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Veröffentlicht am 28.07.2023

Caring Society

Die Rettung der Pflege
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„Im Prinzip kann jeder pflegen, es will nur keiner.“ (S. 11) ist die kontroverse Antwort der beiden Autoren Reimer Gronemeyer und Oliver Schultz auf die Frage nach der Zukunft der Pflege. Denn dass die ...

„Im Prinzip kann jeder pflegen, es will nur keiner.“ (S. 11) ist die kontroverse Antwort der beiden Autoren Reimer Gronemeyer und Oliver Schultz auf die Frage nach der Zukunft der Pflege. Denn dass die Pflege so, wie sie jetzt ist, zum Scheitern verurteilt ist, kann keiner mehr leugnen. Die Pflegekräfte sind überarbeitet, unterbesetzt und unterbezahlt.
Die beiden Autoren plädieren als Lösung für das Caring-Society-Prinzip, bei dem Freiwillige, Ehrenamtliche, Angehörige, Nachbarn und Freunde in die Pflege zu Hause eingebunden werden. Dagegen erhebt mein Mann, der seit 35 Jahren als Krankenpfleger arbeitet, 8 davon in einer geriatrischen Reha-Klinik, sofort Einspruch, als ich ihm davon erzähle. Er sagt, nicht nur, dass die meisten nicht wollen, sie können es auch nicht. Die Menschen werden immer älter, haben dadurch immer mehr Krankheiten und bedürfen sehr spezieller Pflegen – da würden Ungelernte schnell überfordert sein. Das fängt beim Waschen an und setzt sich bei besonderer Ernährung / Diäten fort (da klammere ich die Ernährung über eine Sonde und den damit verbundenen Aufwand schon aus). Gleiches gilt für die Wundpflege (Verhindern vom Wundliegen / Lagerungstechniken etc.). Zudem sind gerade demente Patienten oft nicht zur Mitarbeit bereit oder werden aggressiv – welche Angehörige, meist sind es ja weibliche, hat dem ausreichend Kraft und Willen entgegenzusetzen?!

Ich fand die Idee des Buches gut und hatte mir echte Lösungsansätze erhofft. Meine Eltern sind beide über 70 und wer weiß, wann sie Pflegefälle werden. Doch die Autoren zeigen zwar viele Probleme auf, aber mir fehlen umsetzbare Maßnahmen zur Abschaffung der Probleme. Vielleicht würde es schon helfen, wenn man die Angehören genau wie die Bufdis in Crashkursen schult oder den Zivildienst wieder einführt, damit auch wirklich Personal bereitsteht.

Außerdem schweifen sie leider immer wieder ab, bringen zu viele sich wiederholende selbst erlebte Fälle und konzentrieren sich zu sehr auf Corona und Demenz. Ich habe mich beim Lesen gefragt, für welche Zielgruppe das Buch gedacht ist. Doch mit einem haben sie Recht: „Die Not der Pflege hängt mit der Not der Gesellschaft zusammen, und mit der geordneten Trennung der beiden.“ (S. 161)

Mein Fazit: Als Bestandsaufnahme der Pflegeproblematik ist das Buch ganz gut, aber mir fehlen echte, umsetzbare Lösungsvorschläge.

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Veröffentlicht am 18.07.2023

Freie Kunst und freie Liebe

Colette
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Da ihr Vater das Familienvermögen durchgebracht hatte, blieben Sidonie-Gabrielle Colette nur zwei Möglichkeiten: sie konnte Lehrerin werden oder warten, bis ihre Eltern einen Mann fanden, der sie auch ...

