noch ihre eigenen Dämonen bekämpfen. Auch die Dynamik der drei, welche von Humor, aber auch von tiefer Liebe in unterschiedlichen Formen geprägt ist, ist wirklich wundervoll. Ein Beinahe-Junge mit mechanischem Herzen, ein Mädchen mit zu vielen Namen und einer ungewissen Zukunft und ein Mädchen ohne Namen mit unbekannter Vergangenheit? Die drei bilden ein absolutes Dreamteam, welches durch den süßen Logika Cricket und den Blitzhund Kaiser gelungen ergänzt werden. Besonders Cricket habe ich sofort ins Herz geschlossen und werde loyal gegen jeden in den Krieg ziehen, der ihn klein nennt.


"Ich bin so, wie mein Schöpfer mich gewollt hat", erwiderte Cricket. "Und nenn mich nicht klein!"


Etwas schade fand ich, dass die Bösewichte wie der "Prediger" oder die anderen Lifelikes in Babel hier leider ein wenig schwarz-weiß bleiben. Angesichts der ansonsten ausgezeichneten Charakterstudie hätte ich an dieser Front ein bisschen mehr erwartet und hoffe, dass gerade die Lifelikes in Band 2 ein bisschen besser profiliert werden. Auch die Liebesgeschichte bleibt eher im Hintergrund, was gut zur actionbasierten, temporeichen Geschichte passt. Mir gefällt auch, dass die Figuren ihre Gefühle hier immer wieder hinterfragen und mit jeder neuen Enthüllung in Relation setzen. Etwas mehr Tiefe und weniger glitzernde Instant-Love hätten mir aber trotzdem ganz gut gefallen, da mich die Liebe der beiden emotional nicht wirklich abgeholt hat. Mehr berührt hat mich da schon eher die Freundschaft zwischen Lemon und Eve, auf deren weitere Entwicklung ich ebenfalls sehr gespannt bin.


"Zusammen stark", flüsterte Lemon. "Auf ewig zusammen", erwiderte Eve."


Was ich von dem unfassbar fiesen Cliffhanger halten soll, der zwar die direkte Handlung abschließt, dabei aber zwischen den Zeilen so viel offenlässt und zerstört, dass man unmöglich lange auf den Folgeband warten kann, weiß ich noch nicht so genau. Ganz klar ist nach diesem Buch jedoch: ich muss UNBEDINGT mehr von Jay Kristoff lesen. In erster Linie natürlich die beiden Folgebände, auf die ich wahrscheinlich noch eeeeeeewig warten muss. Seine "Nevernight"-Saga und die "Illuminae-Akten" stehen bei mir jetzt aber auch ganz oben auf der Liste!



Fazit:


Mit dieser brandneuen Young-Adult-Dystopie erzählt der Bestsellerautor ein hochspannendes Actionabenteuer und nimmt mit in eine verseuchte Wüstenlandschaft voll Schrott, Dreck, Tod und Wunder. "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" überzeugt mit komplexem Worldbuilding, vielschichtigen Figuren und vielen Wendungen. Einen halben Stern Abzug gibt es für die blassen Antagonisten und die wenig elaborierte Liebesgeschichte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.10.2021

Ein hochspannendes Actionabenteuer!

Das Babel Projekt – Lifelike
0

Mit "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" habe ich heute Morgen mein allererstes Buch von Jay Kristoff beendet und frage mich seitdem, weshalb ich mich nicht schon viel früher an seine Werke gewagt habe. In dieser ...

Mit "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" habe ich heute Morgen mein allererstes Buch von Jay Kristoff beendet und frage mich seitdem, weshalb ich mich nicht schon viel früher an seine Werke gewagt habe. In dieser brandneuen Young-Adult-Dystopie erzählt der Bestsellerautor ein hochspannendes Actionabenteuer und nimmt mit in eine verseuchte Wüstenlandschaft voll Schrott, Dreck, Tod und Wunder.


"So viel Kummer. So viele Verluste. Alle Wundern klafften wieder auf und fingen wieder an zu bluten. Der Junge, der überhaupt kein Junge war, hielt sie einfach fast, so wie sie es mit ihm getan hatte. In einem wunderschönen Garten. In einem verlorenen Paradies."


Im Mittelpunkt des Covers und der Geschichte stehen die "Lifelikes" - starke, schnelle und schöne Androiden, die trotz ihrer verbesserten Fähigkeiten so lebensähnlich sind, dass sie auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Sie denken wie Menschen, sie lieben wie Menschen und sie hassen wie Menschen - was unterscheidet sie also von uns? Im Anklang an diese zentrale Frage ist auch die hintere Hälfte des Titels halb aufgelöst abgebildet, sodass aus "Lifelike" nur "Life" zu werden scheint. Neben dem prominenten Titel in Weiß ist im Hintergrund ein strahlend himmelblauer, an ein Auge erinnernder Kreis voller Mechanik zu sehen, welcher sich vom ansonsten dunkelroten Grund abhebt. Ebenfalls positiv an der Gestaltung hervorzuheben ist die Karte, welche in den beiden Innenseiten der Buchdeckel vorne und hinten abgebildet ist. Jene gibt einen Überblick über die einzelnen Standorte der Handlung und ist zusammen mit den vorangestellten drei Robotergesetzen und der Definitionen von Automata, Maschina und Logika sehr hilfreich beim Verstehen des Buches.


