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Veröffentlicht am 16.09.2018

„Miss Happy und ihr Chauffeur“

Guten Morgen, Miss Happy
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... so bezeichnet Happy den anderen Hunden im Park gegenüber ihr Verhältnis zu Walter, ihrem Menschen – das Wort Herrchen mag sie nicht, da sie der Chef ist. Das klingt ziemlich respektlos und ist auch ...

... so bezeichnet Happy den anderen Hunden im Park gegenüber ihr Verhältnis zu Walter, ihrem Menschen – das Wort Herrchen mag sie nicht, da sie der Chef ist. Das klingt ziemlich respektlos und ist auch so gemeint. Happy ist die Rudelführerin. Sie weigert sich, die Hundeschule zu besuchen und träumt davon, Königin der Welt oder wenigstens von Deutschland zu werden, dann könnte sie nämlich endlich die Leinenpflicht abschaffen!
Woher ich das alles weiß? Weil sie es Walter erzählt. Er hat sie eines Tages dabei erwischt, wie sie mit Hilfe des Sprachassistenten Alexa den Fernseher eingeschaltet hat. Seit dem guckt sie Dokus oder Filme, sobald die Familie aus dem Haus ist, und diskutiert morgens beim ersten Espresso mit Walter darüber.

„Guten Morgen, Miss Happy“ ist sehr amüsant, herzerwärmend und tiefgründig. Happy und Walter philosophieren über Leben und Tod, Maulkörbe, Designer-Klamotten für Hunde (schließlich ist Happy ein Mädchen),Gourmet-Leckerlies, Diäten für Mensch und Hund, Ängste, den Dauerstress der Menschen und vieles mehr. Und fast immer zieht Walter den Kürzeren: „Manchmal muss man einsehen, dass man seinem Hund einfach nicht das Wasser reichen kann.“ (S. 12).

Ich habe mich und meinen Hund in sehr vielen Situationen wiedererkannt. Sei es das morgendlich Anstarren, damit man endlich aufsteht, die Weigerung, bei Regen rauszugehen oder die Hypnoseversuche, damit noch ein Stückchen Fleisch in den Fressnapf wandert.

Ein Buch nicht nur für (potentielle) Hundebesitzer sondern für alle, die gern mal eine andere, entspanntere, Sichtweise auf das Leben werfen wollen. „Wir helfen Euch dabei, das Glück zu suchen. Und wenn es gut läuft ... dann schaffen wir es manchmal sogar, das Glück für Euch zu finden.“ (S. 218)

Fazit: Hunde sind die besseren Menschen. Ein Buch, das einfach Happy macht!

Veröffentlicht am 13.09.2018

Liebe versetzt Berge ...

Das Mädchen im roten Kleid
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...aber kann sie auch ein verschwundenes Gedächtnis heilen?

1918 lernt Eden Valentine im Garten eines Sanatoriums in der Nähe von London einen Soldaten kennen, der das Gedächtnis verloren hat. Zwar blitzen ...

...aber kann sie auch ein verschwundenes Gedächtnis heilen?

1918 lernt Eden Valentine im Garten eines Sanatoriums in der Nähe von London einen Soldaten kennen, der das Gedächtnis verloren hat. Zwar blitzen ab und an kurze Erinnerungsfetzen auf, aber er kann sie nie halten. Er weiß nicht einmal mehr seinen Namen. Doch er will endlich da raus und überredet Eden, ihn aus dem Sanatorium mitzunehmen. „Wenn Sie meine Träume wahr machen, dann werde ich eines Tages das Gleiche für sie tun ... das verspreche ich.“ (S. 25)
Edens Vater ist ein angesehener jüdischer Herrenschneider, mit ihrem Bräutigam wurde sie schon vor der Geburt verlobt. Und nun platzt da Tom, wie sie ihn nennt, in ihr Leben. Er fragt sie nach ihren Träumen und versteht die Einschränkungen, denen sie nach Kriegsende wieder unterliegt. Ja, sie haben wahrscheinlich ein Gefühl der Freiheit empfunden und müssen jetzt wieder zu ihrem Leben zu Hause zurückkehren.“ (S. 35) Eden hätte gern ein Atelier, in dem sie Braut- und Alltagskleider für die gehobene Gesellschaft entwerfen und nähen könnte. Doch natürlich ist ihr zukünftiger Mann dagegen – eine gute jüdische Ehefrau gehört ins Haus zu ihren Kindern.
Tom und Eden verlieben sich, heiraten gegen die Wiederstände ihrer Familie und sind auf dem besten Weg, sich alle ihre Träume zu erfüllen. Seine Vergangenheit spielt keine Rolle mehr: „Ich will gar nicht wissen, wer ich mal war. Mich interessiert nur, wer ich jetzt bin.“ (S. 156). Doch eines Tages kommt er nicht mehr nach Hause.

