Profilbild von bookloving

bookloving

Lesejury Star
offline

bookloving ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bookloving über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2019

Berührendes Lesevergnügen

Der Zopf meiner Großmutter
0

INHALT
"Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als mein Großvater sich verliebte. Es war klar, dass die Großmutter nichts davon mitkriegen sollte. Sie hatte schon bei geringeren Anlässen gedroht, ...

INHALT
"Ich kann mich genau an den Moment erinnern, als mein Großvater sich verliebte. Es war klar, dass die Großmutter nichts davon mitkriegen sollte. Sie hatte schon bei geringeren Anlässen gedroht, ihn umzubringen, zum Beispiel, wenn er beim Abendessen das Brot zerkrümelte."
Max' Großmutter soll früher einmal eine gefeierte Tänzerin gewesen sein. Jahrzehnte später hat sie im Flüchtlingswohnheim ein hart-herzliches Terrorregime errichtet. Wenn sie nicht gerade gegen das deutsche Schulsystem, die deutschen Süßigkeiten oder ihre Mitmenschen und deren Religionen wettert, beschützt sie ihren einzigen Enkel vor dem schädlichen Einfluss der neuen Welt. So bekommt sie erst als Letzte mit, dass ihr Mann sich verliebt hat. Was für andere Familien das Ende wäre, ist für Max und seine Großeltern jedoch erst der Anfang.
Ein Roman über eine Frau, die versucht, in einer Gesellschaft Fuß zu fassen, die ihr entgleitet. Über einen Mann, der alles kontrollieren kann außer seine Gefühle.
(Quelle: KIWI Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem großartigen Roman „Der Zopf meiner Großmutter “ ist Alina Bronsky erneut eine berührende, bitterböse und unglaublich irrwitzige Geschichte über die Launen des Lebens, den Familienzusammenhalt, Entwurzelung und das Älterwerden gelungen.
Mit ihrem unverwechselbaren temporeichen, witzigen und schwarzhumorigen Schreibstil erzählt sie die wendungsreiche, tragikomische Geschichte über eine russischen Auswandererfamilie, eine große Liebe und eine unverhoffte Patchwork-Familie.
Überaus faszinierend sind Bronskys herrlich skurrile, sehr liebenswerte Charaktere gezeichnet, die in ihrer Vielschichtigkeit kaum unterschiedlicher sein könnten und außerordentlich unterhaltsam sind.
Mit Maxims Großmutter steht erneut eine außergewöhnliche, äußerst charakterstarke Frauenfigur im Mittelpunkt ihrer Geschichte, die wir ausschließlich aus der Sicht des Enkels und Ich-Erzählers erleben. Als Kontingentflüchtlinge sind er und seine Großeltern aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen und leben seitdem in einem Wohnheim für Russlandflüchtlinge in einer Kleinstadt. Er ist ein sehr cleverer, aufgeweckter Junge, der allerdings in Augen seiner tyrannischen Großmutter zu einem kränklichen Weichling und lebensuntauglichen Idioten abgetan wird und der vor der bösen Welt und allen erdenklichen schädlichen Einflüssen bewahrt werden muss. Es ist unglaublich amüsant und fesselnd, diese Familie aus der naiv-unvoreingenommenen Perspektive von Max durch ihren Alltag zu begleiten. In absurden, bisweilen herrlich überspitzten Szenen erleben wir ihr bizarres und vermeintlich harmonisches Zusammenleben mit, schmunzeln und empören uns über die Marotten der temperamentvollen Großmutter.
Die Geschichte lebt von den überaus witzigen, bissigen Dialogen und den verschrobenen Ideen und Verhaltensweisen der übergriffigen, autoritären und tyrannischen Großmutter, die mit ihrer erdrückenden Dominanz nicht nur über ihren Enkel „Mäxchen“ sondern über ihr gesamtes Umfeld bestimmen möchte. Schonungslos, bösartig und schockierend sind bisweilen ihr Verhalten und ihre verbalen Rundumschläge, wenn sie beispielsweise antisemitische Sprüche gegen die Juden loslässt ober sich über das deutsche Schul- und Gesundheitssystem echauffiert. Man bringt dieser absolut gewöhnungsbedürftigen Figur äußerst zwiespältige Gefühle entgegen, die von amüsiertem Schmunzeln, über tiefe Empörung und Ablehnung bis hin zu Mitleid reichen. Es dauert eine Weile bis man die tragischen Hintergründe für ihr unmögliches Verwalten begreift und hinter ihrer ruppigen Fassade viel Warmherzigkeit, Liebe und große Verletzlichkeit entdeckt.
So nimmt die wendungsreiche, tragikomische Geschichte ihren Lauf, gewinnt mit den sich verdichtenden Handlungssträngen allmählich immer mehr an Tiefe und stimmt mit seiner tragischen Reichweite auch sehr nachdenklich.

