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Veröffentlicht am 23.02.2023

Plauderstündchen eines Kosmopoliten

Öfter mal die Welt wechseln
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Beim Lesen von "Öfter mal die Welt wechseln" von Armin Geiges hatte ich ein echtes Deja vu Erlebnis, erinnerte mich Art und Ton des Buches doch stark an Veranstaltungen meiner Studentenzeit. Leitende Redakeure ...

Beim Lesen von "Öfter mal die Welt wechseln" von Armin Geiges hatte ich ein echtes Deja vu Erlebnis, erinnerte mich Art und Ton des Buches doch stark an Veranstaltungen meiner Studentenzeit. Leitende Redakeure machten in Zeiten großen Andrangs auf die Medien bei Veranstaltungen wie "Magisterstudium - und dann?" Vorschläge wie: Fahren Sie doch einfach mal ins nächste Krisengebiet und bieten Sie von dort Geschichten an. Die nächsten, damals aktuellen Krisengebiete waren unter anderem El Salvador und Nicaragua. Mal eben so hinzufliegen wäre mir schon allein finanziell nicht möglich gewesen.

Geiges dagegen zog es im Wendejahr 1989 nach Moskau und er knüpfte Kontakte mit Medienvertretern, die sich dann auch in der Folgekarriere immer wieder als einträglich wie auch erfolgreich erwiesen. Vermutlich kein Wunder, wenn er also im Rückblick auf sein Globetrotter- und Expatleben - unter anderem als Stern-Korrespondent in China, für Spiegel-TV und RTL unterwegs in Russland, vier Jahre in Rio, dann als hochbezahlter Medienmanager in China - Fernwehgeplagten rät, bei der Lebensplanung lieber den Gedanken an Sicherheit fahren zu lassen und ins Ungewisse zu springen, vorausgesetzt, man kommt dabei in die weite Welt.

Dass er dabei über Sicherheitsdenken spottet und gleichzeitig den Vorteil des Eigenheims (in seinem Fall: vermietetes Reihenendhaus und eine Hamburger Dachterassenwohnung) lobt, dürfte denn viel mit der Perspektive des heute alten weißen Mannes zu tun haben, der zur rechten Zeit am richtigen Ort war und vor allem auch die richtigen Leute traf, die ihm dann wiederum die richtigen Türen öffneten. Insofern ist das Buch für die meisten jungen Menschen der Generation Praktikum vermutlich ebenso lebensfremd wie seinerzeit für mich die Ratschläge in überfüllten Semesterveranstaltungen.

Andere Tipps des Buches sollten eigentlcih für jeden und jede, die sich für ein Leben im Ausland interessieren, selbstverständlich sein: Dass man etwa die Sprache lernt, die eigene sprachlich-kulturelle Blase meidet, in die neue Landeskultur eintaucht und mit offenem, neugierigen Blick die neue Erfahrung und Umwelt annimmt. Ganz ehrlich - für diese Erkenntnis hätte ich kein Buch gebraucht.

Dass Reisen den Blick verändert, das Eintauchen in andere Kulturen und das Leben außerhalb der bekannten Landesgrenzen und Horizonte ebenso herausfordernd wie bereichernd sein kann - das kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen. In diesem Buch klingt mir das alles ein bißchen ich-verliebt und eitel. Da hätte ein wenig Distanz des Autoren zu sich selbst sicherlich nicht geschadet. Als Plauderstündchen aus einem Kosmopolitenleben ist das Buch sicherlich entspannend, wer ernsthaft den Sprung ins Ausland plant, würde sich heutzutage wohl eher im Internet informieren statt sich Lebensweisheiten zugute zu führen, die telweise auf vor Jahrzehnten gemachten Erfahrungen aufbauen.

Anderes, was mich hier wirklich mal interessiert hätte, wurde dagegen nur knapp abgehakt, etwa das Jahr auf einer FDJ Kaderhochschule (ja, damals gab es die DDR noch) und wie die Erfahrung mit dem real existierenden Sozialismus den Autor letztlich geprägt hat. Oder die Frage, wann er die letzten seiner Überzeugungen über Bord geworfen hatte zugunsten von Boss-Anzügen oder Entertainment-Programm auf Kreuzfahrten.

