Profilbild von evaczyk

evaczyk

Lesejury Star
offline

evaczyk ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit evaczyk über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.12.2021

Profikiller auf der Suche nach Läuterung

Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen
0

Hallgrimur Helgason und Quentin Tarrantino müssen Geistesverwandte sein. Zumindest dürfte der islaändische Autor den amerikanischen Regisseur sehr schätzen, denn er setzt ihm in seinem Roman "Zehn Tipps, ...

Hallgrimur Helgason und Quentin Tarrantino müssen Geistesverwandte sein. Zumindest dürfte der islaändische Autor den amerikanischen Regisseur sehr schätzen, denn er setzt ihm in seinem Roman "Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen" nicht nur ein kleines literarisches Denkmal, auch die Mischung aus Gewaltexzessen und schwarzen Humor ähnelt den Filmen Tarrantinos.

Ich-Erzähler des Romans, dessen Titel auf jeden Fall schon mal ein Eyecatcher ist, ist Tomek, genannt Toxic, ein lange Zeit sehr erfolgreicher Profikiller der kroatischen Mafia in New York mit traumatischer Vergangenheit im jugoslawischen Bürgerkrieg. Toxic war mit 66 Auftragsmorden höchst erfolgreich - bis er dann ausgerechnet einen FBI-Beamten umbringt. Plötzlich wird ihm in New York der Boden unter den Füßen heiß, er muss dringend verschwinden und auch seine Auftraggeber sind alles andere als angetan, dass ihnen nun das FBI ordentlich Ärger machen dürfte.

Toxic ist schon auf dem Flughafen, mit falschem russischen Pass unterwegs nach Split, als ihn seine gut funktionierenden Instinkte warnen - offenbar sind ihm die Ermittler schon auf den Fersen. Er braucht einen neuen Plan, und das schnell. Auf einer Flughafentoilette stößt er auf einen Mann, der ihm leidlich ähnlich sieht und dessen gewaltsamer Tod damit vorprogrammiert ist. Toxic nimmt die Identität und das Flugticket des fundamentalistischen Predigers Friendly auf dem Weg zu geistlichen Verbündeten in Island an - und damit ist eine tragikomische Ereigniskette vorprogrammiert.

Island ist eine andere Welt, nicht nur wegen der bibelfesten Gutmenschen, mit denen Toxic auf einmal zu tun hat und wegen des eisigen Frühlings, in dem zehn Grad schon fast als Hitzewelle gelten. Eine Inselrepublik ohne harte Drogen, Prostituton oder eine Armee - das sprengt Toxics Vorstellungskraft vom menschlichen Zusammenleben.

Dass die angenommene Identität als Fensehprediger nicht so ganz leicht durchzuhalten ist und die Anpassung an die neuen Umstände die eine oder andere Herausforderung darstellt, ist wohl nicht überraschend. Noch überaschender aber ist, dass Toxics Gastgeber ganz anders als erwartet reagieren, als seine Tarnung auffliegt - sie wollen ihn bekehren und mit der Läuterung des Profikillers wird der Kulturkonflikt noch einmal auf die Spitze getrieben.

Reichlich schräge Figuren - wie ein karateerprobter Prediger, ein bulgarischer Bauarbeiter mit speziellen Vorlieben und ein Koch mit Killer-Instinkten kreuzen Toxics Weg, während er stets fürchten muss, dass seine Vergangenheit ihn doch noch einholt.

Grausames und komisches gehen hier eine Verbindung ein, ganz wie in einem Tarrantino-Film eben. Der lakonische Tonfall Toxics trägt zum trockenen, mitunter überspitzten Humor des Romans bei, in dem Toxics 66 Auftrags-Tote nicht die einzigen Leichen bleiben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.11.2021

Großmutter und Biznesmeny - ein Yankee in Moskau

Ein schreckliches Land
0

Um im postsowjetischen Moskauer Großstadtdschungel zu überdauern, braucht es eine gewissen Härte, Gewitztheit und Geld und/oder Beziehungen. Der Literaturwissenschaftler Andrej Kaplan begreift das recht ...

