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Veröffentlicht am 12.03.2023

Leichte Unterhaltung ohne Tiefgang

Ginsterhöhe
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Im Mittelpunkt des historischen Romans steht das reale Dorf Wollseifen in der Eifel. Die Geschichte spielt 1919 – 1949. Albert Lintermann kehrt 1919 mit einer schweren Kriegsverletzung zurück, weshalb ...

Im Mittelpunkt des historischen Romans steht das reale Dorf Wollseifen in der Eifel. Die Geschichte spielt 1919 – 1949. Albert Lintermann kehrt 1919 mit einer schweren Kriegsverletzung zurück, weshalb sich seine Frau von ihm abwendet. Trotz 2 weiterer Kinder bleibt die Ehe schwierig. Leni, die Verlobte von Alberts Freund Henning, der im Krieg gefallen ist, heiratet Meller, der später Mitglied der NSDAP wird. In der Nähe von Wollseifen wird von den Nazis eine Schulungsstätte gebaut, so dass das Dorf im 2. WK zur Zielscheibe wird.

Aufgrund der ersten positiven Rezensionen habe ich mich sehr auf das Buch gefreut. Ich finde die Idee der Autorin sehr gut, die Geschichte eines Dorfes aufzuzeichnen, das sonst in Vergessenheit geraten wäre. Dabei hält sich an belegbare Fakten, hat etliche Interviews geführt und gibt dem ganzen einen spürbaren Zeitgeist.
Leider blieb die Geschichte weit hinter meinen Erwartungen zurück, auch hinter den Eindrücken vom Klappentext. Betrachtet man die Zeitspanne, war das sicher eine der bewegtesten Zeiten in Deutschland. Aber ich konnte weder die Schrecken und Folgen des 1.WKs spüren, noch die Auswirkungen der Inflation oder die aufkommende Bedrohung durch den Nationalsozialismus. All das war begraben unter den, für meinen Geschmack, zu detailliert geschilderten Alltagssituationen der Dorfbewohner. Es mögen sicher die Probleme eines jeden Dorfes in der Zeit gewesen sein, ob man sich nun einen stinkenden Traktor anschafft oder Wasserleitungen zulegt. Aber echte Nöte und Sorgen durch die gesellschaftlichen Umwälzungen waren für mich nicht spürbar.

Gut geschildert war der Zusammenhalt der Dorfbewohner, die sich gegenseitig eine große Stütze waren. Die Figuren selbst fand ich oft stereotyp, farblos und oberflächlich, außer Meller, der Nazi, der war für mich die am besten ausgearbeitete Figur, wenn auch etwas einseitig. Aufgrund der leichten Sprache ließ sich das Buch zu Beginn schnell weglesen. Dann allerdings wechselten unzuverlässig die Perspektiven, so dass nicht immer klar war, aus wessen Sicht nun geschrieben wurde. Mal mitten im Kapitel, aber auch mitten im Absatz. Das war für mich teils nur noch ein Wirrwarr. Etwas Spannung kam dann im 2. Teil auf, als die NS die Schulungsstätte gebaut hat und die Stimmung im Dorf deutlich zwiegespalten war.
Ich denke, die Geschichte hätte großes Potenzial gehabt. Für mich war’s nichts, zu oberflächlich, zu seicht, zu emotionslos. Aber ich bin sicher nur die falsche Zielgruppe, das Buch wird seine Liebhaber finden. Meinen Ansprüchen hat es nicht genügt.

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Veröffentlicht am 12.04.2023

Billig gemachter Blockbuster!

Finstere Lügen
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So funktioniert Hollywood. Man nehme ein Thema, von dem der Durchschnittsbürger nur wenig Ahnung hat, das aber bedrohlich wirkt, in dem Fall Geldwäsche am Aktienmarkt von undurchsichtigen Wall-Street-Playern. ...

So funktioniert Hollywood. Man nehme ein Thema, von dem der Durchschnittsbürger nur wenig Ahnung hat, das aber bedrohlich wirkt, in dem Fall Geldwäsche am Aktienmarkt von undurchsichtigen Wall-Street-Playern. Dann einen Action-Held, ein Ex-Soldat ist immer gut, schalte das Tempo hoch, dass der Zuschauer durch die Geschichte rasen muss, und fertig ist der Blockbuster.
Leider hat für mich in dem Buch nichts funktioniert. Angefangen bei Travis, der aus zweifelhaften Gründen (um sich mit seinem Vater zu versöhnen) aus dem Armeedienst ausscheidet und als Analyst bei einem Finanzriesen anfängt. (Wir erfahren eigentlich nichts über das, was er da tut.) Nachdem man in einem leeren Stockwerk der Firma seine Exfreundin erhängt auffindet, steht er unter Mordverdacht. (Allerdings hat die Polizei keine Beweise, nur so ein Gefühl.) Ein Ex-General vom Heimatschutzministerium erpresst ihn, dass er den zweifelhaften Vorgängen in Travis’ Firma auf die Schliche kommen soll. Unser muskelbepackter Held sollte also ordentlich in Schwierigkeiten kommen. Da er aber außer Kämpfen keinerlei weitere Eigenschaften besitzt, kann sich in Schlägereien gegen alles wehren, was haarsträubend geschildert wird. Obwohl er weder von seinem Job noch von Ermittlungen irgendeine Ahnung hat, ist er natürlich sofort Profi. Alle Achtung! Ein bisschen Jack Reacher für Arme.
Um weitere Verwirrung zu stiften, werden noch ein paar Leute umgebracht, die Polizei als Dilettanten dargestellt, ein paar Frauen als kleine Dummchen ins Rennen geschickt und ein paar falsche Fährten wie Leuchtbojen platziert. Und wie gesagt, damit die gesamte Unlogik der Story nicht auffällt, wird der Turbo eingeschaltet und die Action-Kanone gezündet. Und bitte nicht so genau über die Dialoge lesen, die teils hanebüchen sind. »Scheiße« ist so ziemlich das Lieblingswort von allen.

Die Figuren sind nicht mehr als ausreichend beschriebene Kleiderständer, die wahlweise einen Bugatti fahren oder ein Motorrad, sich mit einem Bikini am Pool in einem Palast räkeln und beim Überqueren der Straße ständig joggen müssen.
Das alles ist so lächerlich, so billig, so vorhersehbar, dass ich beinahe körperliche Schmerzen hatte. Die letzten 100 Seiten habe ich mir nicht mehr angetan, weil es mich schlichtweg nicht mehr interessiert hat und ich mir das nicht mehr antun wollte.

Auch wenn ich es lieber verschweigen würde, aber ich habe vor ungefähr fünfzehn Jahren Baldacci gern gelesen. Heute frage ich mich ernsthaft, was mich daran begeistert hat. War er damals besser? Hat sich mein Anspruch so sehr verändert? Man darf nicht vergessen, dass einige seiner Bücher erfolgreich verfilmt wurden, zum Beispiel »Der Präsident« unter »Absolut Power«. Klar, letztlich ist es nur Unterhaltung ohne jeglichen literarischen Anspruch, aber die Storys hatten Hand und Fuß und waren bei weitem nicht so an den Haaren herbeigezogen wie diese hier.
Das war das schlechteste Buch in diesem Jahr und definitiv mein letzter Baldacci.

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