Laut Klappentext gibt Geigen all denen "Rat und Inspiration, die selbst in die Welt aufbrechen wollen". Bei Thema Rat bin ich ein bißchen skeptisch. Und was die Inspiration angeht: Wer aufbrechen will (oder schon einschlägige eigene Erfahrungen gesammelt hat), braucht ja eigentlich kein weiteres Buch, sondern will einfach raus und weg.

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Gen Z plätschert ins Erwachenenleben

Ohne mich
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Für eine Coming of Age Geschichte ist die namenlose Ich-Erzählerin aus "Ohne mich" von Esther Schüttpelz mit Mitte 20 bereits zu alt. Das Studium der Rechtswissenschaften steht vor dem Abschluss, die ...

Für eine Coming of Age Geschichte ist die namenlose Ich-Erzählerin aus "Ohne mich" von Esther Schüttpelz mit Mitte 20 bereits zu alt. Das Studium der Rechtswissenschaften steht vor dem Abschluss, die kurze, eher spontan eingegangene Ehe ist sehr schnell gescheitert. Die Protagonistin hadert mit ihrem Leben, kifft, kokst, feiert und geht die praktische Arbeit im Referendariat eher entspannt an. Das Leben muss nicht zu ernst genommen werden. Im Zweifelsfall geht es zur Herkunftsfamilie und lässt sich von Mama aufpäppeln, weil das Verwaltungspraktikum langweilig ist und man sich lieber krank meldet.

Ich gebe zu - mit diesem Buch und seiner Protagonistin wurde ich einfach nicht warm. Vermutlich gehöre ich auch nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist es für Gen Z-Leserinnen eine Offenbarung. Ich sah da nur die Luxusprobleme unreifer Bürgerskinder, die nie um etwas kämpfen mussten - außer vielleicht um die Beziehung, aber auch da schien die Protagonistin nicht so wirklich zu wissen, was sie eigentlich wollte.

Ja, Erwachsen werden ist schwer. Für eine Menge Menschen beginnt dieser Prozess deutlich früher und ist wesentlich härter. Ich muss Buchfiguren nicht sympathisch finden, aber ich will sie interessant haben, und hier plätscherten Handlung, Persönlichkeitsentwicklung, Innensichten irgendwie vor sich hin. Meine Motivation, die Hauptfigur näher kennenzulernen, ist beim Lesen nicht gestiegen. Immerhin habe ich erkannt, dass sie eine Vorliebe für Kleidung mit Raubtierprint hat, stammte wohl noch aus der Femme fatale Phase.

Von den Figuren dieses Buches auf die Gen Z zu schließen, wäre jetzt natürlich unfair und gemein. Zum Glück gibt viele junge Menschen dieser Altersgruppe, die sich für das Klima, Gendergerechtigkeit oder Nachhaltigkeit engagieren. Wenn sie so tun, als seien sie die ersten, die diese Themen entdeckt haben, ist das zwar manchmal ein wenig nervig, aber sie plätschern nicht in gleichgültiger Beliebigkeit dahin.

Am Ende des Buches habe ich mich gefragt, was die Autorin eigentlich mitteilen wollte. Sinn- und Orientierungssuche? Die Schwierigkeit des Loslassens? Langer Weg zu mehr Selbsterkenntnis? Hier ist eine junge Frau, die irgendwie für überhaupt nichts zu brennen scheint. Und das finde ich schade.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Zur Selbsterkenntnis in die Savanne

Als Rangerin im Politik-Dschungel
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Wer mit Mitte 20 und nach einem Politikstudium gewissermaßen nahtlos einen bezahlten Job im politischen Berlin bekommt, sollte eigentlich wenig Grund zum Jammern haben, sondern sich sehr, sehr privilegiert ...

Wer mit Mitte 20 und nach einem Politikstudium gewissermaßen nahtlos einen bezahlten Job im politischen Berlin bekommt, sollte eigentlich wenig Grund zum Jammern haben, sondern sich sehr, sehr privilegiert fühlen. Nach neun Jahren Dauerstress zwischen Wahlkampf und Bundestag braucht Maria Henk allerdings eine Auszeit und begibt sich mit einem vierwöchigen Mini-Sabbatical auf Sinnsuche und Selbsterkenntnis. Eine Rangerausbildung soll es sein, ganz weit weg aus der Berliner Blase und so landet sie denn nicht nur in Botswana zu einem vierwöchigen Kurs im Okavango-Delta, sie lässt mit ihrem Buch "Als Rangerin im Politik-Dschungel" auch daran teilhaben.