"Verunreinigt. Unnatürlich. Noch mehr Beleidigungen, die zu solchen wie abartig oder abnorm hinzukamen. Eine weitere Gruppe von Leuten, die sie nicht leiden konnten. Sie fragte ich, ob es auf der Welt wohl irgendjemanden gab, der sie einfach so akzeptierte, wie sie war. Ob es einen Ort gab, an den sie passte."


Denn Jay Kristoff hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, sondern wirft uns direkt kopfüber in die Geschichte. Nach einem tragischen Prolog beginnt ohne große Umschweife direkt der erste von insgesamt vier recht gleichlangen Teilen, in denen der Autor seine zusammengewürfelte Gruppe ohne Verschnaufpause durch eine erbarmungslose, postapokalyptische Welt jagt. Tödliche Roboterkämpfe in der Kampfkuppel, Überlebenskampf im Maschinenschrott, blutrünstige Bruderschaften, lebendige Krakenschiffe, kybernetische Kopfgeldjäger und verstrahlte Glasstürme sind nur einige der Bedrohungen, die unsere Figuren während der 465 Seiten auf Trab halten. Wir rennen zusammen mit Eve, Lemon, Ezekiel, Cricket und Kaiser von einem Desaster in das nächste und müssen nebenher auch noch geheimnisvolle Kräfte, alte Geheimnisse, neue Liebe und eine ordentliche Identitätskrise verdauen. Die Geschichte gleicht also einem einzigen Rausch aus Adrenalin, Action, Emotionen und Überraschungen von Anfang bis Ende.


"Eure Narben erinnern euch daran, wer ihr seid. Eure Haut ist die Seite und eure Wundern sin die Tinte, die eure Lebensgeschichte erzählt. Deine Narben machen dich erst schön. Abartigkeit, oder wie du es sonst nennen willst, das ist doch bloß ein anderes Wort dafür. Du nennst es abnormal. Ich nenne es unglaublich."


Unterbrochen wird diese hochspannende Reise durch eine dystopische Variante Kaliforniens immer wieder durch Rückblicke auf ein Massaker vor zwei Jahren, in dem Eves gesamte Familie gestorben ist. Zusammen mit Eves zunehmendem Wissen über ihre eigene Vergangenheit steigt auch die Spannung an und die offenen Fragen nehmen mit jeder Offenbarung zu. Was ist in Babel tatsächlich passiert? Was hat das Lifelike-Projekt mit Eve zu tun? Wem kann sie überhaupt vertrauen? Wer ist sie vor ihrer Verletzung gewesen, die ihr ihre Erinnerungen genommen haben? Wie sehr will sie sich durch ihre Vergangenheit bestimmen lassen? Und wer will sie sein? Jay Kristoff nimmt sich für Eves Identitätskonflikt trotz des hohen Erzähltempos viel Zeit und nutzt die vielen ungeklärten Fragen und Rätsel als Nährboden für eine ganze Armee aus Twists. In "Lifelike" gibt es Wendungen zu Beginn, im Mittelteil und am Ende; Wendungen, die man kommen sieht und welche, die man sich nicht in seinen Träumen hätte ausmalen können; Wendungen, die mich freudig lächeln haben lassen und welche, die mein Herz gebrochen haben; Wendungen, die klein beginnen und dann die gesamte Geschichte herumdrehen und Wendungen, die groß wirken und im Nichts verpuffen. Kurzum: ich habe noch niemals eine Young Adult Dystopie gelesen, in welcher schon im Auftaktband so eine unfassbar große Vielfalt an Plottwists vorhanden war, sodass ich bald keiner Aussage mehr um die Ecke getraut habe.


"Sie spürte die beiden Menschen jetzt wieder in ihrem Kopf. Das Mädchen, das sie gewesen war, und das Mädchen, zu dem sie geworden war. Und sie wusste nicht, ob sie beim Anblick des Turms, des Ortes, an dem das eine Mädchen gestorben und das andere geboren worden war, Trauer oder Erleichterung empfinden sollte."