Da ihr Vater das Familienvermögen durchgebracht hatte, blieben Sidonie-Gabrielle Colette nur zwei Möglichkeiten: sie konnte Lehrerin werden oder warten, bis ihre Eltern einen Mann fanden, der sie auch ohne Mitgift nahm. Doch sie suchte sich ihren Ehemann selbst aus: Henry Gaulthier-Villars, der mit ihrem Bruder zusammen studiert hatte. Er sah zwar nicht besonders gut aus, beeindruckte sie aber mit seinem schriftstellerischen Schaffen und seiner Weltgewandtheit. Gegen die Warnung ihrer Mutter und Freunde heiratet sie den 14 Jahre älteren, sehr erfahrenen Mann. Schon bald nach der Hochzeit kommen ihr Zweifel an seinen Gefühlen und Intensionen. Er ist fasziniert von ihrem kindlichen Aussehen und der Naivität, die sie umgibt, brüstete sich vor seinen Freunden damit, eine kleine Wilde eingefangen zu haben, da ihre Vorfahren zum Teil Martinique stammen und sie als Naturkind nach den Lehren des Sozialreformers Charles Fourier erzogen wurde.
Aber so kann Henry sie auch nach seinem Willen formen. Er schleift sie durchs Pariser Nachtleben, bestimmt ihre Kleidung, Frisur und Bücher, die sie lesen soll, kritisiert sie vor anderen – natürlich nur, damit sie daraus etwas lernt. Wenn sie sich ihm widersetzten will, macht er sie durch Nichtbeachtung und Drohungen gefügig. „Ich verlange unbedingte Loyalität. Blamiere mich nie wieder, oder du wirst es bereuen.“ (S. 190) Ihr Bild von ihm bekommt schnell Risse. Aber sie liebt ihn und kämpft um seine Zuneigung, fühlt sich geehrt, dass sie seine Arbeit machen und die Texte seiner anderen Lohnschreiber Korrekturlesen darf. Bald schreibt sie ganze Artikel für ihn. Trotzdem ist das Geld immer knapp, Henry lebt zu gern auf großem Fuß. Also sperrt er sie in ihr Arbeitszimmer, damit sie einen fiktiven Roman über ihre Schulzeit schreibt, den er mit erotischen Szenen aufpeppt - „Claudine“ wird ein Riesenerfolg. Natürlich steht nicht ihr Name auf dem Einband, sondern seiner … „Henry war ihr dunkler Spiegel, ein notorischer Lügner, ein Hochstapler, der sich an ihren Fähigkeiten bereicherte.“ (S. 314)

Pia Rosenberger beschreibt in ihrem neuesten Buch Colettes langen und steinigen Weg zur gefeierten Journalistin, Schriftstellerin und Varietékünstlerin. Ich wusste kaum etwas über sie und war schockiert, wie Henry seine Kleinmädchenfantasien an ihr (und später anderen jungen Frauen und Mädchen) auslebte. Er war ein Mann, der niemanden neben sich duldete, schon gar keine Frau. Mit Zuckerbrot und Peitsche hielt er sie gefügig, lobte sie erst für ihre Leistungen, nur um ihr im nächsten Satz zu sagen, dass sie ohne ihn nichts war „Vergiss nicht, dass allein die Tatsache, dass Du eine Frau bist, dir Grenzen setzt.“ (S. 34) Und da er ständig untreu war, „erlaubte“ (besser befahl) er ihr Beziehungen zu anderen Frauen, damit sie ihr Spektrum erweiterte. Ich habe mich beim Lesen manchmal richtiggehend vor ihm und seinen Ansichten geekelt und mich gefragt, wie sie es so lange bei und mit ihm ausgehalten hat.
Colette war zwar noch jung und naiv, als sie ihn kennenlernte, aber sie hatte eine Vision: „Ich will kein Anhängsel sein, sondern etwas Unvergängliches schaffen. Etwas, das für sich steht, frisch und rein und ewig.“ (S. 34) Und so sehr Henry sie auch unterdrückte, letztendlich begann sie wegen ihm mit dem Schreiben und um ihren Namen und ihre Unabhängigkeit zu kämpfen, als sie begriff, wie gut sie war. Die Leser sollten wissen, dass sie hinter den Claudine-Romanen stand!

Henry und Colette lebten in einer Zeit, da in Paris die freie Kunst und freie Liebe propagiert wurde und probierten vieles aus. Sie hatten einen großen Freundeskreis und standen mit vielen Berühmtheiten auf Du und Du. Dieses mondäne, leicht verruchte Flair bringt Pia Rosenberger sehr gut rüber. Allerdings beleuchtet sie Colettes und Henrys Ehe in meinen Augen etwas zu ausführlich, dafür kamen mir ihr Kampf um ihre Freiheit und Unabhängigkeit und die Art und Weise, wie sie das macht, etwas zu kurz. An der Stelle überwogen die Einblicke in ihr Privat- und Liebesleben, obwohl das natürlich auch eine Rolle gespielt hat.

