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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.06.2022

Die überbrückbare Distanz zwischen Realität und Fiktion

Die Physiker vom Friedrich Dürrenmatt
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Eine Komödie, die sich mit existenziellen Fragen der Wissenschaft beschäftigt: Was kann Wissen bewirken? Was sind Wissenschaftler der Welt schuldig? Mit interessanten Charakteren und einigen Wendungen ...

Eine Komödie, die sich mit existenziellen Fragen der Wissenschaft beschäftigt: Was kann Wissen bewirken? Was sind Wissenschaftler der Welt schuldig? Mit interessanten Charakteren und einigen Wendungen im Stück nimmt sich Dürrenmatt diesen Fragen an.

Die Charaktere wirken übertrieben und skurril – was einem hilft, sie gleich zu Beginn gut voneinander zu unterscheiden. Ein Punkt davon ist sicher, dass die Geschichte in einem Irrenhaus spielt. Ich muss gestehen, dass ich anfangs nicht verstand, was vor sich ging, bis ich es einfach akzeptierte; dem Grotesken und Paradox muss man Spielraum geben, damit es sich entfaltet. Ich denke, man muss einen Schritt zurücktreten und letztendlich das Ganze Bild in sich aufnehmen und eine eigene Antwort finden. Dürrenmatt liefert keine Antwort; die Leser:innen sollen ihre eigenen Schlüsse aus dem Stück ziehen.

Die drei Physiker stehen einem Konflikt gegenüber, der die Machtstrukturen der Welt hinterfragt und inwiefern das Individuum darin berücksichtigt wird. Ob es vielleicht sogar längst von einer irren Wirklichkeit überholt wurde.

Aufgrund der gewählten Form entsteht eine Distanz zwischen Wirklichkeit und Gezeigtem. Und diese angebliche Distanz in Zusammenspiel mit dem Grotesken und Paradox liefert eine angsteinflössende Analogie auf die Realität.

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Veröffentlicht am 15.04.2022

Die Geschichte zeigt die Kontraste des modernen Menschen

Homo faber
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Walter Faber, ein Ingenieur mit einem strengen rationalistischen Weltbild, berichtet über die Ereignisse seines Lebens. Durch eine Liebesgeschichte wird er dazu gezwungen, dieses Weltbild zu hinterfragen ...

Walter Faber, ein Ingenieur mit einem strengen rationalistischen Weltbild, berichtet über die Ereignisse seines Lebens. Durch eine Liebesgeschichte wird er dazu gezwungen, dieses Weltbild zu hinterfragen und setzt sich dabei mit entscheidenden Grundfragen der menschlichen Existenz auseinander.

Es ist spannend, die Entwicklung von Walter Faber zu beobachten. Bevor ich diese Faszination jedoch aufbrachte, musste ich mich zuerst durch das erste Viertel des Buches schlagen, das meiner Meinung nach wirklich zäh war. Dann wiederum, wenn ich mir darüber bewusst werden, dass es ein Bericht von Walter Faber ist, kann ich nichts dagegen einwenden, da diese oft unnötigen und detaillierten Beschreibungen einfach zu seiner Person dazugehören.

Dieses Buch setzt sich sehr klar mit Gegensätzen wie Technik und Natur und Vernunft und Gefühl auseinander. In Walters Ausführungen erkennt man, wie sehr er sich auf Logik, Mathematik und Statistiken stützt. Und vor allem sieht man, wie er in seiner Rolle als Ingenieur aufgeht – jedoch bedeutet das gleichzeitig für ihn, dass er sich keine andere Rolle aneignen kann, weder als Vater noch als Ehepartner.

Zwar sind diese Aspekte an sich überzeugend, aber doch etwas zu sehr ins Extrem gerückt; kein Mensch denkt nur rational. Und das ist vermutlich der Gedanke, der Walters Weltbild verrückt. Durch das Aufzeigen des einen Extrems, wollte der Autor vermutlich Walters Entwicklung verdeutlicht darstellen. Jedoch hat mich das während des Lesens immer wieder die Stirn runzeln lassen, denn Walter war für mich nicht authentisch genug. Auch die anderen Charaktere wie Elisabeth oder Hanna scheinen hauptsächlich nur als Verdeutlichung des Kontrasts zu dienen.

Aber ich muss zugutehalten, dass es definitiv Spannung erzeugt hat. Ich habe als Leserin nur darauf gewartet, dass diese zwei Welten aufeinander krachen, dass irgendetwas Entscheidendes zugrunde geht. Schade nur, dass alles in einem Bericht festgehalten ist, der dramatische Ereignisse so pragmatisch wie nur möglich schildert. Andererseits ist das vermutlich genau der Sinn davon.

