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Veröffentlicht am 02.01.2024

Rassistische Kontinuitäten in Deutschland

Worte wie Honig
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Diese sind leider nicht weniger geworden, tendenziell eher ansteigend. In "Worte wie Honig" @ldverlag erschienen, schildern Maryam Sabri, Senaz Dost, Caroline Zhu, Birgül Demirtas, Gözde Teper, Hanna Attar, ...

Diese sind leider nicht weniger geworden, tendenziell eher ansteigend. In "Worte wie Honig" @ldverlag erschienen, schildern Maryam Sabri, Senaz Dost, Caroline Zhu, Birgül Demirtas, Gözde Teper, Hanna Attar, Irem Demirici, Leyla Sophie Gleißner, Merve Sahin-Yilmaz, Sofia Eleftheriadi-Zacharaki & Yasemin Altinay in Erfahrungsberichten, Lyrik und anderen Erzählarten wie sie alltäglichen Rassismus hier in unserem Land erleben.
Insbesondere im Hinblick auf die 30 Jahre zurückliegenden Ermordungen türkeistämiger Mitbürgerinnen in Solingen und weiteren Tötungen durch rassistische und rechtsradikale Personen leben sie unterschiedlich stark in Dissonanz, Wut, Verzweiflung und Angst, Angst, welche für betroffene von Rassismus in verschiedensten Formen zur Normalität geworden ist. In diesem schmalen Erzählband entläd sich der Frust, die Wut und der Schmerz aus der Perspektive der Betroffenen. Unter anderem darüber, dass unsere Regierung oben genannte Morde in Kauf nimmt, diese als Einzelfälle abtut und unsere betroffenen Mitbürgerinnen mit ihrer Angst und ihren Traumata im Stich lässt. Mitbürgerinnen, welche hier geboren/aufgewachsen sind, sich in unserer Mitte eine Existenz aufgebaut haben. Es sind Menschen, mit denen wir im Stadtpark gelegentlich Sport machen, in ihren Läden Gemüse kaufen, im Späti noch fix ein Feierabendbier holen, Kommilitoninnen an der Universität, Arbeitskollegeninnen, Spielplatzfreundinnen unserer Kinder. Mich hat die Anthologie, welche mit der Unterstützung des BIPoC Voices e. V. entstanden ist, tief berührt. Sie appellieren daran, dass erinnern auch verändern und kämpfen bedeutet. Für eine Welt, in der wir alle, egal ob unserer Herkunft und Religion, respektvoll und friedlich zusammen leben. In Gedenken an Mevlüde Genc.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Wie lebte eine weibliche Dakota im 19. Jahrhundert???

Waterlily
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Einblicke in ein solches Leben ermöglicht Ethnologin und Linguistin Ella Cara Deloria in ihrem Roman "Waterlily" erschienen im Palisander Verlag (leider konnte ich keinen Instagramkanal zu dem Verlag finden).
Zentrum ...

Einblicke in ein solches Leben ermöglicht Ethnologin und Linguistin Ella Cara Deloria in ihrem Roman "Waterlily" erschienen im Palisander Verlag (leider konnte ich keinen Instagramkanal zu dem Verlag finden).
Zentrum des Romanes ist die junge Dakota Waterlily. Der Roman beginnt sogar noch vor ihrer Geburt und schildert unter anderem auch das Leben ihrer Mutter Blue Bird und deren Mutter. Mich hat die Geschichte um die drei Frauen sehr berührt. Aber auch wie Ureinwohnerinnen, in diesem Fall Dakota/Lakota ihren Alltag gestaltet haben. Zwar sind die Aufgaben klar aufgeteilt nach Geschlecht männlich und weiblich, jedoch ist der Umgang grundsätzlich sehr respektvoll unter einander. Auch die Kinder werden respektvoll, jedoch mit einer gewissen Strenge erzogen. Gewalt gab es in seltenen Fällen in Ehen und Familien, war jedoch verpöhnt und wurde eher nicht geduldet. Gelebt wurde in familiären Verbänden. Wobei diese nicht immer zwingend Blutsverwandten sind. Waterlily wird nämlich vom 2. Mann ihrer Mutter wie eine eigene Tochter behandelt, er ermöglicht ihr bedeutende Zeremonien und Rituale. Des weiteren lebten die Dakota im Einklang mit der Natur, sie haben Nahrung im Respekt gegenüber dieser entnommen und insbesondere Tiere vollständig verwertet. Verschwendung kannten sie nicht, bis weiße Siedler in das Land kamen. Welche Gefahren für die Ureinwohnerinnen von Amerika das mit sich brachte, wird hier auch geschildert. Insgesamt war der Roman sehr spannend, aufschlussreich und eine große Bereicherung für mich. Denn im Gegensatz zu Romanen von Karl May ist die Autorin hier selbst Dakota-Indianerin gewesen.
Ich kann euch allen "Waterlily" von Ella Cara Deloria von Herzen empfehlen, ist wahrhaft horizonterweiternd.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Das größte Glück - der größte Albtraum

Jesolo
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Andrea & Georg sind schon lange ein Paar. Jedes Jahr fahren sie nach Jesolo in den Urlaub. Was Andrea betrifft ist sie glücklich mit ihrer Beziehung, so wie sie ist. Georg hingegen wünscht sich nichts ...

