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Veröffentlicht am 20.03.2018

„Ändern sie seinen Namen nicht, er ist der Letzte von uns.“

Der Letzte von uns
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... sind die letzten Worte von Luisa, als sie im Februar 1945 mitten im Bombenhagel in Dresden ihren Sohn Werner Zilch zur Welt bringt. Ihren Mann Johann wähnt sie bereits tot, umgebracht von der Gestapo ...

... sind die letzten Worte von Luisa, als sie im Februar 1945 mitten im Bombenhagel in Dresden ihren Sohn Werner Zilch zur Welt bringt. Ihren Mann Johann wähnt sie bereits tot, umgebracht von der Gestapo und auch sie selbst überlebt die Geburt nur um wenige Minuten. Zum Glück kann ein Soldat ihre Schwägerin Martha Engerer finden und ihr den Säugling übergeben – für beide beginnt eine Odyssee durch das Deutschland der letzten Kriegstage.

25 Jahre später ist Wern(er) ein aufstrebender Bauunternehmer in Manhattan. Er wurde mit 3 Jahren adoptiert. Auch seine Adoptiveltern haben den letzten Wunsch der Mutter respektiert und ihm seinen Namen gelassen. Leider wird der ihm zusammen mit seinem Aussehen zum Verhängnis, als er das erste Mal die Mutter seiner großen Liebe Rebecca („Sie ist die Frau meines Lebens.“ (S. 32)) kennenlernt. Und dann verschwinden sie und ihre Familie am nächsten Tag ...

Adélaïde de Clermont-Tonnerre erzählt auf zwei Zeitebenen Werners Geschichte und deckt nach und nach die Vergangenheit seiner Familie auf, von der er nichts weiß. Nur die immer wiederkehrenden Albträume von der Bombennacht und seiner Geburt, die er allerdings nicht versteht, sind ihm als Erinnerung geblieben.
Diese Zeitwechsel haben mich die ersten zwei Drittel des Buches gestört, da die Kapitel recht kurz sind und es dadurch etwas langatmig begann. Erst das letzte Drittel wurde dann richtig spannend.

Rebecca und Wern sind Kinder ihrer Zeit. Er wuchs in einem eher ärmlichen Elternhaus auf und hat hart für seinen Erfolg gearbeitet. Da Rebeccas Vater sehr reich ist und ihn überhaupt nicht akzeptiert oder wenigstens ernst nimmt, beginnt er sich für seine Herkunft und Familie zu schämen. Außerdem war Wern bis zu ihrem Kennenlernen ein echter Weiberheld und gewohnt, über alles die Kontrolle zu haben. Rebecca entzieht sich ihm immer wieder, sucht ihre Bestätigung in der Kunst. Sie malt, kennt die Größen ihrer Zeit (wie z.B. Hendrix, Morisson, McCartney, Warhol), geht in die richtigen Clubs und „erweitert ihr Bewusstsein“ (natürlich im Namen der Kunst) gern durch die Einnahme von Drogen.

Die Geschichte lebt vor allem von den Geheimissen um Werns Vorfahren und Rebeccas Mutter, welche zusammenhängen und nach und nach aufgeklärt werden. Sie haben mich zum Teil sehr mitgenommen. Die Geschehnisse während des Krieges und kurz danach werden sehr anschaulich und ungeschönt beschrieben. Vor allem meine brennende Heimatstadt Dresden, Werners Geburt und die Vergangenheit von Rebeccas Mutter gingen mir sehr nahe.

Leider hat mich „Der Letzte von uns“ nicht komplett überzeugen können. Der Spagat zwischen Liebesgeschichte, Unterhaltungsroman und den traumatischen Geschehnissen während des Nationalsozialismus ist der Autorin nicht ganz geglückt.

Veröffentlicht am 01.02.2024

Familiengeheimnisse

Season Sisters – Frühlingsgeheimnisse
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„Es ist nicht alles so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.“ (S. 20)
Als Spring wegen Drogengeschäften zu Sozialstunden verurteilt wird, leistet sie die als Haushalthilfe bei der 80jährigen ...

