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Veröffentlicht am 29.03.2017

"Ein fauler Gott" von Stephan Lohse

Ein fauler Gott
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Inhalt

Benjamin ist vor einigen Wochen elf geworfen. Im nächsten Schuljahr wird er ein Herrenrad bekommen, eine Freundin und vielleicht eine tiefe Stimme. Doch dann stirbt sein kleiner Bruder Jonas.

Eindruck

Mit ...

Inhalt

Benjamin ist vor einigen Wochen elf geworfen. Im nächsten Schuljahr wird er ein Herrenrad bekommen, eine Freundin und vielleicht eine tiefe Stimme. Doch dann stirbt sein kleiner Bruder Jonas.

Eindruck

Mit "Ein fauler Gott" hat Staphan Lohse ein sehr trauriges und für jede Familie dramatisches Thema aufgegriffen. Für Eltern ist es das Schlimmste, was ihnen überhaupt passieren kann, das eigene Kind
zu verlieren. Für eine geschiedene, völlig auf sich allein gestellte Frau wie Ruth in den 70er Jahren der Supergau schlechthin. Dennoch muss das Leben weitergehen, wenn noch andere Kinder da sind. Und die Alternative die Ruth für sich und sogar Ben in Erwägung zieht, hat mich sehr schockiert.

Zitat aus dem Buch:
"Den eigenen Tod sterben wir, den Tod unserer Kinder müssen wir leben".

Es ist unendlich schwer und mit Sicherheit für viele Eltern gar nicht möglich, so einen Verlust zu leben, denn es gibt nicht wirklich etwas oder jemanden, der einem aus dem ganz tiefen Tal der Ohnmacht heraushelfen kann. Die Emotionen, die in einem aufkeimen - Trauer, Wut, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit - sind für meinen Geschmack hier viel zu kurz gekommen. Zwar zieht sich Ruth mehr und mehr zurück und ist nicht in der Lage ihren Alltag und auch den von Ben zu meistern, aber durch den distanzierten Schreibstil kam das alles nicht wirklich an die Oberfläche. Ben hat sein kleines Heil für eine kurze Zeit im Nachbarn Herrn Gäbler gefunden. Dem er sich anvertrauen und seine Gefühle offenbaren konnte, da er auf seine Mutter nicht zählen konnte.

Als sehr verwirrend und anstrengend zu lesen fand ich die Zeitsprünge. Einmal wird die Geschichte aus der Sicht von Ben erzählt, dann wieder von Ruth und zwischendurch noch Abstecher in Ruth's tiefste Vergangenheit, die ich aber als zusammenhanglos und konfus empfunden habe. Hier musste ich mich oftmals erst orientieren, um wen es sich gerade handelt - Überschriften wären ein wenig hilfreich gewesen.
Gut verzichten können, hätte ich auf die sexuellen Exkursionen aus Ben's ersten Versuchen ein Teenager zu werden und ganz sauer aufgestoßen ist mir die Ausdrucksweise. Mag sein, dass in den
70ern Pisse, Kacke und Rotze zum guten Ton gehörte, für meinen Geschmack war es eindeutig zu viel.

Die Charaktere empfand ich als sehr nüchtern und distanziert, so dass mir sowohl Ruth als auch Ben bis zum Ende des Buches fremd geblieben sind. Ruth war die gesamt Geschichte über mehr oder
weniger nur am Rande vorhanden und von Ben gab es für mein Empfinden zu viele langatmige unwichtige Episoden wie z.B. der Aufenthalt im Kinderheim, der sich mir überhaupt nicht erschlossen hat oder aber das Fußballspiel, die die Geschichte nicht wirklich vorangebracht haben.

Fazit

"Ein fauler Gott" - eine sehr traurige Thematik, der aber mir persönlich die Atmosphäre und die wirklichen Emotionen fehlten, dafür aber den Nebenschauplätzen zu viel Raum gegeben wurde.
Sehr schade, ich hatte mir von diesem Buch viel mehr und ganz anderes versprochen. Es hat mich einfach so gar nicht fesseln können.

Veröffentlicht am 15.09.2016

"Und damit fing es an" von Rose Tremain

Und damit fing es an
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Inhalt:

Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf - und schon damals hat er ...

Inhalt:

Gustav Perle ist ein zurückhaltender Mann. Er wuchs in den 1940er-Jahren allein bei seiner Mutter Emilie in ärmlichen Verhältnissen im schweizerischen Matzlingen auf - und schon damals hat er gelernt, nicht zu viel vom Leben zu wollen. Als Anton in seine Klasse kommt, ein Junge aus einer kultivierten jüdischen Familie, hält mit ihm auch das Schöne in Gustavs Leben Einzug. Anton spielt Klavier, und seine Familie nimmt Gustav sonntags mit zum Eislaufen. Emilie sieht das nicht gerne, lebt sie doch in der Überzeugung, dass die Bereitschaft ihres verstorbenen Mannes, jüdischen Flüchtlingen zu helfen, letztlich ihr gemeinsames Leben ruiniert hat. Doch Anton ist alles, was Gustav braucht, um glücklich zu sein...

Eindruck:

"Und damit fing es an" - leider konnte mich das Buch so gar nicht mitnehmen. Eigentlich sollte es um die Freundschaft zwischen Gustav und Anton gehen. Jedoch ist mir hier das Wort Freundschaft viel zu hoch gegriffen, denn es handelt sich um eine einseitige Sache. Während Gustav an Anton hängt, verfolgt dieser ausschließlich seine egomanen Ziele. Anton nimmt, fordert und erwartet, sobald etwas dazwischen kommt, ersetzt er die "frei gewordene Stelle als Freund" einfach durch jemand Neues und er geht egosistisch seinen eigenen Weg.

Die Firguren in diesem Roman sind mir bis zum Schluss fremd geblieben - lediglich zu Gustav fand ich einen kleinen Bezug, bei dem ich auch irgendwie das Verhalten verstehen konnte. Sein Leben lang ungeliebt und von seinem Umfeld nur benutzt, konnte er sich nicht wirklich zu einer starken Persönlichkeit entwickeln.

Den Schreibstil empfand ich als distanziert, unbeteiligt und irgendwie fahrig, als wenn hier verschiedene Manuskriptentwürfe aneinandergereiht wurden. Die Autorin hat keine Möglichkeiten gelassen, die Figuren näher kennenzulernen und Sympathien aufzubauen. Und was der Auftritt des Colonel Ashley-Norton mir sagen sollten, blieb mir leider verborgen.

Richtig gestört hat mich das sehr reichlich behandelte Thema Sex. Was Ausdrücke wie Möse, ficken, vögeln und weiterhin die noch Sperma feuchten Laken an denen herumgeschnüffelt wurde, in einem solchen Buch zu suchen haben, frage ich mich immer noch.

Fazit:

Leider fehlte mir hier der rote Faden und die emotionale Tiefe, die ich mir für so ein Thema sehr gewünscht hätte. Die angepriesene Freundschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Jungen und später Männern ist mir total abhanden gekommen. Interessant fand ich hier nur die bis heute andauernde Neutralität der Schweiz und wie dieses Land es bis heute schafft sich aus allem herauszuhalten.

Veröffentlicht am 07.05.2017

"Sweetbitter" von Stephanie Danler

Sweetbitter
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Inhalt

Eigentlich wollte Tess nicht Kellnerin werden. Sie wollte ihrer provinziellen Herkunft entkommen, in die Großstadt eintauchen und endlich herausfinden, was aus ihr werden soll. Doch dann landet
sie ...

Inhalt

Eigentlich wollte Tess nicht Kellnerin werden. Sie wollte ihrer provinziellen Herkunft entkommen, in die Großstadt eintauchen und endlich herausfinden, was aus ihr werden soll. Doch dann landet
sie in einem edlen New Yorker Restaurant, in dem ganz eigene Regeln und Gesetze herrschen. Ein Tempel des Genusses, in dem der falsche Wein im falschen Moment zum Verhängnis werden kann. Sweetbitter ist ein großer Roman über den Genuss und die Obsession - darüber, dass man manchmal besessen sein muss, um wirklich geniessen zu können.

Eindruck

"Sweetbitter wird eine Menge Leute hungrig machen."
The New York Times

Mir hat es ehrlich gesagt eher den Appetit verdorben. Es ist eine Aneinanderreihung von oberflächlichen, belanglosen Gesprächen. Geführt von ziel-, orientierungs-, hoffnungs- und planlos dahin-gleitenden Personen, die sich ihren kümmerlichen Alltag durch Alkoholexzesse, ausschweifenden Drogenkonsum und emotions-losen Quickies auf Toiletten, in Kühlräumen oder auf Schreibtischen, versuchen schön zu reden. Und das ganze - als wäre es Normalität - während der Arbeitszeiten und nach Arbeitsende am Arbeitsplatz sowie weiter nach Feierabend. Warum keiner an seinem Leben etwas ändert wenn es doch so schrecklich ist, erschließt sich mir nicht.

"Sagen wir es so: Ich wurde geboren, als ich auf der anderen Seite der George Washington Bridge ankam..."
Zitat Tess.

Wenn meine Geburt und Glückseligkeit darin besteht, dass ich mich in einem Restaurant mit Fruchtfliegen in der Bar und Kakerlaken in der Küche zum Junkie und Alkoholiker ausbilden lasse, mich an einen abgerissen, kaputten Typen hänge der mich demütigt und würgt und nach der ersten Nacht mit ihm wache ich mit Schürfwunden und blauben Flecken auf - Shades of Grey läßt grüßen -,dann wäre ich lieber nicht geboren worden. Und wenn ich mich dann auch noch für meinen Vorgesetzen über den Schreibtisch beuge um meine Beförderung zu bekommen - dann wäre ich lieber gestorben, weil ich mir selbst nicht mehr ins Gesicht sehen könnte.

"Wusstest Du, dass das Gedächtnis von Fischen nur vier Sekunden umfasst?"
Seite 235

Toller Satz aus diesem Buch, denn exakt solange wird es hoffentlich dauern, dass ich es aus meinem Gedächtnis gestrichen habe.
Eine Geschichte voll farbloser Charaktere, eine Protagonisten die ich einfach immer nur hätte schütteln können, damit sie die Augen aufmacht. Ein Schreibstil der für mich überhaupt keinen Fluss
hatte, da er aus abgehakten kurzen Absätzen, sinnlosen Gesprächsfetzen und einer Ausdrucksweise bestand, die zum Himmel schreit. Ich frage mich, ob es literarisch wertvoll ist, heute zum guten Ton gehört oder eine Art Wettstreit unter den Autoren ist, wer das Wort f..... am häufigsten oder in den meisten Varianten in seinem Buch unterbringt. Ich persönlich finde es abstoßend und ordne so einen Roman keinesfalls in der gehobenen Literatur ein.

Von den anfänglichen Beschreibungen der Lebensmittel, kulinarischen Ausflügen und Geschmacksexplosionen war sehr schnell nichts mehr vorhanden. Meiner Meinung nach suggeriert
der Klappentext ein völlig falsches Themengebiet und ich hatte mehr und mehr das Gefühl in einem anderen Buch zu stecken. Dabei fand ich das Cover so schön und die Inhaltsangabe hatte mir wirklich Lust auf diesen Roman gemacht.

Fazit

Frust statt Genuss! In einem guten Restaurant essen zu gehen kann so sinnlich und leidenschaftlich sein, eine Atmosphäre schaffen die mich als Gast für kurze Zeit alles um mich heraum vergessen
lassen kann. Nach diesem Buch frage ich mich zukünftige hoffentlich nicht, ob mein Kellner besoffen und auf dem Kokstrip ist oder gerade von einem Quickie auf der Toilette kommt ohne sich die Hände gewaschen zu haben.