Um im postsowjetischen Moskauer Großstadtdschungel zu überdauern, braucht es eine gewissen Härte, Gewitztheit und Geld und/oder Beziehungen. Der Literaturwissenschaftler Andrej Kaplan begreift das recht schnell, als er auf Drängen seines älteren Bruders Dima in seine Geburtsstadt zurückkehrt, um sich um die leicht demente Großmutter zu kümmern. Andrej war sechs Jahre alt, als seine Eltern als jüdische Kontingentsflüchtlinge die Sowjetuntion verließen und in die USA ausreisten - zu jung, um noch viele Erinnerungen an das damalige Leben zu haben. Er wurde voll integrierter Amerikaner, der zehn Jahre ältere Dima hingegen, so schreibt der Ich-Erzähler in Keith Gessens Roman "Ein schreckliches Land" hingegen blieb Russe.

Kein Wunder also, dass Dima nach dem Zerfall der Sowjetunion zurückkehrte, in den wilden 90-er Jahren eine Karriere als "Biznesman" machte. Nun brennt ihm aber der Boden unter den Füßen, er hat sich bei seinen Geschäften mit den falschen Leuten angelegt und muss das Land überstürzt verlassen. So bleibt es an Andrej, dessen akademische Karriere schon länger eine Durststrecke erlebt, sich um die Oma zu kümmern und, so hofft er, Material für eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu finden, die ihm vielleicht doch noch einen Lehrstuhl einbringt.

Mit seiner Biographie hat Andrej so einiges mit dem Autor gemeinsam, der übrigens der Bruder der Kolimnistin und Autor*in Masha Gessen ist. Seine Ankunft ist Russland ist von Ängsten begleitet, das Studium von Stalinismus-gequälten Autoren hat dazu sicherlich noch beigetragen. Doch die alte Sowjetunion ist zumindest äußerlich untergegangen in einer Zeit, in der Goldgräberstimmung herrscht und gutgekleidete Geschäftsleute an die Stelle alter Aparatschiks getreten sind. Staatspräsident Medwedew hält den Posten warm für Putin, der eine Amtszeit aussetzen muss, ehe er wieder antreten kann. Und Andrej stellt fest, dass er sich Moskau eigentlich gar nicht leisten kann.

Die Suche nach Freundschaften scheitert zunächst, vor allem, als sich ein hoffnungsvolles Date als Prostituierte entpuppt und auch die nicht-professionellen Frauen einen Sugar-Daddy bevorzugen. Das Zusammenleben mit der Babuschka hingegen klappt nach anfänglichen Irritationen ("Wer bist du noch mal?") immer besser, auch wenn die alte Dame nur wenig zuverlässige Auskunft über die Stalin-Jahre geben kann und die akademischen Ambitionen Andrejs weiter brach liegen.

Erst als er über Eishockey-Kumpel auf eine bolschewistisch orientierte Oppostionsgruppe stößt, bekommt Andrejs Leben Auftrieb: Endlich hat er Material für einen wissenschaftlichen Artikel, findet neue Freunde und mit der Aktivistin Yulia sogar Liebe. Andrej träumt davon, in Russland zu bleiben. Dann aber kommt es zu einem Vorfall, in dem Andrejs amerikanische Naivität im neuen Russland Konsequenzen hat.

Gessen schildert Andrejs Moskauer Abenteuer mit Humor und Ironie, schildert neuen Glanz und andauernden Verfall, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die Suche nach der Zukunnft. Andrej und Dima, der gegen Ende des Romans doch wieder auftaucht bilden da einen ganz persönlichen Ost-West-Gegensatz, in dem der voll amerikanisierte Andrej für die Herausforderungen der postsozialistischen Gegenwart irgendwie zu weich, zu nett und zu zögerlich ist.

