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Veröffentlicht am 09.11.2023

Ein ernstes Thema in optisch und sprachlich wunderschöner Form verpackt

Kleine Dinge wie diese
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New Ross, eine kleine Stadt im Nordwesten Irlands, im Winter 1985. Das Leben ist hart, viele Menschen haben wirtschaftliche Probleme. Ein wichtiger und einflussreicher Wirtschaftsfaktor ist das Kloster ...

New Ross, eine kleine Stadt im Nordwesten Irlands, im Winter 1985. Das Leben ist hart, viele Menschen haben wirtschaftliche Probleme. Ein wichtiger und einflussreicher Wirtschaftsfaktor ist das Kloster mit der Magdalenen-Wäscherei, über die es so einige Gerüchte im Ort gibt.

Bill Furlong ist selbständiger Kohlehändler und Vater von fünf Töchtern. Seiner Familie geht es verhältnismäßig gut, obwohl er als nichteheliches Kind in der damaligen Zeit normalerweise keine Chance auf ein bürgerliches Leben mit bescheidenem Wohlstand gehabt hätte. Aber seine Mutter hatte Glück mit ihrer Arbeitgeberin, die das schwangere Mädchen weiter in ihrem Haushalt beschäftigte und mit ihrem Sohn dort wohnen ließ.
Bill Furlong ist sich dieser Umstände durchaus bewusst und hat vielleicht auch deshalb Verständnis für jene, die nicht so viel Glück im Leben hatten. Trotzdem stellt er sein Leben häufiger in Frage. Als er zufällig einen Einblick hinter die Fassade des Klosters bekommt, muss er für sich eine weitreichende Entscheidung treffen.

Auf gerade mal 105 Seiten erzählt Claire Keegan eine Geschichte, die ein wenig an Charles Dickens und eine viel weiter zurückliegende Epoche denken lässt. Sprachlich unglaublich präzise, verzichtet die Autorin auf unnötige Ausschmückungen in dieser Weihnachtsgeschichte, die leider auf Fakten beruht. Die Magdalenen-Laundries hat es tatsächlich gegeben, und sie haben fast bis zur Jahrtausendwende existiert. Und auch wenn die Bevölkerung nicht hinter die Fassaden sehen konnten, werden die Menschen sicher einiges mitbekommen haben. Genau diese Art des Wegsehens thematisiert die Autorin ohne erhobenen Zeigefinger.

„Kleine Dinge wie diese“ ist ein inhaltlich, sprachlich und auch optisch wunderschön gestaltetes Buch. Die ideale Lektüre in der Vorweihnachtszeit und sicher auch ein Geschenktipp für Weihnachten.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Gelungener Schmöker

Die Affäre Alaska Sanders
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Der Ich-Erzähler Marcus Goldman, erfolgreicher Schriftsteller und fiktiver Autor von „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“, trifft 2010 erneut auf den damals ermittelnden Sergeant Perry ...

Der Ich-Erzähler Marcus Goldman, erfolgreicher Schriftsteller und fiktiver Autor von „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“, trifft 2010 erneut auf den damals ermittelnden Sergeant Perry Gahalowood. Beide verbindet tatsächlich so etwas wie Freundschaft, auch wenn der Polizist das so nicht formulieren würde.
Marcus Goldman hat seinen Platz im Leben trotz des Erfolges noch nicht gefunden. Als Gahalowood berechtigte Zweifel an der Korrektheit einer Ermittlung im Jahr 1999 kommen, lässt Goldman sich bereitwillig auf die erneute Zusammenarbeit mit dem Sergeant ein.
Damals wurde Alaska Sanders in der Kleinstadt Mount Pleasant ermordet aufgefunden und der Fall relativ schnell aufgeklärt. Doch je länger sich die beiden Männer mit dem Fall befassen, desto mehr Ungereimtheiten treten zu Tage.

Wie bereits in den früheren Romanen von Joel Dicker braucht man Geduld und muss sich auf die ausschweifende und wendungsreiche Erzählweise einlassen. Die Geschichte springt zwischen 1999 und 2010 hin und her. Durch entsprechende Kapitelüberschriften ist es aber kein Problem, dem zu folgen. Dazu kommen viele verschiedene Personen und Orte, die nicht nur mit dem eigentlichen Kriminalfall zu tun haben. Auch das Privatleben, insbesondere von Marcus Goldman, spielt immer wieder eine Rolle. In diesem Zusammenhang wird auch auf ein weiteres Buch von Joel Dicker angespielt, in dem Goldman vorkommt: „Die Geschichte der Baltimores“. Tatsächlich ist es aber nicht unbedingt erforderlich, die beiden anderen Romane zu kennen.

