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Veröffentlicht am 29.07.2020

Die Kinder lieben Miss Elli

Miss Elli und die verschwundene Uhr (Miss Elli 3)
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Dies ist der dritte Erstleseband rund um die Geschwister Mieke und Ben und ihr fabelhaftes Kindermädchen Miss Elli mit einem Hauch von Magie und dem Flugmobil Fliemo. Weil die Eltern von Mieke und Ben ...

Dies ist der dritte Erstleseband rund um die Geschwister Mieke und Ben und ihr fabelhaftes Kindermädchen Miss Elli mit einem Hauch von Magie und dem Flugmobil Fliemo. Weil die Eltern von Mieke und Ben beide im Krankenhaus im Schichtdienstarbeiten, passt manchmal die ältere Nachbarin Miss Elli auf sie auf. Die Kinder lieben sie und ihre Eltern haben keine Ahnung von Miss Ellis besonderen Fähigkeiten! Doch als die schöne blaue Armbanduhr von Bens Freund verschwunden ist, hilft das auf Anhieb auch erst mal nichts. Bis Ben, als er nach Hause radelt, bei seiner Klassenkameradin die blaue Uhr hervorblitzen sieht! Er hat einen Verdacht, will ihn aber nicht laut vor der Klasse aussprechen, sondern erst einmal der Sache nachgehen und da kommen dann Mieke, Miss Elli und das Fliemo ins Spiel
Übrigens ist Miss Elli Engländerin und lässt immer mal wieder englische Begriffe einfließen. Diese waren Debbie (7) 1. Klasse durchaus verständlich, gerade weil es auch im Text erklärt wird, allerdings brauchte sie bei der Aussprache Hilfe von Mama. Sie kannte auch sonst nicht alle Begriffe, wie sich auf Nachfrage herausstellte, es hat sie aber nicht gestört und lesbar fand sie diese auch. Durch den Lockdown wurde im 1. Schuljahr noch weniger Englisch unterrichtet, als es sonst schon in RlP im ersten Schuljahr stattfindet, daher fand Debbie es super, so noch etwas zu üben. Es ist dann zwar etwas anstrengend, aber Übung macht den Meister, deswegen hat sie es abends gleich mehrfach zum Einschlafen vorgelesen, denn auch der große Bruder Jonathan (9) findet die Geschichte toll! Die Mutter findet sie eine gute Gelegenheit den Wortschatz der Kinder zu erweitern. Für meine 10 jährige Tochter waren allerdings alle Begriffe bekannt.
Aber! Dieses Buch hat ein großes Manko: Es ist ein Kindermagnet! Debbies kleine Schwester Hannah (5) findet es so toll, dass sie es immer wieder vorgelesen bekommen will (Band 1 Miss Elli legt los, kennt sie ja auch schon!). Es ist gerade ihr Lieblingsbuch und es ist unfair, dass es ihre große Schwester zum Lesen üben geschenkt bekommen hat, deswegen stibitzt sie es immer wieder heimlich und versteckt es! Während ich es im Garten las, hatte ich ständig Hanna vor mir, die mich anbettelte, es ihr vorzulesen 😉
Ich habe mal Grundschullehrerinnen gefragt, was ihnen wichtig ist, was Kinder unbedingt in der 1. Klasse lernen sollten und eine antwortete: den Unterschied zwischen Mein und Dein. Hier wird also ein ganz wichtiges Thema behandelt. Dabei wird ganz klar aufgezeigt, in welcher inneren Not sich das Kind befindet, weil seine Eltern nicht auf seine Bedürfnisse eingehen, sondern statt es nach seinen Wünschen zu fragen, stereotyp beschenken. Das ist nicht böse gemeint, aber fantasielos. Die Kinder zeigen hier echtes Verständnis und Einfühlungsvermögen und suchen nach einer Lösung, die allen gerecht wird. So wie bei Miss Elli wird es sicherlich nicht immer gelingen, denn wer hat schon magische Hilfe? Aber es ist ein wertvolles Vorbild um Kinder dazu zu bringen, über die Sorgen und Nöte anderer nachzudenken und Auswege zu suchen, statt bloßzustellen. Um über diese Themen mit seinem Kind zu sprechen, empfiehlt es sich, dieses Buch gemeinsam mit seinem Kind zu lesen. Dabei kann man dann gleich noch bei der Aussprache der englischen Begriffe helfen, oder auch mal unbekannte Wörter erklären, vielleicht auch ohne Nachfrage des Kindes.
Die vielen farbenfrohen Bilder von Kristina Nowtnig sind bunt und fröhlich und gefallen Jungs und Mädchen, weil sie absolut unkitschig sind. So gefällt es auch den Kindern, dass die Reihe gerne mal festgefahrene Rollenklischees indirekt in Frage stellt.
Die (Fibel-)Schrift hat Debbie beim Lesen sehr geholfen, ebenso dass die Kapitel schön kurz und bunt sind. Außerdem ist die Geschichte lustig und fantasievoll. Die Kinder lieben Miss Elli und wollen unbedingt noch mehr Geschichten von ihr!
Vielen lieben Dank an Susanne Fülscher und den Carlsen Verlag für diese wunderbare Leserunde.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Zauberhaft schön!