"Ein schreckliches Land" verbindet Familiengeschichte und das Porträt eines Lands im Umbruch, Fragen nach Identität und Fremdheit. Spannend, unterhaltsam und unsentimental geschrieben geht es auch um Russland mit seinen Veränderungen und Kontinuitäten. Wer sich für Osteuropa, Russland und die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen im einstigen "Ostblock" interessiert, findet hier eine lesenswerte Lektüre.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.11.2021

Überleben im Großen Hunger

Grace – Vom Preisträger des Booker Prize 2023 ("Prophet Song")
0

Der "große Hunger" Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich in der kollektiven Erinnerung der Iren eingebrannt. Der Hungertod von hunderttausenden, die nach der Kartoffelfäule gleich mehrere Winter ohne das ...

Der "große Hunger" Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich in der kollektiven Erinnerung der Iren eingebrannt. Der Hungertod von hunderttausenden, die nach der Kartoffelfäule gleich mehrere Winter ohne das Hauptnahrungsmittel der einfachen Leute zu überleben versuchten, mag im reichen Europa von heute unvorstellbar sein. Doch das Drama wurde in Gedichten und Liedern verarbeitet und steht nun auch im Mittelpunkt von Paul Lynch´s "Grace", gleichermaßen historischer Roman und Coming of Age Story mit einer bildhaft-poetischen Sprache.

Die Titelheldin Grace ist 14, als ihre Mutter sie vor die Hütte zerrt und ihr an dem Baumstumpf, auf dem sonst die Hühner geschlachtet werden, die langen Haare abschneitet. Grace soll sich in einen Jungen verwandeln und auf der Landstraße ihr Glück, Arbeit und Auskommen finden. So grausam es scheint, auf diese Weise unvermutet in Männerkleidung von Zuhause weggeschickt zu werden - die Mutter will Grace schützen vor ihrem Quasi-Stiefvater, der bereits ein Auge auf das Mädchen geworfen hat. Und sie hofft, dass Grace die zum Überleben nötige Stärke hat, während gleichzeitig mit einer Esserin weniger die Chancen der jüngeren Geschwister steigen.

Die oft poetische Sprache Lynchs bedeutet keine Beschönigung der harten Lebensumstände. Grace wird anfänglich von ihrem jüngeren Bruder begleitet, der ihr auch hilft, in die neue männliche Rolle zu finden, doch schon bald ist sie auf sich gestellt, führt nut innere Zwiesprrache mit dem Bruder, die auf Außenstehende wie seltsame Selbstgespräche wirken.

Grace trifft Menschen, die ihr helfen, andere, die eine Gefahr darstellen, sie erfährt, wie der Hunger und Überlebenskampf Grenzen von Anstand und Moral außer Kraft setzen. In Situationen, in denen es buchstäblich um Leben oder Tod geht, lösen sich Vorstellungen von Gut und Böse auf, und wo die Lebenden aussehen wie wandelnde Tote ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass auch die Toten in Graces Bewusstsein of realer wirken als die lebenden Menschen, mit denen sie zu tun hat.

Auch Grace kommt dem Hungertod sehr, sehr nahe und die Monologe in denen Lynch den Lesern Einblick in die zunehmend wirren und wahnhaften beinahe letzten Gedanken Graces gibt, gehören zu den dramaturgischen Höhepunkten des Buchs. Wer auf nette historische Unterhaltung hofft, wird an Grace sicherlich keinen Gefallen finden, denn es geht ziemlich schonungslos und ungeschönt zu. Angesichts des Ausmaßes der Hungesnot ist es nur konsequent, dass Lynch auf eine rührselige Heimkehr der verlorenen Tochter verzichtet. Grace erkennt, welchen Preis ihr Überleben hatte.

Auch wenn Lynch mitunter ein wenig weitschweifig wird, ist "Grace" ein eindrucksvoller Roman, der ein dunkles Kapitel der irischen Geschichte nachvollziehbar macht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.11.2021

Abenddämmerung der Spione

Silverview
0

Ach wie gut, dass John LeCarré bei seinem angesichts des hohen Lebensalters nicht völlig überraschenden, aber gleichwohl bedauerlichem Tod keinen blanken Schreibtisch hinterließ. sondern auch ein Manuskript. ...