FAZIT
Ein großartiger Roman mit einer witzigen, bitterbösen und zugleich tragikomischen Geschichte und herrlich skurrilen, liebenswerten Charaktere. Ein außerordentlich unterhaltsames und berührendes Lesevergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte!

Veröffentlicht am 10.06.2019

Ein sehr gelungener, origineller Whodunit

Ein perfider Plan
0

INHALT
Keine sechs Stunden, nachdem die wohlhabende alleinstehende Diana Cowper ihre eigene Beerdigung geplant hat, wird sie in ihrem Haus erdrosselt aufgefunden. Ahnte sie etwas? Kannte sie ihren Mörder?
Daniel ...

INHALT
Keine sechs Stunden, nachdem die wohlhabende alleinstehende Diana Cowper ihre eigene Beerdigung geplant hat, wird sie in ihrem Haus erdrosselt aufgefunden. Ahnte sie etwas? Kannte sie ihren Mörder?
Daniel Hawthorne, ehemaliger Polizeioffizier und inzwischen Privatdetektiv im Dienst der Polizei, nimmt die Spur auf. Aber nicht nur den Fall will er lösen, es soll auch ein Buch daraus werden, und dafür wird Bestsellerautor Anthony Horowitz gebraucht. Der wiederum sträubt sich zunächst, ist jedoch schon bald unrettbar in den Fall verstrickt. Fasziniert von der Welt des Verbrechens ebenso wie von dem undurchsichtigen Detektiv und dessen messerscharfem Verstand.
Ganz im Stil von Holmes und Watson begeben sich Hawthorne und Horowitz auf die Suche nach dem Mörder einer scheinbar harmlosen älteren Frau, in deren Vergangenheit allerdings schon bald dunkle Geheimnisse auftauchen. Eine atemberaubende Jagd beginnt …
(Quelle: Insel Verlag)


