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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.02.2017

Herausragend und hochgradig beklemmend

Ich bin böse
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INHALT:
Die 15-jährige Milly wächst schwer traumatisiert in einer Pflegefamilie auf. Eine neue Identität soll alle Spuren zu ihrer Vergangenheit verwischen. Denn Milly ist die Tochter einer Serienmörderin. ...

INHALT:
Die 15-jährige Milly wächst schwer traumatisiert in einer Pflegefamilie auf. Eine neue Identität soll alle Spuren zu ihrer Vergangenheit verwischen. Denn Milly ist die Tochter einer Serienmörderin. Und diese konnte nur gefasst werden, weil Milly der Polizei entscheidende Hinweise gegeben hatte. Jetzt wird ihrer Mutter der Prozess gemacht, und Milly wird plötzlich von Gewissensbissen heimgesucht. In ihrer Pflegefamilie findet das Mädchen keine Unterstützung, um diese schwere Zeit zu überstehen – im Gegenteil: Phoebe, die leibliche Tochter, hasst Milly von ganzem Herzen und versucht mit allen Mitteln, ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen. Und damit weckt sie in Milly eine verborgene Seite. Eine böse Seite. Denn Milly ist die Tochter ihrer Mutter...

MEINUNG:
Obwohl Millys Mutter im Gefängnis sitzt, ist sie für Milly immer noch stets präsent. Milly spricht in dem Buch immer von „Du“ als ob sie mit ihr direkt sprechen würde. Es gelingt ihr schwer sich von ihr zu lösen. Es ist erschreckend, dass Milly sich nicht sicher fühlt, obwohl sie doch in Sicherheit zu sein scheint. Ihre Angst kriecht förmlich durch jede Seite. Man hat immer den Eindruck, dass ihre Mutter übermächtig zu sein scheint. Wenn man darüber weiter nachdenkt, dann kann man davon ausgehen, dass viele Opfer von physischer und psychischer Gewalt immer noch von ihrem Peiniger beeinflusst werden, obwohl dieser im Gefängnis ist oder vielleicht schon gar nicht mehr lebt. Die Autorin weiß hier, von was sie schreibt, denn sie ist Psychologin und hat mit solchen Jugendlichen zusammen gearbeitet. Jugendliche wie Milly sind dauerhaft geschädigt und ein normales Leben wird nie mehr möglich sein.
Das Buch beschäftigt sich unterschwellig immer mit der zentralen Frage, wie viel Schaden Millys Mutter in ihr angerichtet und inwieweit sie ihre psychopatischen Wesenszüge wohl geerbt haben könnte. Ihre körperlichen Schäden werden nur angedeutet und nicht voller Gänze beschrieben, aber es genügt schon, um sich in seiner Fantasie ganz furchtbare Dinge auszumalen.
Die Autorin verwendet durchgehend relativ kurze Sätze. In den Schreibstil musste ich mich erst reinfinden, aber das ging relativ schnell. Die kurzen Sätze hinterlassen schnell die vermutlich gewünschten Gefühle wie Grauen, Angst, Beklemmung und auch Fassungslosigkeit, aber auch Spannung ab der ersten Seite.
Mit Milly hat man natürlich Mitleid, weil sie ja das Opfer ist, aber es fiel mir schwer sie so richtig zu durchschauen. Es bleibt immer die Frage, ob sie einem vielleicht nicht etwas vorspielt. Ich möchte gar nicht weiter viel dazu sagen, denn Milly muss hier einfach selbst erleben, denn sie ist die zentrale Person des Romans. Auch am Ende, weiß ich nicht, was ich von ihr halten soll. Mir stellt sich immer noch die Frage, ob sie nur Opfer ihrer Mutter ist oder ob an dieser Vererbbarkeit ihrer Wesenszüge etwas dran ist.
Die Autorin hat sich bei ihrem Roman von Herr der Fliegen inspirieren lassen, was sich vor allem in den Szenen in der Schule und dem Verhältnis zu Phoebe widerspiegelt, die keine Gelegenheit auslässt Milly auf sehr üble Weise zu schikanieren. Auch hier tun sich wirkliche Abgründe auf.