Auch das Worldbuilding rund um dieses komplexe Handlungskonstrukt ist wirklich erste Sahne. Zwar erfindet Jay Kristoff hier das Rad nicht komplett neu, dafür mischt er in seiner neuen Trilogie ein episches Reise-Abenteuer, eine Roboterrebellion, mutantische Magie, verbotene Liebe, Endzeitstimmung und die Mensch-vs.-Maschinen-Thematik so zusammen, dass ein Mix entsteht, dem man nicht widerstehen kann. Neben verschiedenen Arten von Robotern wie Machina, Automata und Logika, bevölkern Cyborgs, Mutanten und künstliche Lebewesen das vom Krieg und Umweltkatastrophen zerstörte Kalifornien. Die Linie zwischen Mensch und Maschine wird dabei wie in vielen Dystopien absichtlich aufgeweicht und verwischt. Das geschieht nicht nur durch die Existenz der Lifelikes, sondern auch dadurch, dass Maschinen Gefühle zugestanden werden, zu liebenswerten Protagonisten werden und beginnen, für ihre eigene Freiheit zu kämpfen. Das staubige, lebensfeindliche Wüstensetting voll Technologie und Abfall verströmt definitiv "Mad Max"- und "Bladerunner"-Vibes und ist geprägt von verschiedenen Gegensätzen. Wir sehen, wie sich Fortschritt in den Trümmern einer alten Zivilisation erhebt, wie sich Großkonzerne um die Macht bekriegen, während in den Gassen Menschen neben Maschinen ums Überleben kämpfen und eine Bruderschaft Mutanten jagt, die sich mit besonderen Fähigkeiten aus dem Dreck zu erheben wagen.


"Die Farmfabriken, die Megopolis ernähren, sind mit Automata und Logika bevölkert, nicht von Menschen. Die Soldaten, die eure Kriege führen, die Gladiatoren, die in euren KampfKuppeln bluten und sterben, sie sind alle aus Eisen und Stahl, nicht aus Fleisch und Blut. Schau dich vor dieser Tür da draußen um, und du siehst eine Welt, die auf metallenem Rücken errichtet wurde. Die von metallenen Händen zusammengehalten wird. Und eines Tages werden sich diese metallenen Händen schließen. Zu Fäusten."


Lebendig wird diese eigentlich unmögliche Mischung durch den brachialen, aber trotzdem detailversessenen Schreibstil von Jay Kristoff, welcher ab und zu ein wenig über das Ziel hinausschießt (zum Beispiel bei der Beschreibung von Farbe, Konsistenz und Geruch verschiedener Sorten von Schleim im Magen eines Seeungeheuers), aber wahnsinnig unter die Haut geht. Auch wenn der Autor wie gesagt ein ordentliches Tempo verlegt, behält er dabei den Fokus auf die Figuren bei. Anstatt sich auf eine Erzählperspektive festzulegen, wählt der Autor hier einen personalen Er-Erzähler, welcher zwischen den Hauptfiguren und auch einigen Nebenfiguren wechselt, dabei aber am längsten bei Eve verweilt. Sie ist jedoch lange nicht die einzige spannende Figur. Jeder der Charaktere ist auf seine Art und Weise ein Ausgestoßener und bringt um einiges mehr mit, als man das auf den ersten Blick erwartet. Neben der großen Frage nach der Maschinen-Ethik und was Freundschaft, Loyalität und auch Liebe im Kontext der drei Maschinen-Gesetze bedeuten, müssen die drei Hauptfiguren Eve, Ezekiel und Lemon jeweils noch ihre eigenen Dämonen bekämpfen. Auch die Dynamik der drei, welche von Humor, aber auch von tiefer Liebe in unterschiedlichen Formen geprägt ist, ist wirklich wundervoll. Ein Beinahe-Junge mit mechanischem Herzen, ein Mädchen mit zu vielen Namen und einer ungewissen Zukunft und ein Mädchen ohne Namen mit unbekannter Vergangenheit? Die drei bilden ein absolutes Dreamteam, welches durch den süßen Logika Cricket und den Blitzhund Kaiser gelungen ergänzt werden. Besonders Cricket habe ich sofort ins Herz geschlossen und werde loyal gegen jeden in den Krieg ziehen, der ihn klein nennt.


"Ich bin so, wie mein Schöpfer mich gewollt hat", erwiderte Cricket. "Und nenn mich nicht klein!"


Etwas schade fand ich, dass die Bösewichte wie der "Prediger" oder die anderen Lifelikes in Babel hier leider ein wenig schwarz-weiß bleiben. Angesichts der ansonsten ausgezeichneten Charakterstudie hätte ich an dieser Front ein bisschen mehr erwartet und hoffe, dass gerade die Lifelikes in Band 2 ein bisschen besser profiliert werden. Auch die Liebesgeschichte bleibt eher im Hintergrund, was gut zur actionbasierten, temporeichen Geschichte passt. Mir gefällt auch, dass die Figuren ihre Gefühle hier immer wieder hinterfragen und mit jeder neuen Enthüllung in Relation setzen. Etwas mehr Tiefe und weniger glitzernde Instant-Love hätten mir aber trotzdem ganz gut gefallen, da mich die Liebe der beiden emotional nicht wirklich abgeholt hat. Mehr berührt hat mich da schon eher die Freundschaft zwischen Lemon und Eve, auf deren weitere Entwicklung ich ebenfalls sehr gespannt bin.


"Zusammen stark", flüsterte Lemon. "Auf ewig zusammen", erwiderte Eve."