Den Schreibstil fand ich trotzdem angenehm zu lesen. Zwar merkt man, dass das Buch nicht in diesem Jahrhundert geschrieben wurde, aber ich kam trotz einiger Wörter, die ich nicht kannte, gut durch die Seiten.

Der gesamte Bericht ist ein Rechtfertigungsversuch, eine erhoffte Antwort auf die Schuldfrage, der zeigt, dass Walter Faber vielleicht doch nicht so rational ist, wie er vorzugeben scheint. Denn nicht nur die Identität des Menschen, sondern auch die Schuldfrage zu einem bestimmten Ereignis stehen in diesem Buch im Vordergrund. Das sind wichtige und interessante Themen, die beim oberflächlichen Lesen irgendwie nicht wirklich zur Geltung kommen.

Ich habe dieses Buch für die Schule gelesen. Und ich bin mir unsicher, ob ich ohne Recherche all die dahinterliegende Bedeutung von Fabers Entwicklung verstanden hätte. Aber mit Recherche liefert das Buch definitiv Diskussionsstoff für die Frage, was die Identität des modernen Menschen ausmacht.

Fazit
Das Buch setzt sich mit dem Gegensatz von Technik und Natur auseinander und hinterfragt das rationalistische Weltbild Walter Fabers. Der Anfang ist zwar etwas zäh, aber danach bin ich flüssig durch die Seiten gekommen. Aufgrund dessen, dass die gesamte Geschichte in einem Bericht geschildert wird, kommt nur selten Spannung auf. Aber trotzdem ist es ein Buch, das einen über die Identität des modernen Menschen nachdenken lässt.

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Veröffentlicht am 07.04.2022

Einfach in die Welt gehen und sein Glück machen

Aus dem Leben eines Taugenichts
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Der Taugenichts wird eines Tages von seinem Vater vor die Türe gesetzt – weil er ihm zufolge zu nichts taugt. Unvorbereitet, aber voller Neugierde stolpert der Taugenichts in diesen neuen Lebensabschnitt ...

Der Taugenichts wird eines Tages von seinem Vater vor die Türe gesetzt – weil er ihm zufolge zu nichts taugt. Unvorbereitet, aber voller Neugierde stolpert der Taugenichts in diesen neuen Lebensabschnitt hinein und versucht sein Glück zu finden.

Geschichten, in denen es darum geht, sich selbst durch die Welt um sich herum zu finden, gehören zu meinen liebsten Geschichten. Auch hier ist der Taugenichts völlig auf sich allein gestellt und muss sich der Frage stellen, was nun wirklich wichtig im Leben ist.

Der Anfang hat es mir schwer gemacht in die Geschichte zu finden. Die Wortwahl und die Satzstrukturen sind nun mal schon ein paar Jahre alt. Aber als das Buch an Fahrt aufnimmt und der Taugenichts von seiner lieben schönen Frau schwärmt, kam ich langsam in einen Lesefluss.

Trotzdem muss ich zugeben, dass mich das Leben des Taugenichts nicht ganz einnehmen konnte. Seine Enttäuschung über seine verlorene Liebe und die Reise nach Italien sind zu sehr in die Länge gezogen. Zwar verliert er sich manchmal in wundervollen Beschreibungen der Natur – wie es für die Romantik so üblich ist – aber die gesamte Reise ist zu detailreich beschrieben.

Im Grunde ist dieses Reisen des Taugenichts ein zentrales Motiv im Buch. Denn er geht in die weite Welt, lässt sich vom Unbekannten locken und von seiner Phantasie beflügeln. Und als Leser:in wird man mit der Frage konfrontiert, ob der Taugenichts nicht einfach sinnlos in der Welt herumspaziert, ob er sich am besten nicht einfach irgendwo niederlassen und sein Leben in Ruhe leben soll. Somit reflektiert man, was es bedeutet, in seinem eigenen Leben nach etwas zu streben – und lohnt es sich überhaupt?

Die Geschichte vermittelt eine wichtige Botschaft, nämlich die des Glücks. Wie der Taugenichts zu Beginn so schön sagt: »… so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen.« Dabei definiert er erst im Verlauf der Geschichte, was Glück haben generell für ihn bedeutet. Auch wenn der Taugenichts vielleicht etwas zu optimistisch daherkommt, so stellt er trotzdem fest, dass man nicht immer alles beeinflussen kann. Also ist der Taugenichts in diesem Sinne vielleicht nicht einmal naiv, sondern einfach unbeschwert und leicht.

