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Veröffentlicht am 30.12.2023

Ich erinnere mich - nachdenklich und berührend

Die Verletzlichen
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Das ungewöhnliche Cover dieses Buches hat mich sofort angesprochen und da es mein erstes Buch von Sigrid Nunez war, war ich sehr neugierig. Leider musste ich schnell feststellen, dass es nicht wie ein ...

Das ungewöhnliche Cover dieses Buches hat mich sofort angesprochen und da es mein erstes Buch von Sigrid Nunez war, war ich sehr neugierig. Leider musste ich schnell feststellen, dass es nicht wie ein klassischer Roman geschrieben ist. Doch durchaus eine interessante Lektüre darstellt.

Die Geschichte spielt in New York kurz vor und während des ersten Lockdowns der Corona-Pandemie. Die namenlose Ich-Erzählerin und Schriftstellerin wird von einer Freundin gebeten auf ihren Papagei aufzupassen. Sie zieht gleich in deren sehr geräumige Wohnung ein und vermietet ihre eigene Bleibe an eine Ärztin, die das Gesundheitssystem während der Pandemie unterstützt. Im Laufe des Aufenthaltes in dieser Wohnung, samt Papagei und dem jungen Mann, lässt die Ich-Erzählerin den Leser an all ihren Gedanken, Reflexionen, Dialogen und Begegnungen intensiv teilhaben.

Der Stillstand gerade in New York hat etwas Einsames, Unwirkliches, denn diese Stadt ist sonst wie eine pulsierende Ader, kommt niemals zur Ruhe. Sie beschreibt die Veränderungen von Menschen, ungewohnte Reaktionen, Verletzlichkeit. Es dauert einige Zeit, bis die Ich-Erzählerin und der junge Student einen Zugang zueinander finden. Ich mag ihre Gespräche, die leider erst sehr spät zustande kommen.

Das menschliche Miteinander, Sorgen und Fürsorge, Ablehnung und Akzeptanz, neue Wege und alte Anknüpfungspunkte hat die Autorin mit leichtem Humor in eine berührende und nachdenkliche Geschichte verpackt. Ich denke, ich werde dieses Buch in einiger Zeit noch einmal lesen, aber mit einer ganz anderen Erwartungshaltung.

Eine lesenswerte Lektüre, auf die man sich einlassen muss.

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Veröffentlicht am 29.12.2023

Die Oxford University Press und ihre Buchbinderinnen

Die Buchbinderin von Oxford
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In dem Oxforder Stadtteil Jericho leben während des ersten Weltkrieges die verwaisten Zwillingsschwestern Peggy und Maude auf ihrem Hausboot namens Calliope, das im Oxford Canal vor Anker liegt. Seit ihrem ...

In dem Oxforder Stadtteil Jericho leben während des ersten Weltkrieges die verwaisten Zwillingsschwestern Peggy und Maude auf ihrem Hausboot namens Calliope, das im Oxford Canal vor Anker liegt. Seit ihrem zwölften Lebensjahr arbeiten sie in der Buchbinderei der Oxford University Press und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit falzen und binden von losen Blattseiten. Peggy reicht es nicht, diese Bücher nur zu bearbeiten, sie möchte sie auch lesen. Wohingegen Maude vollkommen mit dieser Arbeit zufrieden ist. Maude ist durch eine Entwicklungsstörung etwas anders, hat aber durchaus ihre eigenen Stärken.

Leider war Peggy für mich in dieser Geschichte keine Sympathieträgerin, obwohl sie ja die Hauptprotagonistin ist. Sie musste schon früh die Verantwortung für ihre Schwester übernehmen, da ist es klar, dass ihr die ganze Sache irgendwann zu viel wird und über den Kopf wächst. Trotzdem war sie teilweise zu besitzergreifend und eifersüchtig Maude gegenüber. Ich konnte das schlecht einordnen. Maudes Charakter wiederum mit ihrer Sensibilität und mit ihren kurzen knappen Sätzen alles auf den Punkt zu bringen, fand ich sehr gut ausgearbeitet. Auch Gwen und Lotte wurden sehr authentisch charakterisiert. Das ist der Autorin richtig gut gelungen.

Das Kriegsgeschehen, die spanische Grippe, die Vertriebenen, die vielen Verwundeten und Toten, all das wurde gut in den Roman eingebaut und hat definitiv mehr Handlung in die Geschichte gebracht. Ein weiteres Thema war die Frauenbewegung, die weiter vorangetrieben wurde. Der Kampf auf mehr Recht auf Bildung, mehr Gleichberechtigung. Für Frauen über 30 Jahre wurde ab 1918 ein eingeschränktes Wahlrecht einräumt.