Was ich von dem unfassbar fiesen Cliffhanger halten soll, der zwar die direkte Handlung abschließt, dabei aber zwischen den Zeilen so viel offenlässt und zerstört, dass man unmöglich lange auf den Folgeband warten kann, weiß ich noch nicht so genau. Ganz klar ist nach diesem Buch jedoch: ich muss UNBEDINGT mehr von Jay Kristoff lesen. In erster Linie natürlich die beiden Folgebände, auf die ich wahrscheinlich noch eeeeeeewig warten muss. Seine "Nevernight"-Saga und die "Illuminae-Akten" stehen bei mir jetzt aber auch ganz oben auf der Liste!



Fazit:


Mit dieser brandneuen Young-Adult-Dystopie erzählt der Bestsellerautor ein hochspannendes Actionabenteuer und nimmt mit in eine verseuchte Wüstenlandschaft voll Schrott, Dreck, Tod und Wunder. "LIFEL1K3 - Das Babel Projekt" überzeugt mit komplexem Worldbuilding, vielschichtigen Figuren und vielen Wendungen. Einen halben Stern Abzug gibt es für die blassen Antagonisten und die wenig elaborierte Liebesgeschichte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.10.2021

Gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi...

Layla
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Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und ...

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Zuletzt wagte die "Queen-of-Hearts" mit "Verity" einen Ausflug ins Genre Psychothriller, welcher mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurückließ. Nun entdeckt sie mit ihrem neusten Meisterwerk die Paranormal Romance für sich. Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in wilde Begeisterung und so habe ich die Geschichte wie in einem Rausch in wenigen Stunden von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen, nur um mit Sicherheit sagen zu können: "Layla" ist die wohl mit Abstand außergewöhnlichste und wendungsreichste Liebesgeschichte, die ich seit Langem gelesen habe!

Das Cover ist in Gestaltung und Konzept stark an "Verity" angelehnt und weicht somit schon optisch ein wenig von den typischen Colleen-Hoover-meets-dtv-Covers ab. Zu sehen ist ebenfalls ein Himmel, nur dass jener dieses Mal einen düsteren Gewitterhimmel bei Nacht zeigt. Mit den starken Kontrasten, den starken Farben und dem großen, hervorstechenden Titel ist die Gestaltung angemessen mystisch, geheimnisvoll und düster und passt ganz hervorragend zur Geschichte. Auch der Titel an sich ist genau wie bei "Verity" der Name der Frau, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist. Beachtet man, dass "Layla" übersetzt so viel wie "dunkle Schönheit" und "Nacht" bedeutet, bekommt auch gleich das Covermotiv eine andere Bedeutung. Bei diesem Cover kann ich also eindeutig sagen, dass ich es absolut gelungen finde und mir kein besseres (auch nicht das Originalcover) vorstellen könnte.

Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz nach Colleen Hoovers sonstigen Mustern eine seichte Liebesgeschichte erwarten:

Erster Satz: "Bevor ich runtergegangen bin, habe ich Layla mit zwei Schichten Gaffa-Tape den Mund verklebt; trotzdem sind ihre gedämpften Schreie immer noch zu hören, als ich mich mit dem Mann an den Küchentisch setze."

Mit diesem Satz beginnt die Geschichte um Layla und Reeds und ich war sofort absolut ratlos, in welche Richtung wir uns in den nächsten 380 Seiten bewegen würden. Ist Leeds vielleicht ein Psychopath? Weshalb hält er Layla gefangen? Wer ist der geheimnisvolle Mann? Und vor allem: was zur Hölle hat sich diese Autorin jetzt schon wieder ausgedacht? Ich hatte also schon nach dem ersten Satz eine ganze Menge Fragen, was bei einem Romance Buch eine ganz neue und interessante Erfahrung war und die Spannung von Null auf Hundert hochgesetzt hat. Um dieses Spannungsniveau zu halten, erzählt Colleen Hoover ihren Roman nicht rein chronologisch, sondern schiebt immer wieder kurze Dialogfragmente aus der "Befragung" ein, in der Leeds seine Beziehung zu Layla ausgehend vom Tag ihrer ersten Begegnung bis hin zum aktuellen Desaster erklärt. Die Autorin beantwortet zunächst also erstmal keine brennenden Fragen, sondern widmet sich der romantischen Kennenlerngeschichte des jungen Paares, die zwar sehr schön zu lesen ist, aber permanent die Frage aufwirft, wie die beiden bloß in diese verfahrenen Situation geraten sind, in der Leeds eine völlig neben sich stehende Layla ans Bett fesselt und einem völlig Fremden seine Geschichte erzählt. Was ist zwischen dem ersten Tanz auf der Hochzeit von Laylas Schwester in einem Bed and Breakfast im buchstäblichen Herzen der USA und der absoluten Eskalation schiefgelaufen?

