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Veröffentlicht am 17.04.2021

Erschütterndes Drama

Girl A
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Die Mutter der vor 15 Jahren aus dem „Horrorhaus“ geretteten Kinder ist im Gefängnis gestorben und bestimmt ihre älteste Tochter Alexandra (Lex) als Testamentsvollstreckerin. Lex beschließt nach Bedenkzeit ...

Die Mutter der vor 15 Jahren aus dem „Horrorhaus“ geretteten Kinder ist im Gefängnis gestorben und bestimmt ihre älteste Tochter Alexandra (Lex) als Testamentsvollstreckerin. Lex beschließt nach Bedenkzeit und in Absprache mit ihrer Lieblingsschwester, das Elternhaus in eine Begegnungsstätte umzuwandeln und muss dazu die Zustimmung aller Geschwister einholen.
In sieben unterschiedlich langen Kapiteln erzählt Lex von jeweils einem der Geschwister rückblickend als Kind, und – meist übergangslos, im nächsten Absatz - auch als Erwachsener. Sie schildert die grauenhaften Zustände im Horrorhaus, die Misshandlungen, Grausamkeiten, Entbehrungen, die Schmerzen, den Hunger, den Dreck, die Verwahrlosung, wie die übersteigerte Religiosität der Eltern allmählich zum Wahnsinn wird. Durch Alexandras Begegnung mit den Geschwistern erfährt der Leser, wie diese ihr Leben als Erwachsene bewältigen.

Lex' emotionslose, eher Bericht-artige Schilderung schafft eine Distanz zum Leser, die mir in diesem Fall sehr willkommen war. Trotzdem wird das Leid der Geschwister und die angerichteten dauerhaften Schäden schmerzhaft deutlich. Der Roman ist zwar fiktiv, aber es gibt überall und immer wieder Kinder, denen derartige Gräuel angetan werden.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und angenehm zu lesen, die eher berichtende Erzählweise und die häufigen Zeitsprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die Konzentration auf den Roman erfordern, geschickt gewählte Stilmittel. Und es gibt auch einige überraschende, um nicht zu sagen schockierende, Wendungen.

Der Roman ist ein sehr gelungenes Debüt und ich bin auf Abigail Deans nächstes Buch gespannt.

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Veröffentlicht am 13.04.2021

Ergreifend

So wie du mich kennst
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Karla trauert um ihre geliebte Schwester, die durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Nach der Beerdigung im heimatlichen Dorf reist sie nach New York, um Maries Wohnung aufzulösen. Sie verbringt ...

Karla trauert um ihre geliebte Schwester, die durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Nach der Beerdigung im heimatlichen Dorf reist sie nach New York, um Maries Wohnung aufzulösen. Sie verbringt einige Wochen damit, Maries Leben in der Ferne nachzuspüren und muss erkennen, dass Marie nicht alles mit ihr geteilt hat, dass es Geheimnisse gab.

Es gibt aus Karlas Sicht erzählte Kapitel und auch Kapitel, in denen Marie erzählt, beide junge Frauen erinnern sich rückblickend auch an Erlebnisse und Begebenheiten aus Kindheit und Jugend. Die Schwestern werden authentisch und lebensnah beschrieben, nicht nur in ihrer innigen Beziehung zueinander, sondern auch in ihrem sozialen und beruflichen Umfeld, so dass der Leser zu beiden eine Beziehung aufbauen kann. Auch Freunde und Familie spielen eine wichtige Rolle und werden alle einfühlsam, warmherzig und realistisch geschildert.
Anika Landsteiners Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, sie ist eine gute Erzählerin, die wichtige Themen in ihren Roman einfließen lässt. Das behütete, bodenständige Leben auf dem Dorf und in der engen Kleinstadt wird der Anonymität, aber auch den Möglichkeiten der Metropole gegenübergestellt, es gibt die liebevolle, unterstützende Familie, aber auch die gescheiterte, bedrohliche Familienkonstellation, es geht um die von Männern Frauen gegenüber ausgeübte Gewalt und deren schwere, vor allem psychische, Folgen.