Das Ergebnis ist durchaus kurzweilig, bleibt aber ebenso oberflächlich wie es die Ausbildung sein dürfte. Denn es hat schon einen Sinn, dass die wirklichen Ranger, die etwa in Nationalparks für Artenschutz und gegen Wilderei arbeiten, nicht mal eben einen vier-Wochen-Kurs absolvieren. En passant wird dann auch erläutert, dass die Kurs-Absolventen eher Safaritouristen umherkutschieren und die afrikanische Wildnis denen erklären, die vor allem die big five ablichten wollen.

Insofern hat es schon etwas von "innocents abroad", wenn IchErzählerin Maria durch die Savanne stiefelt, mitunter etwas mimosenhaft und zaudernd dem kernigen Chef-Ranger folgt und dabei so manche Parallele zwischen altem und neuen Arbeitsplatz erkennt. Alphatiere etwa gibt es auch in der großen Politik, und Balzverhalten findet gerade bei der Suche nach einem Koalitionspartner eine Entsprechung in der Parteienwelt. Machtspiele und Tarnung, fleißige Ameisen aka Mitarbeiterstab - so unterschiedlich geht es gar nicht zu im Delta und in der Berliner Bubble.

Diese Vergleiche, aus der Insider-Perspektive des Politikbetriebs geschildert, sind ganz amüsant. Auch kann die Autorin das eigene Fremdeln mit der Wildnis durchaus selbstironisch auf die Schippe nehmen. Was Neu-Rangerin an Gelerntem über Flora und Fauna der afrikanischen Savanne wiedergibt, sind dagegen eher Allgemeinplätze, in jeder Attenborough-Doku wird fundierteres Wissen geteilt. Und auch die afrikanische Wirklichkeit bleibt außen vor - die Beschreibungen der Ankunft auf dem kleinen Flughafen eines Safaritourismus-Städtchens und der örtlichen Bevölkerung bleiben außen vor.

Die Frage nach den durchaus vorhandenen Konflikten zwischen Naturschutz, Tourismus und örtlicher Communities wird gar nicht erst thematisiert. Und auch die Diskrepanz - hier teuer zahlende Europäer auf Abenteuertrip, dort afrikanische Kurskollegen, die auf eine bessere wirtschaftliche Perspektive im Tourismus hoffen - wird höchstens mal leicht angekratzt. Auch wenn die Rangerausbildung nur vier Wochen dauerte - so viel Nach- und Hinterfragen würde ich von der Pressefrau einer Partei, die sich die Themen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat, schon erwarten.

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Veröffentlicht am 13.10.2022

Zu viel Selbstinszenierung

Rosa kocht vegan
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Auch als Flexitarierin habe ich Interesse an veganen Gerichten und Rezepten, also halte ich immer die Augen offen nach neuen Büchern zu dem Thema. "Rosa kocht vegan" von Rosa Roderigo war mit dem farbenfrohen ...

Auch als Flexitarierin habe ich Interesse an veganen Gerichten und Rezepten, also halte ich immer die Augen offen nach neuen Büchern zu dem Thema. "Rosa kocht vegan" von Rosa Roderigo war mit dem farbenfrohen Cover zumindest schon mal ein Eyecatcher. Die Autorin hingegen war mir unbekannt - was vermutlich daran liegt, dass mich das Thema Influencer*innen gänzlich kalt lässt und mich auf sozialen Medien mehr Inhalte und weniger people-Berichterstattung interessieren.

Daher hat das Buch für mich gleich eine Schwäche - es geht halt auch hier immer wieder um die offenbar prominente Autorin und ihre Lebensphilosophien und Einsichten, in Szene gesetzt von einer Fotografin, die spezialisiert ist auf people photography...

Obendrein bin ich als über 30-jähriger Mensch vielleicht einfach weniger empfänglich für Superlative und atemlose Aufgeregtheit, die ich mit "Generation Snowflake" verbinde. War das jetzt zu gemein? Aber wenn alles traumhaft, zaugeil, grandios und abgefahren oder schmatzfatzo ist, ist mir das einfch ein bißchen over the top, da setzt dann gleich meine berufsbedingte Skepsis ein. und auch denglische Begriffe sind in meinen Augen keine Garantie für innovative Inhalte. Soll vielleicht jugendlich wirken, aber permanente Selbstinszenierung beim Lesen eines Buches durchstehen zu müssen, ist echt nicht mein Ding.