Leider kann ich Euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste und die Story vor allem vom Verborgenen, Geheimnisvollen lebt. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Obwohl ich anfangs skeptisch war, wie gut die Autorin sich den Mystery-Anteil zu eigen machen kann, wurde ich positiv überrascht von der stimmungsvoll-gruseligen Umsetzung. "Layla" ist alles andere als ein Horrorbuch, dennoch baut sich hier Seite um Seite eine ungute, flirrende Atmosphäre auf. Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich erzählt Leeds nur vom Alltag mit Layla im Bed und Breakfast - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Während der Gruselfaktor zunimmt, nimmt die Sympathie für Leeds ab und Argwohn und Vorsicht werden zum vorherrschenden Gefühl beim Lesen, da man schlecht einschätzen kann, was hier wirklich vor sich geht. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine verwirrte Frau, unerklärliche Ereignisse und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Leeds auch eine Neugier und Faszination für die Geschehnisse, die wir Kapitel für Kapitel beobachten und die Wahrheit, der wir Stück für Stück näherkommen.

Sobald "Willow" das erste Mal auftaucht, hatte ich dann aber schnell verschiedene Ideen und Theorien im Kopf, von denen sich dann auch schlussendlich eine bewahrheitet hat. Ein so unvorhersehbares Rätsel wie in "Verity" hat die Autorin hier also nicht geschaffen. Ordentlich punkten kann sie aber durch ihren Schreibstil, der es mal wieder schaffte, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Da die Autorin hier gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Gruselkrimi und ein Drama erzählt (ich dachte auch nicht, dass das möglich ist, aber "Layla" ist der offensichtliche Beweis, dass diese Mischung funktioniert) wechseln sich hier regelmäßig Liebe, Fürsorge und Mitgefühl mit Fassungslosigkeit, Entsetzen und Schock ab. Die Folge davon ist, dass man nie so genau weiß, was man jetzt gegenüber den beiden Hauptfiguren und deren Handlungen genau fühlen soll.

Diese Ambivalenz und Unsicherheit übertragen sich auch auf die Figuren. Auch wenn Layla wie der Titel schon verrät das Kernstück der Geschichte ist und ein Großteil der Anziehungskraft des Romans von ihrer spannenden aber auch wahnsinnig verwirrenden und teilweise widersprüchlichen Charakterzeichnung ausgeht, ist sie diesmal nicht die Erzählerin. Stattdessen hat sich Colleen Hoover dafür entschieden, ihren Lebensgefährten Leeds als Ich-Erzähler einzusetzen. Das ist insofern spannend, da sich die Lesermeinung zu dieser Figur über die Geschichte hinweg mehrere Male ändert. War ich mir zu Beginn nicht sicher, ihm trauen zu können, haben meine Gefühle zwischendurch zwischen Verachtung und Bewunderung changiert, nur um am Ende festzustellen, dass er weder ein Psychopath noch ein Verrückter, sondern einfach nur verliebt war... "Layla" ist also alles in allem nichts anderes als eine auf Abwegen geratene Liebesgeschichte - bloß ein bisschen intensiver, abgefahrener und vielschichtiger als gewöhnlich.

Rückblickend hätte ich mir "Layla" ein bisschen mehr einteilen sollen, da erst am 1. Februar 2022 mit "Für immer ein Teil von dir" wieder Nachschub von Colleen Hoover erscheint. Gegen den Sog, den die Geschichte aus mich ausgeübt hat, war ich aber leider machtlos und so bekommt Ihr wenigstens schon zum Erscheinungstermin meine Rezension.



Fazit:


Colleen Hoover erzählt mit "Layla" gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi. So unvorhersehbar und schockierend wie "Verity" ist ihr neuster Roman zwar nicht, dafür kann sie ordentlich mit vielschichtigen Figuren, einer intensiven Atmosphäre, der ambivalenten Beziehung von Layla und Leeds, vielen originellen Ideen und einer hochspannenden Erzählweise punkten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.10.2021

Gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi.

Layla
0

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und ...

Colleen Hoover ist die Autorin, von der ich am meisten Bücher gelesen habe. Um genau zu sein sind es inklusive "Layla" genau 20 Bücher. Und dennoch schafft sie es immer wieder, mich zu überraschen und eine ganz neue Richtung einzuschlagen. Zuletzt wagte die "Queen-of-Hearts" mit "Verity" einen Ausflug ins Genre Psychothriller, welcher mich gleichzeitig fasziniert und verstört zurückließ. Nun entdeckt sie mit ihrem neusten Meisterwerk die Paranormal Romance für sich. Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich innerhalb kürzester Zeit in wilde Begeisterung und so habe ich die Geschichte wie in einem Rausch in wenigen Stunden von der ersten bis zur letzten Seite durchgelesen, nur um mit Sicherheit sagen zu können: "Layla" ist die wohl mit Abstand außergewöhnlichste und wendungsreichste Liebesgeschichte, die ich seit Langem gelesen habe!

