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Veröffentlicht am 26.05.2024

Abgründe im Paradies

Der letzte Ouzo
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Auf der Insel Paros ist das Leben Ende April ohne Touristen noch recht beschaulich und ruhig. Dort nimmt Christína Strátou nach mehrjähriger Pause ihren Dienst bei der griechischen Polizei wieder auf. ...

Auf der Insel Paros ist das Leben Ende April ohne Touristen noch recht beschaulich und ruhig. Dort nimmt Christína Strátou nach mehrjähriger Pause ihren Dienst bei der griechischen Polizei wieder auf. Bei einer Wanderung findet sie an einem abgelegenen Ort eine Leiche und glaubt als einzige der Polizeistation an die Unschuld des verschwundenen Ehemanns der jungen toten Frau. Als Fánis, der Ermittlungsleiter Christina nicht an seinem Team teilnehmen lässt, geht sie eigenen Spuren nach und fühlt sich dabei immer wieder beobachtet. Nach dem Auftauchen einer geheimnisvollen Frau gerät Christína durch ihre Alleingänge in große Gefahr …
Das Cover vermittelt den Eindruck einer typischen griechischen Kulisse, verweist durch die düsteren Farben aber auch sofort auf ein Verbrechen. Die kurzen Kapitel sind mit griechischen Überschriften betitelt, deren Bedeutung durch Verwendung von Lautschrift und Übersetzung gleich im ersten Satz aufgelöst wird. Die Sichtweisen gehen zum größten Teil von Christina aus, sind aber an etlichen Stellen auch aus dem Blickwinkel der geheimnisvollen Frau verfasst. Die Geschichte ist spannend und wartet mit unerwarteten Details auf.
Ein recht großer Fokus liegt in diesem Wohlfühlkrimi zum einen auf Christinas familiärem Hintergrund und zum Großteil auf dem in zahlreichen Situationen angesprochenen Lokalkolorit. Ob es die Gepflogenheiten der Inselbewohner sind, ob es um kulinarische Genüsse geht oder einfach um die Düfte, die Páros für den Leser bereithält – man fühlt sich von Beginn an auf die Kykladeninsel versetzt; man sitzt direkt an einem runden Metalltischchen, vor sich ein Frappé, hinter sich einen blühenden Bougainvilleastrauch und in der Nase den Duft von Thymian und Rosmarin; und ist mittendrin im Geschehen, wo man Christina bei ihren doch recht unkonventionellen Ermittlungen über die Schulter schauen darf.

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Veröffentlicht am 26.05.2024

Lebens-Zufriedenheit

Das Gegenteil von Erfolg
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Lorrie Hope versucht ihr Familienleben mit Mann und zwei Kindern mehr oder weniger gut mit ihrem Bürojob bei der Stadtverwaltung zu vereinbaren. Ihr großes Projekt »Green Cities« verspricht nicht nur mehr ...

Lorrie Hope versucht ihr Familienleben mit Mann und zwei Kindern mehr oder weniger gut mit ihrem Bürojob bei der Stadtverwaltung zu vereinbaren. Ihr großes Projekt »Green Cities« verspricht nicht nur mehr Grünflächen in der Stadt, sondern auch die Hoffnung auf eine Beförderung. Lorries Ex ist an der Finanzierung der Begrünung beteiligt, seine Frau indessen an Lorries bester Freundin Alex interessiert. Diese Vorzeichen machen eine Katastrophe fast unausweichlich. Und mittendrin: Lorrie und Alex, die über ihr Leben und ihre beruflichen Aussichten nachdenken.
Das Cover verweist farbenfroh auf den erfrischenden Inhalt dieses Romans; eine Frau begießt bunte Blumen, die statt Haaren auf ihrem Kopf sprießen, denn: das Leben darf auch verrückt sein. Das Buch besteht aus sieben Teilen; jeweils alternierend erfahren wir Lorries und Alex´ Sicht auf deren Leben. Während Lorrie das Erlebte trotz aller Höhen und – viel mehr - Tiefen immer noch locker und humorvoll erzählt, nimmt Alex´ Part oft einen ernsteren Ton an. Die Sätze sind teils lang und verschachtelt, aber immer sehr aussagekräftig.
Vieles in dieser Geschichte ist recht überspitzt dargestellt. Und doch, wenn man darüber nachdenkt, immer noch sehr realistisch. Trotz der Leichtigkeit werden nicht wenige Schattenseiten unserer Gesellschaft aufgedeckt. Es ist ein aufmunternder Roman, in dem man sich an manchen Stellen wiedererkennt, an anderen den Kopf schüttelt oder einfach nur sehr gut unterhalten wird. Die Protagonistin ist es leid vernünftig zu sein, dem Erfolg nachzujagen. Und sie bleibt positiv, trotz Rückschlägen im Beruf und den Spannungen mit ihrer Mutter, die ständig nur auf Lorries Übergewicht hinzuweisen scheint. Das Leben hat auch schöne Seiten – selbst wenn man zu scheitern glaubt.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Ein Richter mit Vergangenheit

