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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.02.2019

Eine faszinierend-kluge Bilderreise

Frauen und Bäume
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Diese Buchreihe aus dem Thiele Verlag ist für mich eine der schönsten, die ich kenne. Es sind Bücher, die man im Regal quer stellt, weil das Cover jeweils so schön ist, dass man es stets vor Augen haben ...


Diese Buchreihe aus dem Thiele Verlag ist für mich eine der schönsten, die ich kenne. Es sind Bücher, die man im Regal quer stellt, weil das Cover jeweils so schön ist, dass man es stets vor Augen haben möchte. Es sind Bücher, die man immer und immer wieder in die Hand nimmt, darin blättert und jedes Mal etwas Neues entdeckt. Bücher, die uns auf schwindelnd schnelle Zeitreisen in die Welt der Kunst schicken. Und deren Texte uns lehren, genau und noch genauer hinzuschauen.
Nun habe ich ein weiteres unglaublich schönes, die Sinne berührendes Buch aus dieser Reihe seit Wochen bei mir: Frauen und Bäume. So viel sperriger als „Frauen und ihre Katzen“ oder „Frauen und Rosen“, dachte ich. Schwieriger, so glaubte ich, weil hier Weibliches und Männliches zusammen kommt. Der Überbegriff Baum: maskulin, rau, stark. Der Unterbegriff Weide, Linde, Ulme: weiblich, feingliedrig, differenziert. Beim Vertiefen in das Buch, in den wie immer außerordentlich klugen, wissensreichen Text von Dörthe Binkert, verstand ich jedoch schnell die besondere Faszination der Kombination Frau und Baum. Denn gerade die verschiedenen mythischen, märchenhaften, geheimnisvollen, symbolischen Bedeutungen des Baumes waren reicher schöpferischer Quell der Künstler durch die Zeiten hinweg. Es gelingt der Autorin perfekt, die Stärke der Bäume in Verbindung zu setzen mit den besonderen Stärken der Frauen, mit Eva im Paradies, mit den Nymphen und Feen, mit sich in Bäume verwandelnde Frauen, mit Frauen, die sich mehr und mehr in das Grün, in die Natur, in träumerische Zeiten verlieren. Aber auch die Frucht tragenden Bäume bergen eine den Frauen verwandte Symbolik in sich. Der Baum als Schutz und Geborgenheit gebend, als Tröster, als verschwiegener Freund, als Bewahrer besonderer Verbindungen durch eingeritzte Initialen – schier unerschöpfliche Möglichkeiten der künstlerischen Gestaltung werden in diesem Buch offenbar. Jedes der vielen gezeigten Bilder spricht eine andere Sprache, lässt uns eine andere Facette des Themas schauen, ruft eine andere Stimmung hervor. Nicht zu vergessen die Deutung C.G. Jungs, den Baum als Mutter- bzw. Wiedergeburtssymbol zu sehen. Und wer sich mit Peter Wohlleben beschäftigt, weiß auch, dass Bäume miteinander kommunizieren, ein unsichtbares Netzwerk bilden. All dies und noch viel mehr erlebe ich in diesem Buch, schauend und lesend. Immer wieder.
Doch genug geschrieben: Blättern Sie selbst in diesem Buch, tauchen Sie ein, entdecken Sie, genießen Sie…

Veröffentlicht am 02.02.2019

Erste Hilfe für Zornbinkerl

Der Grolltroll (Bd. 1)
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Wer kleinere Kinder hat oder hatte, kennt sie zur Genüge: Diese finsteren Momente, in denen das Kind aus scheinbar nichtigem Anlass in einen Strudel von ohnmächtiger Wut und Verzweiflung gerät, aus dem ...


