Profilbild von esb07

esb07

Lesejury Star
offline

esb07 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit esb07 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2022

Trotzt offenes Ende, ein empfehlenswerter Roman.

Nebenan
0

Eine namenlose Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal... Hier ist Julia mit ihrem Biologe-Freund Chris vor kurzem aus Hamburg eingezogen. Julia ist Ende dreißig, Töpferin, stolze Besitzerin von einer alten Hündin ...

Eine namenlose Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal... Hier ist Julia mit ihrem Biologe-Freund Chris vor kurzem aus Hamburg eingezogen. Julia ist Ende dreißig, Töpferin, stolze Besitzerin von einer alten Hündin und noch älteres Backsteinhauses. Sie hat sich in diesem „Sterbens bedrohten“ Stadt selbständig gemacht, betreibt einen Keramikladen, in dem sie eigene Kreationen verkaufen möchte, doch die meisten vermarktet sie eher übers Internet, wo sie sowieso fast den ganzen Tag unterwegs ist. Denn sie beschäftigt sich mit ihrem unerfüllten Kinderwunsch, liest viel Online-Berichte darüber, lässt sich von verschönerten Familienleben auf Instagram-Accounts suggerieren. Bis sie eines Tages einen Jungen begegnet und dabei bemerkt, dass die direkte Nachbarfamilie spurlos verschwunden ist...

Astrid, Anfang sechzig, Ärztin, Mutter von erwachsenen drei Kinder. Sie ist die Einheimische, kennt auch andere Zeiten von der Stadt, betreibt schon seit Jahrzehnten die einzige Hausarztpraxis des Örtchens. Ihr Mann Andreas war Geschichtslehrer, jetzt ist er Rentner und vertriebt die Zeit mit den politischen Nachrichten. Astrid, die gerade sich nicht mit Achtlosigkeit der Menschen beschäftigt, führt eigentlich ein ganz normales Leben, bis sie bei einer Nachtschicht vor einem Acker steht, das voll mit Privat-Briefen bedeckt war...

In diesem Roman passiert nicht viel, kann ich es sogar als Handlungsarm bezeichnen. Doch mit ihrer haargenauen Menschen Beobachtungen, realistischen Beschreibungen der Gedanken von den Charakteren, ihre präzise, klare Sprache und mit ihrem ruhigen Erzählton nimmt Bilkau einem sehr bildhaft auf ein norddeutsches Örtchen mit. Es ist ein ruhiger, dennoch kraftvoller und kluger Roman, welches ich gern gelesen hab. Allerdings muss ich eins erwähnen, und zwar: Das Buch hat ein extrem offenes Ende! Dies hat mich überhaupt nicht gestört, im Gegenteil! Ich war froh, dass ich mit meinen Gedanken allein gelassen wurde. Aber nun gibt es Menschen, die unbedingt wissen wollen, wie es zu Ende geht und meiner Meinung nach, ist dieses Buch für diese Leser*innen nicht geeignet. Denn ich kann mir ganz gut vorstellen, wie sehr man sich darüber ärgern kann. Ansonsten ist es ein gutes Buch, das ich weiterempfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2022

Ein Lesegenuss!

Eine Frage der Chemie
0

Elizabeth Zott... Vollblut Chemikerin und Wissenschaftlerin. Eine selbstbewusste Frau, die nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist Ende 50'er Anfang 60'er, wo Frauen zu Hause bleiben ...

Elizabeth Zott... Vollblut Chemikerin und Wissenschaftlerin. Eine selbstbewusste Frau, die nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist Ende 50'er Anfang 60'er, wo Frauen zu Hause bleiben und Kinder großziehen und wenn überhaupt sie zur Arbeit gehen, nur als Sekretärin Anerkennung erhielten. Zott lässt sich nicht von Männer dominierten Welt kleinmachen und fängt als Labormitarbeiterin in Hastings Forschungsinstituts an zuarbeiten. Ein Institut, der gerade nicht mit seiner Gleichgerechtigkeit bekannt ist. Außer ihr Kollege, der Ruderprofi, Alleingänger, Nobelpreiskandidat Calvin Evans, der sich sofort in Elizabeth verliebt hat. Die beiden wurden ein Paar, trotz der Gesellschaftlicher-Druck um die Ehe, bleiben die unverheiratet und adoptieren einen Straßenhund. Nun wie in der Chemie, auch im Leben verändern sich die Zustände schnell und so findet sich Elizabeth Zott als alleinerziehende Mutter in einer TV-Kochshow vor der Kamera wieder...

