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Veröffentlicht am 23.10.2023

Krimödie im Swingerclub

Strippen statt sticken!
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Die ersten Pluspunkte erhält dieses Büchlein bereits für sein Äußeres. Es ist klein und handlich und passt in jede Damenhandtasche. Zudem wiegt es mit seinen 219 Seiten und den auffälligen runden Ecken ...

Die ersten Pluspunkte erhält dieses Büchlein bereits für sein Äußeres. Es ist klein und handlich und passt in jede Damenhandtasche. Zudem wiegt es mit seinen 219 Seiten und den auffälligen runden Ecken nicht viel, so dass dabei die Henkel nicht abreißen. Vor allem aber ist das Titelbild ein echter Hingucker: da rekelt sich ein Gartenzwerg lasziv auf einer Blumenwiese und bedeckt seine "Zwergjuwelen" mit einem Feigenblatt.

Aber auch das schönste Cover braucht einen guten Inhalt, um von mir fünf Sterne zu erhalten. Und die hat "Strippen statt sticken!" wirklich verdient. Der frühpensionierte Kommissar Siggi Seifferheld hat es mit einem skurrilen Mord in einem - Achtung! - Swingerclub zu tun, und das im beschaulichen Schwäbisch Hall. Beschaulich kommt vermutlich daher, dass hier jeder nach dem anderen schaut, und es so bald Stadtgespräch ist, dass der sympathische Pensionär in diesem Etablissement "verkehrt". Und dabei geht er doch gerade mit seiner Ehefrau Marianne zur Paartherapie. Man ahnt es schon, das ist Cosy Crime oder eben eine Krimödie. Kurzweilig, schräg und voller Momente zum Schmunzeln. So gibt es wunderbare Kapitelüberschriften und den Chattverlauf der Familien-WhatsApp-Gruppe.

Tatjana Kruse hat Kommissar Seifferheld bereits zum 9. Mal ermitteln lassen, aber auch für Neulinge ist dieses Büchlein bestens geeignet. Ein Personenregister am Ende des Buches erleichtert den Überblick, falls man durcheinanderkommen sollte.

Wenn mir etwas gefehlt hat, dann einzig eine Lesung der Autorin, die es dabei noch mehr versteht, ihr Publikum zum Lachen zu bringen. Schließlich nennt man sie auch die "Queen der Krimi-Comedians".

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Schwedenkrimi aus Grisslehamn

Die letzte Welle
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Grisslehamn, heute ein beliebter Badeort an der schwedischen Ostseeküste, ist der Schauplatz von Cecilia Sjögrens Debütroman "Die letzte Welle". Man muss sich Zeit nehmen für dieses 593 Seiten starke Erstlingswerk, ...

Grisslehamn, heute ein beliebter Badeort an der schwedischen Ostseeküste, ist der Schauplatz von Cecilia Sjögrens Debütroman "Die letzte Welle". Man muss sich Zeit nehmen für dieses 593 Seiten starke Erstlingswerk, denn Sjögren erzählt eine verwobene Geschichte mit vielen Handlungssträngen und Themen, die sie gekonnt miteinander verbindet. Aktuelle Probleme und historische Ereignisse finden darin ebenso Platz wie grundlegende menschliche Fragen. Ausgangspunkt sind zwei Morde an alten Menschen, der eine begangen an einer Malerin auf Mallorca, der andere im Altenheim "Ömheten", direkt vor der Nase des von einem Schlaganfall gezeichneten ehemaligen Polizisten Tore Lindahl. Und das ist nicht das einzige Thema, mit dem sich die Heimleitung aktuell konfrontiert sieht, denn es gibt Missstände in der Einrichtung. Die Zeitungs-Praktikantin Veronika Wiklund sieht hier ihre Chance, ihre erste Titelstory zu schreiben, und beginnt mit ihren Recherchen. Dabei freunden sich Tore und Veronika miteinander an.

