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Veröffentlicht am 28.03.2022

Klischeebeladen

Die Küstenkommissarin – Tod in der Bucht (Frida Beck ermittelt 2)
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Ein toter Taucher in voller Montur, der ertrunken aufgefunden wird - wie konnte das passieren? Kommissarin Frida Beck stutzt, zumal ihr der Tote bekannt vorkommt. Er war erst am Vorabend in einen Streit ...

Ein toter Taucher in voller Montur, der ertrunken aufgefunden wird - wie konnte das passieren? Kommissarin Frida Beck stutzt, zumal ihr der Tote bekannt vorkommt. Er war erst am Vorabend in einen Streit verwickelt, in dem auch der neue Freund ihrer Schwester zumindest eine Rolle am Rand spielte. Mit "Tod in der Buch" hat Jonas Brandt einen neuen Band der Serie um die Küstenkimmissarin veröffentlicht.

Lag es daran, dass die Lektüre des ersten Bandes schon eine Weile zurückliegt oder daran, dass ich zuletzt eine Kriminalsatire gelesen habe - ich musste beim Lesen über weite Strecken überlegen: Ist das jetzt ernst gemeint oder absichtlich überdreht? Ist die vom Schicksal arg heimgesuchte Kommissarin, deren Mann und Sohn ermordet wurden und die nun von einer Boulevardjournalistin angegangen ist, die ein fleisch- oder vielmehr Druckerschwärzegewordenes Klischee ist. Der Autor hat anscheinend ein sehr merkwürdiges Bild von der Arbeit und Rolle von Medien in einem Land, in dem die Presse nicht gleichgeschaltet ist.

Illegale Tauchaktionen, Streit um die Restitution einer Werft und die Nazi-Vergangenheit einer Milliardärsfamilie - da kommen einige spannende Themen im Plot zusammen, zudem eine Intrige gegen die angeblich zu liberale Polizeidirektorin und Vorgesetzte der Küstenkommissarin.

Angesichts der realen Enthüllungen um rechte Netzwerke bei der Polizei wäre das durchaus aktualitätsbezogener Stoff, allein die Umsetzung konnte mich nicht überzeugen. Hier hat ein Autor seiner Phantasie freien Lauf gelassen, ohne einen Reality Check zu versuchen. Die Charaktere sind irgendwie hölzern, ohne Tiefe, überzogen dramatisiert und einfach nicht lebensnah,

Schade - ich mag Regional- und Küstenkrimis und war neugierig auf "Tod in der Bucht" Die Beschreibung klag viel versprechend. Aber leider konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Hier wurden Klischees nicht lustvoll aufgetragen, wie in erwähnter Kriminalsatire, hier waren sie anscheinend ernst gemeint. Mein Lesegeschmack wurde hier leider nicht getroffen.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2020

Rassismusgeschichte als Schwarz-Weiß-Bild

Wir müssen über Rassismus sprechen
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Wenn man Robin DiAngela, Autorin von "Wir müssen über Rassismus sprechen", Glauben schenkt, dann sind Weiße per se Rassisten. Leugnen ist zwecklos, Abwehr- und Erklärungsversuche nur ein Zeichen "weißer ...

Wenn man Robin DiAngela, Autorin von "Wir müssen über Rassismus sprechen", Glauben schenkt, dann sind Weiße per se Rassisten. Leugnen ist zwecklos, Abwehr- und Erklärungsversuche nur ein Zeichen "weißer Fragiliät". Und am allerschlimmsten sind die "Wohlmeinenden Progressiven", die versichern, sie sähen keine Hautfarben, sondern Menschen. Damit leugneten sie nämlich den Rassismus in dem sie sozialisiert und lebenslang gefangen seien. Peng, das hat gesessen!

Zwar schreibt DiAngelo, die eine "Diversitätstrainerin" ist, über die US-Gesellschaft, zieht Vergleiche zu Australien oder Südafrika - also Länder, in denen vor allem die Geschichte, Realität und der Bevölkerungsanteil Schwarzer Menschen ganz anders ist als etwa in Deutschland. Der Vorschlag, Schwarze Menschen/People of Colour durch Migranten zu "ersetzen", kommt mir angesichts der ganz anderen historischen Bedingungen eher schief vor. Trotzdem, DiAngelo (die selbst übrigens weiß ist), sieht für Weiße irgendwie keine Möglichkeit, aus der Rassismusfalle rauszukommen.