Das Cover ist in Gestaltung und Konzept stark an "Verity" angelehnt und weicht somit schon optisch ein wenig von den typischen Colleen-Hoover-meets-dtv-Covers ab. Zu sehen ist ebenfalls ein Himmel, nur dass jener dieses Mal einen düsteren Gewitterhimmel bei Nacht zeigt. Mit den starken Kontrasten, den starken Farben und dem großen, hervorstechenden Titel ist die Gestaltung angemessen mystisch, geheimnisvoll und düster und passt ganz hervorragend zur Geschichte. Auch der Titel an sich ist genau wie bei "Verity" der Name der Frau, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist. Beachtet man, dass "Layla" übersetzt so viel wie "dunkle Schönheit" und "Nacht" bedeutet, bekommt auch gleich das Covermotiv eine andere Bedeutung. Bei diesem Cover kann ich also eindeutig sagen, dass ich es absolut gelungen finde und mir kein besseres (auch nicht das Originalcover) vorstellen könnte.

Schon der Beginn des ersten Kapitels wird alle verstören, die hier ganz nach Colleen Hoovers sonstigen Mustern eine seichte Liebesgeschichte erwarten:

Erster Satz: "Bevor ich runtergegangen bin, habe ich Layla mit zwei Schichten Gaffa-Tape den Mund verklebt; trotzdem sind ihre gedämpften Schreie immer noch zu hören, als ich mich mit dem Mann an den Küchentisch setze."

Mit diesem Satz beginnt die Geschichte um Layla und Reeds und ich war sofort absolut ratlos, in welche Richtung wir uns in den nächsten 380 Seiten bewegen würden. Ist Leeds vielleicht ein Psychopath? Weshalb hält er Layla gefangen? Wer ist der geheimnisvolle Mann? Und vor allem: was zur Hölle hat sich diese Autorin jetzt schon wieder ausgedacht? Ich hatte also schon nach dem ersten Satz eine ganze Menge Fragen, was bei einem Romance Buch eine ganz neue und interessante Erfahrung war und die Spannung von Null auf Hundert hochgesetzt hat. Um dieses Spannungsniveau zu halten, erzählt Colleen Hoover ihren Roman nicht rein chronologisch, sondern schiebt immer wieder kurze Dialogfragmente aus der "Befragung" ein, in der Leeds seine Beziehung zu Layla ausgehend vom Tag ihrer ersten Begegnung bis hin zum aktuellen Desaster erklärt. Die Autorin beantwortet zunächst also erstmal keine brennenden Fragen, sondern widmet sich der romantischen Kennenlerngeschichte des jungen Paares, die zwar sehr schön zu lesen ist, aber permanent die Frage aufwirft, wie die beiden bloß in diese verfahrenen Situation geraten sind, in der Leeds eine völlig neben sich stehende Layla ans Bett fesselt und einem völlig Fremden seine Geschichte erzählt. Was ist zwischen dem ersten Tanz auf der Hochzeit von Laylas Schwester in einem Bed and Breakfast im buchstäblichen Herzen der USA und der absoluten Eskalation schiefgelaufen?

Leider kann ich Euch nicht viel über den Verlauf der Handlung erzählen, weil ich sonst Wichtiges vorwegnehmen müsste und die Story vor allem vom Verborgenen, Geheimnisvollen lebt. Fest steht nur, dass diese Geschichte ganz anders aufgezogen ist als die emotionalen Liebesromane, die wir sonst von Colleen Hoover kennen. Obwohl ich anfangs skeptisch war, wie gut die Autorin sich den Mystery-Anteil zu eigen machen kann, wurde ich positiv überrascht von der stimmungsvoll-gruseligen Umsetzung. "Layla" ist alles andere als ein Horrorbuch, dennoch baut sich hier Seite um Seite eine ungute, flirrende Atmosphäre auf. Auch wenn auf der reinen Handlungsebene nicht viel passiert - eigentlich erzählt Leeds nur vom Alltag mit Layla im Bed und Breakfast - steigt die Spannung mit jedem Kapitel mehr an. Während der Gruselfaktor zunimmt, nimmt die Sympathie für Leeds ab und Argwohn und Vorsicht werden zum vorherrschenden Gefühl beim Lesen, da man schlecht einschätzen kann, was hier wirklich vor sich geht. Ein beinahe leeres Geisterhaus, eine verwirrte Frau, unerklärliche Ereignisse und ein dunkles Geheimnis, das Stück für Stück gelüftet wird - Colleen Hoover weiß ganz genau, wie sie den Leser durch geschickt platzierte Häppchen, neue Wendungen und schockierende Geheimnissen bei Stange halten muss und so ist es kein Wunder, dass ich den Roman an einem Mittag verschlungen habe. Sobald man mit dem Lesen begonnen hat, will man unbedingt hinter die Wahrheit kommen und verspürt genau wie Leeds auch eine Neugier und Faszination für die Geschehnisse, die wir Kapitel für Kapitel beobachten und die Wahrheit, der wir Stück für Stück näherkommen.

