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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.01.2022

Sensibel, feinfühlig und warmherzig erzählt

Aurora und die Sache mit dem Glück
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Aurora ist komisch. Jedenfalls sagt sie selbst das von sich, und das sagen die anderen Kinder über sie und meiden sie. Sie hat einige seltsame Angewohnheiten, die ihr helfen, mit Anspannung und Unsicherheiten ...


Aurora ist komisch. Jedenfalls sagt sie selbst das von sich, und das sagen die anderen Kinder über sie und meiden sie. Sie hat einige seltsame Angewohnheiten, die ihr helfen, mit Anspannung und Unsicherheiten zu recht zu kommen. Ihr Hund Duck ist ihr allerbester Freund, denn dem sind komische Angewohnheiten völlig egal. Als nachts ein Brand im Haus ausbricht, Aurora mit ihren zwei Müttern bei einer Bekannten unterkommen muss und Duck verschwunden ist und bleibt, weiß Aurora nicht mehr ein noch aus. Noch dazu hat sich Heidi zu Besuch angesagt. Um Heidi ranken sich viele Geschichten, die Aurora oft und oft von ihren Müttern erzählt bekommen hat. Aurora kennt Heidi bislang nicht, aber dass Heidi früher einmal angeblich das Glück zu ihren Müttern gebracht hat und dass viele Gedanken an die Essensvorbereitungen für Heidi verschwendet werden, verunsichert Aurora sehr. Wenn doch wenigstens Duck wieder da wäre…

Dieses Buch hat mich völlig gepackt. Es ist mit leichter Feder geschrieben, auch das Schwere, das Ernste wird in federleichte Sätze verpackt. Und gerade weil die Geschichte so schwebend leicht daher kommt, hat sie mich emotional sehr berührt. Es gibt ja tatsächlich kein größeres Glück, als sich geliebt zu wissen, aufgehoben in einem liebevollen, verständnisvollen Umfeld, und rundum so akzeptiert zu werden wie man ist. Aber wie wichtig es auch ist zu lernen, wie Freundschaft sich anfühlt. Und dass Selbstbewusstsein dazu gehört, auch das Komisch-Sein. Und was Tierliebe bedeutet.

Fazit. Ein sensibles, ein feinfühliges Buch, das in seiner Warmherzigkeit alle die umarmt, denen das Glück manchmal abhanden zu kommen scheint.

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Veröffentlicht am 20.01.2022

Eine düstere Ode an die Liebe

Schwestern im Tod
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Schon lange lag dieser Psychothriller auf meinem Stapel der noch zu lesenden Bücher. Warum er immer wieder nach unten rutschte, ist mir unklar. Und jetzt, nachdem ich das Buch gelesen habe, umso unverständlicher. ...


Schon lange lag dieser Psychothriller auf meinem Stapel der noch zu lesenden Bücher. Warum er immer wieder nach unten rutschte, ist mir unklar. Und jetzt, nachdem ich das Buch gelesen habe, umso unverständlicher. Denn der Autor, von dem ich bislang noch nichts gelesen hatte, ist für mich eine großartige Entdeckung.

Kommissar Martin Servaz muss in größter Kälte nachts zu einem Tatort, wie er grausiger nicht sein könnte. Die Ermordete trägt ein weißes Kommunionkleid und ist die Ehefrau von Erik Lang, einem Krimi-Autor, mit dem Martin Servaz bereits vor 25 Jahren zu tun hatte. Damals waren zwei ermordete Schwestern gefunden worden, ebenfalls in Kommunionkleidern,. Diese Schwestern waren glühende Fans von Erik Lang gewesen, der den Bestseller „Das Kommunionkind“ geschrieben hatte. Was war damals, als es noch keine DNA-Analyse gab, übersehen worden? Und gibt es eine Verbindung zum neuen Fall?