Die Waldmeisterinnen - Einmal Glück für alle
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Holly Holunder und Lia Lavendel leben im Wildwood Forest, genauer gesagt im Woodruff-Winkel, in einem kleinen verwinkelten Häuschen mit Erfinderwerkstatt. Dort haben sie für die Sorgen und Nöte der Waldbewohner ...

Holly Holunder und Lia Lavendel leben im Wildwood Forest, genauer gesagt im Woodruff-Winkel, in einem kleinen verwinkelten Häuschen mit Erfinderwerkstatt. Dort haben sie für die Sorgen und Nöte der Waldbewohner ein offenes Ohr und versuchen ihre Probleme zu lösen. Denn Lia hat ein untrügliches Gespür für Stimmungen und kann prima Kochen und Backen und Holly ist eine begnadete Erfinderin und Tüftlerin. Ein unschlagbares Team, selbst wenn bisweilen mal etwas anders gelingt, als geplant, so wie der regenbogenfarbige Schwanz von Eichhörnchen Brownie, das in Hollys Hut lebt. Es scheint ein ganz normaler Tag zu werden, doch schon bald merken die zwei Schwestern, dass etwas nicht stimmt. Alles geht irgendwie schief: statt eines funktionierenden Schwarzmalers, eines Gerätes mit noch unbekannter Funktion, läuft plötzlich ein Zebra durch die Werkstatt. Auch bei den übrigen Wald- und Seebewohnern läuft nichts wie es soll und keiner ist mehr richtig fröhlich. Holly und Lia sind fest entschlossen das Glück für alle in den Wald zurück- zubringen. Doch was ist Glück und wie verliert man es oder bringt es zurück?

Dieses Buch richtet sich an junge Leserinnen von 7 – 9 Jahren und eignet sich aber auch sehr gut zum Vorlesen. Die Illustrationen sind alle farbig und bedecken teilweisen die Doppelseiten, so dass weißer Druck auf bunter Farbe einen schönen Kontrast bildet. Das wirkt sehr liebevoll gestaltet und dieser Eindruck wird abgerundet, durch den freundlichen Ausdruck der Figuren und die kurzen und warmherzigen Ausblicke in das jeweils kommende Kapitel statt Kapitelüberschriften. So wird man neugierig und liest vielleicht noch ein Kapitel mehr als eigentlich geplant war. Die Kapitel sind dabei recht kurz, so das der Umfang zum Selberlesen ermutigt, allerdings wird keine Fibelschrift für Leseanfänger verwendet. Auch der Textumfang pro Seite und die Schriftgröße richtet sich durchaus an willige, geübtere Leser und nicht an Anfänger, wobei das Schriftbild durch den großzügigen Zeilenabstand sehr angenehm ist. Eingerahmt wird die Geschichte von Lia und Holly stets von einer Rahmenhandlung, in welcher Lord Huntercraft abends am Kamin, seinem treuen Hund Elliot Geschichten aus dem Wildwood Forest vorliest. Damit man sich das alles besser vorstellen kann, ist dieser Teil optisch abgesetzt und es sieht aus, als wäre auf altem vergilbten Papier gedruckt, so wie schon die Übersichtskarte über den Wildwood Forrest im Bucheinband. Am Ende geben Lord Huntercraft und Elliot immer noch einen Ausblick auf mögliche neue Abenteuer, so dass sich das Ende des Buches nicht nach Abschied anfühlt, sondern wie Vorfreude auf all das was noch kommen mag. Bis es so weit ist, findet man im Anhang noch 3 neue Ideen/Rezepte aus Lias und Hollys Rezept- und Bastelbuch: Löffelapfel im Glas, Herzliche Holunder-Muffins und Plätzchenwörter/Wörterplätzchen. Kinderleicht und herrlich lecker! Kann man ganz einfach mit seinen Eltern oder älteren Geschwistern zusammen nachmachen und gemeinsam Kochen/Backen/Basteln ist doch Glück pur!