Sobald "Willow" das erste Mal auftaucht, hatte ich dann aber schnell verschiedene Ideen und Theorien im Kopf, von denen sich dann auch schlussendlich eine bewahrheitet hat. Ein so unvorhersehbares Rätsel wie in "Verity" hat die Autorin hier also nicht geschaffen. Ordentlich punkten kann sie aber durch ihren Schreibstil, der es mal wieder schaffte, dass ich in einem Wechselbad der Gefühle gefangen war. Da die Autorin hier gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Gruselkrimi und ein Drama erzählt (ich dachte auch nicht, dass das möglich ist, aber "Layla" ist der offensichtliche Beweis, dass diese Mischung funktioniert) wechseln sich hier regelmäßig Liebe, Fürsorge und Mitgefühl mit Fassungslosigkeit, Entsetzen und Schock ab. Die Folge davon ist, dass man nie so genau weiß, was man jetzt gegenüber den beiden Hauptfiguren und deren Handlungen genau fühlen soll.

Diese Ambivalenz und Unsicherheit übertragen sich auch auf die Figuren. Auch wenn Layla wie der Titel schon verrät das Kernstück der Geschichte ist und ein Großteil der Anziehungskraft des Romans von ihrer spannenden aber auch wahnsinnig verwirrenden und teilweise widersprüchlichen Charakterzeichnung ausgeht, ist sie diesmal nicht die Erzählerin. Stattdessen hat sich Colleen Hoover dafür entschieden, ihren Lebensgefährten Leeds als Ich-Erzähler einzusetzen. Das ist insofern spannend, da sich die Lesermeinung zu dieser Figur über die Geschichte hinweg mehrere Male ändert. War ich mir zu Beginn nicht sicher, ihm trauen zu können, haben meine Gefühle zwischendurch zwischen Verachtung und Bewunderung changiert, nur um am Ende festzustellen, dass er weder ein Psychopath noch ein Verrückter, sondern einfach nur verliebt war... "Layla" ist also alles in allem nichts anderes als eine auf Abwegen geratene Liebesgeschichte - bloß ein bisschen intensiver, abgefahrener und vielschichtiger als gewöhnlich.

Rückblickend hätte ich mir "Layla" ein bisschen mehr einteilen sollen, da erst am 1. Februar 2022 mit "Für immer ein Teil von dir" wieder Nachschub von Colleen Hoover erscheint. Gegen den Sog, den die Geschichte aus mich ausgeübt hat, war ich aber leider machtlos und so bekommt Ihr wenigstens schon zum Erscheinungstermin meine Rezension.



Fazit:


Colleen Hoover erzählt mit "Layla" gleichzeitig eine epische Liebesgeschichte, ein Familiendrama und ein Gruselkrimi. So unvorhersehbar und schockierend wie "Verity" ist ihr neuster Roman zwar nicht, dafür kann sie ordentlich mit vielschichtigen Figuren, einer intensiven Atmosphäre, der ambivalenten Beziehung von Layla und Leeds, vielen originellen Ideen und einer hochspannenden Erzählweise punkten.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Der perfekte Abschluss und der Beginn von etwas ganz Neuem!

Finding Perfect
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"Finding Perfect" ist eine brandneuen Novelle von Colleen Hoover, auf die ich mich schon seit längerem gefreut habe. Mit etwas mehr als 100 Seiten bescherte mir der Roman dann ein eher knappes Lesevergnügen, ...

"Finding Perfect" ist eine brandneuen Novelle von Colleen Hoover, auf die ich mich schon seit längerem gefreut habe. Mit etwas mehr als 100 Seiten bescherte mir der Roman dann ein eher knappes Lesevergnügen, weshalb auch meine Rezension ein bisschen kürzer ausfällt. Auf ein paar Punkte möchte ich im Folgenden aber dennoch eingehen...

Vorab will ich kurz anmerken, dass es nur sinnvoll ist, diese Novelle zu lesen, wenn man auch ihre beiden früheren Romane "Finding Cinderella" und "Was perfekt war" gelesen hat. Denn die "Queen of Hearts", von der ich mittlerweile schon ganze 18 Bücher gelesen habe, führt in "Finding Cinderella" nicht nur die Geschichte von Six und Daniel aus "Finding Cinderella" fort, sondern knüpft außerdem eine Querverbindung zu Graham und Quinn aus "Was perfekt war". Kennt man die beiden Romane nicht, wird man mit dem Inhalt nicht besonders viel anzufangen wissen und wird außerdem stark gespoilert. Passend zu der inhaltlichen Verbindung von "Finding Cinderella" und "Was perfekt war" ist auch der Titel der Novelle übrigens eine Mischung aus den Titeln der beiden Romane und meines Erachtens sehr treffend gewählt. Da auch einige Figuren aus der Hope-und-Dean-Reihe vorkommen, ist es zudem ratsam, wenn man auch diese Reihe schon kennt.


"Unsere ganze Beziehung ist schwierig." Hannah klappt lachend ihren Laptop zu. "Ein Medizinstudium ist schwierig, eine Beziehung ist es nicht. Man liebt sich, oder man liebt sich nicht und wenn nicht, beendet man die Beziehung. Ganz einfach."