Wer kleinere Kinder hat oder hatte, kennt sie zur Genüge: Diese finsteren Momente, in denen das Kind aus scheinbar nichtigem Anlass in einen Strudel von ohnmächtiger Wut und Verzweiflung gerät, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Und der betreuende Erwachsene hat gleichermaßen mit wachsender Hilflosigkeit und zunehmendem Ärger zu kämpfen. Wie gut, dass der Coppenrath-Verlag dieses großartige Erste-Hilfe-Buch für Zornbinkerl (bayerisch) herausgab, das man im Übrigen auch manchem Erwachsenen schenken möchte…
Allein schon der Titel dieses großformatigen Bilderbuches ist Programm: Der Grolltroll – eine geniale Wortschöpfung, dessen Aussprache mit drohend-rollendem r allein schon der Inbegriff von Zorn ist (und übrigens bei unerwartetem Gebrauch urplötzlich zu entspannendem Gelächter führen kann.) Jedenfalls ist der Grolltroll ein armer Kerl, denn alle und alles hat sich gegen ihn verschworen, und nie, niemals, ist er an irgendetwas selbst schuld. Und wenn er dann so ganz unschuldig von Wut überrollt wird und die Rauchwölkchen über seinem Kopf wabern, dann ist er allein, alleiner kann man gar nicht sein…
Die wunderschönen, ausdrucksstarken Illustrationen von Stephan Pricken sind so lebendig, so farbenfroh, so aussagekräftig, so detailreich, dass man sie immer und immer wieder anschauen mag. Und wenn Stimmungsgewitter aufziehen wollen, egal ob bei Kleinen oder Großen, dann empfiehlt sich als Sofortmaßnahme, sich schnell zusammen zu setzen und die Welt von Grolltroll anzuschauen. Bei diesen fröhlichen, liebevollen Bildern werden Zorn und schlechte Laune ganz schnell vergessen, bei Groß und Klein. Gerne leiste ich der Weisung des Grolltrolls Folge, die ich zu Anfang des Buches fand: „Sei bloß lieb zu diesem Buch!“ Gar keine Frage!

Veröffentlicht am 19.01.2019

Viele Stunden fröhliche Unterhaltung

Der Räuber Hotzenplotz: Mein großes Räuber Hotzenplotz-Rätselbuch
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Die Räuberfans haben es schon längst mitbekommen: Räuber Hotzenplotz ist seit Monaten wieder aktiv, taucht mal hier mal dort auf. In Buchhandlungen, auf Stadtfesten, in Bibliotheken liebt er es, kleine ...



Die Räuberfans haben es schon längst mitbekommen: Räuber Hotzenplotz ist seit Monaten wieder aktiv, taucht mal hier mal dort auf. In Buchhandlungen, auf Stadtfesten, in Bibliotheken liebt er es, kleine und große Leute zu erschrecken und genießt sichtlich, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. In der Mitmachausstellung in Stuttgart ist er noch bis zum 23. Juni 2019 die Hauptattraktion. (www.junges-schloss.de)
Und so wundert es nicht, dass der Thienemann Verlag Räuber Hotzenplotz zu Ehren ein wunderbares, großes Rätselbuch auf den Markt gebracht hat – so liebevoll und ideenreich ausgestaltet, dass es seinesgleichen sucht. Da gibt es für jeden kleinen Hotzenplotz-Fan die passenden Rätsel. Das Buch enthält eine Fülle von Aufgaben, spaßig, originell, zum Überlegen, zum genauen Hinschauen, zum Malen, zum Fantasieren, über 100 Räuberrätsel in unterschiedlichen Schwierigkeiten. Das herrlich illustrierte Buch, das übrigens zu einem erstaunlich günstigen Preis angeboten wird, garantiert viele Stunden fröhliche Beschäftigung und macht damit Kinder und Eltern gleichermaßen froh.

Veröffentlicht am 16.01.2019

Gekonnt geschriebener Pageturner

Rachewinter
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Das vorliegende Buch war mein erstes von Andreas Gruber – und es war ganz sicher nicht mein letztes! 580 Seiten, die mich fesselten, die mich zwar an manchen Stellen aufregten oder ärgerten, aber niemals ...