MEINE MEINUNG
Mit seinem neuesten Buch „Ein perfider Plan“ ist Anthony Horowitz, der zu den renommierten Schriftstellern und Drehbuchautoren Großbritanniens zählt, erneut ein absolut genialer Krimi gelungen, der mich bestens unterhalten und sehr begeistern konnte. Er ist zudem der vielversprechende Auftakt einer neuen Kriminalroman-Reihe dar, die den herrlich altmodischen Untertitel „Hawthorn ermittelt“ trägt.
Sein neuester, äußerst origineller Krimi ist ein klassischer „Whodunit“ à la Sir Conan Doyle in einem sehr zeitgemäßen, modernen Gewand. Horowitz ist eine fesselnde, fantasievolle Variation des berühmten Watson-Holmes-Detektivgespanns gelungen, die er nicht nur wirklich überzeugend und unglaublich unterhaltsam in die heutige Zeit verlegt hat, sondern auch äußerst faszinierende Charaktere kreiert. Als besonderes Highlight hat er sich nämlich selbst als Ich-Erzähler und Protagonist Horowitz mit seinem eigenen biographischen Hintergrund in die Geschichte hineingeschrieben, der als eine Art Watson-Verschnitt in dem Mordfall dem genialen Detektiv Hawthorn zuarbeitet. Als unfreiwilliger Biograph soll er die laufenden Ermittlungen zu dem kuriosen Mordfall begleiten und quasi aus erster Hand einen Roman hierüber verfassen. Hierdurch erhalten wir ganz nebenbei sehr interessante Einblicke in das fesselnde Leben von Horowitz, der zugleich auch die Gelegenheit nutzt seine eigene Figur als Schriftsteller und Drehbuchautor selbstkritisch und –ironisch zu reflektieren. Man spürt beim Lesen sehr deutlich, wie viel Spaß ihm dies bereitet hat.
Auch mit der weiteren Hauptfigur Hawthorn beweist der Autor sein besonderes Talent für eine vielschichtige Charakterzeichnung. Ähnlich wie Doyles Romanfigur erweist sich Hawthorn als ein schwieriger, wenig umgänglicher Charakter, der Horowitz mit seinem wortkargen, gewöhnungsbedürftigem Verhalten, seinem Jähzorn und seinen nicht gerade populären Ansichten immer wieder auf die Probe stellt. Gespannt verfolgt man Hawthorns Ermittlungstaktiken und amüsiert sich köstlich darüber, dass er sich von Horowitz sehr ungern in die Karten schauen lässt. Vor allem seine undurchsichtige Biographie und sein exzentrischer Charakter treiben den neugierigen Horowitz an, mehr über dessen Privatleben herauszufinden und die vielen Leerstellen allmählich zu füllen. Sehr schön hat der Autor auch die allmähliche Annäherung der beiden so unterschiedlichen Protagonisten herausgearbeitet, die schließlich sogar gegenseitigen Respekt und auf britisch unterkühlte Art Sympathien füreinander entwickeln.
Dem Autor gelingt es hervorragend, die Spannung hoch zu halten, denn während der Ich-Erzähler uns seine eigenen Überlegungen zum komplexen Fall und potentiellen Mörder anstellt, ist der clevere Hawthorne mit seiner einzigartigen Beobachtungsgabe und seinem messerscharfen Verstand meist schon mehrere Nasenlängen voraus. Nach und nach zeigt sich, dass auch das auf den ersten Blick so untadelige Mordopfer ein erstaunlich finsteres Geheimnis zu verbergen hatte. In einem unglaublich packenden Finale werden schließlich die unglaublichen Hintergründe zu diesem perfiden Mordfall aufgedeckt.

FAZIT
Ein sehr gelungener Auftakt zu einer interessanten neuen Krimireihe - spannend, einfallsreich und sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 19.05.2019

Großartiger Roman über eine außergewöhnliche Freundschaft

Alte Sorten
0

INHALT
Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, ...

