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Veröffentlicht am 20.11.2021

Außergewöhnliches Leseabenteuer

Der Tod und das dunkle Meer
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MEINE MEINUNG
Nach seinem sehr originellen Debütroman »Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle« hat der britische Autor Stuart Turton erneut einen ungewöhnlichen, sehr packenden Roman vorgelegt, dessen Genre ...

MEINE MEINUNG
Nach seinem sehr originellen Debütroman »Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle« hat der britische Autor Stuart Turton erneut einen ungewöhnlichen, sehr packenden Roman vorgelegt, dessen Genre – wie der Autor in seinem Nachwort anmerkt – nur schwer greifbar ist. So findet man hier eine faszinierende Mischung aus historischem Abenteuerroman, fesselndem Whodunit und mystischem Thrill gewürzt mit ein wenig Fantastik, Grusel und einer dezenten Prise romantische Liebesgeschichte.
Turton ist erneut ein unterhaltsames und zugleich herausforderndes Leseerlebnis gelungen, das mit einem sehr raffiniert angelegten Plot, einer Vielzahl von Intrigen, Verschwörungen, Täuschungen, (selbstverständlich) etlichen Todesfällen und einem einzigartigen Histo-Flair aufwartet.
Im Prolog ist zum leichteren Einstieg ein Verzeichnis mit der Auflistung aller wichtigen Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord zu finden, so dass man stets einen Überblick über die zahlreichen Figuren und ihre Stellung behält.
Zur Einstimmung auf das geniale Setting der Geschichte und besseren Orientierung findet sich zudem auf den Buchinnenseiten eine hübsche Zeichenskizze des mit einem mysteriösen Fluch belegten Schiffs Saardam, von dem es für die beteiligten Charaktere kein Entkommen gibt.
Turton ist es hervorragend gelungen, mich rasch in seine mitreißende Geschichte hineinzuziehen und mit den verwirrenden und höchst rätselhaften Ereignissen an Bord des Schiffs zu fesseln. Ein höchst fantasievolles Seemannsgarn hat er diesmal gesponnen, das einen mit seinem besonderen Gruselfaktor zunehmend gefangen nimmt! So sind es vor allem die mystisch-düstere, geheimnisumwitterte und unheilvolle Atmosphäre, die zahlreichen undurchsichtigen Charaktere unter der buntgewürfelten Mannschaft und den illustren Passagieren sowie deren finstere Geheimnisse, die mich rasch in ihren Bann gezogen haben. Dank des lebendigen Schreibstils sieht man alles bildlich vor sich und wähnt sich selbst inmitten der rätselhaften wie fatalen Geschehnisse auf der Saardam.
Sehr gut gefallen hat mir auch, wie anschaulich Turton den historischen Flair, die rauen Sitten an Bord und damals weitverbreiteten Aberglauben eingefangen hat. Wie er in seinem Nachwort anmerkt, hat er bewusst zahlreiche historische Ungenauigkeiten zugunsten seiner außergewöhnlichen Story modifiziert und bittet uns daher um Nachsicht.
Geschickt hat Turton viele kleine Puzzleteilchen in seinen vielschichtigen, sehr undurchsichtigen Plot eingebaut, die zusammen mit überraschenden Wendungen für viel Abwechslung beim Miträtseln sorgen. Meisterhaft gelingt es dem Autor, uns im Laufe der turbulenten Handlung auf falsche Fährten zu locken, die uns die bislang schlüssigen Theorien wieder verwerfen lassen. Trotz manchmal etwas ausufernder Passagen entwickelt sich die Geschichte zu einem Pageturner, den man kaum noch aus der Hand legen kann.
Es ist sehr faszinierend, mit welcher Leichtigkeit der Autor die Vielzahl der Haupt- und Nebencharaktere als lebendige, unverwechselbare Figuren mit all ihren Ecken und Kanten ausgearbeitet hat. Ob nun die vielen zwielichtigen Figuren wie die skrupellosen Matrosen und Musketiere, die arroganten Offiziere oder die machthungrigen Honoratioren an Bord auch unter den vermeintlich „Guten“, die sich dem Bösen an Bord entgegenstellen und mehr als einmal beweisen müssen, was in ihnen steckt– sie alle sind hochinteressante, vielschichtige Charaktere, die einen manchmal mit ihrem Verhalten zu überraschen wissen. Turton macht es insbesondere seinen Hauptfiguren bei ihren Nachforschungen an Bord wirklich nicht leicht und zwingt sie dazu, im Kampf gegen das Böse immer wieder über sich hinaus zu wachsen.
Zum Ende hin fügt Turton seine leichthin gestreuten Hinweise gekonnt zu einer plausiblen, aber dennoch sehr überraschenden Auflösung der fesselnden, hochkomplexen Geschichte zusammen.