Tom ist ein bemerkenswerter Mann. Obwohl er sich an nichts erinnern kann, will er sein Leben selbst in die Hand nehmen. Schnell stellt er fest, dass er ein Händchen für (legale) Geschäfte hat und Eden so ihren Traum ermöglichen kann.
Eden ist sehr warmherzig, aber auch elegant und hat ein unglaubliches Gespür für zukünftige Trends. Tom findet es toll, dass sie aus den ihr von ihrer Familie und ihrem Glauben vorgegebenen Grenzen ausbrechen und sich selbst verwirklichen will. „Ich möchte selbst für mich wählen ... vom Beruf bis hin zu dem Mann, den ich liebe und heiraten will.“ (S, 116). Er fördert ihre Ambitionen, sie sind Partner auf Augenhöhe, ergänzen sich perfekt.

Ich fand die Beschreibung von Edens Entwicklung von der braven jüdischen Tochter zur selbstbewussten Atelierinhaberin sehr spannend. Geschickt hat die Autorin die religiösen Hintergründe und Grundsätze in die Handlung einbezogen. Auch das Setting des Romans hat mir sehr gut gefallen. Das wieder aufstrebende London der 20er Jahre ist vor meinem inneren Auge lebendig geworden.

Man könnte zwar bemängeln, dass einige Zufälle innerhalb der Handlung vielleicht etwas zu märchenhaft waren – aber steckt nicht in jeder Liebe auch ein bisschen Magie?

Fiona McIntosh hat mich mit „Das Mädchen im roten Kleid“ sofort in ihren Bann gezogen. Es ist eine Geschichte voller Verlust, Hoffnung, Liebe und Vertrauen. Die Handlung ist so fesselnd, dass ich die knapp 550 Seiten an nur 2 Abenden förmlich inhaliert habe. Ich habe mit Tom und Eden mitgelitten und mitgefiebert, immer in der Hoffnung, dass es doch noch ein Happy End gibt.

Veröffentlicht am 10.09.2018

Irgendwie fängt irgendwann irgendwo die Zukunft an

Spätsommerfreundinnen
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Jette steht kurz vor ihrem 49. Geburtstag und ist etwas unzufrieden mit ihrem Aussehen. Aber „Fünfzig ist das neue Dreißig. Na ja, das war vielleicht ein wenig übertrieben. Aber vierzig würde passen.“ ...

Jette steht kurz vor ihrem 49. Geburtstag und ist etwas unzufrieden mit ihrem Aussehen. Aber „Fünfzig ist das neue Dreißig. Na ja, das war vielleicht ein wenig übertrieben. Aber vierzig würde passen.“ (S. 9) meint ihre Tochter Jule. Außerdem ist sie frisch geschieden und quasi auf dem Weg in den Wellnessurlaub mit ihrer besten Freundin Eva, als sie erfährt, dass ein alter Freund ihrer Mutter gestorben ist. Statt nach Sylt geht es also zur Beerdigung nach Lünzen in der Lüneburger Heide (ihrem Geburtsort), wo ihr sofort in ihre Jugendliebe Jan über den Weg läuft. Zudem erfährt sie, dass sie das Lokal des Verstorbenen übernehmen könnte – davon hat sie früher immer geträumt ...

Seit ihrer Schulzeit war Jette nicht mehr in Lünzen, trotzdem ist das Heimatgefühl sofort wieder da. Der Ort ist recht klein, man kennt sich und es gibt keine Geheimnisse – theoretisch. Aber dann lässt die Schwester des Verstorbenen auf der Beerdigung eine Bombe platzen. Und das bleibt nicht die einzige Überraschung.
Außerdem funkt es zwischen Jette und Jan sofort wieder. Aber was will er von ihr? Eine Affäre? Eine zweite Chance? Will sie die alte Liebe wieder aufwärmen? Liebe macht verletzlich.“ (S. 22) Sie hält ihn vorerst auf Abstand, auch wenn ihr das nicht immer leichtfällt.

In „Spätsommerfreundinnen“ lässt Andrea Russo die Frauen ihrer (und fast schon meiner) Generation zu Wort kommen. Eine Altersklasse, in der man sich noch nicht richtig alt fühlt, aber eben auch nicht mehr jung. Keine 20- oder 30jährigen auf der Suche nach der großen Liebe, sondern gestandenen Frauen mitten im Leben und in Umbruchsituationen. Jette und ihre Freundinnen resümieren ungeschönt über Wechseljahre und eingeschlafene Beziehungen, sich verändernde Körper und Gelüste.

