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Veröffentlicht am 26.05.2024

Tödliche Dolchstöße

Mord stand nicht im Drehbuch
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Zu Beginn des Romans “Mord stand nicht im Drehbuch“ beschließt Autor Anthony Horowitz, die Zusammenarbeit mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne nach den drei vertraglich vereinbarten Romanen zu beenden. ...


Zu Beginn des Romans “Mord stand nicht im Drehbuch“ beschließt Autor Anthony Horowitz, die Zusammenarbeit mit Privatdetektiv Daniel Hawthorne nach den drei vertraglich vereinbarten Romanen zu beenden. Sie sind nie gleichberechtigte Partner oder gar Freunde geworden, obwohl sie einige sehr gefährliche Situationen gemeinsam gemeistert haben. Horowitz will sich vor allem um sein Theaterstück “Mindgame“ kümmern, das im Vaudeville Theatre im Londoner West End Premiere hat. Doch dann kommt alles anders. Bei der Premierenfeier im Theater erscheint Harriet Throsby, die gefürchtete Kritikerin der Sunday Times und gibt ein vernichtendes Urteil ab, wobei sie jeden einzelnen Anwesenden kränkt und beleidigt. Als die Schauspielerin Sky Palmer noch am selben Abend den Text der noch nicht erschienenen Rezension vom Handy vorliest, ist das Entsetzen groß. Am nächsten Morgen wird die Kritikerin in ihrem Haus ermordet aufgefunden, erstochen mit einem der mittelalterlichen Dolche, die der Produzent an das Team verteilt hatte. Sehr schnell gerät Horowitz in den Fokus der Ermittlungen, denn immer mehr Indizien weisen auf ihn als Täter. Er wird verhaftet und bittet Hawthorne um Hilfe. Dem gelingt es, den Autor nach einer Nacht aus dem Gefängnis zu holen, aber ihnen bleibt nur wenig Zeit, um den wahren Täter zu finden. Jeder der Anwesenden am Premierenabend hatte guten Grund, Harriet Throsby zu töten. Hawthorne geht jedoch auch Spuren nach, die in die Vergangenheit verweisen, zum Beispiel liest er die Bücher der Kritikerin.
Auch dieser Roman weist die Besonderheit auf, dass der reale Autor Horowitz als fiktive Figur Teil der Handlung ist und als Ich-Erzähler eine ebenso spannende wie geheimnisvolle Geschichte erzählt. Den wahren Täter kann man nicht erraten, und keinen Augenblick habe ich geglaubt, dass er es war, obwohl er auch als Täter in einem früheren, nie untersuchten Todesfall eines anderen Kritikers in Frage kommt. Unterhaltsam ist auch das konstante Namedropping von bekannten Figuren aus dem Showbiz und der Literatur mit hohem Wiedererkennungswert. Ich werde mit Sicherheit weitere Titel der Serie lesen und empfehle den Roman ohne Einschränkung.

Veröffentlicht am 26.05.2024

Wo beginnt kulturelle Aneignung?

Yellowface
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June Hayward und Athena Liu sind seit ihrem Studium in Yale befreundet und sind beide Schriftstellerinnen. Während Junes erstes Roman ein Misserfolg war, ist Athena im Alter von 27 der neue Star der Literaturszene. ...