Das vorliegende Buch war mein erstes von Andreas Gruber – und es war ganz sicher nicht mein letztes! 580 Seiten, die mich fesselten, die mich zwar an manchen Stellen aufregten oder ärgerten, aber niemals langweilten, ganz im Gegenteil
Allein schon der Prolog hat es in sich: Zwei Dachdecker beobachten im Penthouse gegenüber Sexspiele, anschließend einen Mord und filmen schockiert das Geschehen. In verschiedenen Städten kommen mehrere vermögende Geschäftsleute auf unerklärliche Weise zu Tode. Eine geheimnisvolle Frau im roten Kleid taucht auf und verschwindet wieder. Die Anwältin Evelyn Meyers soll eine Verteidigung übernehmen, was sich zunehmend zur Farce entwickelt. Und Kommissar Walter Pulaski bleibt hartnäckig daran, die Einzelteile der angeblichen Unglücksfälle oder Selbstmorde zu sammeln, weil er Mord wittert. Obwohl er von seinem Vorgesetzten zurückgepfiffen wird, verbeißt er sich in die Fälle und gerät zusammen mit Evelyn schließlich in allerhöchste Gefahr.
Trotz Unkenntnis der Vorgänger-Bücher hatte ich keinerlei Mühe, mit den Protagonisten Kommissar Walter Pulaski und der Anwältin Evelyn Meyers schnell vertraut zu werden. Auch die verschiedenen Handlungsstränge führten mich nicht in Verwirrung, sondern verbreiteten vielmehr bereits von Anfang an eine unterschwellige Spannung. Die permanent wach gehaltene Neugier treibt zum Weiterlesen, zum Einsammeln der vielen Puzzle-Teile und zum unermüdlichen Rätseln. Mir gefällt der Schreibstil des Autors sehr gut. Er erzählt lebendig und fesselnd. Manchmal wird seine Fähigkeit, intensive Kopfbilder zu erzeugen, kaum erträglich durch allzu viel spritzendes Blut. Durch permanenten Szenenwechsel bleibt der Spannungsbogen durchweg erhalten. Im letzten Viertel des Buches wächst die Spannung nochmals von Seite zu Seite ins Unerträgliche, bis man schließlich atemlos und erschöpft zum Ende gelangt.
Das Thema Transgender bzw. Geschlechtsumwandlung, das mehr oder weniger pseudowissenschaftlich beleuchtet wird, und die Grausamkeit einzelner Szenen kann man kontrovers diskutieren. Was ich jedoch mehr als unpassend, unglaubwürdig und indiskutabel finde, ist die Einbeziehung von zwei halbwüchsigen Mädchen in die Ermittlungen, zwar erst heimlich, dann aber unter Absegnung von Walter Pulaski. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Dennoch bleibt mein positives Gesamturteil: Ein in der Summe überaus spannender Pageturner, gekonnt geschrieben, durchdacht und stimmig konstruiert.

Veröffentlicht am 06.01.2019

Sensibel und brutal gleichermaßen

Stella
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Als ich Takis Würger bei einer Lesung seines ersten Buches Der Club beobachten konnte, erschien er mir seltsam zwiegespalten. Einerseits unerfahren, unsicher, fast ein wenig linkisch, auf der anderen Seite ...

Als ich Takis Würger bei einer Lesung seines ersten Buches Der Club beobachten konnte, erschien er mir seltsam zwiegespalten. Einerseits unerfahren, unsicher, fast ein wenig linkisch, auf der anderen Seite auf eine vornehm-sichere und privilegierte Weise von sich überzeugt. Und ebenso zwiegespalten erscheint mir das vorliegende Buch: sowohl leise-vorsichtig, scheu, als auch von einer inhaltlichen und sprachlichen Wucht, wie sie kaum zu ertragen ist.
Der Klappentext lässt uns nur Fakten wissen: „Es ist 1942. Friedrich, ein stiller junger Mann, kommt vom Genfer See nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er Kristin. Sie nimmt Friedrich mit in die geheimen Jazzclubs. Sie trinkt Kognak mit ihm und gibt ihm seinen ersten Kuss. Bei ihr kann er sich einbilden, der Krieg sei weit weg. Eines Morgens klopft Kristin an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht: "Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt." Sie heißt Stella und ist Jüdin. Die Gestapo hat sie enttarnt und zwingt sie zu einem unmenschlichen Pakt.“ Was im Klappentext jedoch fehlt, ist für mich ein entscheidender Teil der Geschichte. Denn Friedrich war nicht immer so still gewesen. Seine Vorgeschichte, wie und warum es zu seiner entstellenden Gesichtsverletzung kam, wie er dadurch die Liebe seiner Mutter und noch viel mehr verlor, das ist aus meiner Sicht die Grundlage des Buches, denn es steht Friedrich im Mittelpunkt, nicht Stella. Es wird mit den Augen Friedrichs das Geschehen, sowohl das politische als auch das individuelle, beobachtet, und für den Leser wird nachvollziehbar, weshalb Friedrich eher passiv und leidend geschehen lässt, was geschieht. Seine bedürftige, obsessive Liebe zu Stella verschließt ihm die Augen vor den Wahrheiten um ihn herum.
Die Erzählweise ist besonders. Schlichte Wörter, schlichte Sätze, und dabei eine so dichte Atmosphäre schaffend und so treffgenau, wie es manch einem Autor mit vielen Wörtern und langen Sätzen nicht gelingt. „Berlin ist ein Ort, an dem sogar Friseure sagen, was sie denken.“ An anderen Stellen knallen dem Leser die kurzen Sätze nur so um die Ohren, dass man sich ducken möchte vor den Bildern, die angeschossen kommen. Ein Buch, sensibel und brutal gleichermaßen, Fakten und Fiktion genial vermischend. Ein großes Buch.