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Veröffentlicht am 05.06.2022

Distanziert aber gut

Das Leben eines Anderen
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Akira Kido... Ende dreißig, verheiratet, Vater eines vierjährigen Sohnes und Scheidungsanwalt. Schon acht Jahre her, dass Kido seine Klientin Rie bei ihrer erster Scheidung unterstützt hat. Nun wendet ...

Akira Kido... Ende dreißig, verheiratet, Vater eines vierjährigen Sohnes und Scheidungsanwalt. Schon acht Jahre her, dass Kido seine Klientin Rie bei ihrer erster Scheidung unterstützt hat. Nun wendet sich Rie zum zweiten Mal an Kido, nur diesmal gibt es kein Trennung, sondern ein Todesfall. Ries zweite Ehemann, mit dem sie vier Jahre verheiratet war, stirbt plötzlich und nach seinem Tod erfährt Rie, dass ihr Mann nicht derjenige war, der sie geglaubt hat: sein Name, seine Vergangenheit, seine Personalakte, sein da-sein... alles ist gefälscht. Kido, selbst mit seinem Leben und mit seiner Ehe hadert, fängt an, den Fall recherchieren und deckt dabei ein komplexes System von Identitätstausch auf.

Vornweg: wer hier wegen der Thematik eine Kriminalgeschichte hofft, muss ich die diejenige enttäuschen. Es geht zwar um die Suche von der Herkunft von Ries verstorbenen Ehemann, doch die Story bietet viel mehr. Unter anderem thematisiert der Autor die Beziehungen zwischen Japaner und Koreaner, was ich sehr interessant fand. Allerdings dies oder andere Handlungen wurden nicht durchgehen in der Erzählung eingebaut. Man muss hier einiges zwischen den Zeilen lesen, dafür viel Geduld und Aufmerksamkeit mitbringen. Persönlich lese ich sehr gerne japanische Literatur, dementsprechend habe ich keine Schwierigkeiten mit den Dialogen oder mit den Namen. Doch wer bis jetzt ganz wenig oder gar keine Romane aus Japan gelesen hat, ist dieses Werk nicht als Einstiegsbuch geeignet. Denn der Schreibstil von Keiichirō Hirano ist recht sachlich, beinahe kühl, wodurch die einige Textabschnitte für uns Europäer befremdlich wirken können.

Trotz meine Kritikpunkte habe ich das Buch sehr gerne gelesen und kann es an die Japan und japanische Literatur Liebhaber nur ans Herzlegen.

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Veröffentlicht am 01.06.2022

Sehr mutige Story

Kangal
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Kangal: Der in Anatolien/Türkei verbreiteter Herdenschutzhund. Wachsam, Ausgeglichen, Selbstbewusst, treu und ohne jegliche Aggressivität. Doch wenn es um Schutz von seiner Herde geht, kann er sehr bedrohlich ...

Kangal: Der in Anatolien/Türkei verbreiteter Herdenschutzhund. Wachsam, Ausgeglichen, Selbstbewusst, treu und ohne jegliche Aggressivität. Doch wenn es um Schutz von seiner Herde geht, kann er sehr bedrohlich sein.
Kangal1210: Deckname von einer jungen Türkin. Engagiert, Entschlossen, Zielbewusst, Mutig. Wenn es um hart auf hart kommt, beinahe furchtlos. Beinahe..

Schon seit Jahren spüren Dilek, ihr Freund Tekin und deren Freunde die Veränderungen in der Türkei. Nach dem Putschversuch in 2016 war es dann endgültig vorbei mit der Meinungsfreiheit. Wer gegen die Regierung kritisch äußert, kriegt seine Strafe. Dilek ist Kangal1210. Kangal1210 ist eine oppositionelle und aktiv auf dem verbotenen Sozialnetzwerken. Als ihre lesbische Freundin ins Gefängnis landet, fürchtet Dilek um ihr Leben. Sie steigt in das erst beste Flugzeug und flüchtet nach Deutschland. In Frankfurt besucht sie ihre Cousine Ayla, die früher wie ihre Schwester war. Doch die Zeiten, die beiden jede Sommerferien zusammen gebracht haben, sind vorbei und wenn noch der Politik dazwischen kommt, gehen nicht nur Meinungen auseinander...