June Hayward und Athena Liu sind seit ihrem Studium in Yale befreundet und sind beide Schriftstellerinnen. Während Junes erstes Roman ein Misserfolg war, ist Athena im Alter von 27 der neue Star der Literaturszene. Eines Tages befinden sich die Freundinnen in Athenas Wohnung, als Athena sich verschluckt und stirbt. Spontan nimmt June das gerade fertiggestellte Manuskript über chinesische Arbeiter im 1. Weltkrieg an sich. Sie überarbeitet es nach eigenen gründlichen Recherchen und lässt es unter dem Namen Juniper Song veröffentlichen. Das Buch wird ein großer Erfolg, aber schon bald gibt es die ersten kritischen Stimmen, die bezweifeln, dass sie die Autorin ist, zumal Athena zu Lebzeiten über ihr neues Projekt gesprochen hatte. Mit der Veröffentlichung verändert sich Junes Leben grundlegend. Zwar muss sie sich keine finanziellen Sorgen mehr machen, aber fortan lebt sie mit einer Lüge. Sie tut alles dafür, dass die Wahrheit nicht ans Licht kommt, muss ihre Tat aber auch fortwährend vor sich selbst rechtfertigen. Zu den Rechtfertigungsgründen gehört auch, dass Athena sich genauso bei ihr bedient hat, wenn sie Junes Leid egoistisch und arrogant zu Literatur verarbeitete. Die Hasstiraden und Drohungen in den sozialen Netzwerken führen bei June zu psychischen Störungen. Sie hat Depressionen und Albträume, kann phasenweise das Haus nicht mehr verlassen und sind buchstäglich Geister. Auch das Schreiben, das zuvor ihre größte Freude war, ist zeitweise nicht mehr möglich.
Neben der persönlichen Geschichte der Ich-Erzählerin June geht es auch um zahlreiche aktuelle Themen, z.B. die Rolle der sozialen Medien in unserem Leben und bei der Vermarktung von Büchern, das Verlagswesen insgesamt mit Rivalitäten und Intrigen, Diversität, kulturelle Aneignung und Plagiate. Der Einblick in das moderne Verlagswesen ist zwar interessant, nimmt aber in dieser Ausführlichkeit der Geschichte die Spannung. Auf der Handlungsebene passiert nach dem Diebstahl gleich zu Beginn nicht mehr viel, und es gibt kaum eine Entwicklung bei der wenig sympathischen Protagonistin. Insgesamt halte ich den hochgelobten Roman für etwas überbewertet und bin ein wenig enttäuscht.

Veröffentlicht am 05.05.2024

Trophäenjagd in Afrika

Trophäe
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Ein Amerikaner mit dem sprechenden Namen Hunter White ist durch Börsen- und Immobilienspekulationen steinreich geworden. Er wurde schon als Junge von seinem Vater und Großvater zum Jagen mitgenommen und ...

Ein Amerikaner mit dem sprechenden Namen Hunter White ist durch Börsen- und Immobilienspekulationen steinreich geworden. Er wurde schon als Junge von seinem Vater und Großvater zum Jagen mitgenommen und hat schon damals seine ersten Tiere erschossen. Jetzt fliegt er wieder einmal nach Afrika, wo er seinen Freund Van Heeren trifft. Van Heeren hat ihm für eine gewaltige Summe die Lizenz für die Jagd auf ein Spitzmaulnashorn verkauft. Wenn er dieses geschützte Tier tötet, macht er die Big Five voll. Die anderen vier - Löwe, Leopard, Elefant und Wasserbüffel - hat er bereits erlegt und seiner Frau als Trophäen mitgebracht. Zusammen mit Van Heeren und den Fährtenlesern verfolgen sie das ausgewählte Tier. Doch dann kommt alles anders. Wilderer töten das Nashorn, bevor Hunter vor Ort ist. Sein Freund bietet dem enttäuschten und wütenden Hunter die Big Six an. Für 500.000 Dollar kann er einen jungen Afrikaner jagen und töten. Hunter kann diesem Angebot nach kurzem Zögern nicht widerstehen. Er lernt die ausgewählte Beute kennen und nimmt an den vorbereitenden Stammesritualen in der Siedlung der Afrikaner teil. Dann nimmt die Handlung eine dramatische Entwicklung?
Auch wenn man alles andere als ein Fan von Jagen und Töten ist, liest sich der ungewöhnliche Roman sehr spannend. Man stellt sich den mit der Jagd auf Tiere und Menschen verbundenen ethischen Fragen, liest die packenden Beschreibungen von Flora, Fauna und Klima und begreift, dass die Ausbeutung des Kontinents auch in der postkolonialen Zeit nie aufgehört hat. Für Dollars ist alles zu haben: „Die Menschenjagd ist ein Nebenprodukt der Trophäenjagd.“ (S. 93). Mit den Riesensummen, die Van Heeren einnimmt, finanziert er paradoxerweise Artenschutz und bietet der indigenen Bevölkerung Lebensraum sowie medizinische Versorgung und eine Chance auf Bildung.
„Trophäe“ fasziniert und schockiert gleichermaßen und hat zu Recht große Beachtung gefunden.

Veröffentlicht am 28.04.2024

Leben im Vielvölkerstaat Singapur

Zuckerbrot
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Im Mittelpunkt des Romans steht die 10jährige Parween genannt Pin, die aus ihrer Perspektive über ihr Leben in Singapur zu Beginn der 90er Jahre berichtet. Sie besucht eine christliche Eliteschule als ...


