Wirrungen um Gender, Sexualität und Neuerfindung
Mrs FletcherDie geschiedene Eve ist Mitte Vierzig und weilt nicht lange im Empty-Nest-Syndrom, nachdem sie ihren Sohn Brendan zum College gebracht hat. Neuentdeckung, Neuerfindung und das Ausleben sexueller Fantasien ...
Die geschiedene Eve ist Mitte Vierzig und weilt nicht lange im Empty-Nest-Syndrom, nachdem sie ihren Sohn Brendan zum College gebracht hat. Neuentdeckung, Neuerfindung und das Ausleben sexueller Fantasien sollen in ihrem zukünftlichen Mittelpunkt stehen. Sie entdeckt den Ausdruck MILF, findet Gefallen an Internet-Pornografie und datet verschiedene Personen. Zudem belegt sie einen Abendkurs am örtlichen College in "Gender und Gesellschaft" - ein Thema, das sich neben dem Suchen und Finden von Liebe und Sexualität durch das gesamte Buch ziehen wird.
Im Kurs findet sich eine bunte Truppe an Menschen zusammen, einschließlich der Dozentin Margo, einer Transgender-Frau und Eves bisexueller Arbeitskollegin und Begierdeobjekt Amanda. Während Eve ihre neu gewonnene Freiheit und den Ausbruch aus bestimmten Gedankenmustern genießt, hat ihr Sohn Brendan mit seinen noch unreifen und menschenfeindlichen Ansichten keinen Erfolg am College - er wird es hinschmeißen. Auch seine Sicht wird immer wieder in die Erzählperspektive im Roman verwoben.
Amouröse Gefühle und Verwicklungen mit einiger Situationskomik, ohne in die Sparte Erotikroman zu fallen, ist die Stärke des Romans. Die Themen Gender, Geschlechtervielfalt, Feminismus, Frauen- und Transfeindlichkeit, Behinderung, Altwerden sowie das Loslassen eines Kindes ziehen sich durch das Buch und poppen immer wieder auf, ohne gezielt mit dem Zeigefinger auf Missstände oder die eigene Unperfektion zu zeigen. Eher soll es wohl eine Gesellschaftssatire sein, doch da fehlt es mir an manchen Stellen an Humor.
Eves Neuerfindung und Wandlung zu Ursula ist mit einigen Schwankungen verbunden, langes Hin und Her, ein plagendes, schlechtes Gewissen nach manchen Dates und am Ende doch die Heirat mit einem Mann ihres Alters. Insgesamt lässt mich der Roman etwas ratlos zurück, mir hat der Tiefgang in das Seelenleben und in die Handlungsimpulse der vorgestellten Menschen gefehlt - einzig und alleine Margo wird mir in Erinnerung bleiben.
Es ist ein unterhaltsamer, amüsanter und teils auch melancholischer Roman, der sich leicht lesen lässt - wenn man nicht mehr Sinn darin sucht als das alltägliche Leben und seine Aufs und Abs an sich.