Hexerei und Heilige: die Risse in der Wirklichkeit
Heiligenbilder und HeuschreckenEin Haus voller Schatten, Engeln und Dämonen, ein Haus, das beschützt, bestraft und über dich wacht – in dieser Symbiose, Schutz und Bedrohung leben eine Enkelin und ihre Großmutter. Sie leben in Armut. ...
Ein Haus voller Schatten, Engeln und Dämonen, ein Haus, das beschützt, bestraft und über dich wacht – in dieser Symbiose, Schutz und Bedrohung leben eine Enkelin und ihre Großmutter. Sie leben in Armut. Sie leben ausgegrenzt von der Gesellschaft. Und sie leben gekettet an ein Haus, das Fluch und Segen zugleich für sie ist.
Doch nicht nur die Trennung nach sozialen Schichten und Milieus hat die Frauen der insgesamt drei Generationen in die Isolation getrieben, abgelegen hinter einem Gebirgskamm, getrennt von der weiteren Bevölkerung. Es ist auch die Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt, welche sie gerade durch die männlichen Dorfbewohner erfahren haben, sei es Ehemann, Partner oder Liebhaber, und das Frauenbild, das ihnen übergestülpt wird. Und es ist auch die hiermit einhergehende Zuschreibung der Hexerei und Verbindung zu übernatürlichen Kräften, welche die Menschen Furcht und Angst verspüren und Abstand zu ihnen halten lässt – ausgenommen die Momente, in denen sie sich die Fähigkeiten der beiden Magiebegabten für ihre eigenen Zwecke zunutze machen.
Ist das Haus mit seinem eigenen Innenleben Zuflucht und Gefängnis für deren Bewohnerinnen, so ist es auch Instrument für deren Rache und Waffe gegenüber den männlichen Peinigern. So wird es zugleich zum Bewahrer ihrer moralischen Abgründe und bindet die Frauen auch durch deren dunkle Geheimnisse an sich.
Dicht und intensiv wie die Erzählung selbst ist auch die Atmosphäre, die durch die klare, direkte Sprache und eine Handlung, welche eine verstörende und um Magie erweiterte Wirklichkeit beschreibt, geschaffen wird. Und so setzt sich das Büchlein mit seinem Reichtum an Motiven, Bedeutungsebenen und Kraft im eigenen Kopf fest, hallt in diesem nach und lässt die Leser*innen gestärkt zurück – wenn auch mit einer Gänsehaut über der eigenen Zufriedenheit.