Das Buch ist keineswegs nur traurig, es macht durchaus auch Hoffnung. Heilung ist möglich, sei die Verletzung auch noch so alt.
Das Buch hat mich sehr beeindruckt, ich finde es wichtig, ergreifend, aufrüttelnd - und tröstend. Auch nachdem ich es beendet habe, lässt es mich nicht los.

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Veröffentlicht am 23.02.2021

Berührend und bereichernd

Stay away from Gretchen
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Der bekannte Fernseh-Moderator und Journalist Tom sieht sich mit der Demenz seiner Mutter Greta konfrontiert und stößt beim Sichten ihrer Unterlagen auf ihm bisher unbekannte Ereignisse in der Vergangenheit ...

Der bekannte Fernseh-Moderator und Journalist Tom sieht sich mit der Demenz seiner Mutter Greta konfrontiert und stößt beim Sichten ihrer Unterlagen auf ihm bisher unbekannte Ereignisse in der Vergangenheit seiner Mutter, die jedoch auch seine eigene Kindheit und Jugend geprägt und vielleicht auch seinen Lebensstil begründet haben.

Tom findet heraus, warum Greta Zeit seines Lebens traurig und psychisch krank war und erst die Demenz „lässt den Betondeckel vergessen, den sie über ihr Leid schieben musste, um weiterleben zu können“ (Zitat aus dem Nachwort).

Es gibt zwei Erzählstränge, zum einen die Gegenwart, zum anderen die Vergangenheit: Gretas Kindheit zu Beginn des Krieges im heimatlichen Ostpreußen, die Flucht Richtung Westen vor den Russen am Ende des Krieges und die weiterhin entbehrungsreichen Nachkriegsjahre in Heidelberg, wo Greta als junge Frau den schwarzen GI Bob kennen und lieben lernt.
Neben der Demenz der alten Mutter und der Umkehrung der Eltern-Kind-Rollen im gegenwärtigen Handlungsstrang, werden auf beiden Zeitebenen weitere wichtige Themen wie Rassismus, Flüchtlingselend, Ausgrenzung, der Führerkult, aber auch der Mut Einzelner behandelt.
Die Tatsache, dass die schwarzen GIs in Europa viel freier waren als in ihrer Heimat, wo es die strikte „Rassen“trennung gab, hatte ich mir vorher nie bewusst gemacht und auch die Geschichte um die Brown Babies war mir unbekannt gewesen.

Das entsetzliche Unrecht, das unverheirateten Müttern und nicht-ehelichen Kindern, insbesondere „Mischlingskindern“, geschah, wird, am Einzelschicksal geschildert, dem Leser schmerzhaft bewusst.

Susanne Abels Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen, die Protagonisten und ihre Entwicklung werden authentisch und glaubhaft beschrieben. Die lebensnah geschilderten einzelnen Begebenheiten könnten sich genau so zugetragen haben. Und auch die Demenz bei uns selbst oder einem Angehörigen liegt jederzeit im Rahmen der Möglichkeiten...
Der Roman hat mich tief berührt und sehr bereichert.

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Veröffentlicht am 14.05.2024

Düster und erschreckend

Das Baumhaus
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Das atmosphärische, düstere Cover stimmt gut auf das Buch ein. Der mögliche idyllische Eindruck wird durch den giftgrün gedruckten Titel mit seinen teilweise verwischten (oder vom Blattwerk verborgenen) ...

Das atmosphärische, düstere Cover stimmt gut auf das Buch ein. Der mögliche idyllische Eindruck wird durch den giftgrün gedruckten Titel mit seinen teilweise verwischten (oder vom Blattwerk verborgenen) Buchstaben konterkariert.
Und schon der Prolog erschreckt und wirft Fragen auf.

Henrik, Nora und ihr 5jähriger Sohn Fynn wollen einige Wochen im einsam gelegenen schwedischen Sommerhaus von Henriks verstorbenem Opa verbringen. Von Beginn an herrscht um das Haus und den umgebenden Wald eine beunruhigende Stimmung und Nora hat auch Ängste und Sorgen aus Deutschland mitgebracht. Ein vielleicht erhofftes Bullerbü-Feeling kommt zu keiner Zeit auf.
Erzählt wird aus vier verschiedenen, kapitelweise wechselnden Ich-Perspektiven, so dass ich an den Gedanken der Protagonisten unmittelbar teilhabe. Außer Nora und Henrik kommen auch Marla und Rosa zu Wort. Am besten hat mir Rosa gefallen, die eigenbrötlerische forensische Botanikerin. Die Figuren sind gut gezeichnet und durch beschriebene Erinnerungen werden die Charaktere allmählich immer vollständiger und Zusammenhänge lassen sich erahnen.
Als Fynn spurlos verschwindet, brechen bisher verborgene Konflikte zwischen den Eltern auf und Henrik fallen lang verschüttete eigene Kindheitserlebnisse wieder ein.
Die Autorin legt einige falsche Fährten und mich hat die erschreckende Auflösung am Ende überrascht.
Vera Buck schreibt anschaulich und bildhaft, eine bedrohliche Atmosphäre ist das ganze Buch über spürbar. Mir hat die geschickt konzipierte, spannende Geschichte gut gefallen und ich kann 'Das Baumhaus' jedem Leser von Krimis und Thrillern empfehlen.

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Veröffentlicht am 20.04.2024

Schwierige Ermittlungen im schottischen Corona-Lockdown

Die Gabe der Lüge
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Im ersten schottischen Corona-Lockdown 2020 können sich die eigenwillige Cold-Case-Ermittlerin Karen Pirie und ihr Team die Zeit nehmen, dem Hinweis einer Mitarbeiterin der National Library nachzugehen. ...

Im ersten schottischen Corona-Lockdown 2020 können sich die eigenwillige Cold-Case-Ermittlerin Karen Pirie und ihr Team die Zeit nehmen, dem Hinweis einer Mitarbeiterin der National Library nachzugehen. Die Bibliothekarin hat vor dem Lockdown den Nachlass eines verstorbenen Krimi-Autoren gesichtet und dabei in einem Manuskript auffällige Ähnlichkeiten zum ungelösten Vermisstenfall der Studentin Lara Hardie entdeckt, die vor einem Jahr spurlos verschwunden ist.
Das Arbeiten unter den Bedingungen des Lockdown und in der ungewohnten Atmosphäre ist schwierig, doch Karen ist froh, eine neue Aufgabe zu haben und so auch die Gelegenheit, ihre neue Mitarbeiter Daisy, mit der sie für die Dauer des Lockdown zusammengezogen ist, besser kennenzulernen.

Das Manuskript ist wie ein Buch im Buch in die Geschichte eingebunden und bietet neben einer perfiden Krimihandlung auch einen sehr interessanten Blick hinter die Kulissen von Autoren und dem Verlagswesen.
Der Krimifall erscheint verwirrend und gibt sowohl Karen als auch dem Leser Rätsel auf. Die Ermittlungen werden durch die Corona-Beschränkungen sehr erschwert und die Spuren- und Beweissuche ist aufwendig und weitreichend. Doch Karen, Daisy und Jason erweisen sich als gutes Team.

Obwohl ich bisher nur zwei Bücher der Reihe gelesen habe, hatte ich keine Verständnisschwierigkeiten mit diesem 7. Band um Karen Pirie. Gelegentlich wird kurz auf die Vergangenheit Bezug genommen. Die versierte Autorin nimmt den Leser mit ihrem klaren, bildhaften Schreibstil und der gelungenen, glaubhaften Figurenzeichnung auch von Nebencharakteren von Beginn an mühelos mit. Val McDermid schreibt auf den Punkt und lässt an Karens Gedanken teilhaben. Humorvolle Passagen entstehen durch Dialoge mit Jason.

Val McDermid weckt meine Reiselust mit ihrer Beschreibung Edinburghs, wenn Karen in der Stadt unterwegs ist. Auch die Einbindung des Corona-Lockdowns finde ich gelungen. Er erschwert nicht nur den Alltag, sondern entschleunigt das Leben und bringt vorher nicht gezeigte, entlarvende Eigenschaften mancher Figuren ans Licht.
Gesellschaftskritik fehlt in diesem Band der Reihe ebenfalls nicht, die Autorin thematisiert in einem Nebenstrang den Umgang mit Flüchtlingen in Großbritannien.
Mir hat der komplexe Krimi sehr gut gefallen und ich freue mich auf den nächsten Band um Karen Pirie.

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