Ach wie gut, dass John LeCarré bei seinem angesichts des hohen Lebensalters nicht völlig überraschenden, aber gleichwohl bedauerlichem Tod keinen blanken Schreibtisch hinterließ. sondern auch ein Manuskript. Zum 90. Geburtstag des großen alten Gentleman anspruchsvoller Spionageliteratur ist nun "Silverview" erschienen, und auch wenn es nicht ganz mit der Karla-Triologie mithalten kann, hält auch dieses (Hör-)buch, was der Autorenname verspricht.

Wieder einmal zeigt LeCarré, wie die Ränke- und Doppelspiele von Agenten und Verrätern den Alltag seines Protagonisten verändern und immer neue Fragen aufwerfen. Ein wenig scheint "Silverview" aus der Zeit gefallen, die Technologie des 21. Jahrhunderts hat zurückzustehen hinter persönlichen Begegnungen und Übergaben von Nachrichten, toten Briefkästen und abhörsicher arrangierten Treffen, man ist als Spion schließlich immer misstrauisch und rechnet mit unerwünschten Beobachtern. Oder ist spätestens seit dem NSA-Skandal bei den "Geheimen" die Kommunikation per Smartphone und Rechner eher suspekt?

Julian, ehemaliger City-Banker und seit neuestem eifriger, wenn auch nicht sonderlich literarisch beschlagener Buchhändler im ländlichen East Anglia, hat eines Abends einen Besucher in seinem Laden, einen etwas exzentrischen älteren Herrn, der zwar nichts kauft, aber ein Internatsfreund von Julians Vater war, so berichtet der Fremde. Der weißhaarige Edward überredet Julian, im Keller der Buchhandlung eine "literarische Republik" einzurichten und einen Rechner für Buchbestellungen zu installieren, zu dem Edward Zugang hat.

Was Julian nicht weiß: Der freundliche ältere Mann hat eine Vergangenheit als Spion und ist mit einer einsigen Top-Analystin des Geheimdienstes verheiratet. Während des Bosnien-Kriegs erlebte er Traumatisches. Der stellvertretende Chef des Inlandsgeheimdienstes folgt unterdessen dem Verdacht eines Verrats in den eigenen Reihen. Treibt Edward ein doppeltes Spiel? "Proctor the Doctor" besucht Edwards einstige Führungsoffiziere, mit Erläuterungen, die keiner glaubt unter den zwischen Staatsgeheimnissen ergrauten Ex-Spionen. Und auch Julian wird in das Ränkespiel einbezogen und muss die ihm zugedachte Rolle spielen.

Technisch-bombastisch a la James Bond waren die Romane LeCarré noch nie, und auch Silverview bildet hier keine Ausnahme. Es sind die subtilen Andeutungen, die intelligenten Dialoge, die komplexen, oft desillusionierten Protagonisten, die auch den letzten LeCarré prägen.

Dabei führt der Autor seine Leser einmal mehr in die britische Oberschicht, wo die Vertrautheit mit der Welt der Geheimdienste teils Familiensache ist von Generation zu Generation. Man hat eine elitäre Ausbildung genossen und scheut den Begriff Establishment, pflegt Understatement und eine ironische Handlung zu sich selbst. Die Helden von einst sind müde geworden. So seufzt der unter den Folgen eines Schlaganfalls leidende Ex-Geheimdienstler, eigentlich habe man doch gar nichts bewirkt - als Leiter eines Jugendclubs hätte er mehr für das Land tun können.

In der Hörbuchversion findet Achim Buch als Sprecher den richtigen Tonfall zwischen ironischer Selbstdistanz und Understatement, um Hörer in eine fast schon untergegangene Welt eintauchen zu lassen, in denen sich ältere Männer noch als "alter Knabe" titulieren und die Kunst der distinguierten Unterhaltung mit der möglicherweise untreuen Ehefrau noch angesagt ist. Bloß keine offene Konfrontation in diesen Kreisen, die Kunst der subtilen Doppelsprache mit ihren Zwischentönen wird gepflegt.