„Es ist nicht alles so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.“ (S. 20)
Als Spring wegen Drogengeschäften zu Sozialstunden verurteilt wird, leistet sie die als Haushalthilfe bei der 80jährigen Mrs. Fowler ab. Obwohl deren Wohnung sehr verschlissen ist, sieht man, dass sie mal sehr teuer ausgestattet wurde – aber warum muss Sophia dann jetzt jeden Pence umdrehen?
Spring, die genau wie ihre drei Schwestern Summer, Autumn und Winter von ihren Eltern vernachlässigt wurde, hat jetzt mit Mitte 20 zum ersten Mal eine liebevolle aber strenge Bezugsperson, die ihr nicht nur alles übers Waschen und Putzen beibringt, sondern ihr auch jeden Mittag eine warme Mahlzeit serviert und sie versucht zu animieren, etwas aus ihre Leben zu machen und Pläne zu schmieden. „Du musst dir etwas suchen, für das du leben kannst.“ (S. 26) Bald erfährt sie, dass Sophia einen Sohn und zwei Enkel hat, die sie nie kennenlernen durfte – und dass Sophia früher die Herrin von Daffodil Castle war, dem Anwesen, neben dem Spring aufgewachsen ist. Außerdem war ihre erste große Liebe Sophias Enkel Ethan. Sie versucht aus Sophia herauszubekommen, warum die das Anwesen verlassen musste, aber Sophia kann und will nicht darüber reden. „In dieser Familie gibt es ungeheuerliche Geheimnisse, die noch heute Schaden anrichten können. Um meinen Sohn zu schützen, musste ich ihn für immer verlassen …“ (S. 37) Das stachelt Spring nur noch mehr an, sie will Sophias Geheimnis lüften und versuchen, sie mit ihrer Familie zu versöhnen. Dass sie dabei zufällig auch Ethan wiedertrifft, ist ein zusätzlicher Bonus.

„Frühlingsgeheimnisse“ ist der Auftakt der „Season Sisters Reihe“ und erzählt drei Geschichten auf drei Zeitebenen, die eng mit dem Daffodil Castle verbunden sind: Sophias, die ihrer Vorfahren und Springs Kindheit und Jugend.
Ich hatte beim Lesen schnell das Gefühl, dass ich den Erzählstil und die Art der Geschichte (die eines Hauses / Anwesens verbunden mit der einer Familie) von einer anderen Autorin kenne und sah meine Vermutung dann in der Danksagung bestätigt (keine Angst, ich lüfte das Pseudonym hier nicht).

Spring erscheint zu Beginn recht ziellos und will die Sozialstunden nur schnell hinter sich bringen, aber Sophia eröffnet ihr eine völlig neue Welt, in dem sich jemand um sie sorgt und kümmert. Springs Versuch, Sophia mit ihrer Familie zu versöhnen und dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, lässt sie weiter zusammenwachsen, dazu tragen auch Ethan und Sophias Schwester Summer bei, die sie dabei unterstützen.

Leider war mir die Geschichte schon ab dem Prolog zu vorhersehbar und konstruiert, mir fehlten die überraschenden Wendungen, die Anna Helford sonst in ihren anderen Büchern einbaut. Auch die vorkommenden Liebesgeschichten sind mir zum Teil zu unglaubwürdig und kitschig, dabei fand ich die Grundidee wirklich gut.

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Veröffentlicht am 16.03.2023

Charlie and His Orchestra

Mr. Goebbels Jazz Band
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… sind 15 vollkommen unterschiedliche Künstler, deren einzigen Gemeinsamkeiten die Liebe zu ihrer Musik und ein perfekt geschnittener Smoking zu sein scheinen. Zu dieser Erkenntnis kommt der österreichische ...

… sind 15 vollkommen unterschiedliche Künstler, deren einzigen Gemeinsamkeiten die Liebe zu ihrer Musik und ein perfekt geschnittener Smoking zu sein scheinen. Zu dieser Erkenntnis kommt der österreichische Schriftsteller Fritz Mahler, der 1941 von William Joyce alias Wilhelm Froehlich engagiert wird. Er soll einen Roman über Joseph Goebbels‘ gegen England gerichteten Propagandasender German Calling schreiben, dessen Zugpferd „Ein hauseigenes Orchester, sozusagen eine musikalische Schattenarmee … die in der Lage sei, die Briten Tag und Nacht mit dem allerfeinsten Propagandajazz zu bombardieren.“ (S. 18) ist.