Unerschrocken, manchmal knallhart, doch überwiegend nüchtern und zynisch erzählt Schentke über die jungen Türken, die in der heutigen Türkei und in Deutschland leben. Wenn man als türkeistämmige Mensch im Ausland dortigen Ereignisse folgt, versteht man alles nicht so recht. Man achtet zwar schon was und mit wem man redet, aber die Auswirkung ist halt nicht wirklich wie in der Türkei. Mir ist die Thematik bekannt, daher kann ich es auch eins beurteilen, und zwar: Die Autorin trifft hier den exakten Ton von einige türkische Bürger*innen sowohl im Inland und Ausland erleben. Doch meine Meinung nach konnte die Autorin aus diesem Thema mehr herausholen. Denn das Buch hat gerade mal 200 Seiten und die Kapitel sind zu kurz, um aus drei Perspektiven erzählten Story gefühlsvoll hineintauchen zu können. Mir hat hier die Tiefe gefehlt. Nichtsdestotrotz... es ist eine sehr mutige Geschichte, besonders für diejenigen, die diese Thematik nicht kennen, sehr interessant und Meinungsbildend sein kann.

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Veröffentlicht am 17.04.2022

Melancholisch und poetisch

Geschichte einer großen Liebe
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1978. Edith und Andrea begegnen sich zum ersten mal auf einer Überfahrt von Venedig nach Piräus. Sie ist eine frisch gebackene Abiturientin, rebellisch, voll mit Lebensenergie. Er ist ein zehn Jahre älterer ...

1978. Edith und Andrea begegnen sich zum ersten mal auf einer Überfahrt von Venedig nach Piräus. Sie ist eine frisch gebackene Abiturientin, rebellisch, voll mit Lebensenergie. Er ist ein zehn Jahre älterer Kapitän des Schiffes, ohne bestimmten Hafen. Schon ab dem ersten Augenkontakt an, spüren die beiden gegenseitige Anziehungskraft. Besonders Andrea ist begeistert von Edith. Die beiden verabschieden sich, treffen sie sich wieder, erst entwickelt sich zwischen den beiden eine Freundschaft, dann eine Art von einer offenen Beziehung. Andrea, verliebt in Edith, löst seine Verlobung und macht ein Heiratsantrag, doch die freiheitsliebende Edith weist ihn zurück und taucht ab. Nach Jahren Funkstille stoßen die beiden aufeinander auf eine andere Ecke der Welt zusammen und ab da erleben die beiden all die Höhen und Tiefen des Lebens zusammen.

Rückblickend, aus der Sicht von Andrea, sprachgewaltig, poetisch, sogar beinahe philosophisch erzählt die Bestsellerautorin Susanna Tamaro über eine Liebe. Eine große Liebe, die viele Schicksalsschläge ertragen musste. Es klingt jetzt vielleicht wie eine Rosa-Rote-Liebesgeschichte, ist es aber nicht. Tamaro schnitt ein Stück aus der realen Welt ab, greift Themen wie Tod und Trauer, Jungsein und Altwerden. Ihre Charaktere sind wie einer von uns, haben eigene Lasten zu tragen, treffen manchmal die falschen Entscheidungen und sind lebendig. Doch egal wie gut das Buch geschrieben wurde, konnte es mich nicht hundertprozentig überzeugen. Vielleicht liegt es daran, dass die Geschichte in kurzen Kapitel und in teils großen Zeitsprüngen erzählt wurde, aber vielleicht auch daran, weil ich mich keiner der beiden Charaktere identifizieren konnte, ich weiß es nicht. Auf jedenfalls fehlte mir hier ein gewisse Etwas. Nichts ist trotzdem eine herzerwärmende Liebesgeschichte.

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Veröffentlicht am 07.04.2022

Kurzweilig und lesenswert

Die Diplomatin
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Friederike Anderman, genannt auch Fred ist Ende Vierzig, geboren in der DDR, Tochter von einer alleinerziehenden Mutter, die damals nach BRD geflüchtet ist, aber mittlerweile seit Jahrzehnten in Hamburg ...

Friederike Anderman, genannt auch Fred ist Ende Vierzig, geboren in der DDR, Tochter von einer alleinerziehenden Mutter, die damals nach BRD geflüchtet ist, aber mittlerweile seit Jahrzehnten in Hamburg lebt. Sie ist eine erfahrene deutsche Botschafterin, war in Bagdad tätig als die Bomben aus der Himmel fielen und arbeitet im Moment in Montevideo/Uruguay. Doch dann wird eine deutsche Bloggerin, Tochter von einer der einflussreichsten deutschen Familien in Uruguay, vermisst. Fred schenkt dem Fall nicht genügend Aufmerksamkeit und wurde als „Strafe“ in der Türkei, genauer gesagt in politisch chaotischen Istanbul versetzt. Istanbul... Millionenmetropole und Schlagader von der Türkei und genau hier wartet sie noch einmal ein harte Schlag...

Schnörkellos, zynisch und mit einer Prise schwarzen Humor versüßt erzählt die Bestsellerautorin Lucy Fricke über eine Konsulin, die den glauben an die Diplomatie verloren hat. Ihr Figur pendelt Zwischen Moral und Politik und diplomatische und private Affäre hin und her. Fred war für mich am Anfang ein gefühlloser Charakter, ein Prototyp von einer Frau, die ihre Karriere vor ihre Familienplanung bevorzugt. Doch je weiter ich gelesen hab, desto mehr konnte ich sie verstehen. Fricke nimmt die deutsch-türkischen Zusammenarbeit unter die Lupe und übt dabei Kritik an beiden Regierungen, obwohl das ziemlich gefährlich werden konnte. Haarscharf recherchiert, sehr bildhaft leuchtet sie in eine höchst Geheime Welt und gibt einige Einblicke lehrreiche, politische Einblicke frei. Ein Roman, der geopolitisch nicht aktuell sein kann. Sehr empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 25.03.2022

Eine leichte, vergnügliche Unterhaltung

Meter pro Sekunde
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Eine junge Mutter zieht mit ihrem Freund und ihr neugeborenem Sohn von Kopenhagen in die westjütländisches Velling, wo die Kühe mehr muhen als Menschen reden. Ein Ort, der Herausforderungen mitbringt, ...

Eine junge Mutter zieht mit ihrem Freund und ihr neugeborenem Sohn von Kopenhagen in die westjütländisches Velling, wo die Kühe mehr muhen als Menschen reden. Ein Ort, der Herausforderungen mitbringt, denn hier ist man lieber unter sich und Plaudereien, insbesondere über Liebesakten sind unerwünscht. Der „Liebster“ der namenlosen Protagonistin nimmt eine Stelle in der Vellinger-Heimvolkshochschule als Lehrer an. Er ist jung, charmant, wird von Abiturientinnen angehimmelt und findet sofort Einschluss. Währenddessen versucht die Erzählerin Freundschaften zuschließen, nimmt etliche Fahrstunden um endlich ihren Führerschein zu bekommen und fängt als „Kummerkasten Tante“ die Briefe von Leser dei der Lokalen Zeitung antworten. Zwischen Schlaflosigkeit und Entwicklungssorgen, worunter die frisch gebackenen Müttern nun mal leiden, versucht sie mit aller Kraft die Vellinger zu verstehen, wenn sie die dafür sogar stalken muss...

„Meter pro Sekunde“ ist einer der erfolgreichsten Romanen der letzten Jahre in Dänemark und bekam in 2020 vom dänischen Buchhändlerklub den Goldenen Lorbeer Literaturpreis. Ob es auch in Deutschland ein Verkaufsschlager werden wird, habe ich allerdings meine Verzweiflung. Es ist ein ruhiger, leichter Unterhaltungsroman, welcher nicht so besonderes ist, trotzdem liest man es gern, was man aber schnell wieder vergisst. Pilgaard schildert sehr bildhaft die Erlebnisse, Gefühle und Gedanken der jungen Mutter und stichelt dabei all die Müttern mit ihrer Art. Ihre Erzählweise kann für den ein oder anderen humorvoll wirken, für mich war es eher gewollt übertrieben, sogar stellenweise ins Lächerliche gezogen. Ich meine: wer über eine Frau, die 78 Fahrstunden für ihren Führerschein braucht oder über ein ein-jähriges Baby, der ständig Muh ruft, lachen kann, bitteschön! Ich persönlich, als Frau und Mutter, kann ich über solche Situationen nicht lachen.

Ein ganzes Schuljahr lang begleiten wir die Protagonistin auf kurzen Kapiteln. Mal lesen wir ihre Kummerkasten-Briefe, mal einige Liedtexte und immer wieder aus ihr Leben. Sie sammelt viele Erfahrungen, macht Fortschritte, verzweifelt an sich, kämpft mit sich als Frau und Mutter. Die Story ist an sich nichts Neues, aber trotzdem hat es mir nette Lesestunden geschenkt. Wer etwas Abwechslung aus dem eigenem Alltag und ruhige, atmosphärische Geschichten sucht, ist hier richtig.

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