"Finding Perfect" ist also in erster Linie an Fans der Autorin gerichtet, die mit ihren Geschichten schon vertrauter sind. Als solcher habe ich die Novella sehr genossen. Schon bei dem sehr offenen und beinahe abgewürgten Ende von "Finding Cinderella" dachte ich mir, dass sich die Autorin bestimmt noch ein anderes Format suchen wird, um die Geschichte von Six und Daniel weiterzuerzählen. Es blieben einfach zu viele Fragen offen und auch emotional war der Abschluss des vorherigen Bandes alles andere als rund gewesen. Als dann in "Was perfekt war" schon eine kleine Andeutung in Form eines Easter Eggs versteckt war, war ich mir dann sicher: da ist noch eine Fortführung in Planung. In dieser Novelle, die Daniel aus der Ich-Perspektive erzählt, können wir nun beobachten wie sehr Six unter dem Verlust ihres Kindes leidet und auch die Beziehung der beiden unter dem Last der Ungewissheit zu bröckeln beginnt. Um seiner Freundin Frieden zu verschaffen, macht sich Daniel deshalb auf die Suche nach dem zur Adoption aufgegebenen Kind und landet... bei Graham und Quinn, deren Beziehung ebenfalls fast zerbrochen wäre und die ihren Kinderwunsch durch die Adoption doch noch erfüllt bekommen haben.


"Du hast ihn nicht aufgegeben. Du hast ihm ein Leben geschenkt. Und du hast seinen neuen Eltern ein Leben geschenkt. Was du getan hast, war alles andere als aufgeben. Im Gegenteil. Du hast alles für ihn gegeben."


"Finding Perfect" erzählt also von Verlust, Familie, Verantwortung, Liebe, Suchen, Finden und ist gleichzeitig der perfekte Abschluss und der Beginn von etwas ganz Neuem! Dabei ist es Colleen Hoover gelungen, trotz der Kürze eine ganze Palette an Emotionen zu Papier zu bringen. Mal muss man schallend lachen, mal möchte man am liebsten losweinen. Colleen Hoover besitzt einfach das Talent aus wenigen Worten die größten Gefühle herauszulocken und so eigentlich aus dem Nichts ein riesiges Gefühlschaos und Drama zu erschaffen. Die Autorin findet in jeder Situation genau die richtigen Formulierungen, um nur so mit unseren Emotionen zu spielen und uns in kürzester Zeit abzuholen und tief in die Geschichte einzuwickeln. Obwohl es schon eine Weile her war, dass ich die vorherigen beiden Bände gelesen habe, war ich in null Komma nichts wieder in der Geschichte, habe mit Six mitgefühlt, über Daniels Witze gelacht, mich an Skys und Deans besondere Geschichte erinnert und mich für Graham und Quinn gefreut, die endlich ihr Happy End gefunden haben.


"Mir würde es viel mehr Sorgen machen, wenn du sagen würdest, du hättest keine Angst. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist mit einer so großen Verantwortung verbunden, dass sei einem zurecht mehr Angst machen sollte als alle anderen Entscheidungen im Leben."


Gerade weil ich also eine tolle Zeit mit dieser kurzen Novelle hatte und sehr gerne nochmal all die liebgewonnenen Figuren wiedergesehen habe, hätte ich die Geschichte auch gerne in mehr als 9 Kapiteln ausgebreitet gelesen. Wirklich etwas Konkretes gefehlt hat mir zwar nicht, die Geschichte ist aber so knapp und sparsam erzählt, dass es schon wieder vorbei ist, wenn man gerade ganz angekommen ist. Für die Lesezeit von knapp einer Stunde finde ich auch den veranschlagten Preis von fast 10 Euro ein bisschen viel. Ich will mich nicht beschweren, da ich "Finding Perfect" als Rezensionsexemplar lesen durfte und die Gestaltung mit dem goldenen, haptisch hervorgehobenen Titel auf weißem Grund wirklich wunderschön anzusehen ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass es sich angesichts der Kürze die ein oder anderen Lesenden zweimal überlegen, ob sie das Büchlein kaufen sollen. Für mich hat es sich im Endeffekt auf jeden Fall gelohnt - auch weil das Lesen die Zeit bis zum Erscheinen von Colleen Hoovers nächsten großen Romans angenehm verkürzt hat. Nachschub in voller Länge kommt nämlich schon am 20. Oktober, denn dort erscheint "Layla", ebenfalls bei dtv.



Fazit:


"Finding Perfect" erzählt gewohnt emotional und mitreißend von Verlust, Familie, Verantwortung, Liebe, Suchen, Finden und ist gleichzeitig der perfekte Abschluss und der Beginn von etwas ganz Neuem! Anzumerken ist aber, dass man unbedingt Colleen Hoovers vorherige Romane "Finding Cinderella" und "Was perfekt war" gelesen haben muss, bevor man zu dieser Novelle greift.

4,5 von 5 Sterne

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