INHALT
Sally und Liss: zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Sally, kurz vor dem Abitur, will einfach in Ruhe gelassen werden. Sie hasst so ziemlich alles: Angebote, Vorschriften, Regeln, Erwachsene. Fragen hasst sie am meisten, vor allem die nach ihrem Aussehen.
Liss ist eine starke, verschlossene Frau, die die Arbeiten, die auf ihrem Hof anfallen, problemlos zu meistern scheint. Schon beim ersten Gespräch der beiden stellt Sally fest, dass Liss anders ist als andere Erwachsene. Kein heimliches Mustern, kein voreiliges Urteilen, keine misstrauischen Fragen. Liss bietet ihr an, bei ihr auf dem Hof zu übernachten. Aus einer Nacht werden Wochen. Für Sally ist die ältere Frau ein Rätsel. Was ist das für Eine, die nie über sich spricht, die das Haus, in dem die frühere Anwesenheit anderer noch deutlich zu spüren ist, allein bewohnt? Während sie gemeinsam Bäume auszeichnen, Kartoffeln ernten und Liss die alten Birnensorten in ihrem Obstgarten beschreibt, deren Geschmack Sally so liebt, kommen sich die beiden Frauen näher. Und erfahren nach und nach von den Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden.
(Quelle: DuMont Buchverlag)
MEINE MEINUNG
In seinem neuen Roman „Alte Sorten“ erzählt der deutsche Autor Ewald Arenz eine großartige, sehr berührende Geschichte über eine schicksalhafte Begegnung zweier Frauen, die ihr beider Leben auf ungeahnte Weise für immer verändert und über eine außergewöhnliche Freundschaft, die deutlich macht, was wirklich bedeutsam im Leben ist.
Trotz der Schwere der angesprochenen Themen von Verletzungen, Ängsten, Schuld, Verlusten und Tod schwingt der einfühlsamen Erzählung eine wundervolle Leichtigkeit mit, die dafür sorgt, dass dieses grandiose Leseerlebnis noch lange im Gedächtnis bleibt und nachwirkt.
Ewald Arenz gelingt es in seinem wundervollen Roman hervorragend, zarte Stimmungen aber auch rohe, ungezügelte Emotionen prägnant und mit äußerst viel Feingefühl einzufangen und zu einer unglaublich dichten, bewegenden Geschichte zu verweben, die einen bald völlig gefangen nimmt. Er erzählt die Geschichte über diese beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Frauen – zwei „beschädigte“ Seelen – sehr behutsam, nuancenreich und in einer faszinierend virtuosen Sprache.
Die Charaktere der beiden Hauptfiguren sind äußerst vielschichtig angelegt. Zwei Außenseiter, die sich vom Charakter her ähnlich sind; zwei Seelenverwandte, die mit seelischen Verletzungen aus ihrer Vergangenheit und ihrem Elternhaus zu kämpfen haben und sich zum Schutz eine harte Schale zugelegt haben.
Geschickt lässt Arenz uns an der wechselhaften Gedanken- und Gefühlswelt seiner beiden faszinierenden Hauptfiguren teilhaben und beschreibt sehr anschaulich in verschiedenen Rückblicken bedeutsame Episoden aus ihrem Leben, die ihre Entwicklung und Persönlichkeit erklären. Beide haben eine Menge schmerzvoller Erfahrungen, Demütigungen und herber Enttäuschungen durchmachen müssen. Sehr fesselnd ist es, die Dynamik ihres aufeinander Einlassens und ihre Entwicklung in dem Roman zu verfolgen, von ihrem anfänglichen Schweigen, über ihre allmähliche Annäherung während der gemeinsamen, alltäglichen Arbeit auf dem Hof und in der Natur bis hin zum Kennenlernen ihrer Eigenheiten und dem Erkunden ihrer Verletzlichkeiten und Geheimnisse. Sehr beeindruckend wird dargestellt, wie zwischen den beiden Frauen eine intuitive Verbindung entsteht, sie einander ungeheuer viel Stabilität und Zufriedenheit geben und schließlich eine Freundschaft voller Toleranz und Vertrauen zwischen den beiden Seelenverwandter erwächst.
Äußerst anschaulich und mit atmosphärisch dichten Beschreibungen fängt der Autor auch die Natur, das ländliche Umfeld und die alltäglichen Tätigkeiten auf dem Hof ein, so dass man das Gefühl hat selbst bei der Birnenernte oder Weinlese dabei zu sein und das Destillieren des Birnen-Brands hautnah mit alles Sinnen mitzuerleben.

FAZIT
Ein wunderschöner Roman, der noch lange nachklingt und äußerst lesenswert ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 16.05.2019

Empfehlenswerter Ratgeber

Das Haus meiner Eltern hat viele Räume
0

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Buch „Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“ beschäftigt sich die Autorin und Chefredakteurin des evangelischen Magazins Chrismon Ursula Ott einfühlsam und persönlich mit ...