FAZIT
Ein fesselnder Abenteuerroman mit tollem historischen Flair, wundervollem Gruselfaktor, mystischem Thrill und einem sehr raffiniert angelegten Plot. Ein außergewöhnliches Leseerlebnis!

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Veröffentlicht am 18.06.2021

Sehr bewegende Lebensgeschichte

Stay away from Gretchen
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INHALT
Eine große Liebe in dunklen Zeiten

Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Was anfangs ärgerlich für ...

INHALT
Eine große Liebe in dunklen Zeiten

Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Was anfangs ärgerlich für sein scheinbar so perfektes Leben ist, wird unerwartet zu einem Geschenk. Nach und nach erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter, der Sehnsucht nach dem verschollenen Vater und ihren Erfolgen auf dem Schwarzmarkt in Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.

(Quelle: dtv)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem großartigen Debüt „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe “ ist der deutschen Autorin Susanne Abel ein hervorragend recherchierter, sehr bewegender historischer Roman gelungen, der mich sehr berühren konnte und noch längere Zeit beschäftigt hat.
Gekonnt konfrontiert uns die Autorin in ihrem sehr emotional und fesselnd erzählten Roman mit den Schrecken der deutschen Vergangenheit, zeigt die verheerenden Auswirkungen des 2. Weltkriegs und der erlittenen Traumata auf die Kriegsgeneration auf , die auch auf ihre Nachkommen bis in die Gegenwart nachwirken. Darüber hinaus beleuchtet sie mit dem Schicksal der „Brown Babies“ und Afrodeutschen ein sehr dunkles, wenig bekanntes und nachdenklich stimmendes Kapitel der Nachkriegszeit.
In der mitreißenden, in der Gegenwart angesiedelten Rahmenhandlung um Greta, die zwar körperlich fitte, aber zunehmend dementer werdende 84jährige Mutter des bekannten Fernsehmoderators Tom, enthüllt diese in plötzlich hochkommenden Erinnerungsfetzen allmählich ihre ergreifende Lebensgeschichte. In den eingeschobenen Rückblicken werden immer mehr, bislang sorgsam verborgene Details aus Gretas bewegter Vergangenheit enthüllt. Um Gretas verwirrenden Geheimnissen und seiner eigenen Familiengeschichte auf die Spur zu kommen, stellt Tom schließlich gemeinsam mit einer Assistentin weitere Nachforschungen an und begibt sich auf eine ereignisreiche Spurensuche.
Die sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Erzählstränge, in denen die sehr warmherzig und lebensnah gezeichnete Protagonistin Gretchen steht, haben mich bald in ihren Bann gezogen.
Susanne Abel ist es hervorragend gelungen, viele gut recherchierte und zeitgeschichtlich wichtige Themen der Nazizeit und deutschen Nachkriegszeit mit ihrer fiktiven Geschichte zu verweben und die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe sehr lebendig und anschaulich zu gestalten. Die Autorin nimmt uns mit auf eine abenteuerliche, sehr facettenreiche Zeitreise, beginnend mit Gretas Kindheit in Preußisch Eylau während der Nazizeit, reißt die traumatischen Erlebnisse während der überstürzten Flucht vor den Russen aus dem Osten an, lässt uns schließlich eintauchen in die entbehrungsreiche Nachkriegszeit im von den Amerikanern besetzten Heidelberg, wo Gretas während der Flucht getrennte Familie schließlich wieder zusammen findet, und lässt uns schließlich Anteil nehmen an Gretas „Unmöglicher Liebe“ und ihrem höchst tragischen Ausgang.
Kenntnisreich und sehr plastisch führt uns die Autorin die während der unterschiedlichen Zeitepochen vorherrschenden Verhältnisse, die politischen Einstellungen und Stimmungen in der Bevölkerung vor Augen und lässt uns in so manche erschütternden gesellschaftlichen Abgründe jener Zeit blicken. Geschickt untermalt die Autorin zudem einige zeitgeschichtliche Ereignisse und reale Begebenheiten mit Zeitdokumenten, so dass die Geschichte noch authentischer wirkt.
Sehr einfühlsam erzählt Abels Gretas außergewöhnliche Lebensgeschichte voller Höhen und Tiefen, die zugleich stellvertretend für viele Frauenschicksale jener Zeit steht. Die Autorin hat mit Greta eine sehr beeindruckende, vielschichtige Frauen-Figur geschaffen, die mit ihren Eigenheiten, Stärken und Verletzlichkeiten sehr lebensnah und lebendig wirkt und die man rasch ins Herz geschlossen hat. Sie versteht es, uns im Laufe der Handlung ihr Innenleben, ihre schillernde Persönlichkeit und charakterliche Entwicklung sehr glaubhaft näherzubringen. Gekonnt zeigt sie in ihrem bewegenden Roman auf, wie nachhaltig Lebensentscheidungen auch das Leben der nachfolgenden Generationen beeinflussen und emotional prägen können.
Geschickt verdichtet die Autorin ihre Geschichte immer weiter und lässt diese nach einigen unvorhersehbaren Wendungen und überraschenden Enthüllungen zwar etwas weichgespült, aber dennoch sehr stimmig ausklingen.
Hervorragend hat mir auch das Nachwort der Autorin gefallen, in dem sie ausführlich die Hintergründe zu ihrem Roman erläutert und interessante weiterführende Informationen zu ihren Recherchen gibt. Abgerundet wird der Roman für alle an den angeschnittenen Themen interessierten LeserInnen mit einem umfangreichen Literatur- und Filmverzeichnis.

FAZIT
Ein fesselnder, sehr emotionaler historischer Roman mit einer bewegenden Lebensgeschichte und einer wundervollen Protagonistin – lebendig und mitreißend erzählt, hervorragend recherchiert und kenntnisreich umgesetzt. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre !

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Veröffentlicht am 09.05.2021

Fesselnder Histo-Krimi zur Zeit des Dritten Reichs

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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INHALT
Freitag, 14. Juni 1940:
An dem Tag, als die Nazis in Paris einmarschieren, werden an der Gare d'Austerlitz vier Polen ermordet aufgefunden, und ein weiterer begeht kurz darauf Selbstmord. Inspecteur ...

INHALT
Freitag, 14. Juni 1940:
An dem Tag, als die Nazis in Paris einmarschieren, werden an der Gare d'Austerlitz vier Polen ermordet aufgefunden, und ein weiterer begeht kurz darauf Selbstmord. Inspecteur Éduard Giral beginnt gegen alle Widerstände zu recherchieren. Sehr bald mischen sich in seine Ermittlungen Wehrmacht, Gestapo und Geheime Feldpolizei ein, während im Hintergrund der enigmatische, skrupellose Major Hochstetter von der Abwehr die Strippen zieht und ihm mal als Gegenspieler, mal als Verbündeter begegnet.
Als unvermittelt Girals verlorener Sohn Jean-Luc auftaucht, der seinen Vater für einen Opportunisten und Feigling hält, muss er multidimensionales Überlebensschach spielen, mal mit der einen, mal mit der anderen der beteiligten Gruppen (schein)paktieren, um seinen Sohn irgendwie aus der Schusslinie zu schaffen und letztendlich seinen Job als Polizist zu machen und die Morde aufzuklären.
(Quelle: Suhrkamp)

MEINE MEINUNG
Mit dem historischen Kriminalroman " Die Toten vom Gare d’Austerlitz " ist dem britischen Autoren Chris Lloyd ein sehr spannender Auftakt einer neuen Krimi-Reihe gelungen, der vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs während des Einmarschs der Nazis in Paris im Juni 1940 angesiedelt ist. Mit vielen eingeflochtenen zeitgeschichtlichen Details, die von guter Recherchearbeit zeugen, lässt uns Lloyd in eine unübersichtliche und hochkomplexe Gemengelage in der französischen Hauptstadt zu Beginn der deutschen Besatzung eintauchen, in der seine Hauptfigur Inspecteur Éduard Giral in einem brisanten Mordfall an vier Polen und einem tragischen erweiterten Suizid zu ermitteln hat, Fälle zwischen denen ein Zusammenhang zu bestehen scheint. Doch schon bald muss sich Giral gegen die zunehmende Einmischung von Wehrmacht, Gestapo und Geheimer Feldpolizei behaupten.
Mit seinen lebendigen, detailreichen Schilderungen versteht es der Autor hervorragend, uns die komplizierte politische Lage, die alltäglichen Auswirkungen der Besatzung für die Pariser Bevölkerung, bei denen von geheimen Widerstand bis hin zu opportunistischer Kollaboration mit den Nazis alles vertreten war, vor Augen zu führen. Sehr fesselnd ist aber vor allem auch die schwierige Situation für den unerschrockenen französischen Polizisten Eddie mitzuverfolgen, der bei seinen Ermittlungen nach einer Quasientmachtung der französischen Polizei durch die deutschen Besatzer ständiger Beobachtung, Willkür, Bedrohung und Manipulation ausgesetzt ist. Aber auch in den eigenen Reihen hat er gegen so manche Widersacher zu kämpfen und hat zudem privat etliche Probleme zu bewältigen, die ihm das Leben schwer machen.
FAZIT
Ein sehr fesselnder Auftakt einer neuen historischen Krimi-Reihe auf hohem Niveau - mit einer hochkomplexen Handlung, interessanten Charakteren und tollem Zeitkolorit. Auf die Fortsetzung bin ich schon sehr gespannt.

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Veröffentlicht am 08.05.2021

Fesselndes Portrait einer beeindruckenden Frau

Die Rebellion der Alfonsina Strada
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MEINE MEINUNG
Mit "Die Rebellion der Alfonsina Strada" hat die italienische Autorin Simona Baldelli einen äußerst interessanten historischen Roman vorgelegt, der sich dem faszinierenden Leben der heutzutage ...

MEINE MEINUNG
Mit "Die Rebellion der Alfonsina Strada" hat die italienische Autorin Simona Baldelli einen äußerst interessanten historischen Roman vorgelegt, der sich dem faszinierenden Leben der heutzutage weitgehend unbekannten italienischen Radsportlerin Alfonsina Strada (1891 -1959) widmet. In ihrer auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte zeichnet die Autorin das vielschichtige und sehr fesselnde Portrait einer herrlich unkonventionellen Frau, die es tatsächlich geschafft hat, sehr erfolgreich im Radrennsport- einer absoluten Männerdomäne - zu bestehen. Einst als “Königin der Tretkurbel” gefeiert gelang es dieser Ausnahmeathletin als einziger Frau überhaupt am legendären, lediglich Männern vorbehaltenen Giro d’Italia teilzunehmen – und doch habe ich über sie zuvor noch nie etwas gehört.
Der lebendige, mitreißende und sehr bildhafte Schreibstil der Autorin liest sich sehr angenehm. Die sehr lehrreiche Romanbiografie wird aus unterschiedlichen Zeitebenen und Perspektiven erzählt und lässt uns Alfonsina zu verschiedenen Etappen ihres bewegten Lebens kennen lernen – so tauchen wir zum einen ein ins Norditalien der Nachkriegszeit von 1959, in der wir die “Königin der Tretkurbel” als alte, aber immer noch fitte Frau erleben, die etwas wehmütig auf die vergangenen Zeiten zurückblickt. In Rückblenden erfahren wir zudem mehr über Fonsinas äußerst kinderreiche Familie aus ärmlichen Verhältnissen und nehmen Anteil an ihrer harten, entbehrungsreichen Kindheit und Jugend in einem kleinen norditalienischen Dörfchen. In einer weiteren Perspektive, die in Mailand im Jahr 2017 angesiedelt ist, lässt uns die Autorin noch Anteil nehmen an den Vorbereitungen für eine Strassenbenennung zu Ehren von Alfonsina.
Man merkt deutlich, dass sich die Autorin intensiv mit der Lebensgeschichte dieser sympathischen, sportbegeisterten Frau beschäftigt und sorgsam viele Details aus ihrem Leben recherchiert hat. Geschickt hat sie bedeutsame Stationen im bewegten Leben dieser mutigen Frau voller Ambitionen, Willensstärke und Leidenschaft zu einer fesselnden und unterhaltsamen Geschichte verwoben und zudem in ihren Roman auch einige fiktive Geschehnisse und Figuren einfließen lassen. Auch den damaligen Zeitgeist, das unsägliche Frauenbild und die politischen Hintergründe sind sehr anschaulich eingebaut.
Die Autorin hat Alfonsinas Charakter sehr facettenreich herausgearbeitet. Hervorragend ist es ihr gelungen, sich in ihre Protagonistin hineinzuversetzen und uns Alfonsinas interessante Persönlichkeit näher zu bringen, so dass diese einen großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Die Autorin zeichnet eine höchst beeindruckende Frau, die mit einer Menge Gewitztheit, unglaublichen Ausdauer, Kampfgeist und Unerschrockenheit für ihre Leidenschaft und ihren großen Traum vom Rennradfahren gegen viele Widerstände hart kämpfen musste. Eine wirkliche Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Vorreiterrolle blieben ihr weitgehend verwehrt. Die vielen Tiefpunkte und wenigen Höhepunkte ihres Lebens hat die Autorin sehr anschaulich in verschiedenen eindrucksvollen Episoden herausgearbeitet. So hat Alfonsina beispielsweise mit Beschimpfungen wie “Teufel im Rock, Irre, Nutte” zeitlebens leben müssen.
Die recht bedrückenden Schilderungen von den vielen Schicksalsschlägen, der finanziellen Not, aber auch Demütigungen, der Verachtung und Ignoranz der anderen, die diese tolle Frau in ihrem Leben wegstecken musste, haben mich sehr nachdenklich gestimmt und teilweise auch empört und aufgewühlt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich bis heute im Frauensport teilweise immer noch die althergebrachten Vorurteile halten und selbst Profiveranstaltungen oft kaum öffentliches Interesse finden im Vergleich zu Männern.
Ein echtes Highlight in diesem Roman waren für mich die lebendigen Schilderungen rund um den Giro d’Italia 1924 sowie einigen sehr unterhaltsamen Anekdoten am Rande. Hier wird zum einen deutlich wie ignorant das Verhalten ihrer männlichen “Team”-Kollegen war, wie herausfordernd die Herausforderungen der Etappen waren und zugleich wie hart diese Frau gekämpft hat! Hut ab vor ihrer Leistung und ihrem Durchhaltewillen!
Insgesamt schwingt aber bei diesem Roman stets eine etwas beklemmende Stimmung zwischen den Zeilen mit und so stimmt einen auch der Ausklang etwas traurig.
Dennoch ein tolles und sehr lesenswertes Buch über eine sehr beeindruckende Frau - schön, dass Simona Baldelli ihr nun mit diesem Roman ein würdiges Denkmal gesetzt hat.

FAZIT
Eine hochinteressante Geschichte über eine außergewöhnliche, hartnäckige und sehr faszinierende Frau, die ihrer Zeit weit voraus war - spannend, atmosphärisch dicht und lebendig erzählt!


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Veröffentlicht am 11.04.2021

Vergnügliche Ermittlungen mit der Queen of Crime

Das Windsor-Komplott
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INHALT
Wer hätte das geahnt:
Queen Elizabeth hat eine heimliche Passion – sie löst für ihr Leben gern Kriminalfälle! Unerkannt, versteht sich, den Ruhm müssen andere ernten.
Als während einer Feier auf ...

INHALT
Wer hätte das geahnt:
Queen Elizabeth hat eine heimliche Passion – sie löst für ihr Leben gern Kriminalfälle! Unerkannt, versteht sich, den Ruhm müssen andere ernten.
Als während einer Feier auf Schloss Windsor ein russischer Pianist unter ausgesprochen peinlichen Umständen ums Leben kommt, wittert der MI5 sofort ein Komplott Wladimir Putins.
Die Queen ist not amused über so viel politisch brisanten Übereifer. Da muss eingegriffen werden, aber diskret, versteht sich.
Queen Elizabeth zieht ihre neue nigerianische Privatsekretärin Rozie ins Vertrauen, die bald ebenso diskret wie beherzt ihre Kompetenzen überschreiten muss. Wird es den beiden Frauen gemeinsam gelingen, dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen, bevor der MI5 größere diplomatische Verwicklungen auslöst?
(Quelle: Knaur)


MEINE MEINUNG
”Das Windsor-Komplott” von der britischen Autorin S J Bennett ist der vielversprechende Auftakt zu einen neuen humorvollen Cosy-Crime-Reihe „Die Fälle Ihrer Majestät“, in der die Autorin eine sehr außergewöhnliche Ermittlerin ins Rennen schickt. Es ist eine wahrhaftige Queen of Crime, die sich mit ihrem literarischen Vorbild – Agatha Christies Miss Marple- durchaus in puncto Cleverness und untrüglicher Spürnase messen kann.
Die fast 90-jährige Queen Elizabeth II. höchstpersönlich geht in diesem sehr unterhaltsamen Wohlfühlkrimi ihrer geheimen Leidenschaft als Hobby-Ermittlerin nach. Höchst royal und sehr distinguiert, aber gar nicht so gemütlich geht es hier zu, denn der höchst verzwickte Todesfall des jungen russischen Pianisten Maxim Brodsky, der auf Schloss Windsor nach einer Abendgesellschaft mit etlichen Übernachtungsgästen unter sehr pikanten Umständen aufgefunden wurde, gibt schon bald viele Rätsel auf. Da der Fall sich durch den übereifrigen MI5 zu einer Geheimdienstaffäre auszuwachsen droht, sieht sich die Queen genötigt gemeinsam mit tatkräftiger Unterstützung ihrer nigerianischen Privatsekretärin Rozie auf eigene Faust zu ermitteln…und ein durchaus amüsantes, unterhaltsames Lesevergnügen mit tollem royalem Flair auf Schloss Windsor und feinem britischen Humor nimmt seinen Lauf.
Es bereitet großen Spass, der Queen bei ihren naturgemäß äußerst subtilen Nachforschungen über die Schulter zu blicken und mitzuerleben, wie bemüht sie ist, hierbei nie offiziell in Erscheinung zu treten. Sehr dezent streut sie wichtige Informationen und spielt den Ermittlern Hinweise zu, um die Ermittlungen in die richtige Richtung zu lenken, so dass man allerdings auch als Leser höchst aufmerksam ihre Nebenbemerkungen im Kopf behalten muss, um dem immer verwickelter werdenden Fall halbwegs folgen zu können. Schade, dass man schon bald den Eindruck hat, dass die Queen uns allen um einige Nasenlängen voraus ist und ein Mitraten kaum noch möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Autorin zwischendurch zahlreiche Nebenschauplätze in den Mittelpunkt der Handlung rückt, so dass der eigentliche Fall zeitweise völlig in den Hintergrund gerät.
Der Krimi lebt vor allem von dem lebendig eingefangenen, aristokratischen Setting und natürlich von seinen liebenswerten sehr unterschiedlichen Protagonistinnen, der Queen und ihrer Assistentin Rozie, aus deren beider Perspektiven wir die Handlung erleben.
Die Autorin hat ihre Hauptfiguren sehr lebendig und lebensnah gezeichnet, so dass sie sehr glaubwürdig wirken. Insbesondere Ihre Majestät die Queen ist ihr außerordentlich gut gelungen – eine clevere, distinguierte und sehr empathische alte Dame, die stets den Überblick über alle Belange behält, äußerst weise und besonnen agiert und sich auch um ihre Untergebenen kümmert. Geschickt hat die Autorin zahlreiche real stattgefundene Ereignisse wie die Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag der Queen oder den Besuch von Präsident Obama in die Handlung mit eingeflochten. Zudem gewährt sie uns viele interessante Einblicke ins Leben der Monarchin, so dass die Geschichte sehr authentisch wirkt. Sehr unterhalten konnten mich insbesondere die wenigen Szenen, bei denen wir die köstlichen Unterhaltungen zwischen der Queen und ihrem Ehemann Prinz Philip miterleben, der für seinen eher herben Charme sowie seinen unverblümten, etwas rüden Umgangston bekannt ist. und
Auch viele der Nebenfiguren mit ihren interessanten Hintergrundgeschichten sind gelungen ausgearbeitet und tragen zum besonderen Flair dieser Geschichte bei.
Obwohl der Fall eher gemächlich voranschreitet und im Mittelteil beinahe in den Hintergrund tritt, nimmt er nach einigen etwas verworrenen Wendungen wieder an Fahrt auf und gipfelt schließlich in einer sehr unerwarteten, aber schlüssigen Auflösung.
Der erste Fall für die Queen hat mich bestens unterhalten können, auch wenn der eigentliche Kriminalfall mich nicht vollkommen überzeugen konnte. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung der Cosy-Crime-Reihe mit einem hoffentlich weniger verwickelten Fall und auf ein Wiedersehen mit einigen liebgewonnenen Charakteren!

FAZIT
Ein unterhaltsamer Wohlfühlkrimi - mit viel britischem Humor und Understatement, tollem royalem Flair und sehr lebendig gezeichneten Charakteren.

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