Schwarze Lebenspartner oder Familienangehörige zu haben, prädestiniert offenbar auch nicht zum rassismusfreien Leben. Allenfalls könne man "Demut" entwickeln und gewissermaßen wie auf Eierschalen um schwarze Freunde/Nachbarn/Kollegen herumtänzeln, vorsichtig fragend, ob man auch nichts verletzendes geäußert habe. Ein unverkrampftes Verhältnis scheint das für mich nicht zu sein.

Nachdem ich mich durch DiAngelos Buch durchgequält habe, häufig angenervt und verärgert, vermute ich mal, dass meine Haltung die von ihr kritisierte weiße Fragilität zeigt. Oder die Autorin neigt zu solch larmoyanter Selbstgerechtigkeit, dass es mir einfach nur auf die Nerven geht.

Und das ist eigentlich schade, denn nicht nur

BLM in den USA zeigt, dass es wichtig ist, über Rassismus zu reden - auch die Debatte über strukturellen Rassismus, über

MeTwo, über"Wir-Gefühle", die andere ausschließen, etwa mit der berühmten Frage, die auch ich schon zu hören bekam, nämlich "Wo kommst du denn WIRKLICH her?"

So lange in den USA die Mehrheit der Gefängnisbevölkerung schwarz ist, so lange die in Armut lebenden Menschen mit schlechten Bildungschancen überdurchschnittlich häufig schwarz sind, ist die schwarz-weiß-Zeichnung (pun intended!) in DiAngelos Buch verständlich, aber im globalen Vergleich ist es eben nicht so einfach.

Was ist denn zum Beispiel mit migrantischen Menschen vom Balkan oder aus Osteuropa, die nicht in eine "of colour"-Definition passen, aber ebenfalls Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen gemacht haben? Was ist mit Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund von Gender, sexueller Orientierung, Alter, Behinderung oder sozialer Herkunft? Die Tatsache, dass die zehn reichsten Menschen in den USA allesamt weiß sind, bedeutet nicht, dass es nicht auch bittere Armut und null Aufstiegschancen unter Weißen gibt - da muss man nur mal die Bevölkerung in den Appalachen oder x-beliebigen amerikanischen Trailer-Parks ansehen.

Völlig unberücksichtigt bleibt, dass rassistisches Verhalten und rassistische Stereotype keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal von Weißen sind. Da muss man sich nur mal beispielsweise in arabischen Ländern den Umgang mit Schwarzafrikanern (oder in den Golfstaaten mit süd- und südostasiatischen Einwanderern) ansehen oder das Verhalten chinesischer Investoren in Afrika. Ich bin sicher, Robin DiAngelo hat es gut gemeint, aber die Welt ist komplexer als ein Schwarz-Weiß-Bild.

Veröffentlicht am 19.08.2020

Ganz nett. Aber mehr auch nicht....

Ein unerhörtes Alter
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Es klang interessant und reizvoll - ein Buch, das fast 100 Jahren nach seiner Erstveröffentlichung wieder erscheint und den Lesern des Jahres 2020 einen Blick in die Gedanken, Träume und Hoffnungen der ...

Es klang interessant und reizvoll - ein Buch, das fast 100 Jahren nach seiner Erstveröffentlichung wieder erscheint und den Lesern des Jahres 2020 einen Blick in die Gedanken, Träume und Hoffnungen der Frauengeneration nach dem Ersten Weltkrieg zu ermöglichen. Was damals frisch war, ist heute längst Geschichte. Anderes, worum in "Ein unerhörtes Alter" von Rose Macaulay heftig debattiert wurde, wie Ehe ohne Trauschein, Psychoanalyse oder Karrierrewünsche von Frauen, sind mittlerweile selbstverständlich. Obendrein stellt der britische Gesellschaftsroman gleich Frauen aus vier verschiedenen Generationen in den Mittelpunkt, von der 21-Jährigen Gerda bis zu ihrer 84-jährigen Urgroßmutter. Interessante Lektüre garantiert?