Die Affäre Alaska Sanders ist mit ca. 580 Seiten im positiven Sinne ein Schmöker. Es braucht seine Zeit und vielleicht ist nicht alles ganz logisch, aber man wird gut unterhalten. Und auch wenn man glaubt, die Auflösung zu kennen, gibt es immer noch eine neue Wendung.



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Veröffentlicht am 23.07.2023

Kompliziertes Geschwisterverhältnis und der endgültige Abschied von der Kindheit

Elternhaus
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Sanne ist die älteste von drei Schwestern. Als einzige ist sie in ihrem Geburtsort geblieben, hat dort geheiratet, ein Haus gebaut und zwei inzwischen erwachsene Kinder großgezogen. Sie kümmert sich um ...


Sanne ist die älteste von drei Schwestern. Als einzige ist sie in ihrem Geburtsort geblieben, hat dort geheiratet, ein Haus gebaut und zwei inzwischen erwachsene Kinder großgezogen. Sie kümmert sich um die Eltern, die in einem kleinen, aber selbstgebauten Haus in der Nähe wohnen. Und sie ist es auch, die sich um eine altersgerechte Wohnung und den Umzug der Eltern kümmert.
Petra ist die mittlere, weit entfernt alleinlebende Schwester, die nur sporadisch zu Besuch bei den Eltern ist. Sie hat als einzige studiert, der Beruf ist ihr Lebensmittelpunkt, seit Jahren hat sie eine Beziehung mit einem verheirateten Mann.
Und dann ist da noch Gitti, die Jüngste. Momentan hat sie einen Blumenladen und ist damit absolut zufrieden. Sie lebt seit Jahren mit ihrem Freund und ihrem Sohn in einem bescheidenen Haus, dem Elternhaus nicht unähnlich.

In Ute Manks Roman Elternhaus geht es zwar auch um die Sorge um die altgewordenen Eltern, die Umkehr der Rollen, wenn Kinder Entscheidungen für die Eltern treffen müssen. In erster Linie geht es aber um die Bedeutung des Elternhauses für die Kinder, unabhängig von deren Alter und die Rollenzuweisung innerhalb der Familie, die nur schwer abzustreifen ist.
Im Mittelpunkt steht dabei über weite Strecken Sanne, die Entscheidungen ohne Absprache trifft, wenig Zweifel an deren Richtigkeit zulässt. Sie handelt, packt zu, organisiert. Das entspricht ihrer Rolle und ihrem Selbstverständnis. Aber diese Fassade bröckelt, da ihr Verhalten zu Konflikten führt und immer mehr Bestandteile ihrer bisherigen Rolle wegfallen.
Petra hingegen weiß lange Zeit gar nichts vom Umzug der Eltern, da sie ein sehr distanziertes Verhältnis zu ihrer Familie hat. Sie ist die Außenseiterin, die gelegentlich zu Besuch kommt, fast wie eine Fremde. Über ihr recht einsames Privatleben weiß die Familie nichts. Niemand wäre auf die Idee gekommen, wie wichtig ihr ihr Elternhaus tatsächlich ist. Und auch Petra befindet sich in einer Zeit des Umbruchs, der vielleicht nicht nur zufällig mit dem Verlust des Elternhauses zusammenfällt.
Gitti fällt aus dieser Dreier-Konstellation ein bisschen raus, ist aber trotzdem wichtig. Und auch sie wehrt sich gegen die nur von ihr wahrgenommene zugewiesene Rolle.

Für mich hat sich im Laufe des Romans nicht nur die Rolle der Personen geändert, sondern auch meine Einstellung ihnen gegenüber. Sanne war mir zu Beginn eher unsympathisch, dann habe ich Mitleid empfunden.
Besonders gut gelungen fand ich auch die abweichenden Erinnerungen und Einordnungen an Begebenheiten als Stilmittel. Während die eine etwas als unproblematisch beschreibt, erinnert die andere sich an einen stillen Kampf.
Das Ende empfand ich in jeder Hinsicht als versöhnlich, auch wenn es kein klassisches Happy End ist. Ein positiv gestimmter Blick nach vorne.

Empfehlenswert ist dieser Roman für Menschen, die gerne Familiengeschichten mit ernsterem Hintergrund lesen. Am meisten können vermutlich Frauen damit anfangen, die mit Geschwistern aufgewachsen sind und deren Verhältnis zueinander nicht immer einfach war. Und natürlich auch Menschen, bei denen das Kümmern um die alten Eltern eine Rolle spielt. Vielleicht aber nicht gerade dann, wenn das Problem aktuell ist.