Mein Fazit: Eine sehr ausführliche und bildhafte Romanbiographie über Colettes erste Ehe und ihre Befreiung daraus.

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Veröffentlicht am 07.07.2023

Der Nerd-Code

Liebe ist eine komplizierte Phase
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„Manchmal fühlte es sich so an, als wären wir zwei Segelboote, die am selben Hafen abgelegt hätten, dann aber vom Wind auseinander getrieben worden waren.“ (S. 34) Charlie ist Informatikerin und hat für ...

„Manchmal fühlte es sich so an, als wären wir zwei Segelboote, die am selben Hafen abgelegt hätten, dann aber vom Wind auseinander getrieben worden waren.“ (S. 34) Charlie ist Informatikerin und hat für ihre Doktorarbeit eine feministische KI namens Emily gebaut und programmiert. Leider sind weder ihre betreuende Professorin noch ihre Kollegen davon sonderlich beeindruckt. Auch privat läuft es nicht rund. Nach 12 Jahren ist aus ihrer Beziehung mit David die Luft raus. Als sich ihre jüngere Schwester dann schon nach 2 Jahren verlobt und sehr zügig eine sehr pompöse Hochzeit plant, kommt Charlie ins Grübeln. Sie hatte zwar gesagt, dass sie nie heiraten will, aber David fragt ja nicht mal. Und dann steht plötzlich Nate vor ihr und die Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen wieder …

Nerdy, wie David Charlie liebevoll nennt, ist ein echter Workaholic. Selbst zu Hause kann sie nur an ihre KI und Fehlercodes denken und vernachlässigt ihr Privatleben. Wobei sie im Zwischenmenschliche eh nicht besonders gut ist, immer alles zerdenkt und jedes nur mögliche Fettnäpfchen mitnimmt. Sicher fühlt sie sich nur im Reich der Zahlen und binären Codes. Zum Glück scheint David Verständnis zu haben und lässt ihr ihre Ruhe – was sie dann auch wieder stört, weil er vor der Konsole oder mit seinen Kumpels auf Bolzplätzen rumhängt. Rückhalt gibt ihr ihre beste Freundin Maxi, die immer ein offenes Ohr für Charlie hat, wenn sie auf Arbeit wieder mal übergangen oder ignoriert wurde. Ihre Doktormutter scheint aber auch die Anna Wintour der Akademischen Landschaft zu sein und keine andere Frau neben sich zu dulden. Maxi sagt Charly seit Jahren, dass sie mehr Werbung für sich machen und Networking betreiben soll, aber dazu ist sie zu introvertiert. Erst als Nate ihr entsprechende Kontakte vermittelt, springt sie endlich über ihren Schatten und traut sich. Aber dann passiert ihr etwas, was ihre Welt ins Wanken bringt. „Meistens wollte ich einfach nur aus meinem Kopf raus. In den Rettungshubschrauber steigen und die brennende Stadt meines Lebens hinter mir lassen.“ (S. 217)

Marilena Sommer schreibt sehr unterhaltsam, ein bisschen wie Ali Hazelwood, nur ohne den Sex 😉. Charlie als weiblicher Nerd hat mir gut gefallen, auch wenn ich ihre Handlungen nicht immer ganz nachvollziehen konnte. Vor allem das, was nach ihrem „Fehler“ passiert und was sich dann daraus ergibt, war mir etwas zu konstruiert. Außerdem legen David und ihre Schwester einige für mich nicht nachvollziehbare Wendungen hin, aber das Ende passte dann wieder.
Vor allem die Szenen mit ihrer Familie und ihrer Schwester, die immer mehr zu Brautzilla mutiert, waren für Charlie zwar nicht so toll, aber sehr amüsant.

Mein Fazit: Abwechslungsreiche RomCom aus dem deutschen MINT-Bereich mit kleinen Abstrichen. 3,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 28.06.2023

Nur eine Sommerromanze?

Die verlorene Tochter
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„Bevor Sie sie aufmachen, sollten Sie sich vergewissern, dass Sie die Vergangenheit wirklich aufdecken wollen. Wenn man erst einmal Bescheid weiß, kann das einiges verändern.… Manche Geheimnisse bleiben ...