Ich wollte dieses Buch mögen, bin aber letztlich enttäuscht zurückgeblieben. Denn irgendwie plätschert die Handlung beliebig vor sich hin in Episoden und Anekdoten, in denen die Frauen der britischen Oberschicht ziemlich konturlos bleiben und andere - außer den obligatorischen Dienstboten drumherum - gar nicht erst in Erscheinung treten. Lässt sich leicht lesen, ist halbwegs unterhaltsam, aber irgenwie denke ich am Ende: Na ja....

Die Leben und die Lieben von jung und alt sind vor allem eines: privilegiert. Progressive, ja revolutionäre Gedanken werden gerade bei der jüngeren Generation gepflegt, ohne dass deshalb der upper class-Lebenstil in Frage gestellt oder verändert wird. Es lässt sich leicht reflektieren und debattieren im Luxusdasein zwischen Sommerhaus am Meer und Londoner Stadtwohnung - der weitgehend unsichtbar bleibende Ehemann von Neville ist Parlamentsabgeordneter.

Überhaupt, Neville - sie will mit 43 ihr bei der Heirat unterbrochenes Medizinstudium wieder aufnehmen und Ärztin werden. Das könnte eine starke Frauenfigur werden. Doch ach, der Verstand hat gelitten, es passt einfach kein Lehrstoff mehr in den Kopf. Oberschichtehefrau mit ausgedehnter Reisetätigkeit ist ja auch nicht so schlimm. Der Ehrgeiz, der sich so vielversprechend abgezeichnet hat, verpufft ohne Kampf. Und die Leserin aus dem 21. Jahrhundert ist not amused.

Die gepflegte Langeweile der Reichen und Schönen - hat sie uns irgendwas zu sagen? Ich fürchte, im Jahr 2020 hat sie ebenso wenig Substanz wie im Jahr 1921.

Veröffentlicht am 10.09.2019

Kommissarin im Alleingang

Brennende Narben
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Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus ...

Ein unkonventionelle, eher untypische Ermittlerin ist die Frankfurter Kripo-Beamtin Mara Bilinsky - stets ganz in Schwarz gekleidet, was ihr den Beinamen "die Krähe" verschafft hat, mit Tätowierungen aus den rebellischen Jugendzeiten (mal ehrlich, was ist bei jemandem Anfang 30 noch rebellisch mit Tätowierungen? die waren doch zu den entsprechenden Jugendzeiten schon längst Mainstream), tough auftretend, aber auch unter einem Kindheitstrauma leidend: Mit 13 Jahren fand Mara zu Hause ihre ermordete Mutter.

In "Brennende Narben", dem dritten Band der Bilinsky-Reihe von Leo Born, geht es darum nicht nur um einen drohenden Bandenkrieg im Frankfurter Rotlichtmilieu zwischen einer albanischen Gangsterbande und dem "Wolf" vor dem Mara von eine anonymen Anrufer gewarnt wird. Es geht auch um die höchst privaten undienstlichen Ermittlungen der Komissarin, die wissen will, wer schuld am Tod ihrer Mutter ist. Von dieser Frage ist sie regelrecht besessen. Das heißt; Eigentlich verdächtigt sie ihren Vater. Von dessen Schuld ist sie eigentlich ziemlich überzeugt. Beweise wären allerdings nicht schlecht - der damals ermittelnde Staatsanwalt allerding tut sein Bestes, Maras Ermittlungen zu blockieren. Zudem gibt es noch einen brutalen Killer, der in Frankfurt eine Blutspur hinterlässt, angefangen mit einer grausam ermordeten Edelprostituierten, deren letzter Kunde ausgerechnet Maras Vater war...

Gelitten, geblutet und gestorben wird reichlich in "brennende Narben" und wer mit plakativer und eher reißerischer Spannung glücklich wird, dürfte mit dem Krimi gut bedient werden. Der Plot mit Organisierter Kriminalität, Zwangsprostitution, Menschenhandel und Bandenkrieg im Frankfurter Bahnhofsviertel ist auf jeden Fall spannend - und hätte die Obsession mit Maras Familiengeschichte eigentlich nicht gebraucht. Mich störten allerdings beim Lesen die holzschnittartigen Dialoge und Beschreibungen. Was werden hier Lippen zusammengepresst, Augen zu Schlitzen verzogen, höhnisch gegrinst...

Hinzu kommt die Realitätsferne. Klar, es handelt sich um einen Roman und nicht um eine Dokumentation, aber halbwegs glaubwürdig sollte die Geschichte schon sein. Eine Polizistin, die so häufig - und auch außer Dienst - mit der Waffe rumfuchtelt und Leute bedroht, wäre im wirklichen Leben schon längst aus dem Polizeidienst geflogen. Und Ermittlungen in eigener Familiensache? Not really!

Die fröhliche Unbekümmertheit, mit der Beamte ohne Rückendecken zu Alleingängen aufbrechen, in einem ausgesprochen hierarchisch und bürokratisch organisierten Apparat ihr eigenes Ding durchziehen können und dabei höchstens mal einen mahnend erhobenen Zeigefinger riskieren - vielleicht hätte der Autor besser getan, die Handlung in den USA anzusiedeln statt in Frankfurt. Dort greifen Polizisten schließlich deutlich häufiger zur Waffe und wenn (so das Polizeideutsch) eine Schussabgabe erfolgt ist, dürfte die anschließende Untersuchung des Vorfalls auch nicht so lange dauern wier hierzulande.

Ich mag starke, unkonventionelle, unangepasste Frauenfiguren. Ich bin zum Beispiel ein ausgesprochener Fan der Chastity Riley-Reihe, mag den bluesigen Unterton der Bücher, Doch so sehr ich mich bemüht habe - mit Mara Bilinsky konnte ich einfach nicht warm werden. Unter all dem "ich bin ja so rebellisch!"-Schwarz steckt irgendwie auch ziemlich viel Selbstgerechtigkeit und Unfähigkeit, auch mal das eigene Urteil in Frage zu stellen. Ich denke, mein erster Bilinsky-Krimi war auch mein letzter. Trotzdem danke, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte!

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Veröffentlicht am 14.12.2023

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Durstiges Land
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Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - ...

Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - in Form von Kurzgeschichten gezeigt, wie die nahe Zukunft in einem von Wassermangel geprägten Deutschland aussehen könnte. Als Dystopie beziehungsweise Utopie geht es um das worst oder best case scenario, wobei nicht die Illusion geweckt wird, als sei der Klimawandel plötzlich vom Tisch, im Gegenteil, es geht darum, das Beste aus einer zunehmend schwierigen Situation zu machen.

Eigentlich ein reizvoller Ansatz für alle, die sich mit dem Thema Klimawandelfolgen beschäftigen wollen, sich von wissenschaftlichen Abhandlungen aber überfordert fühlen oder einfach mit dem "Was wäre, wenn..." Gedanken spielen, der ja nun so ganz wissenschaftlich nicht ist. Zudem könnte so ein Buch auch Leser anziehen, die sich vielleicht noch nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

Dass die Wasserkrise kommt, ist keine Frage - sie ist ja schon längst da. Mehrere Hitzesommer haben die wirtschaftlichen Folgen gezeigt, wenn der Rhein nicht mehr schiffbar ist. Kommunale Verbote, den Garten zu wässern, könnten schon bald ein Luxusproblem sein angesichts sinkender Grundwasserspiegel und ihrer Folgen für das Ökosystem. Gewaltsame Konflikte um Wasser gibt es schon längst in mehreren Staaten, auch wenn dieses Szenario in Deutschland keine Rolle spielt.

Doch ach, gut gemeint ist nicht gut gemacht. Die Protagonisten der Erzählungen sind so holzschnittartig, die Rollen so schwarz-weiß verteilt, dass mich die Geschichten eher an Agit-Prop der 70-er Jahre oder ideologisierende Kinderbücher der DDR erinnern. Es macht einfach keinen Spaß zu lesen, wenn hinter jedem Satz die moralische Empörung der Autorinnen hechelt. Da habe ich geradezu Greta Thunbergs berühmtes "How dare you!" im Ohr.

Bei allem Interesse für das Thema und die auf wissenschaftlichen Arbeiten beruhenden Szenarien, welche Handlungsfelder es gibt, habe ich irgendwo in der Mitte des Buches aufgegeben, da die Geschichten einfach nicht besser wurden. Das nächste Mal greife ich doch lieber direkt zum Sachbuch, wenn ich mehr über die Zukunft einer Welt mit zunehmendem (Süß-)Wassermangel erfahren will.