MEINE MEINUNG
In ihrem neuen Buch „Das Haus meiner Eltern hat viele Räume“ beschäftigt sich die Autorin und Chefredakteurin des evangelischen Magazins Chrismon Ursula Ott einfühlsam und persönlich mit einer sehr vielschichtigen Thematik, die vor allem für die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre äußerst aktuell und interessant ist. Denn viele dieser sogenannten „Babyboomer“-Generation stehen vor der schwierigen Entscheidung, wie die alt gewordenen und oft hilfsbedürftigen Eltern am besten unterstützt werden können und was mit dem geliebten, aber viel zu groß gewordenen Zuhause geschehen soll. Eine ungeahnt große Herausforderung, die die Beteiligten zu meistern haben und die viel Zeit, Tatkraft, Ausdauer und Nerven kostet.
Als unmittelbar betroffene Angehörige beschreibt die Autorin sehr bewegend und anschaulich, was geschieht, wenn die eigene Mutter mit 87 Jahren das geliebte Haus aufgibt, um in einer Senioreneinrichtung in der Nähe ihrer Töchter einen Neuanfang zu wagen.
In verschiedenen Kapiteln des Buchs beschäftigt sich die Autorin mit dem Loslassen vom Elternhaus, dem Ausräumen des Hauses und Entsorgen all der im Laufe eines langen Lebens angesammelten Möbelstücke und Inventars, dem würdigen Verabschieden vom Ort unserer Kindheit und dem Bewahren der für einen bedeutsamen Erinnerungen.
Schnell wird bei der Lektüre deutlich, dass es sich bei diesem Buch nicht um einen reinen Ratgeber handelt, der dem Leser mit Tipps und Tricks rund um Hausverkauf, Entrümpelungen und Empfehlungen zu geeigneten Plattformen zum Verkauf wertvoller Gegenstände zur Seite stehen will. Es ist auch ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht, der zeigt, wie viel Zeit, Kraft und Unterstützung es braucht, um in diesem Alter nochmals einen Neuanfang in Angriff zu nehmen und von all dem Vertrauten Abschied zu nehmen. Zugleich führt Ursula Ott sehr eindrücklich vor Augen, dass es auch für die erwachsenen Kinder ein sehr schmerzhafter und emotional aufwühlender, aber auch befreiender Prozess sein kann, sich vom alten Zuhause zu lösen und seine „alte Heimat“ zurückzulassen. In diesem Zusammenhang spricht sie auch von „Schwerstarbeit für die Seele“.
Beim Aufräumen werden manchmal beispielsweise auch gutgehütete, unangenehme Familiengeheimnisse aus der Vergangenheit ausgegraben, die gerade die Nachkriegsgeneration und ihre Nachkommen aufzuarbeiten haben.
Beim Lesen wird man unweigerlich zum Nachdenken angeregt, entdeckt schnell Parallelen zur eigenen Familie und der von Bekannten und sieht möglicherweise auch dringend Gesprächs- und Handlungsbedarf.
Die Autorin berichtet aber nicht nur sehr unterhaltsam von ihren persönliche Erfahrungen und eigenen Erlebnissen, sondern lässt auch sehr geschickt Erfahrungen, Analysen und interessante Einschätzungen von Psychotherapeuten, Psychologen, Museumskuratoren und Familienanwälten einfließen und untermauert so ihre Aussagen.
So ist ein rundum nützlicher Ratgeber entstanden mit vielen Denkanstößen, der das Thema von verschiedensten Aspekten beleuchtet, und verschiedenste Hilfestellungen und Anregungen zu Problemlösungen aufzeigt. Doch wohin nun mit all den Erinnerungsstücken, Büchern, Briefmarkenalben, Haushaltsgeräten und Sammeltassen? Jeder muss letztlich für sich selbst entscheiden, was behalten werden soll, verkauft, entsorgt oder vielleicht doch noch anderen nützlich sein kann.
Im Anhang des Buchs findet sich ein alphabetisch geordnetes "ABC der Dinge", das hilfreiche Tipps zur Verwertung und Weitergabe von vielen Dingen gibt, die zum Wegwerfen zu schade sind. Zudem gibt es ganz am Ende unter „Zum Weiterlesen“ auch noch eine interessante Zusammenstellung von Büchern zum weiterführenden Literaturstudium.
FAZIT
Kein trockenes Sachbuch, sondern ein unterhaltsam geschriebener und sehr hilfreicher Ratgeber für alle Menschen, die sich mit dem Ausräumen, Bewahren aber auch dem Loslassen auseinanderzusetzen haben. Äußerst empfehlenswert!

Veröffentlicht am 29.03.2019

Grado im Auge des Sturms – fesselnd & eindrucksvoll erzählt

Grado im Sturm
0

INHALT
Ein Junge wird Zeuge eines Mordkomplotts. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Während die Polizei um Maddalena Degrassi fieberhaft nach ihm sucht, bricht ein verheerender Wirbelsturm über ...