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Ria Almeida übersiedelt von Stuttgart ins beschauliche Torreira, als dort ein Notruf über den Fund einer Leiche im nahegelegenen Naturschutzgebiet eintrifft. So sichert Ria zusammen mit dem Dorfpolizisten ...

Ria Almeida übersiedelt von Stuttgart ins beschauliche Torreira, als dort ein Notruf über den Fund einer Leiche im nahegelegenen Naturschutzgebiet eintrifft. So sichert Ria zusammen mit dem Dorfpolizisten João den Tatort vor weiteren Spuren durch die Umweltschützer, die bei ihrer Exkursion den Toten gefunden haben. Comissário Baptista will den Fall nicht übernehmen, weil er gerade wegen einer wichtigen Verhandlung auf den Richter wartet. Bis sich herausstellt, dass die Leiche eben dieser Richter ist …
Das Cover ist harmonisch gestaltet, mit den typischen portugiesischen Fliesen und dem Fischerboot auf dem Wasser; nur die dunklen Wolken im Hintergrund durchbrechen diese Harmonie. Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Kapitel kurz, jeweils mit einem portugiesischen Satz und dessen deutscher Bedeutung, sowie genauer Angabe der Uhrzeit versehen. Die verschiedenen Blickwinkel ermöglichen den Lesern einen genauen Überblick über den Stand der Ermittlungen, aber auch über die Beziehung zwischen Ria und Baptista. Und die Verbindung der beiden Polizisten verläuft nicht immer gerade harmonisch. Die Geschichte ist realitätsnah und bis zum Ende recht spannend gehalten. Ein Großteil der Handlung liegt eher im Privatleben der neu in Portugal eingewanderten Ria, aber auch die Ermittlungen kommen natürlich nicht zu kurz.
Nicht nur Portugal-Fans werden an der Kombination aus Rundgang durch die Stadt, kulinarischen Einblicken und dem Herausheben des Soziallebens in dem südeuropäischen Land ihre Freude haben. Dies ist bereits der zweite Teil der Reihe um das Ermittlerteam Ria und Baptista. Den ersten Fall kenne ich nicht, es zahlt sich aber sicher aus, auch diesen nachzulesen. Aber auch ohne Kenntnis des Vorgängers findet man sich schnell im Umfeld Torreiras und dessen Bewohnern zurecht.

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Veröffentlicht am 17.05.2024

Schönheit irgendwo zwischen Atom und Stern

Das Fenster zur Welt
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Während des zweiten Weltkriegs begegnet der junge britische Soldat Ulysses in einem italienischen Weinkeller der sechzigjährigen Kunsthistorikerin Evelyn, die seine Sichtweise auf Kunst und dadurch auch ...