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Veröffentlicht am 18.07.2023

Der Klimawandel ist Realität, Untätigkeit ist keine Option

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
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Eine Wette im Pub hat für den Studenten Tom Horsmith und den 20 Jahre älteren Politiker Montague Causley weitreichende Folgen, da sie gefilmt und im Internet geteilt wurde. Sollte der Meeresspiegel bedingt ...

Eine Wette im Pub hat für den Studenten Tom Horsmith und den 20 Jahre älteren Politiker Montague Causley weitreichende Folgen, da sie gefilmt und im Internet geteilt wurde. Sollte der Meeresspiegel bedingt durch den Klimawandel in fünfzig Jahren das Wohnzimmer im Haus des Politikers überfluten, wird er dort ertrinken. Andernfalls verpflichtet sich Tom dazu, seinerseits ins Meer zu gehen.

In großen Zeitsprüngen – 10, 25, 50 und 80 Jahre nach der Wette – wird die Geschichte dieser beiden Männer erzählt, deren Leben durch ein zufälliges Ereignis untrennbar miteinander verknüpft und bestimmt wurde. Insbesondere in Toms Leben spielt das Engagement für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt für Mensch und Tier eine zentrale Rolle.


John Ironmonger führt die Leserinnen erneut nach St. Piran und lässt sie dort auf teilweise bekannte Figuren und Orte treffen. Es ist aber nicht notwendig, „Der Wal und das Ende der Welt“ gelesen zu haben, um den neuen Roman zu verstehen.

Schwieriger könnte es mit dem Schreibstil und den doch recht großen Zeitsprüngen sein. Der Autor hat eine ganz spezielle Art zu beschreiben, sehr bildhaft und ausschweifend. Gleichzeitig werden die Lebensphasen der Protagonisten nur angeschnitten, da ein so langer Zeitraum sonst sicher nicht auf 400 Seiten abgehandelt werden kann. Thematisch geht es natürlich um den Klimawandel, aber das auf eine eher nachdenklich stimmende, das Gemüt der Leser
innen schonende Weise. Der Autor macht aufmerksam, warnt gewissermaßen, aber zeigt auch Wege auf. Die Welt wird in 80 Jahren nicht mehr so sein wie heute, aber es liegt auch noch in der Hand der Menschen, den Klimawandel abzumildern.

Neben dem alles bestimmenden Hauptthema geht es auch um eine berührende Liebesgeschichte, eine lebenslange Freundschaft und die Verbundenheit mit der Heimat. All das aber auf eine angenehm selbstverständliche Art ohne übertrieben kitschige Ausschmückungen.


Nach leichten Startschwierigkeiten hat mich der Roman abgeholt und bis zum stimmigen Ende auch nicht mehr losgelassen. Klare Leseempfehlung für Menschen, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auch in Romanen beschäftigen möchten.

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Veröffentlicht am 23.06.2023

Fundierter Ratgeber zum besseren Verständnis und Umgang mit Stress

Stress positiv nutzen
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Titel und Cover verraten bereits, worum es in diesem Ratgeber geht: nicht Stressvermeidung, sondern der richtige Umgang mit Stress ist das Thema.

Zunächst werden die Grundlagen erklärt, die ...

Titel und Cover verraten bereits, worum es in diesem Ratgeber geht: nicht Stressvermeidung, sondern der richtige Umgang mit Stress ist das Thema.

Zunächst werden die Grundlagen erklärt, die Bedeutung von Stress in der Evolution, Auswirkungen auf den Körper und die unterschiedlichen Arten von Stress. Erst dann geht es um individuelle Faktoren, Bewertungen und Strategien.
In diesem zweiten Teil werden dann verschiedene Methoden vorgestellt, die grundsätzlich auf langfristige Verhaltensänderung ausgerichtet sind und keine schnelle Lösung versprechen. Dabei geht es vor allem darum, zunächst eine individuelle Bestandsaufnahme vorzunehmen, Stressoren zu erkennen und geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln. Wichtig sind dabei auch Entspannungstechniken, auf die detaillierter eingegangen wird. Der Autor weist in diesem Kontext darauf hin, dass bei der Auswahl immer individuelle Vorlieben und die Bereitschaft, sich auf die Technik einzulassen, berücksichtigt werden müssen.

Der Ratgeber ist in leicht verständlicher Sprache geschrieben, der Text wird durch viele anschauliche Grafiken ergänzt. Man merkt dem Text an, dass der Autor als Arzt und Therapeut aus der Praxis stammt, entsprechend differenziert sind die Lösungsvorschläge. Eine Therapie ersetzt dieser Ratgeber nicht, darauf wird auch ausdrücklich hingewiesen. Aber er bietet Anregungen für ein anderes Verständnis von Stress und im besten Fall einen gesünderen Umgang damit.



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