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Veröffentlicht am 07.03.2019

Ohne die Diskussion nur eine lauwarme Liebesgeschichte

Stella
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Kann man sich heutzutage überhaupt vorstellen, wie es gewesen wäre zu Zeiten der Nationalsozialisten in Berlin zu leben - entweder auf der Seite der Juden, der Liberalen oder gar der Nazis selbst?

Wahrscheinlich ...

Kann man sich heutzutage überhaupt vorstellen, wie es gewesen wäre zu Zeiten der Nationalsozialisten in Berlin zu leben - entweder auf der Seite der Juden, der Liberalen oder gar der Nazis selbst?

Wahrscheinlich ist dies für viele wirklich schwierig. Gerade der Blickwinkel junger Leser unter 30 ist doch hauptsächlich geprägt durch Filme oder Schulunterricht. Und was lernt man daraus? Meist, dass es nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse gibt. In "Stella" ist das ganz anders. Man wird von Takis Würger ins Graue Zwielicht geführt, hinein in die Abgründe und Glanzseiten der Protagonisten, die auf den ersten Blick leicht in Kategorien einzuordnen sind. Doch dies ist nur ein Trugbild.

Anhand einer Liebesgeschichte zwischen einem jungen, naiven Schweizer und einer ebenfalls jungen, aber so gar nicht unschuldigen Berliner Sängerin wird dem Leser ein Bild der tiefen Kluft zwischen Moral und Wahrheit aufgezeigt. Um seinem angestaubten Elternhaus zu entkommen, bricht Friedrich auf, um in der deutschen Hauptstadt, der kein gesund denkender Mensch in Kriegszeiten einen Besuch abstatten würde, das Leben zu spüren. Dort trifft er auf Kristin, die ihn magisch in ihren Bann zieht und dann nicht wieder los lässt.

Die Beziehung der beiden ist in vielerlei Hinsicht rational nicht nachzuvollziehen. Die Handlungen der beiden teils absurd, teils widersprüchlich - aus der heutigen Sicht. Mich hat dabei oft ein Unwohlsein ergriffen, dass mich zweifeln ließ, an der Geschichte und an den Figuren. Aber letztlich bildet diese Liebe nur den Rahmen für das eigentliche Thema, die Verfolgung der Juden im Dritten Reich und die Rolle, die verschiedene Personenkreise darin innehatten.

Für mich ist es wichtig hier zu unterscheiden, zwischen dem Offensichtlichen und dem dahinterliegenden Teil des Romans. Der stille, aber für mich grundlegende Part, die historischen Begebenheiten, die durch Zitate aus Gerichtsakten untermauert wurden, erschließt sich erst mit der Zeit. Er bedarf des Nachdenkens, des Hintergründe Recherchierens und einem offenen Geist. Dies vorausgesetzt, eröffnet "Stella" neue Blickwinkel auf schon oft Gehörtes und hat mir gezeigt, dass manchmal "eindeutige" Fakten, hinterfragt werden müssen.

Leider muss man sagen, dass ab und zu die öffentliche Debatte um Bücher dazu führen kann, dass die Lektüre darunter leidet. In Diskussionen offen gelegte Hintergründe oder auf Klappentexten gedruckte Vorgriffe auf die Handlung haben mir hier die Freude beim Lesen ein wenig verdorben .

Am Ende bleibt bei mir die historische Aufarbeitung hängen, das Abbild der Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit falschen Persönlichkeiten. Das Wie, also die Liebesgeschichte, die ein wenig fades Beiwerk für die eigentliche Botschaft war, wird doch eher schnell in Vergessenheit geraten. Trotzdem empfehle ich dieses Buch Menschen, die sich aktiv mit der deutschen Geschichte auseinander setzen möchten, eine gewisse Vorbildung mitbringen und bereit sind, sich von harten Rollenbildern zu lösen.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Liebe ein Leben lang

Das rote Adressbuch
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Alm, Doris: Hauptprotagonistin in "Das rote Adressbuch", dem Debütroman der schwedischen Schriftstellerin Sofia Lundberg.

In ähnlich alphabetischer Ordnung tauchen in Doris' Erinnerung jene Menschen auf, ...

Alm, Doris: Hauptprotagonistin in "Das rote Adressbuch", dem Debütroman der schwedischen Schriftstellerin Sofia Lundberg.