Einmal angefangen, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen und habe (wieder mal) bis nach Mitternacht gelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Die Geschichte ist sehr spannend und voller unvorhersehbarer Wendungen. Und ziemlich lustig, weil Jette gern mal in das eine oder andere Fettnäpfchen tappt.

Besonders gefallen haben mir der Zusammenhalt der Frauen und die verschiedenen Arten ihrer Beziehungen. Jette und Uta haben 30 Jahre nichts voneinander gehört und sind sich fremd geworden. Jetzt sprechen sie sich aus und merken, was sie eigentlich verpasst haben.
Eva und Jette hingegen sind sich ebenbürtig und beste Freundinnen, Ratgeber für alle Lebenslagen. Sie haben sich gegenseitig durch die schlimmsten Krisen geholfen – so etwas schweißt natürlich zusammen.
Und Jette und Tochter Jule sind die „Girlmore Girls von Oberhausen“.

Andrea Russo macht mit diesem Buch aber auch Lust auf die Lüneburger Heide und Buchweizentorte .

Zum Schluss gibt’s mein Lieblingszitat: „Liebe ist der Entschluss, das Ganze eines Menschen zu bejahen, die Einzelheiten mögen sein, wie sie wollen.“ (S. 190)

Veröffentlicht am 05.09.2018

Starke Frauen in Zeiten des Umbruchs

Der Gutshof im Alten Land
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Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei und auf der Domäne (dem Landgut) der Familie von Voss könnte der Alltag wieder einkehren. Aber der Hausherr Edzard von Voss schwebt seit einem Schlaganfall zwischen ...

Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei und auf der Domäne (dem Landgut) der Familie von Voss könnte der Alltag wieder einkehren. Aber der Hausherr Edzard von Voss schwebt seit einem Schlaganfall zwischen Leben und Tod und seine Frau Caroline opfert sich bei der Rund-um-die-Uhr-Pflege auf. Also leitet Tochter Finja (22) den Hof und ersetzt ihren Eltern die beiden Söhne. Gerrit hat sich vor dem Krieg mit dem Vater überworfen und ist nach Amerika ausgewandert und Lennart ist in Nordfrankreich verschollen. Sollte Edzard jetzt sterben, würde der Hof an seinen Neffen Roland Lüdersen gehen, Finjas ungeliebten Verlobten. Vor dem Krieg wollte sie Veterinärmedizin studieren, aber das ist in der jetzigen Situation natürlich unmöglich.

Als Retter in dieser Situation erscheint ihnen Clemens Curtius, ein Kriegskamerad von Lennart, der ihm unglaublich ähnlich sieht. Eigentlich will er Lennarts Eltern nur dessen Papiere übergeben, aber Caroline sieht sofort, dass er die Lösung ihrer Probleme ist – er sieht dem Erben zu ähnlich!
Clemens weckt in seiner Rolle als Lennart sofort die Begehrlichkeiten der Damenwelt. Sei es die Caroline, Tochter des neuen Arztes oder Ariana, die Tochter eines Reeders und ehemalige Freundin von Gerrit – sie verfallen Clemens Charme. Sein „Rollenspiel“ hilft aber nicht nur den Voss, sondern auch ihm selbst. Er ist verwundet, allein und heimatlos. Die Zeit im Alten Land ist wie eine Kur für ihn. „Ich hoffe, dass ich deiner Familie durch meine Anwesenheit etwas von dem zurückgeben kann, was ihr für mich tut.“ (S. 214). Allerdings ist der Spagat gefährlich, jederzeit könnte seine wahre Identität entdeckt werden. Durch seine Verwundung ist er opiumabhängig und muss regelmäßig nach Hamburg ins Chinesenviertel fahren, um sich Nachschub zu besorgen.
Vor allem das Dienstmädchen Käthe, die Geliebte von Roland Lüdersen, spioniert Clemens hinterher, weil sie sich so den Einstieg in ein besseres Leben erhofft. Schließlich sind die Sozialisten auf dem Vormarsch, auf dem Papier jetzt alle gleich: „Ihresgleichen hatte jetzt ebenso viele Rechte, aber leider noch weniger zu essen.“ (S. 147). Und es gilt noch ein weiteres Geheimnis lösen: Ihre ältere Schwester Jenny verschwand vor Jahren, als Lennart in den Krieg zog, und wird ihr jetzt immer wieder als schlechtes Vorbild präsentiert. Was ist damals passiert und wo ist Jenny jetzt?