Man kann eben nicht immer alles vorausplanen und auch unvorhergesehene Überraschungen können im Leben auftauchen. Manchmal ist Glück haben auch einfach nur in den Tag hineinstarten und leben.

Fazit
Auch wenn mir der Einstieg in das Buch aufgrund der Sprache etwas schwerfiel, konnte mich die Reise des Taugenichts beeindrucken. Zwar ist sie meiner Meinung nach an gewissen Stellen zu detailreich geschildert, aber sie läuft auf schliesslich auf ein (mehr oder weniger) klares Ende hinaus. Der Taugenichts durchläuft eine faszinierende Charakterentwicklung, die bei den Leser:innen an Fragen gekoppelt ist, inwiefern sich die Reise des Taugenichts jetzt gelohnt hat und wie man Glück für sich selbst definiert. Die Geschichte lehrt einen, dass nicht immer alles im Leben planbar ist und man auch mal in den Tag hineinleben soll.

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Veröffentlicht am 05.03.2022

Detailreich und spannend

Oberst Chabert
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Oberst Chabert, der nach der Schlacht in Eylau als tot gilt, taucht eines Tages plötzlich in einem Anwaltsbüro auf. Mit dem Wunsch, sein Eigentum zurückzuerlangen, das nach seinem vermeintlichen Tod in ...

Oberst Chabert, der nach der Schlacht in Eylau als tot gilt, taucht eines Tages plötzlich in einem Anwaltsbüro auf. Mit dem Wunsch, sein Eigentum zurückzuerlangen, das nach seinem vermeintlichen Tod in die Hände seiner Frau gefallen ist.

Es ist eine kurze Geschichte, aber trotzdem unglaublich detailliert geschildert. Damit meine ich nicht, dass ich elendig lange Beschreibungen lesen musste, sondern gezielt gepickte Ausführungen, die dazu beitrugen, eine Atmosphäre im Buch zu schaffen. Ich fühlte mich so, als wäre ich dort – in Frankreich, im 19. Jahrhundert.

Spannend dabei ist, dass man als Leser:in Chabert vor allem aus anderen Augen sieht. Beispielsweise kommen wir als erstes in Kontakt mit ihm, als er spontan im Anwaltsbüro auftaucht. Jedoch lernt man ihn immer besser kennen und erblickt auch die Komplexität, die hinter dem Charakter steckt. Auch kommt während des Lesens ordentlich Spannung auf. Vor allem gegen Schluss, wo man unbedingt wissen will, ob Chabert gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse ankämpfen kann oder dagegen verliert.

Obwohl das Buch fast 200 Jahre alt ist, spürt man das fast nicht während des Lesens. Ich kam gut durch die Seiten, alles war verständlich und flüssig geschrieben.

Balzac kritisiert in diesem Buch die gesellschaftlichen Verhältnisse Frankreichs zu dieser Zeit. Man erlangte lediglich sozialen Status, wenn man Geld besass und rücksichtslos war. Ein Mann wie Chabert, dem das Wohl seiner Mitmenschen nicht egal war, hatte zu kämpfen – und er wurde schamlos ausgenutzt.

Diese Auffassung lässt einen auch an die heutigen Tage denken, wo man immer wieder von Korruption und Machtspielen hört. Balzacs Kritik an die Gesellschaft ist auch im 21. Jahrhundert noch aktuell.

Fazit
Eine Kritik an die gesellschaftlichen Verhältnisse Frankreichs im 19. Jahrhundert, wo der soziale Status nur von Geld und Macht abhing. Auch wenn das Buch 200 Jahre alt ist, liest es sich sehr flüssig und weist eine gute Atmosphäre und Spannung auf. Die Geschichte mag alt sein, aber die Kritik ist noch hochaktuell.

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Veröffentlicht am 31.12.2021

Eine melancholische und tiefgründige Geschichte, die mich mit der Idee berühren, aber mit der Handlung nicht überzeugen konnte.

Like water in your hands
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Die 19-jährige Arwa zieht für ihr Studium nach Wien, wo sie auf einer Hochzeit auf Tariq trifft. Schon vom ersten Augenblick an fühlt sie sich von ihm angezogen. Auch Tariq geht es ähnlich, doch ihm fällt ...