In ähnlich alphabetischer Ordnung tauchen in Doris' Erinnerung jene Menschen auf, die ihr im Leben begegneten und ihren Eindruck hinterließen. Dieser ist oft nicht nur mit positiven Gefühlen verbunden, sondern manchmal auch ziemlich tragisch. Alles in allem gestalten die verschiedenen Personen und Orte, an denen sie lebte, Doris' Leben, und damit auch das Buch sehr vielfältig und interessant.

Die beiden Sprecherinnen Beate Himmelstoß und Susanne Schroeder vertonen jeweils die reife bzw. die junge Doris und geben ihr genau die richtige Nuance, gefühlvoll und freundlich.

Die Umsetzung als Hörbuch finde ich sehr gelungen, die Gestaltung des Covers sehr schön und die Kapitel übersichtlich. Inhaltlich muss ich allerdings einige Abstriche machen, denn auch wenn das Leben in der Zeit zwischen den Weltkriegen für alleinstehende Frauen nicht unbedingt leicht war, so kam mir Doris doch etwas wenig zielstrebig vor. Hin- und Her geworfen durch familiäre Unglücke reist sie von Land zu Land, ohne sich selbst verwirklichen zu wollen. Man erfährt nicht, ob sie gern etwas gelernt hätte oder andere Träume hatte. Nur, dass sie für einen Mann alles stehen und liegen lässt um ihm über den Ozean zu folgen. Ein sehr riskantes Unterfangen.

Trotz allem handelt es sich hier nicht um einen reinen Liebesroman. Doris passieren noch viele andere Dinge in ihrem langen Leben. Die Familie spielt immer eine große Rolle. Und am Ende blickt sie zurück, friedlich und in Liebe.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Solider Dorfkrimi, aber ohne großartige Figuren

Totenweg
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Der Auftakt zur neuen Krimi-Reihe um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn hat mich zuallererst optisch angesprochen, denn das Cover fiel mir sofort positiv auf. Aber mein positiver Erster Eindruck wurde ...

Der Auftakt zur neuen Krimi-Reihe um Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn hat mich zuallererst optisch angesprochen, denn das Cover fiel mir sofort positiv auf. Aber mein positiver Erster Eindruck wurde etwas gebremst durch den mir nicht sonderlich sympathischen Kommissar Haverkorn. Dieser lebt mehr schlecht als recht vor sich hin mit kaputter Beziehung und kaputtem Polizistenstolz, weil er in der Vergangenheit einen wichtigen Fall, der im Laufe des Buches in den Mittelpunkt rücken wird, nicht lösen konnte.

Auf der anderen Seite haben wir Frida, ebenfalls Polizistin, noch in Ausbildung, aber darin sehr gut. Beide sind verbunden durch diesen lang zurückliegenden Fall, stehen aber auf verschiedenen Seiten. Anfangs fand ich Frida interessant, aber leider tauchten nach und nach Züge und Verhaltensweisen an ihr auf, die ich absolut nicht nachvollziehen konnte. Naiv und sich selbst überschätzend taumelt sie durch gefährliche Situationen, das hat mir leider ab und zu die Lust am Lesen genommen.
Die Story an sich jedoch war gut konstruiert, das Ende gefiel mir gut und auch das Setting, in einem kleinen Dorf in der Elbmarsch, war schlüssig. Dahinein konnte ich mich gut versetzen.
Ich denke, dass Leser, die Regionalkrimis mögen, auf Ihre Kosten kommen werden. Die Geschichte ist eher auf persönlichem Level der Figuren gehalten, zwischenmenschliche Beziehungen spielen eine sehr große Rolle. Mir persönlich fehlte ein bisschen mehr Hintergrund zur Gegend, vll. etwas historisches oder politisches, oder auch etwas zum Apfelanbau, irgendwas was die Personen noch beschäftigen könnte.

Fazit: ein Krimi für Zwischendurch für Fans von Norddeutschland. Mit Ausbaupotential, hoffentlich auch hinsichtlich der Hauptfiguren. Die Story ist spannend.

Veröffentlicht am 05.11.2018

Das Herrenhaus im Mittelpunkt geschmückt mit einem Mord

Die Schwestern von Mitford Manor – Unter Verdacht
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England in den Goldenen Zwanzigern: Louisa, ein armes Mädchen aus London versucht verzweifelt aus ihrem elendigen Zuhause und von ihrem kriminellen Onkel zu entkommen. Mit Hilfe einer Freundin findet sie ...

England in den Goldenen Zwanzigern: Louisa, ein armes Mädchen aus London versucht verzweifelt aus ihrem elendigen Zuhause und von ihrem kriminellen Onkel zu entkommen. Mit Hilfe einer Freundin findet sie Anstellung als Kindermädchen in Mitford Manor, einem herrschaftlichen Landsitz mit einer ganzen Kinderschar.