Ein weiterer Erzählstrang dreht sich um eine junge Frau mit einem sehr bewegenden Schicksal und spielt, ebenfalls in Grisslehamn, 1942. Auch in Schweden bleibt der Zweite Weltkrieg nicht ohne Folgen, und es Befürworter und Gegner des Nationalsozialismus. Schnell stellt sich die Frage, welche Verbindung zwischen den damaligen und den heutigen Ereignissen besteht. Einige Personen tauchen in beiden Zeitsträngen auf. Ihre Beschreibungen erinnern manchmal an die Bilder von Albert Engström, der in Grisslehamn wohnte und malte. Engström und das Museum werden von Sjögren mehrfach erwähnt.

Die Autorin erzählt langsam und dabei entstehen wunderbare Zeilen wie diese:

Unentschlossen tauchte sie die Zehen ins dunkle Wasser. Sie ließ die Füße vorsichtig in die Kälte gleiten und ergab sich der Enttäuschung. Das Wasser schloss sich dunkel und kalt um ihre Füße. Ihr ganzer Körper schauderte und ihr Inneres erstarrte. Übrig blieb nur das Gefühl der Einsamkeit, kleine Füße in einem großen Meer. (S. 323)
Doch einige Motive wiederholen sich, was beim Lektorat hätte auffallen müssen. Ebenso gibt es Formulierungen, die sich eigentlich nur mit einem Übersetzungsfehler erklären lassen.

Doch Sjögren erzählt eine spannende Geschichte, ganz in der schwedischen Tradition, nicht nur ein Verbrechen zu schildern, sondern dieses in die - kritisch betrachtete - schwedische Gesellschaft und ihre Probleme einzubinden. Und so kann selbst das Mitsommerfest nicht die düsteren Schatten vertreiben.

Von mir eine klare Leseempfehlung mit vier Sternen

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Veröffentlicht am 11.10.2023

Das Böse trifft sich in Solothurn

Solothurn hüllt sich in Schweigen
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Es ist der 6. Fall um Hauptmann Dominik Dornach, und wieder einmal trifft sich das Böse im beschaulichen Solothurn. Diesmal führen die Mordermittlungen der Kriminalpolizei in das Milieu der arabischen ...

Es ist der 6. Fall um Hauptmann Dominik Dornach, und wieder einmal trifft sich das Böse im beschaulichen Solothurn. Diesmal führen die Mordermittlungen der Kriminalpolizei in das Milieu der arabischen Clan-Kriminalität und der italienischen Mafia. Aber auch Wagner-Söldner und Kriegsverbrechen in der Ukraine spielen eine Rolle. Dem Autor ist es gut gelungen, dies Themen in "Solothurn hüllt sich in Schweigen" zusammenzuführen. Das Böse trifft sich in Solothurn.

Über 366 Seiten gelingt es Christof Gasser, einen Spannungsbogen von Beginn an aufzubauen und konstant aufrecht zu erhalten. So möchte man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Alle Handlungsstränge lösen sich auf und beliebte Motive der Solothurn-Serie begeistern erneut die Leserschaft. So begibt sich Tochter Pia mal wieder in Gefahr, und Dornach Selbst hat alle Hände voll zu tun, um seine Frauengeschichten nicht durcheinanderzubringen. Mir gefällt daran besonders gut, dass die Frauen in Gassers Romanen starke Persönlichkeiten sind, neben denen Dornach hier sogar deutlich verblasst. Die Persönlichen Verwicklungen sind mir fast ein bisschen zu viel, aber eben nur fast. Eine kleine Kritik habe ich dahingehend, dass sich ein bestimmtes Schema wiederholt und dadurch am Ende keine Überraschung mehr darstellt. Da es insgesamt aber wieder ein richtig starker Pageturner geworden ist, lasse ich das Pendel zu fünf Sternen ausschlagen.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Erinnerungen an einen Freund

Picassos Friseur
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Pablo Picasso lebte von 1881 bis 1973. 1948 lernte er Eugenio Arias kennen, der von 1909 bis 2008 lebte. Arias war Picassos Friseur und sehr bald schon sein Vertrauter und Freund. Monika Czernin und Melissa ...