Von Anfang an hat mich der Thriller gefesselt, und das durchweg bis zum Schluss. Denn es fehlte nicht an überraschenden, unerwartenden Wendungen und Twists. Schon allein die verstörende, düstere Handlung allein war überaus fesselnd. Großes Plus war auch, dass mir an keiner Stelle die Vorkenntnisse aus den Vorgängerbänden fehlte. Abgesehen von der nicht ablassenden Spannung gefiel mir jedoch ganz besonders der Sprachstil des Autors. Er versteht es, im wahrsten Sinn mit Worten zu malen. Mit seinen Beschreibungen schafft er Bilder von überaus eindringlicher Kraft, der man sich als Leser nicht entziehen kann. Mein persönliches Highlight: Bernard Minier beschreibt die Coda von Gustav Mahler’s Lied der Erde, gesungen von Kathleen Ferrier – meine Lieblingsaufnahme - so wunderbar, so eindringlich, so betörend, wie ich es von einem Thriller-Autor niemals erwartet hätte.

Fazit: Fesselnder, düsterer, wendungsreicher Psychothriller, in herausragendem Sprachstil geschrieben.

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Veröffentlicht am 17.01.2022

Weg vom Plapperalltag hin zu echten Begegnungen

Kleine Philosophie der Begegnung
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In Zeiten der Kontaktbeschränkung fange ich an, vermehrt über den Wert von Begegnungen nachzudenken. Was sind überhaupt „echte“ Begegnungen? Das heillose Geschnatter in einer Wandergruppe? Der Austausch ...

In Zeiten der Kontaktbeschränkung fange ich an, vermehrt über den Wert von Begegnungen nachzudenken. Was sind überhaupt „echte“ Begegnungen? Das heillose Geschnatter in einer Wandergruppe? Der Austausch von Krankheiten oder belanglosen Alltäglichkeiten oder nichtssagenden Höflichkeitsfloskeln? Charles Pépin’s „Kleine Philosophie der Begegnung“ hat mir auf meine Fragen viele wichtige Antworten gegeben.

Das kleine Büchlein ist versehen mit einem Cover, das Menschen mit Kontaktlinien verbindet. Doch Begegnung ist mehr als Kontakt. Begegnung beinhaltet etwas Aufrüttelndes, Wachmachendes, auf jeden Fall Überraschendes, niemals aber Vereinnahmendes. Der Autor findet in zahlreichen Gedankenbögen zu berühmten Persönlichkeiten und zu großen Werken der Literatur Unterstützung für seine Thesen. Allein schon der Anhang mit seinem umfangreichen Personen- und Literaturverzeichnis ist eine großartige Möglichkeit, sich über das Buch hinaus weitere Inspirationen zum Thema zu holen. Charles Pépin schreibt anspruchsvoll und dennoch gut lesbar. Schwierigere Textpassagen sind eingebettet in Gedanken, die mit einer gewissen Leichtigkeit und manchmal sogar mit einem leisen Schmunzeln geeignet sind, uns fast unmerklich das Schwierige verstehen zu lassen.

Fazit: Die „kleine Philosophie der Begegnung“ ist ein kleines und doch im Inhalt großes Büchlein, dem es auf äußerst elegante Weise gelingt, uns aus unseren ewig plappernden Alltagskontakten herauszuführen in die Achtsamkeit echter Begegnungen.

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Veröffentlicht am 16.01.2022

Ein vielschichtiges literarisches Kleinod

Erschütterung
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Diesen Roman habe ich als unauslotbar empfunden. Auf einer fesselnden erzählerischen Ebene ist er gut verstehbar und sehr bewegend. Auf anderen Ebenen bleibt er jedoch durchweg rätselhaft. Rätselhafte ...



Diesen Roman habe ich als unauslotbar empfunden. Auf einer fesselnden erzählerischen Ebene ist er gut verstehbar und sehr bewegend. Auf anderen Ebenen bleibt er jedoch durchweg rätselhaft. Rätselhafte Einschübe von wissenschaftlich-geologisch-paläontologischen Absätzen, rätselhafte fremdsprachliche, für mich daher nicht verstehbare Einsprengsel. Eingebettet in einer mehr als mehrdeutigen Geschichte. So mag es wohl sein, dass jeder aufmerksame Leser etwas anderes aus diesem Roman herausholt, das wahre Geheimnis jeder großen Literatur.