Normalerweise halte ich mich von gehypten Romanen fern, denn erfahrungsmäßig funktioniert bei manchen Büchern das Marketing so gut, sodass ich mich am Ende meine verschwundene Lesezeit und um mein Geld bereue. Doch Ausnahmen zählen nicht und eins davon ist dieses Buch. Wohlverdienter Hype!

In einem lakonischen Stil, versüßt mit subtiler Ironie und herrlichem Humor, welches die Leser nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum Schulterzucken bringt, nimmt Bonnie Garmus uns zurück in den 60'ern. Es geht hier um Rollenbild, Sexismus, Missbrauch, Lügen und Betrüge. Garmus Figuren haben alle ihre Art und Weise ein schweres Päckchen zutragen, doch ihr ganz besonderer Erzählstil macht es alles erträglicher, mitfühlender und spannender. Obwohl das Ende für „meinem Geschmack“ zu dramatisch war und ich in der Meinung bin, dass die Autorin diese etwas kitschige Finale nicht wirklich gebraucht hatte, war diese Geschichte trotzdem ein Lesegenuss für mich. Absolute Leseempfehlung von mir!!!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.06.2022

Sehr offenherzig. Ein Muss für Slimani Fans!

Der Duft der Blumen bei Nacht
0

Leïla Slimani...40 Jahre alt, französisch-marokkanische Schriftstellerin, geboren und gewachsen in Rabat/Marokko. Mit 18 Jahren ging sie nach Paris, studiert Medien und Politik und arbeitet als Journalistin. ...

Leïla Slimani...40 Jahre alt, französisch-marokkanische Schriftstellerin, geboren und gewachsen in Rabat/Marokko. Mit 18 Jahren ging sie nach Paris, studiert Medien und Politik und arbeitet als Journalistin. Sie ist einer der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs und wurde sie mit ihrer Kurz-Psyche-Thriller „Dann schlaf auch du“ mit dem Prix Goncourt, der wichtigste französischer Literaturpreis, ausgezeichnet. Mit ihrem letztem autobiografischen Roman „Der Duft der Blumen bei Nacht“ nimmt sie uns nach Venedig, genauer gesagt in Punta della Dogana mit. Ein Museum, die wir mit Slimani eine Nacht lang barfuß besichtigen dürfen. Eine Nacht auf einer ungewohnten Umgebung, allein auf sich gestellt und in die Einsamkeit gehüllt, taucht sie in ihren Kindheitserinnerungen ein. Mit ihrer unverwechselbarer ruhige aber ausdrucksstarke Sprache gewährt sie uns sehr persönliche Einblicke. Sehr ehrlich, stellenweise tief berührend und immer wieder durch Selbstironie geschmückte Texte ein Lächeln verzaubernd, lässt Leïla Slimani über ihre Schultern gucken.

Wer, wie ich, die Bücher von Slimani liebt und schätzt und gern wissen möchte, wie sie die Geschichten schreibt, muss dieses Buch unbedingt lesen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.06.2022

Bildgewaltig, spannend, berührend

Wo die Wölfe sind
0

Schon zwei Jahre her, dass ich McConaghy's Debütroman „Zugvögel“ mit großer Begeisterung gelesen hab, daher war meine Erwartung zu hoch und hab mich mit Fingerspitzen an das Buch herangetastet. Doch meine ...

Schon zwei Jahre her, dass ich McConaghy's Debütroman „Zugvögel“ mit großer Begeisterung gelesen hab, daher war meine Erwartung zu hoch und hab mich mit Fingerspitzen an das Buch herangetastet. Doch meine Sorgen waren umsonst, denn die australische Autorin bleibt an ihre Passion treu und erzählt wieder über die Natur, Tierwelt und menschliche Psychologie.

Diesmal nimmt Charlotte McConaghy uns mit Ihrer Protagonistin Inti Flynn in das schottische Hochland. Die junge Biologin und ihr Team lieben und leben mit den Wölfen und wollen nur eins: Die wilden Tiere wiederanzusiedeln und damit auch Jahrzehnt zerstörten Landschaft retten. Doch die Highlander teilen deren Begeisterung nicht und äußern sie sich nicht nur öffentlich skeptisch, sondern stellen die bei jeder Gelegenheit Intis Taten auf die Goldwaage. Obwohl Inti innerlich sehr sensibel ist, gibt sich nicht klein. Bis einer der Dorfbewohner tot aufgefunden wird...

