Platzhalter für Profilbild

bedard

aktives Lesejury-Mitglied
offline

bedard ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bedard über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.03.2023

Wenn gute Absichten in die Katastrophe führen

Die spürst du nicht
0

Zwei erfolgreiche österreichische Paare verbringen eine Woche Luxusurlaub in einer Villa in der Toskana. Elisa und Oskar Strobl- Marinek mit den Töchtern Lotte und Sophie Luise und Melanie und Engelbert ...

Zwei erfolgreiche österreichische Paare verbringen eine Woche Luxusurlaub in einer Villa in der Toskana. Elisa und Oskar Strobl- Marinek mit den Töchtern Lotte und Sophie Luise und Melanie und Engelbert Binder mit Sohn Benjamin. Die 14jährige Sophie Luise hat ihren Wunsch durchgesetzt, ihre neueste Schulfreundin Aayana mit in den Urlaub zu nehmen. Aayana stammt aus Somalia, ist schüchtern, zurückhaltend und spricht kaum Deutsch.

Der neue Roman von Daniel Glattauer beginnt in ironischem, überzeichnetem Tonfall. Es herrscht Urlaubsstimmung, der erste Abend beginnt mit viel Small Talk bei gutem Essen und viel Wein. Die Binders finden das Engagement für Aayana ganz großartig und „man spürt sie ja auch kaum“.
Doch dann passiert das Unglück, der Urlaub wird abgebrochen.

Hier ändert sich der Erzählstil, auch wenn die Charaktere immer noch etwas überzeichnet und gelegentlich auch klischeehaft dargestellt werden. Mittels Auszügen aus Pressemitteilungen und Kommentaren in Sozialen Medien wird die Geschichte vorangetrieben. In deren Mittelpunkt steht Elisa Strobl-Marinek, die als erfolgreiche Grünen-Politikerin die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht. Hinter den Kulissen beginnt die Fassade allerdings zu bröckeln. Unterschiedliche Interessen und Werte treffen aufeinander: Statuserhalt, Sorge um das eigene Ansehen, Moral und Gewissen. Die Risse in den Partner- und Freundschaften sind nicht mehr zu übersehen. Während die Erwachsenen mit sich selbst beschäftigt sind, gerät Sophie Luise aus deren Blickwinkel.

Im Hintergrund bleibt lange Zeit die Geschichte von Aayana und ihrer Familie. Erst gegen Ende erhält die Familie die Möglichkeit, von sich zu erzählen. Dieser Teil ist sicher der am schwersten zu ertragende.

Mir hat „Die spürst du nicht“ gut gefallen, auch wenn ich einiges zu konstruiert und überzeichnet fand. Die eingesetzten Stilmittel haben sehr zur Auflockerung des eigentlich ernsten und tragischen Themas beigetragen. Leicht lesbar gilt daher für dieses Buch im doppelten Sinne.
Trotz der Kritikpunkte ein lesenswerter und zu empfehlender Roman!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.12.2021

Sprachlich überzeugend und zutiefst bewegend

Reise durch ein fremdes Land
0

Tom lebt mit seiner Frau Lorna und der zehnjährigen Tochter Lilly in Belfast. Sein Sohn Luke studiert in Sunderland, 400 Meilen entfernt. Er hat eine schwere Grippe und ist ganz allein in einem alten, ...

Tom lebt mit seiner Frau Lorna und der zehnjährigen Tochter Lilly in Belfast. Sein Sohn Luke studiert in Sunderland, 400 Meilen entfernt. Er hat eine schwere Grippe und ist ganz allein in einem alten, kalten Haus, die anderen Studenten sind über Weihnachten längst bei ihren Familien. Schwere Schneefälle haben den Flugverkehr lahmgelegt, die Straßen sind kaum passierbar. Obwohl es Wahnsinn ist, macht Tom sich mit dem Auto auf den Weg, um Luke über Weihnachten nach Hause zu holen.
Während dieser Reise hat er regelmäßig telefonischen Kontakt zu Luke, Lorna und Lilly. Er trifft auch einige wenige Personen, aber meist ist er mit seinen Gedanken allein. Dort taucht erst flüchtig, dann immer vehementer Daniel auf, der älteste Sohn.

David Park hat keinen einfachen Roman geschrieben. Auf nur 200 Seiten begleiten LeserInnen den Fotografen Tom dabei, sich in starken Bildern einer fast unerträglichen Wahrheit zu stellen. Zunächst unverständliche Handlungsweisen werden auf dieser Reise - im doppelten Sinne - nachvollziehbar.

Selten habe ich ein Buch gelesen, in dem die einzelnen Charaktere so stimmig beschrieben wurden und in ihrer Verschiedenheit geradezu perfekt aufeinander abgestimmt waren, um die Aussage des Romans zu verdeutlichen.

Sprachlich gebührt neben dem Autor auch der Übersetzerin ein großes Lob. Die Sätze sind geschliffen formuliert, präzise und ohne überflüssige Schnörkel.

Dieser Roman verdient nicht nur wegen seines wunderschönen Covers einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal.
Ein großartiger Roman, der in starken Bildern eine tragische Geschichte erzählt und trotz allem tröstlich endet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.12.2021

Manchmal wäre es besser, keine Schwester zu haben...

SCHWEIG!
0

Der Roman handelt von zwei Schwestern, die gegensätzlicher nicht sein könnten und besser jeglichen Kontakt vermieden hätten. Soviel ist bereits nach wenigen Seiten deutlich. Esther hat Familie und sprüht ...

Der Roman handelt von zwei Schwestern, die gegensätzlicher nicht sein könnten und besser jeglichen Kontakt vermieden hätten. Soviel ist bereits nach wenigen Seiten deutlich. Esther hat Familie und sprüht vor Leben. Ständig in Aktion, fühlt sie sich zu den Feiertagen verpflichtet, zu ihrer abgeschieden lebenden jüngeren Schwester Sue zu fahren, die nach einer Scheidung wenig Wert auf menschliche Gesellschaft legt und ein wenig seltsam wirkt. Sofort ist klar, dass der Besuch auf wenig Begeisterung stößt, die bedrohliche Stimmung steht im starken Kontrast zu der Anfangsszene in Esthers Familie.

Mir haben die unterschiedlichen Szenarien gut gefallen, der Wechsel der Blickwinkel ist ein zwar übliches, hier aber sehr gelungen eingesetztes Stilmittel. Die lebhaften, mit vielen Dialogen gespickten Kapitel um Esther, dann die kargen, distanzierten Kapitel aus Sues Sicht. Erst später werden einzelne Kapitel aus der Sicht anderer Personen erzählt, die das Gesamtbild vervollständigen und vor allem auch sicher geglaubte Wahrheiten ins Wanken bringen. Dadurch werden auch die Charaktere immer feiner gezeichnet, bis sie am Ende wirklich facettenreich entwickelt sind.

„Schweig!“ ist der erste Roman dieser Autorin, den ich gelesen habe. Sprachlich eher nicht sehr anspruchsvoll, dafür aber wirklich spannend geschrieben und selbst das Ende überrascht, obwohl der Klappentext den Griff zum Messer bereits ankündigt.

Eine klare Leseempfehlung für LeserInnen, die Psychothriller mögen und kein persönliches Problem mit schwierigen familiären Beziehungen haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.10.2021

Berührende Geschichte einer schwierigen Kindheit, großartig geschrieben.

Die Überlebenden
0

Vor zwanzig Jahren waren die drei Brüder Nils, Benjamin und Pierre zuletzt an dem einsamen See, an dem sie in einem einfachen Holzhaus die Sommer mit ihren Eltern verbracht haben. Jetzt sind die drei zurückgekehrt, ...

Vor zwanzig Jahren waren die drei Brüder Nils, Benjamin und Pierre zuletzt an dem einsamen See, an dem sie in einem einfachen Holzhaus die Sommer mit ihren Eltern verbracht haben. Jetzt sind die drei zurückgekehrt, um den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen.

Aus der Sicht des mittleren Sohnes Benjamin wird auf zwei Zeitebenen diese tief bewegende und schwer verdauliche Familiengeschichte erzählt. Die eine beginnt am See, als die sich fremd gewordenen Brüder die Asche der Mutter verstreuen wollen. In kleinen Rückwärtsschritten erzählt der erwachsene Benjamin, was in den Stunden zuvor geschehen ist.

Noch berührender ist der Erzählstrang aus der Sicht des Kindes. Alle drei Söhne müssen damit zurechtkommen, dass die Eltern ihre Verantwortung nur unzureichend wahrnehmen und unter Alkoholeinfluss unberechenbar sind. Das gilt besonders für die Mutter, der Vater wirkt auf den ersten Blick sanfter und liebevoller. Doch auch dieser Eindruck täuscht.

Sprachlich hat mich dieser Roman absolut überzeugt. Bereits nach der Hälfte war ich mir fast sicher, dass er zu den wenigen Büchern gehört, die ich irgendwann ein zweites Mal lesen werde.
Für mich gehört „Die Überlebenden“ zu den Lesehighlights dieses Jahres.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.07.2021

Gesunde Ernährung muss nicht zwangsläufig Verzicht bedeuten

Medical Cuisine
0

Die Autoren dieses kombinierten Gesundheitsratgebers und Kochbuches gehören durch ihre TV-Auftritte zu den bekanntesten Vertretern ihrer Branche in Deutschland.

Auf 265 hochwertig gestalteten Seiten gibt ...

Die Autoren dieses kombinierten Gesundheitsratgebers und Kochbuches gehören durch ihre TV-Auftritte zu den bekanntesten Vertretern ihrer Branche in Deutschland.

Auf 265 hochwertig gestalteten Seiten gibt es einen sehr gut lesbaren und informativen Theorieteil, der sich mit unserer aktuellen Ernährung, den Folgen und den notwendigen Veränderungen auseinandersetzt. Dabei wird weitestgehend auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Veränderungen Zeit brauchen und auch Ausrutscher keine Katastrophe sind.

Nach 50 Seiten folgt dann der Rezeptteil, der lediglich in drei Kategorien unterteilt ist: Salate, Suppen, Vorspeisen - Hauptgerichte - Süßes.
Für jedes Rezept gibt es eine Doppelseite Foto - Rezept. Darauf folgt die gesündere Alternative.

Die Rezeptbeschreibungen sind leicht verständlich und logisch aufgebaut, die Zutatenliste detailliert und bis auf wenige Ausnahmen auch nicht so ungewöhnlich, dass es Beschaffungsprobleme geben dürfte. Gut ist auch die Kennzeichnung der einzelnen Rezepte als Herzgesund, Antidiabetisch etc.

Mich hat "Medical Cuisine" positiv überrascht. Das mag auch daran liegen, dass mich die traditionelle deutsche Küche eher abschreckt. Gleichzeitig sind Essen und Genuss für mich untrennbar. Die abgewandelten Rezepte versprechen aber genau das: Genuss beim Essen, und das ohne großen Aufwand.
Auch wenn ich vermutlich nicht zur ausdrücklichen Zielgruppe dieses Buches gehöre, einige der Rezepte werden sicher auf Dauer in meinem Speiseplan landen.

Besonders empfehlen würde ich dieses Buch allen, die gerne traditioneller essen, aber aus gesundheitlichen Gründen unbedingt auf ihre Ernährung achten sollten. Auch wenn man nicht gleich auf die Alternative umschwenkt, die Änderungen in dem ersten Rezept sind ein Anfang. Für alle anderen ist es trotzdem ein schön gemachter Ernährungsratgeber, der nachdenklich macht und viele gute Rezepte enthält.