Pablo Picasso lebte von 1881 bis 1973. 1948 lernte er Eugenio Arias kennen, der von 1909 bis 2008 lebte. Arias war Picassos Friseur und sehr bald schon sein Vertrauter und Freund. Monika Czernin und Melissa Müller gelang es, Arias über diese Freundschaft zu interviewen. Das Ergebnis ist ein erstmals 2001 bei Kiepenheuer & Witsch publiziertes Buch mit dem Titel "Picassos Friseur - Die Geschichte einer Freundschaft", dass nun anlässlich des 50. Todestages von Pablo Picasso vom Diogenes-Verlag erneut erschienen ist.

Was verbindet einen einzigartigen Künstler und einen Friseur? Wie kreuzten sich ihre Lebenswege und wie kam es zu ihrer Freundschaft? Wer hier einen Enthüllungsroman erwartet, oder pikante Details aus dem Privatleben von Pablo Picasso, der wird sicherlich enttäuscht sein. Damit wäre beim Diogenes-Verlag aber auch nicht zu rechnen. Und über das Zusammenleben mit Picasso hat Françoise Gilot in ihrer Autobiographie "Leben mit Picasso" bereits ausführlich berichtet. Ein Umstand, den Eugenio Arias übrigens ausdrücklich missbilligt hat. Er selbst hat Zeit seines Lebens kein Kapital aus seiner Freundschaft zum berühmten Künstler geschlagen, sondern die zahlreichen Kunstwerke, die Picasso ihm geschenkt hat, dazu verwendet in seiner spanischen Heimatstadt Buitrago del Lozoya ein Museum zu gründen.

Privat wird es dennoch, denn Arias berichtet von den Gemeinsamkeiten, welche die beiden Männer verbunden haben: Das Leben im französischen Exil infolge des Spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Zeit, die gemeinsame antifaschistische und antifranquistische Grundhaltung, der Kommunismus (Picasso trat 1944 in die Parti communiste français ein, Arias war Mitglied der Partido Comunista de España) und ihre gemeinsame Passion, der Stierkampf. Außerdem gibt es einige interessante Fotographien, welche ihre Gemeinsamkeiten dokumentieren.

Czernin und Müller lassen Arias selbst zu Wort kommen und kennzeichnen durch Kursivdruck, welches die Worte ihres Interviewpartners sind. Diese Mosaiksteine der Erinnerung werden angereichert durch eine Darstellung historischen Ereignisse und biographischer Daten. Das individuelle Erlebnis verdeutlicht das historische Geschehen und macht es nachfühlbar. Dabei wirken die Lebensgeschichten von Arias und Picasso oft wie Gegenentwürfe. Picasso mit einem bourgeoisen Hintergrund gelangt schon früh zu Ruhm und Reichtum. Er betrachtet sich als beinahe göttliche Schöpfergestalt und behandelt seine Mitmenschen, insbesondere die Frauen in seinem Leben, auf eine unerträgliche Weise. Viele seiner Marotten sind bizarr und exzentrisch, wenn nicht gar krankhaft. Die Autorinnen bewerten dies ebenso wenig wie seine andere Seite, seine stille Großzügigkeit und Unterstützung für politische und soziale Zwecke. Arias hingegen ist ein bodenständiger Mann, ein Mann mit Prinzipien, für die er zeitlebens eingetreten ist, ein Intellektueller, der sich seine Bildung erkämpfen musste. So unterschiedlich wie ihre Lebenswege ist auch ihr Verständnis des Kommunismus: für Picasso eine Art sozialromantische Heimat, für Arias die logische Antwort auf die sozialen Gegensätze des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und die Gräueltaten, welcher die Landbevölkerung im Spanischen Bürgerkrieg und in der Franco-Zeit ausgesetzt war.