Das ist überhaupt eine spannende Frage, der Holly und Lia nachgehen müssen. Was ist Glück? Wie setzt es sich zusammen? Kann man es herstellen? Oder vielleicht teilen? Kann man das Glück zurückholen? Die zwei müssen dazu das Leben ihrer Freunde im Wald genau beobachten und stellen dabei fest, das Glück ganz individuell verschieden ist, für jeden was anderes, irgendwie müssen sie es also schaffen, Glück für alle herzustellen und zu verbreiten, bis die Kicherlinge wieder eigenen Glücksglimmer herstellen können. Was für eine schöne Idee! Wir würden ja sehr gerne mal Kicherlinge, Feen, Elfen und einen Wassermann treffen, aber vor allem Glücksglimmer sehen! Sehr kindgerecht wird verständlich gemacht, dass es nicht das eine große Glück gibt, sondern sich jeder über sein persönliches Glück freut. Wie bereits im ersten Band festgestellt, kann das Pech des einen, das Glück des anderen sein. Dann muss man die jeweiligen Betroffenen nur zusammenbringen und schon sind alle zufrieden! Ein wunderschöner Gedanke, weil er auch Kommunikation und Zuhören erfordert!

Ein Buch das glücklich macht, auch wenn man älter als 9 Jahre alt ist! Übrigens kann man es geübten Zuhörern auch schon etwas früher vorlesen, allerdings sollten sie schon eine gewisse Zuhörkonzentrationsspanne aufweisen.

Einfach zauberhaft! Für gemeinsame Lesestunden oder auch zum Selbstlesen.

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Veröffentlicht am 23.07.2020

Urkomisch!

Chilli, meine Oma und das totale Chaos
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Chilli ist als Feuerfrettchen unvermittelt in Jelks Leben getreten. Eigentlich darf Jelko, kein Haustier haben, weil sein Vater hoch allergisch gegen Tierhaare ist. Doch Chilli war einfach da und er ist ...

Chilli ist als Feuerfrettchen unvermittelt in Jelks Leben getreten. Eigentlich darf Jelko, kein Haustier haben, weil sein Vater hoch allergisch gegen Tierhaare ist. Doch Chilli war einfach da und er ist ja auch nicht irgendein Haustier, sondern ein Feuerfrettchen und die sind ja schon sehr besonders. Denn nur Jelko kann ihn sehen, sobald jemand Drittes hinzukommt wandelt Chilli seine Form und ist nur noch anhand von roten Haaranteilen als Feuerfrettchen erkennbar. Chilli ist absolut loyal, sehr frech, liebt Senf, unberechenbar und magisch! Wenn Jelko sich etwas wünscht, erfüllt Chilli den Wunsch, auch wenn das Ergebnis nicht immer Jelkos Vorstellungen entspricht. Doch nun ereignet sich der Super-GAU: Oma Irene, die herrische Mutter von Jelkos Vater, steht unangemeldet vor der Tür, als Jelko einmal früher Schule aus hat. Da ist die großmütterliche Empörung groß und es wird nicht besser! Oh ja, der Tag hatte so gut begonnen und nun folgt eine Katastrophe auf die nächste. Um das familiäre Gewitter zu beruhigen, nimmt er Oma mit in den Zoo, da kann ja nichts schief gehen, denkt und irrt er!