INHALT
Ein Junge wird Zeuge eines Mordkomplotts. Am nächsten Tag ist er spurlos verschwunden. Während die Polizei um Maddalena Degrassi fieberhaft nach ihm sucht, bricht ein verheerender Wirbelsturm über die Lagunenstadt herein und stürzt den idyllischen Adria-Ort ins Chaos. Eine Leiche und mysteriöse Knochenfunde geben Rätsel auf - und der Angst sind keine Grenzen gesetzt.
(Quelle: Emons Verlag)

MEINE MEINUNG
„Grado im Sturm“ von der Kärnter Erfolgsautorin Andrea Nagele ist erneut ein sehr gelungener, fesselnder Band der Adria-Krimi-Reihe rund um die sympathische Commissaria Maddalena Degrassi.
Angesiedelt ist die Handlung im idyllischen kleinen Lagunenstädtchen Grado an der Nordküste der Adria. Dieser Band lässt sich problemlos ohne Vorkenntnisse lesen, doch macht es natürlich sehr viel mehr Spaß, alte Bekannte aus den Vorgängerbänden wiederzutreffen und ihre Weiterentwicklung mitzuerleben.
Die Autorin als ausgesprochene Grado-Kennerin kann mit einem faszinierenden, äußerst stimmigen Setting überzeugen, das sich perfekt in den Handlungsverlauf einfügt. Sehr stimmungsvoll und lebendig sind die Beschreibungen der verschiedenen Schauplätze, der landschaftlichen Besonderheiten, der unheilvoll aufgeheizten Atmosphäre und der drohend aufziehenden, zerstörerischen Naturgewalten.
Trotz des auf den ersten Blick wenig spektakulären Falls rund um das mysteriöse Verschwinden des jungen Emmanuele ist Andrea Nagele ein spannender, sehr vielschichtiger und clever konstruierter Krimi gelungen, der mit viel psychologischem Feingefühl erzählt wird. Nicht die eigentliche Ermittlungsarbeit steht bei diesem Krimi im Mittelpunkt sondern die Psychodynamik der handelnden Figuren. Geschickt hat Andrea Nagele die unterschiedlichen Einzelschicksale, die wir in den verschiedenen Handlungssträngen nach und nach kennen lernen miteinander verwoben. Sehr differenziert und lebensnah sind die Charaktere mit ihren Eigenheiten und Fehlern ausgearbeitet. So erleben wir das deutsche Ehepaar mit ihren beiden Kindern beim Urlaub an der Lagune, die Geschwistern Loredana und Alfonso in der geerbten Villa ihrer Tante Dolores, Christopher Schumann mit seinem alten Schulfreund Johannes Schröder auf einem Kurztrip, die Krankenschwester Beatrice mit ihrer bedrückenden Vergangenheit oder den Wetterexperten Giuseppe, der für die Region einen gewaltigen Sturm vorhersagt, der aber von niemandem ernst genommen wird. Im Laufe der Handlung kommen bei allen Figuren zunehmend Gereiztheiten, Unstimmigkeiten, Streitereien und Gehässigkeiten auf, denn alle haben mit der ungewöhnlichen Hitze und drückenden Schwüle zu kämpfen. Gekonnt lässt die Autorin die unterschwelligen Spannungen in den Beziehungen immer offener zutage treten und uns in wahre menschliche Abgründe blicken. Die vielen verschiedenen Figuren, ihre Befindlichkeiten und Geheimnisse sorgen für genug Stoff zum Spekulieren und lassen die Spannung immer weiter ansteigen. Je greifbarer der aufziehende, unheilvolle Sturm wird, desto mehr verdichten sich die Handlungsstränge bis schließlich alle Fäden zusammenlaufen. Zum Ende hin überschlagen sich die Geschehnisse regelrecht, das Unheil erreicht seinen Höhepunkt und endet in einer verheerenden Katastrophe, die für die einzelnen Figuren aber ganz unterschiedlich ausgeht.
Das Buch endet mit der noch ausstehenden Auflösung von Emmanueles Fall. Die noch nicht geklärten Knochenfunde aus der Nebenhandlung lassen auf eine baldige Fortsetzung der Krimi-Reihe, ein Wiedersehen mit der sympathischen Maddalena Degrassi und eine Rückkehr nach Grado hoffen.

FAZIT
Sehr gelungener vierter Band der Adria-Krimi-Reihe - eindrucksvoll und mit einer ausgefeilten, fesselnden Handlung!