Mahler wird dafür extra nach Berlin geholt. Doch je länger er dort lebt, sich durch die Nachtclubs treiben lässt, in dem Versuch, sich mit den Musikern anzufreunden, die ihn auf Abstand halten, weil sie ihn für Goebbels Spion halten, um so weniger weiß er, woran er seine Handlung festmachen soll. Ihm fehlt der rote Faden, die Leitfigur. Mehr aus einer Laune heraus rückt er Froehlich in den Mittelpunkt – und plötzlich schreibt sich das Buch fast von allein. Statt eines Romans über den Sender und die Jazzband, die aus Ausländern, Juden und Homosexuellen besteht, versucht er sich an Froehlichs wechselvoller Biographie, der als englischer Nazi nach Deutschland kam. Währenddessen tobt um ihn herum der Krieg, von dem Mahler außer ein paar Bombenangriffen nichts mitzubekommen scheint.

„Lange, verschnörkelte Sätze, altmodische Wörter, manierliche Wendungen …“ (S. 276) sagt Froehlich über Mahlers Roman, und genauso empfinde ich auch Demian Lienhards Schreibstil. Er kommt vom Hundertsten ins Tausendste, verliert sich in scheinbaren Nebensächlichkeiten, in Mahlers wirren Gedanken und Träumen. Alles ist irgendwie surreal, man weiß nie, ob es jetzt Dichtung oder Wahrheit ist und die Schlussbemerkungen inkl. Nachwort verwirren noch mehr. Darin erzählt Lienhard, dass er auf der Suche nach seiner Familiengeschichte in einem Archiv auf das Manuskript dieses Romans gestoßen ist und dieses jetzt veröffentlicht hätte.

Vielleicht verstehe ich das literarische Konzept einfach nicht, vielleicht bin ich auch mit falschen Erwartungen an das Buch gegangen. Ich hatte gehofft, etwas über die einzelnen Musiker und ihre Schicksale zu erfahren und was Joyce im Radio erzählt, um die Hörer zu beeinflussen, stattdessen geht es um Mahlers Ringen um Worte. Wichtige Fakten werden in Nebensätze eingestreut, die man wie Perlen suchen muss. So erzählt ihm einer der Musiker in einer lauen Stunde, dass das Orchester sie vor der Front rette. „Zu wenig Jude, um von der Wehrpflicht befreit zu sein, aber zu viel, um als Deutscher durchzugehen.“ (S. 191)

Auch wenn es nicht mein Buch war, lasst Euch davon bitte nicht abschrecken und bildet Euch eine eigene Meinung.

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Veröffentlicht am 14.03.2023

Geschockt und sprachlos

Es war einmal in Brooklyn
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… lässt mich „Es war einmal in Brooklyn“ zurück. Erwartet hatte ich eine traurig-schöne Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Blackout 1977 in New York, bekommen einen Coming-of-Age-Roman und die Geschichte ...

… lässt mich „Es war einmal in Brooklyn“ zurück. Erwartet hatte ich eine traurig-schöne Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Blackout 1977 in New York, bekommen einen Coming-of-Age-Roman und die Geschichte zweier Familien – und (Spoiler!) eine Vergewaltigung. Für letztere hätte ich mir eine Triggerwarnung gewünscht, denn dann hätte ich das Buch nicht gelesen. Ich habe an der Stelle lange überlegt, ob ich es abbreche, zumal mich auch der Schreibstil nicht richtig packen konnte, habe es dann aber doch zu Ende gelesen. Syd Atlas erzählt sehr weitschweifig, springt zwischen Juliette und David, ihren Familien, der Vergangenheit und Gegenwart hin und her, lässt sogar alternative Varianten der Handlung einfließen, die nicht passieren. Auch ist ihr Erzählton sehr roh, zum Teil brutal, und der Blackout kommt mir zu spät und zu kurz.