Zach Wells ist Paläontologe. Er hat es sich in seinem langweiligen Leben bequem gemacht und kümmert sich um nichts. Er lehrt in langweiligen Vorlesungen über sein sehr nerdiges Fachgebiet. Auch in seiner Ehe herrscht Langeweile. Einziger Lichtblick ist Sarah, seine 12-jährige Tochter, mit der Zach mit Freude Schach spielt. Als bei Sarah das seltene Batten-Syndrom, eine unheilbare, zum frühen Tod führende neurodegenerative Erkrankung diagnostiziert wird, wandelt sich Zach Wells zu einem Menschen, der seismographisch fein die Veränderungen, von der Diagnose ausgelöst, bei seiner Frau, bei Sarah und vor allen Dingen bei sich selbst wahrzunehmen sind. Er reist aufgrund eines gefundenen winzigen Zettels in einer gebraucht gekauften Jacke, eines merkwürdigen Hilferufes, nach New Mexiko. Er flieht vor seiner eigenen Lebenssituation und fühlt sich aufgerufen, einer Gruppe Zwangsarbeiterinnen zu helfen. „Ich war hier, um jemanden zu retten, irgendwen. Ich brauchte das.“

Die selbstironische Beschreibung seiner selbst mündet in Sätzen wie „Ich ließ mich nie tätowieren“ – wichtig-unwichtige Botschaften, die dennoch sehr präzise das Bild eines Menschen ergeben, der sich für nichts engagiert, nicht einmal für sich selbst. Das Bild eines Mannes, in dessen Leben die Knochenfragmente urzeitlicher Buschratten mehr Gewicht haben als alles andere. Den fein ziselierten Windungen der Selbstbeobachtung im Reden und im Träumen zu folgen, ist auf keiner einzigen Seite langweilig. Im Gegenteil, man wird mitgezogen aus der Lebensträgheit heraus hinein in ein tiefes Lebenserschrecken durch die Erfahrung, dass auch die größte Vorsicht nicht beschützt vor Schicksal.

Fazit: Ein literarisches Kleinod, vielschichtig und bewegend.


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Veröffentlicht am 09.01.2022

Hypnotisch fesselnd

Perfect Day
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Ann muss miterleben, wie ihr über alles geliebter, stets fürsorglicher Vater, der renommierte Philosophieprofessor Walter Lesniak, verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, 10 junge Mädchen ermordet zu haben. ...


Ann muss miterleben, wie ihr über alles geliebter, stets fürsorglicher Vater, der renommierte Philosophieprofessor Walter Lesniak, verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, 10 junge Mädchen ermordet zu haben. Seit Jahren verschwinden kleine Mädchen, und immer weisen rote Schleifen den Weg zu deren Leichen. „Professor Tod“ wird Ann’s Vater in der Presse genannt. Nach dem ersten Schock wird Ann klar, dass es an ihr liegt, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. In welche Hölle sie damit sich (und die Leser) bringt, muss man selbst lesend erfahren.

Auch mit diesem Buch hat mir Romy Hausmann ein überaus fesselndes Leseerlebnis beschert. Im Präsens geschrieben, von Ann selbst erzählt, bleibt man stets hautnah am Geschehen. Wie bei der Autorin üblich, gibt es mehrere Perspektivwechsel, die aber nicht dazu dienen, beim Leser Verwirrung zu schaffen, sondern vielmehr immer tiefer in das Seelen- und Gefühlsleben des Betreffenden hineinführen, sich geradezu in sie hineinbohren. Besonders geschickt empfand ich die eingestreuten, von der 7-jährigen Ann notierten kindlich-analytischen Erklärungen zu verschiedenen Gefühlswahrnehmungen. Gekonnt auch, wie viele der jeweiligen Kapitelenden einen Blick gewähren auf Unerwartetes und Schreckliches und zum sofortigen Weiterlesen zwingen. Viele Fragen eröffneten sich mir beim Lesen: Steuern Gefühle unser Leben? Und was ist, wenn nicht? Schreiben wir alle unser Leben in der Erinnerung so um, dass es „passt“? Ist das Böse vererbbar oder eine bewusste Entscheidung oder gar Zufall? Es gibt für dieses Buch wahrlich keinen besseren Leitsatz als den von René Décartes: „Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.“

Fazit: Ein Psychothriller der besonderen Art, der mir ein hypnotisch fesselndes Leseerlebnis bescherte.

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