Andrea & Georg sind schon lange ein Paar. Jedes Jahr fahren sie nach Jesolo in den Urlaub. Was Andrea betrifft ist sie glücklich mit ihrer Beziehung, so wie sie ist. Georg hingegen wünscht sich nichts mehr, als mit Andrea die nächsten Schritte in ihrer Beziehung zu gehen: zusammenziehen, heiraten, Kinder kriegen. Er kann offenbar nicht verstehen, dass Andrea anders denkt, andere Wünsche und Ziele hat. Ja, im Grunde passen die beiden gar nicht zusammen. Doch nach einem großen Streit stellt Andi fest, dass sie schwanger ist. Georg wird Vater und obwohl sie Zweifel daran hat, lässt sich Andrea darauf ein, Georg seine Wünsche zu erfüllen. Wird sie sein großes Glück auch empfinden können, oder entsteht nun für beide der größte Albtraum?
Tanja Raich nimmt hier ein bis heute bedeutendes Thema unserer Gesellschaft und seziert es gekonnt. "Jesolo" @buechergilde ist eine Persiflage auf das vermeintlich größte und einzige Glücke eines jeden Liebespaares. Aus Sicht Andreas lässt die Autorin uns deren tiefste Ängste spüren, aber auch den Frust und die Erwartungen von Georg. Mal bissig, Mal bösse, Mal urkomisch schildert Tanja Raich wie sich Außenstehende in die Beziehung des Paares einmischen, Andrea Mut zusprechen mit der Betonung darauf, sie soll sich keine Sorgen machen. Für mich ist dieser Roman eine geniale Karikatur unserer Gesellschaft und ihrer Erwartungen an Liebespaare. Denn was für die einen das größte Glück bedeutet, kann für andere der schlimmste Albtraum sein. Lesen herzlich empfohlen.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Die Liebe, die Trauer & das Leben danach

Sterben darfst du aber nicht
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Noch bevor sie sich das Erste Mal treffen, schreiben sich Birgit und ihr Philip rund um die Uhr Textnachrichten. Es entsteht eine innige, vertraute und liebevolle Verbindung. Als sie sich dann wirklich, ...

Noch bevor sie sich das Erste Mal treffen, schreiben sich Birgit und ihr Philip rund um die Uhr Textnachrichten. Es entsteht eine innige, vertraute und liebevolle Verbindung. Als sie sich dann wirklich, endlich treffen, ist es wie eine Explosion, endlich können die beiden die gegenseitige Sehnsucht nacheinander stillen. Ein Jahr sind Birgit und Philip sich so nahe, sie können sich gar nicht vorstellen, dass es jemals endet, dieses unglaubliche Glück. Doch dann, nach etwas mehr als einem Jahr stirbt ihr geliebter Philip.
In ihrem Bericht "Sterben darfst du aber nicht" @mikrotext erzählt Journalistin und Schriftstellerin Birgit Fuß, wie sie unverhofft diesen Mann fand, die tiefe Liebe und Verbindung zwischen ihnen wächst und wie sie ihn in seinen letzten Tagen begleiten durfte. Es ist ein Bericht über eine wunderbare Liebe, über teils körperlich schmerzhafte Trauer und Sehnsucht nach dem Geliebten und das Lernen mit dieser Erfahrung zu leben. Mich haben Birgits Zeilen tief berührt. So sehr, dass ich das Buch gelegentlich unterbrechen musste, weil ich geweint habe. Denn in den Zeilen steckt nicht nur Traurigkeit, sondern greifbare Liebe, Dankbarkeit und Stärke. Dieses Buch ist eine Herzensempfehlung, denn wir alle verlieren früher oder später geliebte Menschen um uns herum. Birgits Erfahrung kann sehr inspirierend sein.

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Veröffentlicht am 11.12.2023

Eine, die mit der Tür ins Haus fällt

PUNKED
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Das ist Bey. Die ehemalige Bassistin der Avantgarde-Punkband Bodenkontrolle lebt schon lange in Amsterdam mit Sohn und dessen Vater. Unverhofft wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt, als sie zu der ...

Das ist Bey. Die ehemalige Bassistin der Avantgarde-Punkband Bodenkontrolle lebt schon lange in Amsterdam mit Sohn und dessen Vater. Unverhofft wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt, als sie zu der Beerdigung ihres Ex-Freundes Iggy eingeladen wird. Schön auf der Zeremonie kommen ihr die Todesursache und das Verhalten ihrer Ex-Schwiegermutter in Spe fragwürdig vor. Doch die Mutter von Iggy macht dicht. Es ist auch ein Wiedersehen mit ihren alten Weggefährt*innen aus der Punkszene in Hannover und Berlin. Und durch Gespräche und alte VHS Kassetten aus Iggys Nachlass geht hervor, dass ihr Verdacht, dass an der Todesursache etwas gewaltig stinkt, nicht unberechtigt ist. Es beginnt eine wilde Reise in die Vergangenheit aber auch in der Gegenwart. Bey findet sich alsbald zwischen Erinnerungen an die wilden 1990er Jahre, Hausbesetzung, Hackerszene und einem Pädophilenring wieder. Und sie hat fest vor, den Tod ihres Ex-Freundes aufzuklären.
"PUNKED" von @ysibai @frankfurter_verlagsanstalt ist ein spannendes, finsteres Puzzle, welches sich mit etwa ab dem zweiten Drittel des Buches nach und nach zusammenfügt. Die Stimmung ist düster, nasskalt, wie ein typischer norddeutscher Novembertag. Viele Szenen konnte ich mir lebhaft vorstellen. Auch die angehängte Playlist zum Roman ist eine passende Intemalung des Geschehens. Aus meiner Sicht ist der Autorin eine geschickte Verflechtung von Punkszene, Pädohilenring und Hackerszene gelungen. Ein Krimi mit einer ungewöhnlichen, jedoch äußerst willensstarken Heldin. Stellenweise nichts für zarte Gemüter, jedoch ein äußerst lesenswertes Debüt.

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