Ihre Figuren aber hat sie perfekt ausgearbeitet. Juliette ist die Außenseiter in ihrer Klasse. „Sie ist einfach zu groß, hat immer noch eine Zahnspange und liebt Latein.“ (S. 15) Ihre Großeltern zahlen für die teure Privatschule, ohne zu wissen, dass sie gemobbt wird. Die Ehe ihrer Eltern besteht seit Jahren nur noch auf dem Papier. Ihr Bruder ist nach London geflüchtet, um frei leben zu können. Zum Glück gibt es Davids Familie, ihre direkten Nachbarn, bei denen sie sich mehr zu Hause und geborgen fühlt als bei ihren Eltern. Allerdings wird David im Abschlussjahr todkrank. Er erträgt die Behandlungen und (Für-)Sorge seiner Eltern kaum, ist mehrfach kurz davor, seinem Leben ein Ende zu setzen. „Er kommt sich vor wie ein Käfer unter einer Lupe, kurz davor, von der Sonne verschmurgelt zu werden.“ (S. 26) Doch Juliette kommt, ohne es zu wissen, immer rechtzeitig.
Die beiden kennen sich seit frühester Kindheit. Für David war immer schon klar, dass sie später heiraten würden, wenn sie ihre Erfahrungen gemacht hätten. Aber für Juliette ist er nur ihr bester Freund, fast schon ein Bruder. Als sie mit dem smarten Pizzaboten Rico anbändelt, setzt David alles auf eine Karte.
Rico ist ein extrem unangenehmer Mensch, sehr berechnend, von sich überzeugt und kann sich gut auf andere einstellen. Er schafft es, dass Juliette glaubt, in ihn verliebt zu sein – weil er der erste ist, der nicht die Zahnspange, sondern die Frau in ihr sieht und ihr Komplimente macht. Bei seinen Auftritten hatte ich regelmäßig Gänsehaut.

Auch wenn es nicht mein Buch war, lasst Euch davon bitte nicht abschrecken und bildet Euch eine eigene Meinung.

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Veröffentlicht am 19.07.2022

Mischung aus Mystik und Histo-Krimi

Die Tochter des Salzhändlers
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In der Silvesternacht von 1599 auf 1600 bringt Martha, die Frau des Lübecker Salzbarons Heinrich Schelling, einen Jungen zur Welt, dessen Haut schuppig und Beine zusammengewachsen sind – es sieht aus ...


In der Silvesternacht von 1599 auf 1600 bringt Martha, die Frau des Lübecker Salzbarons Heinrich Schelling, einen Jungen zur Welt, dessen Haut schuppig und Beine zusammengewachsen sind – es sieht aus wie eine Nix. Leider überlebt Martha die schwere Geburt nicht und ihr Mann verzweifelt. Auch seine dreizehnjährige Tochter Lili und deren kleiner Bruder Paul trauern sehr. Als am nächsten Tag Heinrich, Martha und der Nix verschwunden sind, sorgen sich Lili und der Kontorvorsteher Jütte – Heinrich hätte seine Familie nie im Stich gelassen. Außerdem versucht Appolonia, Marthas Schwester, sofort Heinrichs Firma und das Haus an sich zu reißen, weil sie sich ja um die Kinder kümmern muss.
Parallel dazu wird in der Stadt Stimmung gegen die Hebammen gemacht. Die Ärzte neiden ihnen das Monopol für die Geburten, bei denen meistens mit wenig Arbeit gutes Geld zu verdienen ist. Man wirft ihnen Abtreibung, Kindsmord, Erpressung und Zauberei vor. Trine, die erste Hebamme der Stadt, will diese Vorwürfe unbedingt entkräften.
Und dann sind da noch die nebulösen Vorgänge im Lagerhaus eines englischen Kaufmannes und die Treffen einer geheimen Verschwörung, die den Katholizismus zurückwill – und einige andere Handlungsstränge …

„Die Tochter des Salzhändlers“ hat mich zu Beginn wirklich gefesselt – die unglücklich verlaufende Geburt, der Hass auf die Hebammen und der Geheimbund waren spannende Ausgangspunkte, aber leider hat sich der Autor Norbert Klugmann dann in seinen ganzen Ideen verfranzt, sorgte mit immer neuen Handlungssträngen und Personen für Verwirrung und hat einige Stellen konstruieren müssen, damit am Ende dann alles irgendwie (leider nicht immer logisch) aufgeht. Dadurch wurde es mir zwischendrin zu langatmig und sprunghaft. Auch die Mischung aus Mystik und Histo-Krimi konnte mich nicht ganz überzeugen.

Gut gefallen haben mir aber die historischen Hintergründe und wie der Zeitgeist rübergebracht wurde. Auch Lilis Bestrebungen, die Familie zusammenzuhalten und ihre verschwundenen Eltern sowie den Säugling zu finden, waren schlüssig.
Ich habe gesehen, dass das Buch eine (vielleicht erweiterte) Neuauflage von 2007 ist. Damals hatte das Buch reichlich 100 Seiten weniger und frage mich, ob der Autor bei der Überarbeitung noch zu viel unterbringen wollte, was damals vielleicht zugunsten der Spannung gestrichen wurde.

Mein Fazit: Schöne Grundidee, aber etwas zu langatmig, sprunghaft und konstruiert. 2,5 Sterne

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