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Veröffentlicht am 29.03.2024

Mode, Drogen und ein Killer voll Zen

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Stoff
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"Tödlicher Stoff", der Titel des dritten Romans um Amy Achterops Amsterdamer Hausboot-Detektive, hat doppelte Bedeutung. Denn einerseits geht es - in Amsterdam eigentlich nicht so überraschend! - um Drogen, ...

"Tödlicher Stoff", der Titel des dritten Romans um Amy Achterops Amsterdamer Hausboot-Detektive, hat doppelte Bedeutung. Denn einerseits geht es - in Amsterdam eigentlich nicht so überraschend! - um Drogen, zum anderen um die Modeszene und den Tod eines Mäzens, der Rätsel aufgibt: Unfall oder Mord?

Die Tochter des Toten will nicht glauben, dass er im LSD-Rausch gegen ein Müllauto lief - ihr Vater sei gegen Drogen in jeder Form gewesen. Die Hausboot Detektive Arie, Maddie, Jack, Jan und Elin merken allerdings schon bald: Der Saubermann hatte irgendetwas zu verbergen. Warum handelte er mit völlig überteuerten Wollstoff, und warum war ein schwedischer Modedesigner bereit, dafür den geforderten Preis zu bezahlen?

Eine zickige Modeexpertin, eine kiffende und strickende Oma, ihr schwerverliebter und etwas lebensfremder Enkel und ein Killer mit sanfter Zen-Philosophie sind nur einige der exzentrischen Nebenfiguren, die den Charme der Bücher um die Hausboot-Detektive ausmachen. So wirklich realitätsnah sind diese Cozys zwar nicht, und wer die Bösewichte sind, merken die Leser*innen auch ohne detektivische Vorbildung sehr schnell. Aber die Hausboot-Romane versprechen Wohlfühlatmosphäre und eine eher untypische Detektei mit sympathischen Lebenskünstlern, ein wenig gescheiterten Existenzen mit Humor und Einsatz für Schwächere.

Völlig verzichtbar und etwas selbstverliebt-manieriert sind dagegen die Verweise auf die Bücher über die Hausboot-Detektei, die Elin unter dem Pseudonym Amy Achterop schreibt. Ohne diese Schlenker würden mir die Bücher viel besser gefallen. Auf die neuen Abenteuer des Teams müssen Fans nicht lange warten - im Herbst soll bereits der vierte Band erscheinen.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Faszinierend und verwirrend

Die Flucht
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Die Lektüre von "Die Flucht" von Fuminori Nakamura lässt mich zwiegespalten zurück. Denn das Buch um eine ungewöhnliche Trompete und ihre Wirkung auf die Menschen, über Japan in Vergangenheit und Gegenwart ...

Die Lektüre von "Die Flucht" von Fuminori Nakamura lässt mich zwiegespalten zurück. Denn das Buch um eine ungewöhnliche Trompete und ihre Wirkung auf die Menschen, über Japan in Vergangenheit und Gegenwart ist faszinierend und verwirrend zugleich. Vor allem der zweite Teil überzeugt mit Vielschichtigkeit und überraschenden Entwicklungen, während das Buch am Anfang eine Weile braucht, um Fahrt aufzunehmen. Manche Fragen bleiben hingegen bis zuletzt unbeantwortet.

Liebesgeschichte, Kriegsdrama, Allegorie, Warnung vor Populismus und Verführung der Massen - hier steckt viel drin. Was die titelgebende Flucht angeht: Seit der Journalist Kenji Yamamine in den Besitz der sogenannten Teufelstrompete gekommen ist, sind ihm merkwürdige Gestalten auf den Fersen - der geheimnisvolle B., der mit Folter und einem schrecklichen Tod droht, aber auch die attraktive Vertreterin einer Sekte, die sich selbst im Gegenzug für die Trompete anbietet. Yamamine hat den Rechtsruck der japanischen Gesellschaft kritisch beobachtet, er fürchtet, die Trompete werde von Rechtsextremen als Propagandainstrument missbraucht. Schließlich hatte der legendäre Trompeter Suzuki Berichten zufolge im Zweiten Weltkrieg damit japanische Soldaten angefeuert, gegen eine amerikanische Übermacht zu kämpfen.

Doch die Jagd nach der Trompete, die Yamamine zu einer Flucht bis nach Deutschland treibt, ist nur ein Teil der Handlung. Es geht um die japanische Christenverfolgung und das Ausharren der christlichen Minderheit von Nagasaki, die Atombombe, verschlungene und miteinander verwobene Familiengeschichten, ja, den Kreislauf der Geschichte, den unterschiedlichen Blick auf Krieg: Was für die einen ruhmreich ist, ist für die anderen eine Kette von Grausamkeiten, die keinen unschuldig zurücklässt.