Im Mittelpunkt des Romans steht die 10jährige Parween genannt Pin, die aus ihrer Perspektive über ihr Leben in Singapur zu Beginn der 90er Jahre berichtet. Sie besucht eine christliche Eliteschule als Stipendiatin, denn die Familie ist arm. Dennoch ist das Mädchen glücklich, bis sich ihr Leben vollständig ändert. Eines Tages zieht Nani-ji, die Großmutter mütterlicherseits bei ihnen ein, eine herrische, sehr unsympathische Frau. Von da an gelten ihre Regeln in Bezug auf korrektes Benehmen und die Beachtung religiöser und kultureller Traditionen. Pins wunderschöne Mutter mit dem lebenslangen Hautproblem hat am meisten zu leiden. Es gibt offensichtlich ein Geheimnis, über das nie gesprochen wurde und das nun irgendwann ans Licht kommen muss. Nani-ji verachtet ihre Tochter, die angeblich als junges Mädchen eine Tragödie verschuldet und den Ruf der Familie für immer ruiniert hat.
Erzählt wird die Geschichte mehrerer Generationen auf zwei Zeitebenen: 1967 und 1990-1991. Sie zeigt, wie das Leben im Vielvölkerstaat Singapur war, wie sich malaiische, indische und chinesische Sprachen begegneten. Diese Vielfalt zeigte sich auch in den Ernährungsgewohnheiten. Pins Mutter ist eine hervorragende Köchin, deren Stimmung sich in den zubereiteten Gerichten spiegelt. Neben den Essgewohnheiten geht es aber auch immer wieder um Rassismus und Kastendenken, um Sexismus, Patriarchat und den Kontrast zwischen arm und reich. Pin wird vom Bus-Onkel als „mungalee“ beschimpft – ein herabsetzender Ausdruck für Inder mit dunklerer Hautfarbe - und in der Schule öfter ausgegrenzt. Von ihren Eltern ermutigt, versucht sie dennoch ihren Weg zu gehen und ein selbstbewusstes Individuum zu werden. Mir hat der Roman sehr gut gefallen, entführt er den Leser doch in eine exotische Welt. Unbedingt empfehlenswert.

Veröffentlicht am 28.04.2024

Zauberhaftes Torreira

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Die Polizistin Ria Almeida ist endgültig von Stuttgart nach Torreira an die portugiesische Atlantikküste umgezogen, der Heimat ihres Vaters. Sie wohnt eine Zeit lang bei ihrer hochschwangeren Kusine Mariposa ...


Die Polizistin Ria Almeida ist endgültig von Stuttgart nach Torreira an die portugiesische Atlantikküste umgezogen, der Heimat ihres Vaters. Sie wohnt eine Zeit lang bei ihrer hochschwangeren Kusine Mariposa und übernimmt vertretungsweise ihren Job bei der örtlichen Polizei, wo auch ihr Schwager Joao Pinto arbeitet. Gerade bereitet sie den Umzug in ihre eigene Wohnung vor, als sie als Ermittlerin in ihrem ersten Fall gebraucht wird. Eine Gruppe von Umweltaktivisten hat in den Dünen die Leiche eines Mannes gefunden. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Richter, der vor Gericht in einem wichtigen Prozess gegen den Drogenboss Thijs van der Steen erwartet wird. Kommissar Joaquim Baptista in Aveiro hatte so sehr gehofft, dass der reiche und mächtige Geschäftsmann endlich verurteilt wird, der es bisher durch Korruption und exzellente Anwälte offenbar geschafft hat, sich der Strafe für seine Taten zu entziehen.
Der Roman erzählt von den mühsamen Ermittlungen, einem zweiten Toten und Ria Almeidas Arbeit vor Ort, von dem langjährigen Freund Nuno, der allmählichen Annäherung an ihren schwierigen Vorgesetzten Baptista und der Wiederbegegnung mit ihren Eltern, die in Torreira auftauchen und ihr mit der Einrichtung der Wohnung helfen. Die Autorin hat selbst portugiesische Wurzeln und erschafft durch Beschreibungen der Landschaft und der portugiesischen Küche und durch als Kapitelüberschriften und im Text eingestreute Wendungen in portugiesischer Sprache ein sehr schönes Ambiente, das Lust auf einen Urlaub vor Ort macht. Dieser Portugalkrimi ist der zweite Roman einer Serie und hat mich gut unterhalten.