Micaela Jary hat es wieder geschafft, mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann der Geschichte zu ziehen. Stellenweise ist es schon fast ein Krimi – was wurde z.B. aus den Söhnen des Hauses und warum sieht Clemens Lennart so ähnlich?
Sie beschreibt sehr lebendig das Leben im Alten Land in der damaligen Zeit. Dabei romantisiert sie nichts sondern zeigt alle Facetten des Lebens und die vielen Einschränkungen, denen die Menschen unterlagen.
Ich bewundere vor allem die starken Frauenfiguren, denen die Autorin in ihren Büchern ein Zuhause gibt. In der sich verändernden Gesellschaft träumten sie von einer anderen, fortschrittlicheren Zukunft und obwohl sie sich oft der Familie oder den Umständen unterordnen mussten, schafften sie es, sich wenigstens etwas ihrer im Krieg erworbenen Selbständigkeit zu bewahren.

Veröffentlicht am 04.09.2018

Von Herz zu Herz, Julien

Die Liebesbriefe von Montmartre
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Julien Azouley hat seine Frau Hélène vor 5 Jahren am Grab von Heinrich Heine auf dem Friedhof Montmarte kennengelernt, jetzt liegt sie selber hier und er besucht sie jeden Freitag. Manchmal begleitet ihn ...

Julien Azouley hat seine Frau Hélène vor 5 Jahren am Grab von Heinrich Heine auf dem Friedhof Montmarte kennengelernt, jetzt liegt sie selber hier und er besucht sie jeden Freitag. Manchmal begleitet ihn dabei sein kleiner Sohn Arthur.
Julien ist Schriftsteller und berühmt für seine Liebeskomödien. Aber seit Hélènes Tod kann er nicht mehr schreiben. Nicht mal die 33 Briefe – für jedes Lebensjahr eins – die er ihr versprechen musste. „Schreib mir, wie die Welt ist ohne mich.“ (S. 13)
Erst als ihn sein Verleger immer mehr drängt und auch sein Freund Alexandre ihm den Kopf zurechtrückt „Die meisten großen Schriftsteller waren gerade dann am besten, wenn sie am unglücklichsten waren.“ (S. 55), platzt der Knoten und er schreibt wenigstens die Briefe an Hélène. Und was immer sie sich dabei gedacht hat, mit jedem Brief geht es Julien etwas besser. Das Schreiben tröstet ihn, er erinnert sich an die schönen Zeiten mit ihr und erzählt ihr, wie es ihm und Arthur gerade geht, was Familie und Freunde machen. Die Briefe versteckt er in einem Geheimfach des Grabsteins. Doch eines Tages sind sie weg, dafür liegt ein kleines Steinherz darin. Und auch auf die nächsten Briefe scheint Hélène zu antworten ... „Wohin werden mich diese Briefe führen, Hélène?“ (S. 234)

Julien tat mir sehr leid. Ich konnte gut verstehen, dass er sich nach dem Tod seiner Frau von allem abgeschottet hat. Arthur war oft der einzigste Grund, überhaupt aufzustehen und aus dem Haus zu gehen. Man sagt zwar, die Zeit heilt alle Wunden, aber manche brauchen eben etwas länger. „Das Leben schien neu zu beginnen, nur ich haderte mit der Ungerechtigkeit des Schicksals.“ (S. 99). Auch seine Verwirrung, als plötzlich die Briefe weg waren und dafür Antworten im Versteck lagen, konnte ich gut nachvollziehen. Ich hätte auch an meinem Verstand gezweifelt.
Arthur macht seinem Namen trotz seiner 4 Jahre alle Ehre. Er ist ein tapferer kleiner Kerl. Seine Vorstellung von seiner Mama als Engel fand ich wunderschön. Außerdem ist er einfach goldig, wenn er seinem Papa erklärt, dass er jetzt eine Freundin habe und Julien sich auch eine suchen soll, damit er nicht mehr so traurig ist.

Nicolas Barreau hat einen ganz wunderbaren Schreibstil. Romantisch, ohne kitschig zu sein. Juliens und Hélènes Geschichte hat mich bis zum Schluss gefesselt und sehr gerührt. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Barreaus Beschreibungen von Paris machen seine Bücher für mich rund. Ich erkenne so viele Stellen wieder. Das Musée Rodin mit seinem Park hat mir bei unserem letzten Besuch besonders gefallen. Mitten in der Stadt und trotzdem ruhig. Montmartre haben wir bei jeder Reise besucht und an Heines Grab habe ich auch schon gestanden. In seinen Büchern erlebe ich diese Reisen immer noch mal.

Mir gefällt auch, dass das Buch zwar gebunden ist, aber trotzdem eine sehr schöne handliche Größe hat. Sozusagen Taschenformat.