Gerade in der ersten Hälfte des Buches dreht sich meiner Meinung nach zu viel um die Familie dort und die Figuren, die oft recht kurzsichtige Entscheidungen treffen. Der Mord an Florence Shore, der das Buch doch zu einem Krimi machen sollte, findet am Rande statt und hat auch nicht sehr viele Schnittpunkte mit dem Leben auf Mitford Manor. Die Hintergründe scheinen manchmal zu konstruiert und unrealistisch. Gut gestaltet sind die Rückblenden in Briefform in die Kriegszeit, als Florence als Krankenschwester gearbeitet hat und dort auch einigen wichtigen Personen begegnet ist, die für den Fall eine Rolle spielen.

Im Grunde ist das Setting schön, wenn man Geschichten wie Downton Abbey mag, einen die "alte" englische Gesellschaft mit ihren Geziertheiten und vornehmen Veranstaltungen begeistert. Mit dem heutigen Blick kommen einem aber viele Handlungen der Charaktere unüberlegt, naiv oder gar dumm vor, was oft ärgerlich ist.

Vielleicht wären manche Szenen besser nachvollziehbar, wenn bei diesem Hörbuch weniger oder logischer gekürzt worden wäre. Da hilft einem die wundervolle Sprecherin Juliane Köhler leider auch nicht weiter.

Trotz der anfänglichen Ausschweifungen in die Familiengeschichte der Mitfords, die es tatsächlich gegeben hat, aber für Leser, die einen Krimi erwarten zu ausführlich geraten ist, hat mich der zweite Teil, in dem es mehr um die Aufklärung des Falls geht, doch noch fesseln können. Hier kommt dann auch Louisa wieder ins Spiel, die gemeinsam mit dem ehemaligen Bahnpolizisten Guy, die Initiative ergreift und den bereits zu den Akten gelegten Fall zu klären versucht. Am Ende gibt es dann ein großes Finale, das keine Fragen mehr offen lässt.

Insgesamt ist der erste Band von "Die Schwestern von Mitford Manor" ein solider historischer Roman mit Krimi-Nuancen. Vermutlich diente der etwas längere "Einführungspart" als Vorstellung der Personen und Hintergründe für die weiteren Teile. Empfehlenswert ist das Hörbuch für Fans der englischen Historie oder auch Miss Marple-Büchern bzw. Cosy Crime aber eher weniger für richtige Krimi-Leser.

Veröffentlicht am 12.02.2024

Mehr Kunstbuch als Sachbuch

Draußen in der Natur. Ein Sachbilderbuch über die vier Jahreszeiten
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"Draußen in der Natur" ist ein Buch, bei dem Erwartung und Inhalt ziemlich auseinander laufen. Angepriesen wird es als Sachbilderbuch für Kinder ab 5.

Tatsächlich würde ich es eher als Kunstbuch beschreiben, ...

"Draußen in der Natur" ist ein Buch, bei dem Erwartung und Inhalt ziemlich auseinander laufen. Angepriesen wird es als Sachbilderbuch für Kinder ab 5.

Tatsächlich würde ich es eher als Kunstbuch beschreiben, das Phänomene der Natur als Thema aufgreift. Es werden viele verschiedene Beobachtungen, Naturereignisse, Tiere und Pflanzen bunt und eindrucksvoll präsentiert. Die Illustrationen sind wirklich mit künstlerischem Anspruch umgesetzt. Ob Kinder das wertschätzen, kann ich schlecht beurteilen. Meine Tochter hat es leider nicht wirklich lesen bzw. anschauen wollen.
Außerdem fällt auf, dass das Buch einen starken Eigengeruch hat, der mich persönlich stört.

Inhaltlich geht mir der Autor zu wenig in die Tiefe. Es gibt nur wenige Seiten, auf denen tatsächlich etwas mehr Text ist. Gut gelungen sind hier die Beschreibungen für das Bauen des Insektenhotels oder einige Gedichte. Sonst gibt es oft mehr Impressionen von Frühblühern, Bienen im Großformat und ähnliches. Wer diese "Schnappschüsse" aus der Natur mag, dem wird das Buch gefallen. Insgesamt also ein ästhetisch ansprechendes Buch über die vier Jahreszeiten, das jedoch über eine emotionale, oberflächlich benennende Ebene der Phänomene nicht hinausgeht.

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