„Bevor Sie sie aufmachen, sollten Sie sich vergewissern, dass Sie die Vergangenheit wirklich aufdecken wollen. Wenn man erst einmal Bescheid weiß, kann das einiges verändern.… Manche Geheimnisse bleiben besser im Verborgenen.“ (S. 26) Als Lily nach 4 Jahren in Neuseeland wieder nach London kommt, findet sie die Einladung einer Kanzlei vor. Dort wird ihr als Nacherbin ihrer Großmutter eine Schachtel ausgehändigt, die beim Abriss eines privaten Heims für ledige Mütter gefunden wurde. Lilys Großmutter wurde direkt nach der Geburt zur Adoption freigegeben, hat das aber nie erfahren. In der Schachtel findet Lily ein Programm der Mailänder Scala von 1946 und ein handgeschriebenes Rezept auf italienisch. Da ihr nächster Job als Kellermeisterin sie sowieso nach Italien führt, beschließt sie, vor Ort Nachforschungen anzustellen.

„Sie war diejenige, die das Glück ihrer Familie wenden sollte. Das Gewicht der Welt ihrer Familie lastete auf ihren Schultern, und manchmal drehte sich ihr bei dem Gedanken der Magen um, genau so schmerzhaft wie sonst, wenn ihr Körper nachts verzweifelt nach Nahrung schrie.“ (S. 30) Seit frühester Kindheit bekommt Estée sehr viel Ballettunterricht und sehr wenig zu essen. Ihre Mutter ist überzeugt, dass Estée das Talent zur Primaballerina hat, wenn sie nur hart genug dafür arbeitet. Als sie 1938 in die Ballettschule der Mailänder Scala aufgenommen wird, scheint das Ziel fast erreicht, aber dann beginnt der zweite Weltkrieg.

„Hast du manchmal das Gefühl, dass dein ganzes Leben für dich entschieden wurde?“ (S. 66) Die ProtagonstInnen haben viel gemeinsam. Lily hat sehr an ihrem verstorbenen Vater gehangen, ist sich in Italien aber plötzlich nicht mehr sicher, ob sie ihren Beruf gewählt hat, weil sie es so wollte, oder weil er von einem eigenen Weingut geträumt und ihre Ausbildung bis ins kleinste Detail geplant hatte. Außerdem verliebt sie sich in Antonio, den Sohn ihres Arbeitgebers, dabei hat sie bisher Beruf und Privatleben strikt getrennt. Aber vielleicht ist das mit ihnen ja auch nur eine Sommerromanze?
Estée hat das Ballett immer geliebt, aber das extrem harte Training und die lieblose Behandlung durch ihre Mutter lassen sie an diesem Traum zweifeln. Ihr Leben ist von Verzicht geprägt. Sie darf kein Gramm zunehmen und keinen Freund haben. Dass sie sich schon in frühester Jugend verliebt hat, weiß niemand. Als sie erste Erfolge an der Scala feiert, meldet sich ihre Jugendliebe nach Jahren der Trennung bei ihr und sie verbringen einen unvergesslichen Sommer. Aber auch sein Weg ist ihm durch seine Familie vorherbestimmt.

„Die verlorene Tochter“ ist eine solide, leicht vorhersehbare Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen, die mir zum Ende hin leider etwas zu pathetisch und gewollt dramatisch wurde. Die Entscheidung, die Lilys Urgroßmutter dazu brachte, ihr Kind wegzugeben, fand ich etwas überstürzt, da sie sich ohne nachzuprüfen auf nur einen Fakt gestützt hat. Dafür haben mir das Setting und das italienische Flair sehr gut gefallen. Für mein vollkommenes Glück diesbezüglich hat mir nur noch das geheime Familienrezept gefehlt, das letztendlich für die Auflösung gesorgt hat und oft erwähnt wurde.

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Veröffentlicht am 07.05.2023

Vom Traum zum Alptraum

Gone with the Wind – Eine Liebe in Hollywood und der größte Film aller Zeiten
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„Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin in der Hölle gelandet. Als würde ich jeden Tag die gleiche Szene auf die gleiche Weise drehen, und Selznick würde sie auf die gleiche Weise verreißen und uns noch ...

„Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin in der Hölle gelandet. Als würde ich jeden Tag die gleiche Szene auf die gleiche Weise drehen, und Selznick würde sie auf die gleiche Weise verreißen und uns noch einmal drehen lassen.“ (S. 280) Monatelang hat Vivien Leigh gebangt und gehofft, dass sie als Engländerin in der Verfilmung von „Vom Winde verweht“ Scarlett O’Hara spielen darf. Doch als sie ihr Ziel erreicht, wird ihr Traum schnell zum Alptraum. Es gibt kein fertiges Drehbuch, ihr Filmpartner Clark Gable hat keine Lust und spielt nur mit, um seine zweite Scheidung bezahlen zu können, der Produzent David O. Selznick mischt sich in alles ein und überwirft sich regelmäßig mit seinen Regisseuren und dem Kameramann. Dass dieser Film am Ende wirklich fertig und ein Erfolg wurde, grenzt an ein Wunder.

„Gone with the Wind“ ist die Geschichte von Besessenen. „… ich werde Laurence Oliver heiraten. Und ich werde auf der Bühne stehen, mit ihm gemeinsam.“ (S. 19) Vivien Leigh ist fixiert auf ihren Geliebten und die Rolle der Scarlett, auf den Traum von Hollywood und eine große Karriere. Dafür dreht sie täglich 14 Stunden, arbeitet bis zur völligen Selbstaufgabe und betreibt Raubbau an ihrem Körper.
Und damit steht sie nicht allein. Selznick will mit dem Film den Traum seines verstorbenen Vaters wahr machen und einen Hit landen. Dafür setzt er seine Firma, seine Gesundheit und seine Ehe aufs Spiel. Er bezahlt Unmengen Fachleute, kontrolliert aber alles oder macht es gleich selber. Seine Frau ist die Tochter von Louis B. Mayer von MGM, kennt sich also mit dem Geschäft aus und hat ihn erst auf das Buch von Margaret Mitchell hingewiesen. Doch er fragt sie immer weniger nach ihrer Meinung und verbeißt sich in den Dreh. Um überhaupt durchzuhalten, wirft Amphetamine ein wie andere TicTacs.

Und es ist die Geschichte einer großen Liebe. Vivien Leigh ist mit einem Anwalt verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter, als sie Laurence Oliver in einem Theaterstück sieht und sich sofort in ihn verliebt, aber auch er ist verheiratet. Bei einem gemeinsamen Filmdreh beginnen sie eine Affäre und können danach nicht wieder voneinander lassen. Als er nach Amerika geht, folgt sie ihm – meiner Meinung nach auch, um in Hollywood auf sich aufmerksam zu machen.

Für mich überstrahlt in Charlotte Leonards Buch allerdings das Drama die Liebes-geschichte, auch, weil diese so vollkommen dargestellt wird. Da ihre jeweiligen Partner nicht in die Scheidung einstimmen und die Amerikaner prüde sind, müssen sie ihre Beziehung geheim halten. Trotzdem scheint es bei Vivien und Larry nie Probleme zu geben und immer alles toll zu sein – obwohl sie wegen ihrer Jobs oft Wochen getrennt und tausende Kilometer voneinander entfernt sind. Man behilft sich mit Telefonaten und brennenden Liebesschwüren per Post. Nur einmal wird Vivien „menschlich“, bekommt einen Nervenzusammenbruch und beruhigt sich erst, als man Larry einfliegen lässt. Dabei kommt mir zu kurz, was eigentlich mit ihren Ehepartnern und den Kindern ist, denn auch Larry hat schon einen Sohn.
Doch das alles ist nichts gegen die Desaster des Filmdrehs. Durch das fehlende Drehbuch und die dauernden Reibereien zwischen dem perfektionistisch veranlagten Selznick und seiner Filmcrew scheinen sie nie fertig zu werden. Der Zeitplan und das Budget werden gnadenlos überzogen, ständig muss improvisiert werden, einmal fehlen 2000 Statisten, weil Selznick sie nicht angefordert hat, die Schauspieler arbeiten bis zur totalen Erschöpfung und müssen die Szenen endlos wiederholen.

Mein Fazit: Ich fand die Hintergründe zum eigentlich Filmdreh extrem spannend und interessant, dafür war mir die Rahmenhandlung mit Vivien und Larry an einigen Stellen zu ausufernd und einseitig.

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