Ok, diese Reihe richtet sich an Kinder, die das Lesen noch nicht so ganz für sich entdeckt haben, ab 9 Jahren. Aber sie ist so lustig, dass sogar meine große Tochter mit 13 Jahren, echt sauer wird, wenn man ohne sie liest! Oma Irene ist bei beiden der absolute Hit und so haben beide heimlich schnell alleine weitergelesen, weil sie Omas neueste Knaller wissen wollten, auch wenn ich gerade keine Zeit hatte. Dabei lesen beide nicht besonders gerne. Chilli ist eine Fortführung von Antje Szillats erfolgreichen Comicromanen. So weist Chilli deutlich mehr Text auf, erfreut aber mit einem relativ hohen Bildanteil und verstreut in den Text sind immer wieder comic-mäßige Emotionsausdrucksverstärkerbegriffe wie: „RATTER-RATTER-WAS-GIBT-ES-DA-NUR-ZU-SEHEN????“ oder schlicht und ergreifend: „GRUMPF!“ und „GRRRRRR!“. Das sagt bisweilen mehr als 1.000 Worte und bei dem Tempo, den dieser Band an den Tag legt, ist Geschwindigkeit fundamental, wer hat da noch Zeit für lange Erklärungen! Die Geschichte selbst ist allerdings durchaus grammatikalisch korrekt und gut geschrieben, mit genügend Text um Lesefortschritte zu gewährleisten, aber Comicelemente sorgen einfach für Stimmung!

Jelko trifft es diesmal wieder echt hart! Gerade ist er glücklich, dass Chilli ihn vom Terror des Klassenmobbers befreit hat, da kommt die Oma der besonderen Art. Das für sich ist schon schwierig genug, doch wie soll er während der unbekannten Aufenthaltsdauer nur so lange Chilli vor ihr verheimlichen? Auch wenn niemand Chilli sieht und hört, die Gesprächsanteile seinerseits sind kaum zu überhören und muten für Unwissende mehr als seltsam an! So steckt er echt in der Klemme, zumal ja auch seine beste Freundin Lotte Chilli nur für ein Hirngespinst hält! Doch mit einem Freund wie Chilli steht man auch das durch!


Ich fürchte ja, dass meine Töchter sich auch einen Chilli wünschen, meine Hoffnungen sind da ja etwas zwiespältig, nicht nur, weil ich sicherlich ständig vergessen würde ausreichend scharfen Senf zu kaufen. Dafür geht es hier um zwei ganz wichtige Punkte. Zum einen um den unerfüllten sehnlichsten Kinderwunsch nach einem Haustier! Der sich übrigens oft durch eine Auslagerung der Tiere ins Freie erfüllen lässt, sofern man über einen Garten verfügt und um verbitterte Menschen. Hinter dieser Verbitterung steckt oft nur Einsamkeit und es liegt gar nicht an den verwirrten Kindern. Nein, Kinder machen nicht immer was falsch, aber Tierhaarallergie kann dafür echt für einige Betroffene echt mehr als nur unangenehm sein. Da sollten die Feuerfrettchen ruhig mal ihr Geheimnis der guten Verträglichkeit mit anderen Tieren teilen. Nein, ehrlich, wer sich ernsthaft für Haustiere interessiert, wird feststellen, dass es oft auch gut verträgliche, nicht haarende Züchtungen gibt und ansonsten sind Regenwürmer auch ganz niedlich.


Autorin Antje Szillat ist sehr tierlieb und tierreich und Kinder die keine Haustiere haben dürfen, treffen bei ihr einen sensiblen Punkt. Feuerfrettchen für alle!


Zapf schafft es mit wenigen gekonnten Strichen die Stimmung einzufangen und zonga Lesemuffel bei Laune zu halten.

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Ein Hörbuchjuwel!

Der Junge aus der letzten Reihe
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Alexa, die Ich-Erzählerin ist 9 ¾ und geht mit ihren drei besten Freunden in eine Klasse. Wenn man so viele beste Freunde hat, freut man sich immer in die Schule zu gehen. Ihre Schule liegt in London, ...

Alexa, die Ich-Erzählerin ist 9 ¾ und geht mit ihren drei besten Freunden in eine Klasse. Wenn man so viele beste Freunde hat, freut man sich immer in die Schule zu gehen. Ihre Schule liegt in London, in einem nicht-schicken Stadtteil und so sind nur Michaels Eltern wohlhabend. Alexas Vater starb als sie noch klein war und nun bringt ihre Mutter eine Bibliothekarin sie beide mit 2 Jobs durch. Sie ist die schlaueste Person, die sie kennt, weil sie so viel liest! Eines Tages sitzt ein neuer Junge in der letzten Reihe, auf dem seit den Ferien freien Stuhl. Er ist merkwürdig. Er spricht nicht, verschwindet in den Pausen immer und guckt ganz traurig. Aber die neugierige Alexa findet natürlich heraus, woran das liegt: Er ist ein Flüchtlingsjunge! Was das bedeutet, erklärt ihr ihre Mutter und das findet sie so erschütternd, dass sie beschließt, auch mit ihm befreundet zu sein. Zum Glück sind Michael, Josy und Tom einverstanden mit dem Plan. Diesen umzusetzen ist gar nicht so leicht, wenn Ahmet der Neue in den Pausen immer verschwindet. Nach und nach erfahren sie immer mehr von ihrem neuen, mutigen Freund und stellen sich gemeinsam mit ihm gegen Brandon den Quälgeist, was sich bislang noch keiner getraut hat. Doch dann hört Alexa im Bus etwas mit, dass sie bis ins Mark erschüttert und sie ersinnt mit ihren Freunden, den besten Plan der Welt, bei dem nur noch die Queen helfen kann!

Die Journalistin Onjali Q. Raúf nimmt einen in ihrem preisgekrönten Debütroman mit in ein typisches Londoner Migrantenviertel. Jeder hat hier andere Wurzeln, das ist normal. Nur Brandon der Quälgeist ist blond und blauäugig und bildet sich etwas darauf ein! Für die anderen ist die Herkunft völlig egal, bis Ahmet in die Klasse kommt und Alexa und ihre Freunde herausfinden wollen, wie denn die Heimat so war, aus der Ahmet vor den Bomben fliehen musste. Die Gedanken der Kinder zu Ahmet und seiner Situation sind Gold wert. So unverblümt und von Herzen kommend. Ernsthaft sind sie bemüht ihm ein Stück Heimat zu schenken, was Brandon natürlich zunichte macht. So geht es neben dem Schicksal des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings auch um normalen englischen Schulalltag, in dem sich die Kinder begegnen, und der das Schicksal von Ahmet für Hörer ab 8 Jahren nachfühlbar macht. Denn das ist wichtig, dass man nicht nur rational, sondern auch emotional begreift, was es heißt als Kind alleine zu fliehen, bzw. mutterseelenalleine in einem fremden Land anzukommen, wo man niemanden kennt und noch nicht einmal die Sprache spricht. Das Wort: „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ klingt so bürokratisch und langweilig, dass Kinder wahrscheinlich noch nicht einmal nachfragen, was das denn sein soll. Doch Ahmets Schicksal ist bewegend und geht unter die Haut. Darüber muss man beim Zuhören nachdenken, ebenso wie viele weitere Details, die Alexa in ihrer kindlichen Weltanschauung so erzählt. So geht es um Oma Jo, die damals im 2. Weltkrieg vor den Nazis floh. Alexa wusste gar nicht, dass es auch einen zweiten Weltkrieg gab. Da meinte meine gerade 11-jährige Tochter, dass sie über den auch noch nie in der Schule gesprochen hätten.... Oje, in meiner Kindheit war es noch ständiges Thema, aber damals lebten ja noch ganz viele Zeitzeugen. Die heutigen Zeitzeugen berichten von Krieg und Flucht und saßen genau bei diesem Kind in der Grundschulklasse, lebten aber im Kreise ihrer Familien. Die Vorstellung ohne Eltern und Geschwister und Katze leben zu müssen, war für sie unfassbar. So geht einem Ahmets Geschichte unter die Haut, aber auch Alexas. Birte Schnöink schafft es dabei ganz wunderbar Alexas 9 ¾ jährigen Ton zu treffen, ihre Sorge, Betroffenheit, Wut, Freude, Verunsicherung, die ganze Bandbreite der Gefühle. Dabei schafft sie es mit unnachahmlicher Leichtigkeit durch die von Alexa eingenommene Perspektive unsere ganze Familie auch immer wieder zum Lachen zu bringen. Dieses Hörbuch hat uns alle (inklusive der Kinder von 11 und 13 Jahren) bewegt, berührt, nachdenklich gemacht, aber auch wirklich fröhlich lachen lassen. Wir haben die Freunde nicht ausgelacht, sondern mitgelacht. Es geht also nicht um eine düstere Geschichte, die Kinder traurig macht. Nein, es gelingt der Autorin, ebenso wie der Sprecherin, die Zuhörer mit auf ein ausgesprochen spannendes Abenteuer mitzunehmen, dass natürlich am Ende gut ausgeht. Zum Glück ist den Kindern erst hinterher bewusst, wie gefährlich ihre Mission war und dass da durchaus einiges hätte schief gehen können, hätten sie nicht das Glück gehabt, auf so viele nette, verständnisvolle Menschen zu treffen, wie den nettesten Taxifahrer neben Onkel Lenny. Leider müssen sie später durch den Kontakt mit den Medien feststellen, dass es auch andere Menschen gibt und man sich daher besser nicht zu sehr auf sein Glück verlassen sollte....

Wir sprechen auch jetzt, Tage später immer mal wieder über einige Passagen aus dem Buch, und durchleuchten einzelne Aspekte.... Ein Hörbuch das nachhallt!

Die Autorin hat übrigens selbst auch eine Flüchtlingshilfsorganisation ins Leben gerufen, um Flüchtlingsfamilien zusammenzuführen. Mein Mann, dessen Stammschule den Förderschwerpunkt sprachliche und emotionale Entwicklung ausweist, ist ganz begeistert von Birte Schnöinks sensibler Interpretation, die einem unter die Haut geht und bisweilen Gänsehaut oder einen Kloß im Hals erzeugt, um kurz darauf wieder ein Lachen ins Gesicht zu zaubern!

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Veröffentlicht am 18.07.2020

Das Gesetz der Gewalt

Long Way Down
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Will ist 15 Jahre alt, als sein 20 jähriger Bruder Shawn auf dem Weg in den 9 Blocks entfernten Laden, in dem Revier einer anderen Gang erschossen wird. Dabei sollte er doch nur die spezielle Hautcreme ...

Will ist 15 Jahre alt, als sein 20 jähriger Bruder Shawn auf dem Weg in den 9 Blocks entfernten Laden, in dem Revier einer anderen Gang erschossen wird. Dabei sollte er doch nur die spezielle Hautcreme für seine Mutter abholen! Es ist nicht der erste gewaltsame Tod in seinem jungen Leben. In ihrer Gegend ist das nicht ungewöhnlich und so lernen die Kinder von Kleinauf sich bei dem ersten Anzeichen für eine Schießerei sich flach auf den Boden zu werfen. Doch der Schuss galt Shawn und so gab es kein Entkommen. Nun ist Will mit seiner weinenden Mutter allein, die Trost in der Flasche neben ihr sucht. Will ist fest entschlossen, sich nun an die Regeln zu halten, die ihm Shawn bei gebracht hat, die er von Buck lernte, als ihr Vater Mikey erschossen wurde, wie auch schon dessen Bruder Mark... eine schier unendliche Spirale der Gewalt, dank der Regeln:
Nr. 1 Weinen (Tu's nicht. Egal was passiert)
Nr. 2 Jemanden verpfeifen (Tu's nicht. Egal was passiert)
Nr. 3 Rache (Finde den, der getötet hat. Und töte ihn)
Will nimmt sich die nunmehr herrenlose Waffe seines Bruders, entschlossen das Gesetz der Straße zu Ende zu bringen und steigt in den Fahrstuhl mit dem Ziel von der Lobby aus, sich auf den direkten Weg zu dem Mörder seines Bruders zu begeben. Doch der Weg nach unten ist lang, auf jedem Stockwerk steigt jemand aus seiner Vergangenheit ein, der erschossen wurde und erzählt von Gewalt, Ohnmacht, Rache und Tod. Wird Will den Mörder seines Bruders töten?