Jetzt aber genug gemeckert, denn Rezepte und damit Inhalte gibt es ja auch, und die sind überwiegend so einfach gestaltet, dass auch ein Sensibelchen an Herd oder Ofen nicht vor lauter komplizierten Anweisungen einen emotionalem Meltdown befürchten muss. Manches ein bißchen sehr simpel, wie die Heidelbeer-Blätterteigteilchen, anderes zumindest schön bunt wie der Konfetti-Schokokuchen. Schokolade geht schließlich immer, ob in veganer oder sonstiger Form. Für den nächsten Frühsommer habe ich mir auch schon den Erdbeer-Rhabarber-Crumble markiert.

Ob vegane Köttbullar, vegane Pide und Bifteki oder sogar Königsberger Klopse - für viele regionale oder internationale Grichte gibt es hier vegane Abwandlungen auf Soja- und Tofubasis. Alles in allem nett, aber nicht gerade eine vegane Offenbarung, eher durchaus schon bekannte Rezepte auf niedrigem Schwierigkeitsgrad. Insofern ist dieses Buch für mich kein "must have" und wird auf meinem Regal eher inen Platz im Hintergrund einnehmen. Fans sehen das wahrscheinlich anders.

Veröffentlicht am 28.03.2022

Klischeebeladen

Die Küstenkommissarin – Tod in der Bucht (Frida Beck ermittelt 2)
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Ein toter Taucher in voller Montur, der ertrunken aufgefunden wird - wie konnte das passieren? Kommissarin Frida Beck stutzt, zumal ihr der Tote bekannt vorkommt. Er war erst am Vorabend in einen Streit ...

Ein toter Taucher in voller Montur, der ertrunken aufgefunden wird - wie konnte das passieren? Kommissarin Frida Beck stutzt, zumal ihr der Tote bekannt vorkommt. Er war erst am Vorabend in einen Streit verwickelt, in dem auch der neue Freund ihrer Schwester zumindest eine Rolle am Rand spielte. Mit "Tod in der Buch" hat Jonas Brandt einen neuen Band der Serie um die Küstenkimmissarin veröffentlicht.

Lag es daran, dass die Lektüre des ersten Bandes schon eine Weile zurückliegt oder daran, dass ich zuletzt eine Kriminalsatire gelesen habe - ich musste beim Lesen über weite Strecken überlegen: Ist das jetzt ernst gemeint oder absichtlich überdreht? Ist die vom Schicksal arg heimgesuchte Kommissarin, deren Mann und Sohn ermordet wurden und die nun von einer Boulevardjournalistin angegangen ist, die ein fleisch- oder vielmehr Druckerschwärzegewordenes Klischee ist. Der Autor hat anscheinend ein sehr merkwürdiges Bild von der Arbeit und Rolle von Medien in einem Land, in dem die Presse nicht gleichgeschaltet ist.

Illegale Tauchaktionen, Streit um die Restitution einer Werft und die Nazi-Vergangenheit einer Milliardärsfamilie - da kommen einige spannende Themen im Plot zusammen, zudem eine Intrige gegen die angeblich zu liberale Polizeidirektorin und Vorgesetzte der Küstenkommissarin.

Angesichts der realen Enthüllungen um rechte Netzwerke bei der Polizei wäre das durchaus aktualitätsbezogener Stoff, allein die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Hier hat ein Autor seiner Phantasie freien Lauf gelassen, ohne einen Reality Check zu versuchen. Die Charaktere sind irgendwie hölzern, ohne Tiefe, überzogen dramatisiert und einfach nicht lebensnah,

Schade - ich mag Regional- und Küstenkrimis und war neugierig auf "Tod in der Bucht" Die Beschreibung klag viel versprechend. Aber leider konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Hier wurden Klischees nicht lustvoll aufgetragen, wie in erwähnter Kriminalsatire, hier waren sie anscheinend ernst gemeint. Mein Lesegeschmack wurde hier leider nicht getroffen.

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