Auch wenn "Silverview" nicht der beste leCarré ist, macht das Buch klar, warum ein Autor wie der geistige Vater von George Smiley vermisst wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.11.2021

Hartnäckige Ermittlerin trotzt FSB

Tod in Weißen Nächten
0

Es gibt Länder, da kann es für ehrliche Polizisten eine Herausforderung sein, integer zu bleiben. Natalia Iwanowna, Ermittlerin bei der Polizei in Sankt Petersburg, weiß das nur zu gut. So ganz ohne Trickserei ...

Es gibt Länder, da kann es für ehrliche Polizisten eine Herausforderung sein, integer zu bleiben. Natalia Iwanowna, Ermittlerin bei der Polizei in Sankt Petersburg, weiß das nur zu gut. So ganz ohne Trickserei kommt auch die Beamtin nicht durchs Leben - um den 18-jährigen Stiefsohn vor der Einziehung zum Militär und möglicherweise einem Einsatz in der Ostukraine zu bewahren, braucht er einen Studienplatz - und dabei zählen Schulnoten weniger als das Bestechungsgeld für den Verantwortlichen an der Hochschule. Ehemann Mischa, ebenfalls Polizist, nimmt die Regeln womöglich etwas lockerer, fürchtet Natalia - und sie weiß nicht, ob ihre Ehe den Verdacht, Mischa könne sich schmieren lassen überleben.

Ein neuer Fall lässt der Kommissarin in G.D. Absons (Hör-)Buch "Tod in den Weißen Nächten" allerdings wenig Zeit zum Grübeln. Zena, die Tochter eines schwerreichen schwedischen Industriellen, ist nach einer alkohollastigen Partynacht verschwunden. Eine Entführung ist nicht auszuschließen, angesichts des Reichtums des Vaters sogar wahrscheinlich. Oder ist Zena abgetaucht, auf der Suche nach ihren biologischen Eltern? Denn sie wurde, so erfährt Natalia, aus einem russischen Waisenhaus adoptiert, als ihr Vater in den wilden 90-er Jahren im postsowjetischen Land Geschäfte machte. Inzwischen kümmert sich sein russischer Anwalt und Geschäftspartner um die russischen Firmen.

Dass Niels Dahl sich allerdings so zur Vergangenheit und den Umständen der Adoption ausschweigt, macht Natalia misstrauisch, auch dann, als in einem Park eine verkohlte Leiche gefunden wird. Auf der Suche nach den Tätern halten sich Natalias Kollegen an die üblichen Verdächtigen, sprich eine Gruppe zentralasiatischer Arbeiter, die den Fund der Leiche gemeldet hatten. Bei einem der Männer wird Zenas Handtasche gefunden.

Natalia aber will sich mit dieser scheinbar einfachen Lösung nicht zufrieden geben: Warum wurde die Leiche zur Unkenntlichkeit verbrannt, die Tasche aber, die eine Identifizierung erleichtert, unversehrt daneben liegen gelassen? Die Polizistin ist überzeugt, dass sie es mit einem inszenierten Tatort zu tun hat und alles eigentlich ganz anders ist. Was verschweigt Dahl, und warum zeigt der Inlandsgeheimdienst FSB plötzlich Interesse an dem Fall?

Natalia sieht sich mit einem Netz aus Lügen und Intrigen konfrontiert, in dem bald nicht mehr klar ist, wem sie vertrauen kann. Jeder Fortschritt bei den Ermittlungen bedeutet aber erhöhten Druck auf die Polizistin, die Einschüchterungsversuchen und Gewalt ausgesetzt ist. Spannend, wenn auch manchmal verwirrend, geht es in diesem Roman um eine toughe und hartnäckige Ermittlerin zu, der Sabine Swoboda als Sprecherin eine sehr gut passende Stimmw gibt - mal abgeklärt, mal verletzlich, voller Zweifel und doch entschlossen, die Wahrheit zu finden.

Für Leser/Hörer wird das Petersburg der aufgeputschten weißen Nächte, in denen jeder feiert und Schranken fallen lässt, nachvollziehbar. Atmosphärisch dicht mit viel Lokalkolorit und immer wieder neuen Überraschungen bleibt "Tod in den weißen Nächten" bis zum Schluss rasant.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere