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Veröffentlicht am 04.05.2020

Wirrungen um Gender, Sexualität und Neuerfindung

Mrs Fletcher
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Die geschiedene Eve ist Mitte Vierzig und weilt nicht lange im Empty-Nest-Syndrom, nachdem sie ihren Sohn Brendan zum College gebracht hat. Neuentdeckung, Neuerfindung und das Ausleben sexueller Fantasien ...

Die geschiedene Eve ist Mitte Vierzig und weilt nicht lange im Empty-Nest-Syndrom, nachdem sie ihren Sohn Brendan zum College gebracht hat. Neuentdeckung, Neuerfindung und das Ausleben sexueller Fantasien sollen in ihrem zukünftlichen Mittelpunkt stehen. Sie entdeckt den Ausdruck MILF, findet Gefallen an Internet-Pornografie und datet verschiedene Personen. Zudem belegt sie einen Abendkurs am örtlichen College in "Gender und Gesellschaft" - ein Thema, das sich neben dem Suchen und Finden von Liebe und Sexualität durch das gesamte Buch ziehen wird.

Im Kurs findet sich eine bunte Truppe an Menschen zusammen, einschließlich der Dozentin Margo, einer Transgender-Frau und Eves bisexueller Arbeitskollegin und Begierdeobjekt Amanda. Während Eve ihre neu gewonnene Freiheit und den Ausbruch aus bestimmten Gedankenmustern genießt, hat ihr Sohn Brendan mit seinen noch unreifen und menschenfeindlichen Ansichten keinen Erfolg am College - er wird es hinschmeißen. Auch seine Sicht wird immer wieder in die Erzählperspektive im Roman verwoben.

Amouröse Gefühle und Verwicklungen mit einiger Situationskomik, ohne in die Sparte Erotikroman zu fallen, ist die Stärke des Romans. Die Themen Gender, Geschlechtervielfalt, Feminismus, Frauen- und Transfeindlichkeit, Behinderung, Altwerden sowie das Loslassen eines Kindes ziehen sich durch das Buch und poppen immer wieder auf, ohne gezielt mit dem Zeigefinger auf Missstände oder die eigene Unperfektion zu zeigen. Eher soll es wohl eine Gesellschaftssatire sein, doch da fehlt es mir an manchen Stellen an Humor.

Eves Neuerfindung und Wandlung zu Ursula ist mit einigen Schwankungen verbunden, langes Hin und Her, ein plagendes, schlechtes Gewissen nach manchen Dates und am Ende doch die Heirat mit einem Mann ihres Alters. Insgesamt lässt mich der Roman etwas ratlos zurück, mir hat der Tiefgang in das Seelenleben und in die Handlungsimpulse der vorgestellten Menschen gefehlt - einzig und alleine Margo wird mir in Erinnerung bleiben.

Es ist ein unterhaltsamer, amüsanter und teils auch melancholischer Roman, der sich leicht lesen lässt - wenn man nicht mehr Sinn darin sucht als das alltägliche Leben und seine Aufs und Abs an sich.

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Veröffentlicht am 15.08.2021

In ständiger Seelenqual

Sag mir, wer ich bin
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Als Teenager überlebt Sally nur knapp eine versuchte Vergewaltigung und gewaltvolle Entführung samt Körperverletzung in Paris. Da sie keine Hilfe bekommt und ihre Eltern nicht nur mit Verschwiegenheit, ...

Als Teenager überlebt Sally nur knapp eine versuchte Vergewaltigung und gewaltvolle Entführung samt Körperverletzung in Paris. Da sie keine Hilfe bekommt und ihre Eltern nicht nur mit Verschwiegenheit, sondern wiederum mit Gewalt reagieren, wenn Sally von ihren Qualen spricht, versucht sie so gut wie es ihr möglich ist, das Trauma zu verdrängen. Doch das gelingt ihr ohne professionelle Therapie verständlicherweise nicht und so schleppt sie ihre inneren, seelischen Verletzungen sowie Ängste ein Leben oder ein Roman lang in „Sag mir, wer ich bin“ mit sich. Später wird sie ihren Patenonkel Carson heiraten, der ihr längere Zeit den Hof macht und unbedingt mit ihr schlafen möchte. Eingebettet in besseren Kreisen denkt Sally auf einer Feier, ihrem früheren Peiniger begegnet zu sein – Philippe. Jetzt beginnt das angekündigte „ Katz-und-Maus-Spiel“ , das die Autorin Felicity Ward so konstruiert, dass Sally angeblich die düster-gewaltvollen Elemente von Philippe provoziert. Sie gehen eine Sado-Maso-Beziehung ein, die in unerträglicher Gewalt und tödliche Gefahr umschlägt, solange Sally nicht die Wahrheit sagt. Dabei geht sie abermals seelisch zugrunde, scheint aber augenscheinlich ihre Sexualität zu befreien.

Nicht nur das konfuse Vorwort über Spaltungen zwischen englisch- und französischstämmigen Kanadiern in Montreal sowie über nicht verständliche Bezüge zwischen #MeToo, Völkermord und Opfer-Täter-Mentalität sind verwirrend und zweifelhaft – der gesamte Roman sowie die fragwürdigen Ansichten der Protagonisten sind es. Schlecht konstruiert in jede Menge nichtssagender Dialoge (teils auf Französisch), verliert sich die Handlung so wie Sally sich selbst. Dabei war der Beginn und Sallys Kampf nach dem Trauma um ein selbstständiges Leben trotz Ängsten, Panik sowie der zurückgewonnen Erinnerungen noch recht vielversprechend.

Im letzten Teil blitzt ein wenig Spannung auf, die schnell beim Lesen in Ärger umschlägt, da die Autorin am Ende das Opfer als Täterin dastehen lässt. Dieser Roman ist nicht empfehlenswert und ist so wie Sallys Innenleben eine Qual – ohne wichtige Kernaussage, im Gegenteil. Von der Autorin Felicity Ward ist nichts im Internet zu recherchieren – sie lässt die Leser mit ihrem fraglichen Roman verwirrt zurück.

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