Hat Nakamura womöglich zu viel in dieses komplexe Buch gesteckt? Es gibt einige Rätsel auf, doch gleichzeitig überzeugt es sprachlich, Kein Buch, das sich mal eben schnell lesen lässt.

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Unterwegs auf Flüssen und Weltmeeren

Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten
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Als eingefleischter Individualurlauber dachte Thomas Blubacher eigentlich immer, dass er völlig kreuzfahrtunkompatibel sei, ja dass eine derartige Reise für ihn ein Urlaubs-Albtraum sein dürfte. Sein Neffe, ...

Als eingefleischter Individualurlauber dachte Thomas Blubacher eigentlich immer, dass er völlig kreuzfahrtunkompatibel sei, ja dass eine derartige Reise für ihn ein Urlaubs-Albtraum sein dürfte. Sein Neffe, sselbst auf einem Kreuzfahrtschiff beschäftigt, teilte diese Meinung. Und doch schloss sich Blubacher einer Reise an - womöglich vor allem wegen der Verwandtschaftspflege. Es war offenbar sein Damaskus-Erlebnis, denn nun ist Blubacher Autor des Buches "Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten", ein Bericht über Schiffe, Routen und andere Passagiere sowie Crewmitglieder auf allen Weltmeeren und einigen der großen Flüsse - ob Nil und Amazona oder Rhein und Donau.

Das Buch hat mich vor allem interessiert, weil meine Schwester seit ihrer ersten Kreuzfahrt ebenfalls zum Fan mutiert ist, während ich nicht nur aus ökologischen Gründen eher skeptisch bin. Ja, die Routen mögen spannend sein, Tage auf See beim Blick aufs Meer die Seele baumeln lassen. Aber dann sind da ja noch die anderen. Passagiere, vor denen man auf einem Schiff nicht aus dem Weg gehen kann, jedenfalls möglicherweise nicht weit genug. Und überhaupt: Wie kann man auf zehn Stunden Landgang überhaupt ein Gefühl für Land und Leute entwickeln?

Der Autor, der anfänglich offenbar sehr ähnliche Bedenken hatte, scheint schnell geläutert. Was vielleicht auch daran liegt, dass einige seiner Reisen, eigentlich die meisten, im gehobenen Segment der Kabinenkategorie stattfanden, einige der Schiffe geradezu Luxusbedingungen boten, etwa einen eigenen Butler. Das ist dann sicherlich etwas anderes als Massenabfertigung am Büffet, womöglich mit kreischenden Kleinkindern im Süßigkeiten-High, die einem zwischen die Beine wuseln.

Die teils spitzzüngigen Beobachtungen anderer Passagiere und ihres Verhaltens abseits grundlegender Benimmcodes sind amüsant zu lesen - als Reisenachbarn dürften sie mir die Urlaubsstimmung vermiesen. Und auch die Rituale der Liegenreservierung, die auf einem Kreuzfahrtschiff der Beschreibung sogar noch Malle-Touristen im Pauschalhotel toppen dürften - oh the horror!

Als Fernwehbesessene, die schon als Kind mit dem ersten Atlas Reiserouten erträumte, ist "Gebrauchsanweisung für Kreuzfahrten" nicht ohne Reiz. Vor allem das teils wochenlange Unterwegssein, Ozeanüberquerungen als entschleunigte Art des Reisens klingt gut. Ob ich persönlich mich auf einem Kreuzfahrtschiff wohl fühlen würde, weiß ich immer noch nicht. Aber ich wäre vielleicht eher geneigt, es tatsächlich mal auszuprobieren. Und für alle, die gerade zwischen zwei Kreuzfahrten sind und bereits von der nächsten Reise träumen, dürfte dieses Buch ein Muss sein.

Veröffentlicht am 13.03.2024

Hitzewallungen und Leichen

Morden in der Menopause
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Dass die Wechseljahre für viele Frauen keine einfache Angelegenheit ist, ist nicht völlig neu. Doch selten dürfte zwischen Hitzewallungen, Schlafproblemen und Gefühlsschwankungen die Lage so kompliziert ...

Dass die Wechseljahre für viele Frauen keine einfache Angelegenheit ist, ist nicht völlig neu. Doch selten dürfte zwischen Hitzewallungen, Schlafproblemen und Gefühlsschwankungen die Lage so kompliziert sein wie im Fall von Liv, der Protagonistin von Tine Dreyers Cozy-Krimi "Morden in der Menopause". Denn kaum bleibt die Periode aus, pflastern auf einmal Leichen den Weg der 48-Jährigen Kölnerin und dreifachen Mutter. Dabei hat sie es ja nur gut gemeint, als sie einen Drogenkauf ihres 16-jährigen verhindern wollte - eine gute Mutter kümmert sich nun mal um ihre Brut. Nur dass im Fall von Liv da plötzlich ein toter Dealer ist, dessen Leiche entsorgt werden muss. Und es bleibt, so viel darf verraten werden, nicht die letzte Leiche. Nachlassende Libido und Hormonschwankungen sind da plötzlich noch die geringeren Sorgen, so sehr die Wechseljahresbeschwerden Liv auch quälen....

"Morden in der Menopause" ist trotz der Verwendung von Eispickels und Zimmermannshämmern ein turbulenter Cozy-Krimi mit schrägem Humor, denn wenn eine eher biedere Mama plötzlich mit Zuhältern, Drogenhändlern und Rotlichtmilieu zu tun hat, dann bleiben haarsträubende Situationen nicht aus. Und all das bildet einen Kontrast zu den schwer pubertierenden Teenagern, den Schwiegereltern, die trotz mancher Altersbeschwerden keinesfalls als pflegebedürftig gelten wollen und einem Ehemann, der selbst ein paar Geheimnisse hat.

Ganz nebenbei lüftet die Autorin für diejenigen ihrer Leserinnen, denen die Erfahrung Menopause noch bevorsteht, ein paar Geheimnisse über Hormone und ihre Auswirkungen auf Stimmung, Wohlbefinden und Schlafvermögen.

Gerade da das Thema Wechseljahre sehr häufig eher verschämt behandelt wird - Frauen dürfen schließlich nicht alt wirken! - ist diese eher ungewöhnliche Herangehensweise erfrischend und unterhaltsam. Das Buch ist vielleicht keine große Literatur und will es wohl auch kaum sein. Aber Frauen im gewissen Alter können angesichts von Livs Abenteuern einen erleichterten Seufzer ausstoßen, wenn in einer schlaflosen Nacht die nächste Hitzewelle heranrollt: Schlimmer geht immer!

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Wer schoss auf den Präsidenten?

Die Kugeln des Bösen
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Verschwörung, Triaden und Schüsse auf den Präsidenten - Mit "Die Kugeln des Bösen"sorgt Chang Kuo Li für eine interessante Mischung. Ein Kommissar im Ruhestand und ein ehemaliger Scharfschütze müssen zusammenarbeiten ...

Verschwörung, Triaden und Schüsse auf den Präsidenten - Mit "Die Kugeln des Bösen"sorgt Chang Kuo Li für eine interessante Mischung. Ein Kommissar im Ruhestand und ein ehemaliger Scharfschütze müssen zusammenarbeiten und wenige Tage vor der Präsidentenwahl in Taiwan herauskriegen, wer in der heißen Phase des Wahlkampfs auf den Präsidenten geschossen hatte - der mit einer Fleischwunde davon kam. Viel dringender ist für das Ermittlerduo die Frage: Wer lockte den Scharfschützen Alex mit einer angeblich von Ex-Kommissar Wu stammenden Nummer an den Tatort, damit Alex prompt unter Tatverdacht gerät?

Das könnte ein Feuerwerk a la "Bullet Train" werden und hat auch zahlreiche spannende und dramatische Momente, doch gleichzeitig erzählt Li lässig und abgeklärt, ironiegetränkt und mit einem gewissen Augenzwinkern. In manchen Momenten ist das perfekte Gericht oder Gebäck wichtiger als der aktuelle Fall, dann wiederum philosophiert Wu mit Triadenbossen über väterliche Pflichten oder mit dem stellvertretenden Polizeipräsidenten "Eierkopf" über Ballistik und Kaliber.

Alex muss sich seiner Vergangenheit stellen, Wu angesichts seines im Koma liegenden Vaters den Fragen von Sterblichkeit und unausweichbaren Entscheidungen. Die beiden unorthodoxen Ermittler und ihre Helfergruppe legen sich bei der Suche nach der Wahrheit mit dem Sicherheitsapparat, Wahlkampfstäben und dem organisierten Verbrechen an. Also jede Menge Konfliktpotenzial, rasant zusammengefügt und mit einem Hauch Zen gewürzt.

"Die Kugeln des Bösen" sind der zweite Band zu Wu und Alex und immer wieder gibt es Bezüge auf den Vorgängerband. Da habe ich beim Lesen zwar gemerkt, dass mir einige Feinheiten entgehen dürften, dennoch gab es genügend Erklärungen, um beim Lesen nicht in Sackgassen zu stranden.

Nachdem ich in der Vergangenheit bereits fasziniert von noirmäßigen koreanischen Thrillern war, ist dieser Taiwan-Krimi ein weiteres spannendes asiatisches Lesevergnügen bei dem - so viel Chinesisch-Klischee muss sein - auch das Essen nie zu kurz kommen darf.

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