Nach Beendigung des Romans hatte ich erstmal das dringende Bedürfnis ein fröhliches, unverfängliches Buch zu lesen, um meine Gedanken von diesem düsteren Buch wegzutreiben. Man kann auch nicht wirklich von einem Happy End sprechen, sondern es hinterlässt einen verdammt schalen Nachgeschmack und so ein bisschen bekommt man Zweifel an dem Glauben an das Gute im Menschen. Auch wenn es sich um eine fiktive Geschichte handelt, glaube ich keinesfalls, dass das so in der Realität nicht passieren kann.

FAZIT:
Der Psychothriller ist faszinierend und abstoßend zu gleich. Auch wenn die Abgründe, die sich aufgetan haben immer größer wurden, konnte ich nicht aufhören zu lesen. Es ist definitiv nichts für Zartbesaitete und nach dem Ende fällt es erst einmal schwer noch an das Gute im Menschen zu Glauben. Man sollte sich im Klaren sein, dass man hier keine leichte Kost bekommt. Insgesamt ein herausragendes Debüt und mit keinem Psychothriller vergleichbar, den ich bisher gelesen habe. Eine Geschichte, bei der ich keine Zweifel habe, dass es genauso auch in der Realität passieren könnte.
Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 21.02.2017

Von Schirach kann es einfach

Schuld
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INHALT:
Ein Ehemann quält jahrelang seine junge Frau. Ein Internatsschüler wird fast zu Tode gefoltert. Ein Ehepaar verliert die Kontrolle über ihre sexuellen Spiele. Ein Mann wird wegen Kindesmissbrauchs ...

INHALT:
Ein Ehemann quält jahrelang seine junge Frau. Ein Internatsschüler wird fast zu Tode gefoltert. Ein Ehepaar verliert die Kontrolle über ihre sexuellen Spiele. Ein Mann wird wegen Kindesmissbrauchs angeklagt. Leise, aber bestimmt stellt Ferdinand von Schirach die Frage nach der Schuld des Menschen.

MEINUNG:
Ferdinand von Schirach, Strafverteidiger mit renommierter Kanzlei in Berlin, schildert in seinem zweiten Erzählband "Schuld" erneut reale Fälle aus dem anwaltlichen Alltag, erzählt Geschichten aus der juristischen Praxis, die sich zumindest in ihren Grundzügen auch in der Realität so abgespielt haben.
Die Frage nach Schuld und Unschuld, der Blick in die Abgründe menschlichen Seins, das Nachdenken über die Justiz faszinieren immer. In diesem kurzen Buch trägt er in knapper Sprache, zuweilen fast skizzenhaft, Fälle vor, bei denen man sich immer wieder fragt, ob hier Wirklichkeiten beschrieben werden oder ob der Verfasser Fälle konstruiert hat, um auf bestimmte Probleme aufmerksam zu machen.

Ferdinand von Schirachs Sprache fesselnd mich jedes Mal aufs Neue und das trotz der Kürze seine Werke. Genau diese Reduzierung der Wort ohne ausschweifend zu werden, schafft die Intensität in von Schirachs Werken. Seine geschilderten Fälle sind alle sehr unterschiedlich. Nicht immer kann die Schuldfrage eindeutig beantwortet werden und häufig erwischte ich mich auch dabei, dass manche Tat rechtlich gesehen zwar strafbar ist, aber moralisch gesehen irgendwie dennoch richtig ist, z.B. wenn sich eine Ehefrau endlich gegenüber ihrem gewalttätigen Ehemann wehrt. Zwischen Recht und Moral ist häufig ein schmaler Grat. Diesen Aspekt hat von Schirach auch bereits in seinem neusten Werk Terror verdeutlicht.

Die Fälle sind alle sehr unterschiedlich und rufen im Leser eine bunte Palette an Gefühlen hervor, die von schmunzelnd bis völlig schockiert alles bereithalten. Einig Fälle werden sich nicht in meinem Gedächtnis festsetzen, aber andere wiederum schon. Mir hat besonders gut gefallen, dass von Schirach hier ganze verschiedene Stories ausgewählt hat, deren Ausgang auch immer unterschiedlich war und keiner glich dem anderen. Alle gemeinsam ist dennoch, dass sie so manchen Blick in den Abgrund menschlicher Seelen und Psyche wirft. Von Schirach ist nicht immer zu beneiden bei seiner Tätigkeit als Anwalt, vor allem dann wenn er den Täter verteidigen muss.

FAZIT:
Mal wieder hat mich von Schirach mit seiner klaren und schnörkellosen Sprachen eingefangen, ja schon hypnotisiert. Trotz der Kürze des Werkes bleibt es einem im Kopf und klingt noch lange nach. Viele der Fälle regen auch zum Nachdenken kann. Es ist definitiv ein Büchlein, zu dem ich definitiv nicht zum letzten Mal gegriffen haben werde.
Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 25.01.2017

Beklemmendes Debüt

Saving Grace - Bis dein Tod uns scheidet
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INHALT:
Grace und Jack Angel sind das perfekte Paar. Die dreiunddreißigjährige Grace ist warmherzig, liebevoll, bildhübsch. Jack sieht gut aus, ist charmant und kämpft als renommierter Anwalt für die ...

INHALT:
Grace und Jack Angel sind das perfekte Paar. Die dreiunddreißigjährige Grace ist warmherzig, liebevoll, bildhübsch. Jack sieht gut aus, ist charmant und kämpft als renommierter Anwalt für die Rechte misshandelter Frauen. Aber sollte man Perfektion jemals trauen? Warum zum Beispiel kann Grace auf Dinnerpartys so viel essen und nimmt doch niemals zu? Warum umgibt ein hoher Zaun Jacks und Graces wunderschönes Haus? Doch wenn man Grace danach fragen möchte, stellt man fest, dass sie nie allein ist. Denn Jack ist immer – wirklich immer – an ihrer Seite …

MEINUNG:
Schon auf den ersten 50 Seiten setzt eine leichte Beklemmung ein. Der Klappentext deutet bereits an, dass etwas in der Ehe zwischen Grace und Jack nicht stimmt. Dennoch hat man zunächst keine Vorstellung, wie schlimm es wirklich ist. Nach und nach enthüllt die Autorin welches Martyrium Grace ertragen muss und da haben sich mir wirklich die Nackenhaare aufgestellt, vor allem weil es für scheinbar kein Entkommen gibt.

Die Autorin verzichtet hier völlig auf blutige Gewaltszenen. Die Gewalt ist psychischer Natur, sehr subtil und immer unterschwellig. Jack hat Grace in der Hand und das spürt man von Anfang an. Auch die Angst, die Grace durchsteht ist immer präsent. Die Geschichte wird abwechselnd zwischen Gegenwart und Vergangenheit aus Grace Sicht erzählt bis sich beide Handlungsstränge dann treffen. Die Vergangenheit gibt Aufschluss darüber, wie Grace und Jack sich kennen gelernt haben und wie sie in ihre derzeitige Lage gekommen ist, weil das kann man sich einfach nicht vorstellen. Doch Jack ist ein absoluter Psychopath und hat alles bis ins kleinste Detail durch dacht. Trotz aller Drohungen versucht Grace immer wieder zu fliehen und ihrer Situation zu entkommen. Nur ist Jack ihr immer einen Schritt voraus.

Es ist mir schwer gelungen, dass Buch aus der Hand zu legen, weil der Wunsch, dass Grace irgendwie schafft zu entkommen immens hoch ist und man immer nur hofft, dass sich eine Gelegenheit bietet zu fliehen. Das Buch ist definitiv nichts für zarte Gemüter, vor allem schon deswegen nicht, weil der Täter hier der eigene Ehemann ist und das oft nur schwer zu ertragen war. Graces pure Verzweiflung ist immer da, aber sie gibt auch nicht auf.

FAZIT:
Bis auf einige kleine Schwächen ist es ein super spannender, gut ausgearbeiteter Psychothriller, den man schwer aus der Hand legen kann und der einem wirklich das Fürchten lernt. Der aber auch die Grenzen des Ertragbaren auszuloten weiß. Ich bin gespannt auf die nächsten Romane der Autorin!
Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 17.01.2017

Anders als der erste Teil aber genauso gut

The Mistake – Niemand ist perfekt
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INHALT:
College-Eishockey-Star Logan ahnt nicht, dass er die richtige Frau am falschen Ort trifft, als er sich eines Nachts im Zimmer irrt und aus Versehen bei Grace im Bett landet. Das erste Kennenlernen ...

INHALT:
College-Eishockey-Star Logan ahnt nicht, dass er die richtige Frau am falschen Ort trifft, als er sich eines Nachts im Zimmer irrt und aus Versehen bei Grace im Bett landet. Das erste Kennenlernen verläuft dementsprechend verheerend. Trotzdem geht ihm dieses hübsche, scharfzüngige Mauerblümchen fortan nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie muss er es schaffen, dass sie ihm eine zweite Chance gibt. Schade nur, dass Grace nicht vorhat, auf seine Annäherungsversuche einzugehen – wobei es ihr durchaus Spaß macht, diesem selbstverliebten Frauenheld dabei zuzusehen, wie er es immer wieder bei ihr versucht.
MEINUNG:
The Mistake ist der zweite Teil der Off-Campus Reihe von Elle Kennedy. The Deal habe ich bereits im Sommer 2016 gelesen. Man kann die Geschichten unabhängig voneinander lesen, aber es besteht die Gefahr, dass man sich spoilert, wenn man The Deal erst nach The Mistake liest. Die Charaktere kommen nämlich auch im zweiten Teil vor und auch einige Infos. Ich habe mich gefreut, dass Garrett und Hannah aus The Deal wieder dabei waren.
Die Geschichte von Logan und Grace ist eine andere als die Garrett und Hannah, aber nicht weniger unterhaltsam und liebenswert. In dem Fall haben nicht beide ein schweres Päckchen zu tragen, sondern nur Logan. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Logan und Grace erzählt. Besonders Logans Sicht fand ich unfassbar amüsant. Ich bin mal wieder überrascht, wie es Elle Kennedy schafft als weibliche Autorin eine wirklich authentische männliche Sicht zu präsentieren, die sich auch deutlich von der weiblichen absetzt. Sie gibt den Leser einen Einblick, wie Männer mit Konflikten untereinander umgehen und ich fand es sehr spannend, wie diese gelöst werden und wie schnell sich die vormals angespannte Stimmung umschlägt, wenn man eine gemeinsame Leidenschaft entdeckt (z.B. für PC-Spiele).
Grace ist zwar noch Jungfrau, aber sie weiß, was sie will und das auf ganzer Linie. Ich fand sie unglaublich stark in ihrer Persönlichkeit, obwohl sie noch sie noch so jung ist. Ausnahmsweise hat sie kein schweres Schicksal zu tragen, sondern ruht quasi in sich. Ihre Leidenschaft für Action-Filme und dass sie ihre Nervosität mit viel Reden überspielt fand ich sehr sympathisch. Logan fand ich großartig. Seine flapsige, humorvolle Art hat mich oft zum Lachen gebracht und war auch total seinem Alter entsprechend. Auf der anderen Seite ist aber auch sehr gewissenhaft und trägt die Verantwortung, die ihm seine familiäre Situation aufbürdet. Beide sind ein tolles Paar, deren Liebe und Zuneigung sich völlig kitschfrei entwickelt. Natürlich gibt es Konflikte, aber diese werden nachvollziehbar gelöst. Vor allem bleiben beide sich selbst treu und man hat nicht das Gefühl, dass es zwischen den beiden ein Ungleichgewicht gibt.
Die Liebesgeschichte der beiden entwickelt sich aus einem Zufall heraus und verläuft bis zu einem gewissen Punkt auch sehr unkompliziert, aber auch danach gibt es kein riesiges Drama, was man sonst aus den Romanen kennt. Logan familiäre Situation ist, aus der sich auch seine Zukunft ableitet, ist auch kein Geheimnis zwischen den beiden. Dadurch mag der gewisse Spannungsfaktor fehlen, den man sonst immer hat. Im letzten Drittel des Buches gab es daher eine minimale Länge und ich habe mich gefragt, wie das Ganze wohl ausgehen wird, aber Elle Kennedy hat es gut gelöst und den Epilog fand ich sehr schön .

Am 02. Juni 2017 erscheint der dritte Teil der Reihe und ich freue mich sehr darauf.

FAZIT:
Die Off-Campus Reihe von Elle Kennedy ist für mich einer der besten, die das Genre New Adult zu bieten hat. Trotz einiger minimalen Schwächen, konnte mich dieser Band wieder restlos begeistern und unterhalten, was vor allem an Elle Kennedys Ausarbeitung der Personen liegt. Im Vergleich zum ersten Band ist er etwas ruhiger. Eine große Leseempfehlung von mir!
Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 12.01.2017

Großartige Literatur

Die Ehefrau
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INHALT:
Joan Castleman hat ihrem Mann alles geopfert – sogar ihr Talent. Sie führt ein Leben in zweiter Reihe, ein Leben als Mutter und Muse. Sie ist die Frau des berühmten Schriftstellers Joe Castleman. ...

INHALT:
Joan Castleman hat ihrem Mann alles geopfert – sogar ihr Talent. Sie führt ein Leben in zweiter Reihe, ein Leben als Mutter und Muse. Sie ist die Frau des berühmten Schriftstellers Joe Castleman. Einst war er ihr Dozent für Kreatives Schreiben und sie seine begabteste Studentin. Ihm zuliebe hat sie ihre Karriere aufgegeben. Nun, Jahre später, steht Joe vor der Krönung der seinen: Ihm soll der renommierte Helsinki-Preis verliehen werden. Für Joan ist das der Anlass, während des langen Fluges zur Preisverleihung ihre Ehe zu rekapitulieren. Sie nimmt den Leser mit an den Anfang der Beziehung ins Amerika der Fünfzigerjahre – und führt ihn in die literarischen Zirkel der Achtzigerjahre. Vor allem aber hinterfragt sie ihre Rolle als Ehefrau, in der sie Joe hassen gelernt hat – nicht nur seiner zahlreichen Seitensprünge wegen. Die eigentliche Demütigung ist ganz anderer Natur …

MEINUNG:
Der Einstieg in den Roman gelang mir nicht ganz so leicht, was aber normal ist, wenn man ein anspruchsvolleres Buch liest, fernab der ganzen Jugendbücher etc. Meg Wolitzer bedient sich außerdem gerne und oft an wahren Bandwurmsätzen, die über mehreren Zeilen gehen. Der Roman enthältweiterhin nur sehr wenig wörtliche Rede, aber nach gut 50 Seiten war ich drin und völlig gefesselt.
Die Verleihung des Helsinki-Preises stellt die Rahmenhandlung des Romans dar, in die Meg Wolitzer ganz geschickt verschiedene Rückblenden und Schlüsselszenen aus der Vergangenheit eingeflochten hat. Mit diesen Szenen kann man sich ein Bild machen, wie Joe und Joan zusammen gekommen sind, wie ihre Ehe verlaufen ist und wie es dazu gekommen ist, dass Joan den Entschluss gefasst hat, Joe zu verlassen. Die Rückblenden nehmen dabei den größten Teil des Romans ein und diese fand ich auch am interessantesten, weil sie mit so viel Liebe zur Sprache und Humor, der an Satire grenzt, ausgearbeitet worden sind. Der Roman wird ausschließlich aus der Sicht von Joan erzählt, aber diese erweist sich als sehr aufmerksame, kluge Beobachterin, die viel Details ihrer Ehe und ihres Alltags sehr ironisch widergibt.
Dem aufmerksamen Leser beschleicht im Laufe des Lesens eine gewisse Diskrepanz, auf die ich nicht näher eingehen möchte, die zu einem Verdacht führt, der sich dann als erwiesen rausstellt. Dies führt dazu Joan nochmals in einem anderen Licht zu sehen und führt bei mir auch zu einer gewissen Fassungslosigkeit und einem Unverständnis, aber natürlich messe ich das an den Maßstäben meiner Zeit und meiner Generation. Heute wäre Joans Geschichte unter Umständen anders verlaufen, aber man muss ihr Verhalten im Kontext der Zeit betrachten. Aus diesem Grund hat der Roman auch starke feministische Züge und wirft immer wieder unterschwellig Kritik an der Rolle der Frau zu dieser Zeit auf. Damit ist Die Ehefrau nicht nur die Geschichte einer Ehe, sondern auch ein Gesellschaftsroman.
Dies war mein erster Roman von Meg Wolitzer und es soll nicht der letzte gewesen sein.

FAZIT:
Das doch relativ schmale Buch schafft es mich restlos zu begeistern und ich habe nach anfänglichen Schwierigkeiten wie im Rausch gelesen. Der Roman zeichnet nicht nur das Bild einer Ehe mit einem berühmten Schriftsteller, sondern stellt gleichzeitig ein Zeugnis der 1950er und 1980er Jahre dar sowie einen Einblick in die Community von Schriftsteller dieser Zeit. Ich persönlich konnte Joans Reaktion zum Schluss nicht ganz verstehen, aber im Rahmen ihrer Person und ihrer Ehe mit Joe war nichts anderes zu erwarten und gibt dem Roman ein stimmiges Ende. Absolute Leseempfehlung
.
Ich vergebe 5 von 5 Sternen.