Wer hier eine Geschichte nur über Wölfe erwartet, täuscht sie sich! Denn die junge Autorin hat viele Themen, wie Gewalt an Frauen, Macht und Machtlosigkeit, Klimawandel aufgegriffen. Natürlich geht es im großen um die Wölfe -was allerdings sehr lehrreich ist-, aber es geht auch um die Liebe. Liebe an die Natur, Geschwisterliebe, Liebe zu einem Mann. Sehr umfangreiche Story, sodass man beim Lesen keine Langeweile spürt.
Obwohl „Wo die Wölfe sind“ sprachlich nicht an den „Zugvögel“ heranreicht, ist Charlotte McConaghy trotzdem ein spannendes, bildgewaltiges Roman gelungen, welches mich sehr berührt und nachdenklich zurückgelassen hat. Absolut lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2022

60 Jahre Almanya

Dschinns
0

Im Oktober 1961 kamen die ersten türkische Gastarbeiter nach Deutschland. Überwiegend Männer, die in der Türkei als Bauer, Bauarbeiter oder Handwerker tätig waren. %90 der Männer hatten nur ein Ziel: genug ...

Im Oktober 1961 kamen die ersten türkische Gastarbeiter nach Deutschland. Überwiegend Männer, die in der Türkei als Bauer, Bauarbeiter oder Handwerker tätig waren. %90 der Männer hatten nur ein Ziel: genug Geld fürs eigene Ackerland oder Betrieb sparen und wieder zurückkehren. Doch alles kam anders als geplant! Wer in Deutschland einigermaßen auf den eigenen Beinen stehen konnte, blieb und holt seine Familie nach. Mittlerweile leben in Deutschland ca. 3-Millionen türkeistämmigen Menschen. Eine Familie davon sind die Yilmazs...

Der Herr des Hauses Hüseyin Yilmaz stirbt unerwartet nach 30 Jahre harter Arbeit, kurz vor der Rente, in Istanbul. Übrig bleibt sein Lebensziel: ein Eigenheim in der Türkei. „Kötü haber tez duyulur“, sagt man in der Türkei. Das heißt, die schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell und so erfährt der Rest der Familie von Hüseyins Tod mitten in der Nacht in Deutschland. Die Ehegattin Emine und die jüngsten Kinder Perihan und Ümit nehmen den erst besten Flug. Der zweitältester Sohn Hakan rast 3000 Km durch die Länder durch, die Älteste Tochter verpasst ihr Flug und landet einen Tag nach der Beerdigung in Istanbul. Und wir, die Leser*innen reisen in den Gedanken von der sechsköpfigen Gastarbeiterfamilie. Einer türkische Familie, deren Leben zwischen Tradition und Moderne pendelt...

Einfühlsam, bewegend und sorgfältig gewählten, haargenau an ihre Figuren passende Sprache erzählt Fatma Aydemir über eine Familie. Eine Einwandererfamilie, die nirgendwo wirklich hingehört. In der Türkei sind die „Almanci“ die Nachbarn mit Bügeleisen aus Deutschland beschenken müssen, damit die hinter-gebliebenen Eltern ab und zu mal vorbeischauen. In Deutschland sind die Ausländer oder wie Hakan es immer sagt: Kanaken. Es sind zwar Tatsachen für die außenstehende Leser sehr interessant und authentisch wirken, allerdings für die Leute, die in dem türkischen Kreis aufgewachsen sind, sind es nah an der Grenze von Kitsch und Klischee. Die Geschichte fängt beinahe herzzerreißend mit Vater Hüseyins Kapitel an und nach und nach erzählen die Kinder aus deren eigenen Leben und mit eine dramatische Szene schließt die Mutter Emine den Story. Sechs verschiedene Menschen bringen viele unterschiedliche Probleme, Sorgen und Kummer. Obwohl der Beginn sehr überzeugend war, verliert das Buch in der Mitte durch viele Angelegenheiten sein Zog-Kraft. Für mich war es etwas vollgeladen mit Themen. Trotz meiner Kritikpunkte habe ich es sehr gern gelesen und ich kann es nur weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere