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Veröffentlicht am 09.10.2022

Weihnachten in Familie

Die Wunderfrauen
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… auf dem Brandstetterhof hätte sich Luise auch dieses Jahr gewünscht, doch ihre Tochter Josefine fährt zusammen mit ihrem Mann David und den Kindern nach Berlin zu Davids Vater Jack – was nach der Wende ...

… auf dem Brandstetterhof hätte sich Luise auch dieses Jahr gewünscht, doch ihre Tochter Josefine fährt zusammen mit ihrem Mann David und den Kindern nach Berlin zu Davids Vater Jack – was nach der Wende jetzt endlich problemlos möglich ist. Außerdem haben sie und Josefin sich zerstritten, weil die sich nach Luises Meinung zu wenig emanzipiert und zu oft hinter David zurücksteckt, dabei bekommt sie in Kürze ihr drittes Kind und ist eine tolle Illustratorin, die endlich auch ein eigenes Buch schreiben will.

Aber auch der Hof und der Reitstall, die Luise und ihrer Freundin Marie betreiben, hält sie auf Trab. Zum ersten Mal haben sie über Weihnachten zahlende, aber anstrengende Gäste und auch Annabel und Helga, die anderen beiden Wunderfrauen, werden die Feiertage und den Jahreswechsel mit ihnen verbringen.

In „Wünsche werden wahr“ erfährt man, was Luise, Marie, Helga und Annabel in den letzten 19 Jahren erlebt, wie sie und ihre Familien sich weiterentwickelt haben. Nicht nur im Hinblick auf Weihnachten und den Jahreswechsel, sondern auch wegen ihres vorgerückten Alters erinnern sich die vier Frauen an ihre aufregenden Abenteuer und was ihnen Schönes und Trauriges widerfahren ist, welche Verluste sie erleiden mussten. Außerdem haben Luise und Helga haben ein jeweils ein Geheimnis, dass sie den anderen Wunderfrauen endlich sagen wollen.

Ich fand es schön, wieder zusammen mit den Wunderfrauen zu lachen und zu weinen, die emotionalen Berg- und Talfahrten zu teilen und bei den dramatischen Szenen den Atem anzuhalten. Und auch der Geist besinnlicher Weihnachten kommt nicht nur wegen Luises Köstlichkeiten nicht zu kurz. Am Ende feiern sie trotz aller Hindernisse zusammen und versprechen sich, auch in Zukunft füreinander da zu sein und aufeinander acht zu geben. Weil Freundinnen das größte Geschenk sind.

Ein schöner Zusatzband der Reihe, der trotz aller Traurigkeit auch Hoffnung macht, weihnachtliche Stimmung verbreitet und gleichzeitig eine unterhaltsame Reise in die 90er ist.

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Veröffentlicht am 14.07.2022

Das Medaillon

Die Frau im veilchenblauen Mantel
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Paris, 1957: Bei seinem letzten Kampf fällt dem Boxer Victor eine Frau in einem veilchenblauen Mantel auf. Er bildet sich ein, sie vor langer Zeit schon einmal gesehen zu haben. Nach dem Kampf spricht ...

Paris, 1957: Bei seinem letzten Kampf fällt dem Boxer Victor eine Frau in einem veilchenblauen Mantel auf. Er bildet sich ein, sie vor langer Zeit schon einmal gesehen zu haben. Nach dem Kampf spricht sie ihn an „Ich muss mit ihnen über Gabriel sprechen.“ (S. 14), doch das will er nicht, denn Gabriel ist seit 30 Jahren tot.

Jahrzehnte später bekommt Victor einen Brief mit einem Medaillon, in dem das Foto einer Frau mit einem Baby zu sehen ist. Auf dem beiliegenden Zettel steht: „Von Charlotte, die Gabriel niemals vergessen hat. Dieses Erinnerungsstück gehört von Rechts wegen Ihnen.“ (S. 54) Er hat gerade andere Probleme und legt beides weg. Doch als seine Enkelin Jo 15 Jahre später die Entscheidung treffen muss, ob sie das bei ihr gefundene Aneurysma im Gehirn operieren lassen soll und was sie wegen ihrem besten Freund macht, den sie auf einmal mehr als nur mag, gibt Victor ihre das Medaillon und den Brief und bittet sie, mehr darüber herauszufinden. Also fährt sie mit ihrer besten Freundin an die englische Küste zu Dora, der Absenderin des Briefes, die ihnen die Geschichte ihrer Mutter Charlotte erzählt …

„Die Frau im veilchenblauen Mantel“ ist eine ungewöhnliche Emanzipations-, Liebes- und Familiengeschichte, die uns von der Champagne ins Amerika der 30er Jahre und zurück ins heutige Europa führt. An Charlottes Seite erleben wir die Prohibition, und Alkoholschmuggel Jazzclubs und Flüsterkneipen, Mafiakämpfe, den Börsencrash und die hohe Arbeitslosigkeit aus erster Hand. Auch die amerikanischen Rassengesetze finden Eingang in die Handlung.
Zu Beginn ist Charlotte noch sehr naiv, vertauscht den eisernen Käfig ihrer ersten Ehe gegen den goldenen einer neuen Beziehung. Doch mit der Zeit versteht die ehemals behütete höhere Tochter immer besser, welche Freiheit ein eigener Job und eine eigene Wohnung bedeuten, dass die Unabhängigkeit von einem Mann ihr ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.
Charlottes Geschichte ist sehr spannend und bewegend. Immer wenn es um sie ging, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen, auch wenn mir ein Teil der Auflösung ihres Geheimnisses schon relativ früh klar war. Der Dreh, wie das Ganze dann (auf-)gelöst wurde, hat mich aber damit versöhnt.

Den Handlungsstrang um Jo fand ich leider nicht besonders fesselnd. Es ist halt nett, wie sie da in England die Geschichte ihrer Vorfahren erfährt und nebenher mit ihren Gefühlen für ihren Kumpel und der Entscheidung wegen des Aneurysmas ringt, aber ich hätte es für Charlottes Geschichte nicht gebraucht.

3,5 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 29.06.2022

Väter und Töchter

Die Intrigen am King’s Theatre
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„Schauspieler werden gemeinhin als Außenseiter der Gesellschaft angesehen, was bedeutet, dass sie sich wie Außenseiter benehmen können – sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt mit eigenen Gesetzen und ...

„Schauspieler werden gemeinhin als Außenseiter der Gesellschaft angesehen, was bedeutet, dass sie sich wie Außenseiter benehmen können – sie leben in ihrer eigenen kleinen Welt mit eigenen Gesetzen und Gewohnheiten.“ (S. 24)
In ihrem neuesten Fall findet sich Laetitia Rodd plötzlich inmitten diverser – echter und gespielter – Dramen wieder, denn sie soll das Schauspielerehepaar Sarah und Thomas Transome bei ihrer Trennung und den damit verbundenen Vereinbarungen beraten. Doch dann taucht in deren altem Theater eine mumifizierte Leiche auf, die jemand kurz vor einem Brand vor 10 Jahren dort abgelegt haben muss. Und bei dem einen Toten bleibt es nicht ...

Ich habe die ersten beiden Bände der Reihe rund um die Pfarrerswitwe verschlungen und meine Erwartungen an Band 3 waren dementsprechend hoch, wurden aber leider etwas enttäuscht. Kate Saunders überfordert mich hier leider mit immer neuen Protagonisten und deren wechselnden Verbindungen untereinander, sodass ich Probleme hatte, den Überblick zu behalten. Zudem war mir relativ früh ein Teil des Motives klar, auch wenn es geschickt verschleiert wurde. Auch die Art der Ermittlungen, die hauptsächlich aus Fahrten zu und Gesprächen mit den verschiedenen Verdächtigen bestehen, war mir zu langatmig.

Positiv möchte ich aber Laetitias Fähigkeiten als Ermittlerin und ihre Art, mit den Menschen umzugehen hervorherben. Sie ist immer für andere da und bemüht sich zu helfen, wo sie nur kann. Ihr Mitleid mit anderen ist beispielhaft und wenn ihr Gerechtigkeitssinn nicht wäre, würde sie den eine oder anderen Täter sicher entkommen lassen.
Das beschriebene Theatermilieu hat mir ebenfalls sehr gut gefallen: Die großen Dramen auf und hinter der Bühne, die Intrigen und Eifersüchteleien zwischen den Schauspielern, gepaart mit den Problemen innerhalb der Familie Transome und ihren 3 erwachsenen Töchtern, die alle Hauptrollen spielen und eigene Wege gehen wollen, war sehr spannend und unterhaltsam. Dazu kommen noch eine seit Jahren verfeindete Theatergruppe und diverse Affären, die nach eigentlich nie ans Licht kommen sollten. Die Rahmenhandlung für die Ermittlungen haben gut funktioniert.

Mein Fazit: Leider nicht ganz so gut wie die ersten beiden Bände, aber vielleicht lag´s ja am Theatersetting und der nächste Fall wird wieder etwas geradliniger.

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Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Kleeblatt

Die Buchhandlung in der Amalienstraße
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München 1910: Elly stammt aus gutem Haus, ist aber oft einsam. Seit dem Tod ihres Vaters vertreibt sich ihre Mutter die Zeit mit wechselnden Männerbekanntschaften in der Münchner Boheme und strebt Ellys ...

München 1910: Elly stammt aus gutem Haus, ist aber oft einsam. Seit dem Tod ihres Vaters vertreibt sich ihre Mutter die Zeit mit wechselnden Männerbekanntschaften in der Münchner Boheme und strebt Ellys Ehe mit einem Adeligen an, für den sie selber leider schon zu alt ist.
Ellys beste Freundin Henni stammt aus deutlich ärmeren Verhältnissen, auch wenn ihr Vater ein kleiner Beamter ist. Sie, ihre 3 Brüder und ihre Mutter müssen ebenfalls hart arbeiten, um den Unterhalt der Familie zu sichern.
Elly beneidet Henni um deren große Familie, Henni wiederum beneidet Elly um ihre fortschrittliche, mondäne Mutter. Doch sie beide eint neben der Liebe zu Büchern auch der Wunsch nach einem selbstbestimmten und -finanzierten Leben. Bei einem Vortrag des Frauenvereins wird ihnen klar, dass sie Buchhändlerinnen werden wollen.
Elly schafft es, einen Ausbildungsplatz in der Buchhandlung der beiden Cousinen Lämmle in der Amalienstraße zu ergattern und wird nach ihrer Ausbildung auch übernommen. Henni bekommt dort eine Anstellung im Büro.

Die Welt ist zu dieser Zeit im Umbruch, das Kaiserreich fast vorbei, der erste Weltkrieg steht unmittelbar bevor. Elly und Henni stehen für die modernen, jungen Frauen, die von einem erfüllten Berufsleben, Gleichberechtigung und Emanzipation träumen, und auch in der Politik mitreden wollen. Damit sind sie bei den Lämmles genau richtig. Diese sind sehr engagiert und progressiv, fördern Frauen und jungen AutorInnen, indem sie ihnen Arbeit oder durch Veranstaltungen eine Bühne geben, ihren KundInnen deren Büchern ans Herz legen.
Nicht erst durch ihre Chefinnen werden Elly und Henni immer politisch interessierter. Hennis Bruder Zacherl engagiert sich in der Arbeiterbewegung und nimmt sie zu Veranstaltungen mit. Später vervollständigt Leo, der neue Gehilfe der Buchhandlung, das Kleeblatt.

Die Beziehung zwischen Elly und Henni ist sehr innig, fast schon intim, und wird durch Leos Auftauchen etwas gestört. Der ist ein echter Frauenschwarm und wirkt durch ein angebliches Geheimnis in seiner Vergangenheit noch interessanter. Doch als der Krieg ausbricht wird allen klar, wie sie zueinander stehen …

Ich fand es sehr spannend, wie sich die Buchhandlung und Literatur zu dieser Zeit entwickelt und was die Buchhändlerinnen unternommen haben, um das Geschäft über den Krieg und die Inflation zu retten. Es war interessant zu lesen, inwieweit die Zensur in das Sortiment eingegriffen hat und wie viele Frauen damals schon veröffentlicht haben, auch wenn die breite Masse der Leser sie leider noch nicht für sich entdeckt hatte und sie sehr umstritten waren.
Ich habe mich auch gefreut, dass das Kaufhaus Hirschvogl wieder Erwähnung fand und zum ersten Mal etwas über die Ursprünge von Hugendubel gelesen.

Die damalige Zeit wird sehr anschaulich geschildert, der Krieg durch Leo, Zacherl und die männlichen Angestellten der Buchhandlung erlebbar. Da die Lämmles Jüdinnen sind, werden sie noch mal besonders angefeindet und immer angreifbarer. Es wäre interessant gewesen zu lesen, wie es mit ihnen und der Buchhandlung weitergeht (aber vielleicht kommt ja noch eine Fortsetzung).
Geschickt hat Heidi Rehn neben den damals aktuellen Büchern auch berühmte Persönlichkeiten wie z.B. Fanny zu Reventlow, Ricarda Huch, Kurt Eisner, Franz Kafka, die Gebrüder Mann und politische und gesellschaftliche Entwicklungen in die Handlung eingebunden.

„Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ lässt größtenteils sehr gut lesen, mir waren an einigen Stellen nur die Diskussionen über Bücher zu ausufernd und gerade zum Ende hin hätte ich gern mehr über die Freundinnen und die Buchhandlung erfahren, aber da überwog der politische Aspekt – wobei der für Münchner / Bayern sicherlich spannend ist.

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Der Neffe fabuliert

Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen
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„Mein Urgroßvater Barnaba Carbonaro … hat 24 Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet.“ (S. 9)
Anfang Dezember 1960 kommt Barnaba mit dem Nachtzug nach München, um das ...

„Mein Urgroßvater Barnaba Carbonaro … hat 24 Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet.“ (S. 9)
Anfang Dezember 1960 kommt Barnaba mit dem Nachtzug nach München, um das jährliche Familienfoto aufnehmen zu lassen. Er reist erster Klasse und wird von seiner Familie abgeholt, während die anderen Italiener am Bahnsteig abgefangen und als Gastarbeiter eingeteilt werden. Vor 60 Jahren ist er schon einmal an diesem Bahnhof angekommen, damals ging es ihm nicht viel besser als den anderen heute, aber inzwischen hat er viel Geld gemacht, einen deutschen Pass und ist trotz seiner 80 Jahre immer noch rüstig.
In den nächsten Tagen hält er in der Wohnung seiner Familie Hof. Freunde und Geschäftspartner besuchen ihn, Kontakte wollen gepflegt werden. Und wenn kein Besuch da ist, erzählt er seinen Urenkeln seine Geschichte: wie er kurz vor der Jahrhundertwende in Sizilien aufgewachsen ist, wie karg und hart das Leben war, geprägt von Hunger, Staub und Gewalt. Schon mit 5 musste er in die Orangenernte, da Kinder die richtige Größe dafür hatten und nur einen Bruchteil der Erwachsenen verdienten. Doch er wollte mehr und hat es trotz vieler Rückschläge geschafft – ohne je Lesen oder Schreiben zu können. Dafür kann er sehr gut rechnen, ist Graphem-Farb-Synästhetiker (Zahlen haben für ihn Farben und Geschmäcker).

Mario Giordano hat es getan und erzählt jetzt endlich das Familienepos, an dem sein Pendant, der Neffe aus seiner Tante-Poldi-Krimi-Reihe, seit Jahren erfolglos schreibt. Er webt einen Teppich aus ineinander verschlungen Geschichten, zeigt sehr lebendig das wechselvolle Leben eines Selfmade-Mannes, der sich von ganz unten hochgearbeitet hat und (zum Glück) immer wieder auf die Füße gefallen ist. „Geld kommt, Geld geht, Geld fließt.“ (S. 472). Dabei bindet er geschickt historische Eckdaten und technischer Errungenschaften und Erfindungen ein.

Barnaba hatte eine rohe und brutale Kindheit, musste sich erst seinem Vater, später seiner Mutter, Frau und Schwiegermutter unterordnen, und bis zu seiner Selbständigkeit natürlich auch immer dem jeweiligen Patrone. Er musste sich viel gefallen lassen, aber er ist wie der Ätna, an dessen Fuß er aufgewachsen ist – in ihm brodelt es ständig und irgendwann kocht er über und spuckt Lava bzw. verprügelt sein Gegenüber oder bringt es in einem Fall sogar um.

Der „Neffe“ fabuliert, schreibt zum Teil sehr mystisch. Die toten Familienmitglieder „existieren“ mitten unter den Lebenden, strafen sie mit vorwurfsvollen oder traurigen Blicken, bis man sich von ihnen freikauft. Nur reden können sie zum Glück nicht.
Und auch, wenn mir die Handlung manchmal etwas zu esoterisch und weitschweifig und die Zufälle zu konstruiert waren, hat mich „Terra di Sicilia“ gut unterhalten. Ich fand es spannend, Barnabas durch sein Leben zu begleiten und zu erfahren, wie sich Sizilien und seine zweite Heimat München in dieser Zeit verändert haben.

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