Ungeschriebene Gesetze werden oft viel genauer befolgt, als die geschriebenen. Will hat das Gefühl, dass er keine Wahl habe. Dass er tun muss, was ein Mann tun muss, denn nach dem Tod aller anderen männlichen Familienmitglieder ist er nun der Mann im Haus und seine Mutter nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie ist völlig übermannt von den anscheinend nie enden wollenden Morden und Will will dies nun auch fortsetzen. Doch mit jedem der in den Fahrstuhl einsteigt und ihm von seiner Geschichte, von seinem Tod erzählt, kommt er ins Wanken, kommt er ins Grübeln, noch immer an den Regeln festhaltend, innerlich aufgewühlt und zerrissen. Sie führen ihm vor Augen, was auf ihn wartet, wenn er aussteigt und seinen Plan zu Ende bringt, aber auch, wie er wirklich ist. Er, Will der Junge, der mit Sprache spielt und Anagramme liebt und ihnen Bedeutung beimisst.

Eine Ode über eine Spirale der Gewalt, frei nach dem alten Testament: Auge um Auge... Wer den Fahrstuhlpassagieren zuhört begreift sehr schnell, dass dies keine Lösung ist, eher das Ende bzw. der Anfang von noch mehr Leid und Verzweiflung. Wie sind sie alle in diese Lage gekommen? Ging es ihnen wie Will? Was raten sie ihm? Hat er das Zeug dazu? Sehr gut, finde ich, dass sich auf den Aspekt der nicht enden wollenden Spirale der Gewalt konzentriert wird. Die Polizei ist nicht wichtig, es geht nicht um sie, denn mit ihnen spricht man nicht. So bleibt die Geschichte ganz klar auf Will, seine Entscheidung und die unzähligen Todesschüsse fokussiert.

Anfangs sind diese Treffen für ihn so unvorstellbar, dass er die ihm bekannten Personen nicht erkennt, da es ja unmöglich ist, was ihm da gerade passiert. Jeder der einsteigt hat Will geprägt und für ihn eine Bedeutung. Jeder/jede hat daher auch seine eigene Stimme, denn er spinnt nicht, er hört sie nicht nur in seinem Geiste, sie sind in dem Moment real! Will wird von Julian Greis gesprochen, dem Ed Sheeran der Hörbuchbranche. Seiner Stimme entkommt man gerade nicht, man hört sie überall, doch ist sie so angenehm, so einnehmend, dass man sich nicht satt hört, sondern gerne lauscht. Er klingt jung, unerfahren, gleichzeitig verunsichert und entschlossen. Seine innere Zerrissenheit ist unüberhörbar und dennoch nicht monoton, dafür wird er zwischen den Stockwerken viel zu oft von neuen Gefühlen überflutet. Die Stimmen der übrigen Fahrgäste sind gut gewählt. Besonders Konstantin Graudus als Buck gefällt mir sehr gut, seine Stimme ist tief und sonor, als hätte er den Blues, als hätte sein Leben eine Chance, hätte er nicht die Regeln befolgt, sondern stattdessen gesungen...

Jason Reynold liebt es, den Ausgang seinen Lesern/Hörern zu überlassen. Sie sollen seine Geschichte beenden, mitdenken, selbst für sich über den „richtigen“ Ausgang entscheiden. So war ich von dem Ende überrascht und etwas unschlüssig, wurde mir Wills Entscheidung doch nicht präsentiert, sondern von mir eine Entscheidung für ihn erwartet. An Wills Liebe zu Anagrammen spürt man seine Liebe zu Sprache. Diese zu übersetzen ist eine echte Leistung, da ziehe ich auch vor der Übersetzerin Petra Bös den Hut.

Ein interessantes Hörbuch, über das Gesetz der Straße und dass es Leben retten kann, wenn man eigene Entscheidungen trifft, statt anderer Gesetze unüberlegt zu folgen. Von der sinnlosen Gewalt in vielen schwarzen Vierteln in Amerika und der Machtlosigkeit der Gesetzeshüter dort, mit denen niemand spricht.

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