Sympathieträger des Buches ist eindeutig Eugenio Arias. Tatsächlich ist mir das Wesen dieser Freundschaft insbesondere im letzten Kapitel, in dem es um den Tod Picassos geht, deutlich geworden. Auch wenn in diesem Buch insgesamt viel von Picasso berichtet wird und nicht ganz so viel von seinem Friseur, so ist dennoch der Mensch Arias vor meinem inneren Auge lebendig geworden.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Brandaktueller Kriminalroman mit unerwarteten Wendungen

Nebel über der Uckermark
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Wieder einmal ist es Richard Brandes gelungen, einen hervorragenden und spannenden Kriminalroman zu verfassen, der mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat.

Carla Stach, die Hauptfigur ...

Wieder einmal ist es Richard Brandes gelungen, einen hervorragenden und spannenden Kriminalroman zu verfassen, der mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat.

Carla Stach, die Hauptfigur seiner Serie, ermittelt diesmal aufgrund eines Hinweises, mit dem sie selbst gar nichts anfangen kann. Der Initialhinweis kommt von einer Wahrsagerin, und Carla hält Hellseherei schlichtweg für Hokuspokus. Doch dann finden sich Hinweise darauf, dass Maria Kaiser, die Hellseherin, tatsächlich einen Mord "gesehen" hat.

Brandes gelingt es, dass Thema Hellseherei mit all seinen Facetten aufzuzeigen - der Faszination für das mystische, ethnologische Aspekte, aber auch die kommerzialisierte Seite der Esoterik und sogar das interessante Thema der Zusammenarbeit der Polizei mit Hellsehern - ohne dass "Nebel über der Uckermark" zu einem Sachbuch wird. Durch den häufigen Perspektivwechsel, den der Autor hervorragend beherrscht, kommt es auch nicht zu einem Be- oder gar Herabwerten der unterschiedlichen Sichtweisen. Vielmehr entwickelt sich zwischen den Protagonisten ein interessanter Diskurs zum Für und Wider und zur Glaubwürdigkeit von Maria Kaiser.

In einem zweiten Strang ermittelt Carlas Kollege Maik ondercover in einer rechtsextremen Organisation, der brutale Morde zugeschrieben werden. Auch hier hat Brandes hervorragend recherchiert und bezieht eindeutig Stellung gegen demokratiefeindliche Umtriebe wie den Reichsbürgen und Verschwörungserzählern.

Exkurs: Die rechtsextreme Bewegung war schon zu ihren Anfängen im späten 19., beginnenden 20. Jahrhundert nicht einheitlich, und ist es bis heute nicht. Das ändert jedoch nichts an ihrer Gefährlichkeit. Wer mag, kann sich darüber im Verfassungsschutzbericht informieren oder in historischen und politischen Publikationen. Vorausgesetzt man geht nicht von vornherein davon aus, dass es sich bei Staatsorganen, Wissenschaftlern und Presse lediglich um gleichgeschaltete Institutionen handelt.

Im Roman werden bestimmte Themen angerissen wie etwa die Renaissance rechtsextrem-esoterischen Gedankenguts bei Klima-Leugnern und Gegnern der Corona-Schutz-Maßnahmen, und Brandes liefert auch eine interessante psychologische Erklärung für die Hinwendung zu einfachen Lösungen. Er zeigt aber auch auf, dass sich hinter einer Hinwendung zum Rechtsextremismus ein individuelles Schicksal verbergen kann.

Der Krimi selbst ist von Anfang an fesselnd, wozu der an einen Thriller erinnernde Schreibstil mit kurzen Kapiteln und Cliffhängern beiträgt. Ich konnte gar nicht anders, als das Buch in einem Rutsch durchzulesen. Dabei blieb der Spannungsbogen bis zum Schluss erhalten. Und natürlich spielt auch die Natur, diesmal die Wälder der Uckermark, auch wieder eine wichtige Rolle, durch welche die besondere Atmosphäre der Bücher von Richard Brandes unterstrichen wird.

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