Während des zweiten Weltkriegs begegnet der junge britische Soldat Ulysses in einem italienischen Weinkeller der sechzigjährigen Kunsthistorikerin Evelyn, die seine Sichtweise auf Kunst und dadurch auch auf die Welt verändert. Seither verbindet die beiden trotz unterschiedlicher Lebensweise ein Band der Freundschaft. Nach dem Krieg hofft Ulysses im Londoner Eastend auf einen Neuanfang, doch seine große Liebe Peg hat sich inzwischen in einen amerikanischen Soldaten verliebt. So verlässt der Engländer eines Tages seine alten Bekannten in Col's Pub und kehrt mit Pegs Tochter Alys, dem wissbegierigen Cress und dem vorlauten Papagei Claude nach Florenz zurück.
Weder das harmonische Cover mit Zitrusfrüchten auf einem Fliesenrand und dem fliegenden Papagei in der Mitte, noch der Titel verraten einem, welch großartiger Roman sich hier verbirgt. Die Kapitel befassen sich chronologisch jeweils mit verschieden langen Zeitspannen, in denen man Details aus dem Leben der Protagonisten und der jeweiligen historischen Hintergründe erfährt. Winham schafft es von Anfang an, die Leser in den Bann der Geschichte zu ziehen. Die Sprache ist bildhaft, die zahlreichen Dialoge sind lebhaft gestaltet, und man wünscht sich, daran teilhaben zu dürfen. Oft ist der Text von Humor durchzogen – manchmal auf einzelne Wörter oder Sätze, manchmal auf ganze Passagen bezogen. Immer wieder wird auch auf bildende Kunst, Musik und Literatur verwiesen, einige Male auch auf E. M. Fosters Roman „Zimmer mit Aussicht“. Kursiv eingestreut betonen italienische Ausdrücke die Verbindung zum Sehnsuchtsland der Charaktere. Diese sind sehr detailliert und liebevoll herausgearbeitet, auch jene, die eine Nebenrolle im Roman spielen, kann man sich lebhaft vorstellen; sogar die Haustiere, allen voran der Papagei Claude mit seinem schier unerschöpflichen Shakespeare-Wortschatz.
Selbst Übersetzungsfehler können dem Lesegenuss nichts anhaben, wenn beispielsweise aus „vest“ statt Unterhemd eine Weste wird. Durch die Behandlung der vielfältigen Themen Freundschaft, Zusammenhalt, aber auch Enttäuschung, die oft damit einhergeht, schafft Sarah Winman eine wundervolle Atmosphäre. Trotz des Umfangs von über 500 Seiten kommt man durch die interessante Gestaltung einerseits schnell voran, möchte andererseits niemals zum Ende dieser Geschichte kommen; schließlich hat man bereits eine starke Verbindung zu den Protagonisten aufgebaut, die man ungern trennen möchte. Weder muss man Kunstliebhaber, noch italophil sein, um in diesem ruhigen Roman die Leichtigkeit und Lebensbejahung zu spüren - oft auch in den Worten zwischen den Zeilen.

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Veröffentlicht am 03.05.2024

Ein kurzes Inseljahr

Die Tage des Wals
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1938 träumt die achtzehnjährige Manod auf einer abgelegenen Insel vor Wales von einer Zukunft auf dem Festland. Als ein Wal strandet, deuten die Fischer dies als schlechtes Omen. Kurz darauf betreiben ...

1938 träumt die achtzehnjährige Manod auf einer abgelegenen Insel vor Wales von einer Zukunft auf dem Festland. Als ein Wal strandet, deuten die Fischer dies als schlechtes Omen. Kurz darauf betreiben Edward und Joan aus Oxford ethnografische Studien auf der Insel. Die kluge und zielstrebige Manod ist fasziniert von den Wissenschaftern und wird deren Übersetzerin und Gehilfin. Diese Zweckgemeinschaft wird bald zu einer Art Freundschaft, aufgeladen ist mit Hoffnungen und Sehnsüchten.
Das Cover mit dem stilisierten Küstenabschnitt ist unscheinbar, die Seitenanzahl recht überschaubar. Dennoch hat es dieses Buch in sich und man sollte sich Zeit dafür nehmen, selbst wenn die Abschnitte recht knapp gehalten sind. So bleibt genügend Platz für eigene Überlegungen und Interpretationen. Rasch wechseln kurze Erzählungen der Ich-Erzählerin Manod mit Volksliedern oder Geschichten, die man auf der Insel den Kindern erzählt, und denen eine Quellenangabe angehängt ist. Die gewählte Sprache passt hervorragend zu einer abgelegenen Insel; die kurzen, etwas sperrigen Sätze lassen einen sofort die Kargheit der Insel, die wenigen Ereignisse, das Leben, das so wenig Raum für Entfaltung bietet, spüren. Und dennoch findet die Autorin in diesen kurzen Sätzen genügend Platz für großartige Sprachbilder. Darin verarbeitet sie das harte Leben der Fischer und den Aberglauben der Inselbewohner, aber auch die Überheblichkeit der beiden Wissenschafter vom Festland und deren romantisierte und verfälschte Sicht auf das Inselleben. Die Protagonistin Manod entpuppt sich dabei als überaus kluge und gewitzte junge Frau, die es durchaus schaffen kann, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Trotz der recht kurzen Zeitspanne, in der die Geschichte spielt, dann man ihre Entwicklung deutlich spüren.
Das Buch ist ein sehr gelungener Debütroman, einzigartig in seiner Form.

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