Die 19-jährige Arwa zieht für ihr Studium nach Wien, wo sie auf einer Hochzeit auf Tariq trifft. Schon vom ersten Augenblick an fühlt sie sich von ihm angezogen. Auch Tariq geht es ähnlich, doch ihm fällt es zunehmend schwerer die Traditionen seiner Familie und seinen eigenen Wunsch nach Freiheit zu balancieren. Ihre Liebe hat nur eine Chance, wenn sie sich ihren eigenen Ängsten stellen …

Meine Meinung
Bei diesem Buch hat mich der Klappentext angesprochen. Weil ich so etwas noch nie in einem New Adult Roman gelesen habe. Es geht um starke Familienbindung, fest verankerte Traditionen und die Angst davor, anders zu sein.

Arwa ist eine Protagonistin, die ich von der ersten Seite an sympathisch fand. Sie ist vielschichtig und komplex. Ihre Gedankengänge und Handlungen wirken echt und nicht widersprüchlich. Am meisten gefallen hat mir ihre Reflexionsfähigkeit. Denn das ist etwas, was ich bei den meisten Protagonisten bei NA-Büchern vermisse. Weil – und hier kommt meine härteste Kritik an NA-Romanen – wenn die meisten Protagonist:innen in diesen Büchern ihre Handlungen wirklich mal reflektieren würden, dann gäbe es meiner Meinung nach keine Konflikte und somit auch keine Geschichte.

Aber in dieser Geschichte ist es anders. Es sind lebensnahe und realistische Probleme, mit denen Arwa als auch Tariq sich auseinandersetzen müssen. Beispielsweise den Konflikt, wie man den Traditionen des Heimatlandes gerecht wird, aber gleichzeitig seine Wünsche, die man nur hat, weil man eben nicht in diesem Land lebt, verwirklichen kann … Schwierige Sache, denn man gerät in einen Konflikt mit sich selbst. Und das wird in diesem Buch gut behandelt.

Ich liebe den Schreibstil der Autorin. Er hat etwas Poetisches an sich, was den Texten etwas sehr Besonderes verleiht. Zwar taucht das ein oder andere Klischee in den Konversationen auf, aber da kann ich drüber hinwegsehen.

Wenn Arwa oder Tariq nachdenken, beinhalten diese Gedanken Tiefgründigkeit. Es ist wirklich eine schöne und gelungene Abwechslung zum Rest des Buches, wenn man als Leser:in in ihren Kopf eintauchen kann. Manchmal wird den Überlegungen aber die Komplexität entnommen, indem sie zu sehr erklärt werden; wenn zu viele Metaphern hinzukommen und die Überlegungen auf einen einzigen Grundgedanken runtergebrochen werden.

Obwohl sich die Spannung etwa bis zur Hälfte sehr gut hält, kamen mir einige Szenen doch etwas sehr langgezogen vor. Einmal beispielsweise tauscht sich die Freundesgruppe etwa drei Doppelseiten lang über Bollywoodfilme aus, was mir etwas zu lang war. Dazu kommt, dass die Charaktere in diesem Buch (Arwa und Tariq ausgenommen) mir nicht ganz real erschienen. Sie sind entweder das eine Extrem oder das andere. Entweder ruhig und in sich zurückgezogen oder laut und einnehmend. Natürlich gehören nicht alle Charaktere dazu, aber mir hat es gereicht, dass auch nur ein paar unter diese Kategorie fallen, um die Glaubwürdigkeit ihrer Person zu zerstören.

Leider war die Geschichte für mich ab der Mitte nicht mehr so spannend. Sie verliert ab dann immer mehr an Reiz, weil die Handlung nicht wirklich vorankommt. Der Fokus der Geschichte verändert sich, indem es nicht mehr um die inneren Konflikte der Protagonist:innen geht, sondern um ihre Wirkung auf andere. Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich fühlte mich Arwa und Tariq nicht mehr so nahe, weil diese Tiefe, die zu Beginn geherrscht hat, mit einem Mal nicht mehr da war.

Es ist ein gutes Buch. Ein Buch, das mich mit seiner Thematik mitreissen konnte, mich aber am Ende leider nicht ganz begeistern konnte.

Fazit
Arwa und Tariq sind sehr komplexe und sympathische Protagonisten, vor allem ihr Denken wirkt sehr realistisch. Auch den Schreibstil der Autorin mag ich sehr gerne; er ist sehr poetisch und trägt eine Melancholie in sich.
Leider fällt die Spannung ab der Mitte ab und die Geschichte zieht sich ab dann ein wenig, weil der Fokus nicht mehr so sehr auf der Entwicklung der Protagonisten liegt.

Aber auf jeden Fall ein schönes Buch über ein wichtiges Thema!

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