Die Herstellung von Büchern war zu dieser Zeit eine aufwendige Angelegenheit, ich fand es sehr interessant, welche Arbeitstechniken angewandt wurden. Hier konnte ich definitiv Wissen mitnehmen.

Bei den Titeln der fünf Kapitel, alles Buchtitel, die in der Oxford University Press herausgegeben wurden, hat sich die Autorin richtig Gedanken gemacht und diese gut auf die einzelnen Kapitel abgestimmt. Auch das Cover hat Wiedererkennungswert, da es ausgezeichnet zum Vorgängerband passt.

Alles in allem floss der Roman so seicht dahin, dass in keiner Weise Spannung aufgebaut wurde. Das fand ich sehr schade, ich hatte mir tatsächlich mehr von diesem Roman versprochen.

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Veröffentlicht am 29.07.2023

Altes Stück auf neuer Bühne

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Doris Knecht ist mir als Autorin ein Begriff, doch ich kam noch nie in den Genuss, ein Buch von ihr zu lesen. Titel und Cover haben mich sehr angesprochen und so habe ich mich auf die Geschichte der namenlosen ...

Doris Knecht ist mir als Autorin ein Begriff, doch ich kam noch nie in den Genuss, ein Buch von ihr zu lesen. Titel und Cover haben mich sehr angesprochen und so habe ich mich auf die Geschichte der namenlosen Protagonistin eingelassen.

Dieses Buch beschreibt den Prozess vom Gedanken sich verändern zu müssen bis zum Ankommen in einem neuen Leben.
Nachdem die Zwillinge der alleinerziehenden Ich-Erzählerin ihre Matura gemacht haben und das heimische Nest verlassen wollen, steht sie vor einer lebensveränderten Entscheidung. Grundsätzlich sind ihr Veränderungen zuwider, doch die viel zu große und nicht bezahlbare Wohnung kann sie nicht behalten, andere Wohnungen sind kaum erschwinglich und so macht sie sich mit dem Gedanken vertraut, in ihre sehr kleine Werkstatt umzuziehen.

All die Dinge, die sie eine lange Zeit begleitet haben, müssen sortiert, aussortiert, verkauft oder verschenkt werden. Die damit verbundenen Erinnerungen lassen sie auf ihr bisheriges Leben zurückblicken und für den Leser noch einmal Revue passieren. Kindheitserlebnisse, ihr Verhältnis zu den Eltern und Geschwistern, Studienzeit, eine gescheiterte Ehe und die Herausforderungen einer berufstätigen alleinerziehenden Mutter von Zwillingen. Ausdrucksstarker Schreibstil, sachlich, schonungslos, sehr authentisch und realitätsnah, aber wenig emotional.

Die Handlung fokussiert sich auf die starke Protagonistin, alle weiteren Charaktere werden nur oberflächlich karikiert. Diesen klar strukturierten Schreibstil mag ich sehr, da ich mich als Leserin nicht mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten auseinandersetzen muss.

Ich habe wirklich überlegt, ob einige Passagen hier vielleicht autobiographisch sind, denn ich konnte mich mit einigen Gedanken, Gefühlen und Betrachtungsweisen der Ich-Erzählerin gut identifizieren.
Dies ist eine schöne Lektüre für zwischendurch, kurze Kapitel, schnell zu lesen – empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 04.01.2023

Die scheinbar endlose Suche nach Lilli

Der Strand: Vermisst
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Im kleinen beschaulichen Ort Sellnitz auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst verschwindet mitten am Tag die 19-jährige gehörlose Lilli spurlos. Sie ist die Enkelin vom ehemaligen Bürgermeister des Ortes, ...

Im kleinen beschaulichen Ort Sellnitz auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst verschwindet mitten am Tag die 19-jährige gehörlose Lilli spurlos. Sie ist die Enkelin vom ehemaligen Bürgermeister des Ortes, der den Ermittlern Druck macht, das Mädchen schnellstmöglich zu finden. Das Team um Tom Engelhardt macht sich sofort auf die Suche, doch leider ohne jegliches Ergebnis. Als Lillis letzte Handy-Nachricht an ihre Freundin Fabienne, mit einer scheinbar wahllosen Buchstaben- und Zeichenfolge, auftaucht, wird die Kryptologin Mascha Krieger vom LKA hinzugezogen.

Anfänglich hat mich die Geschichte absolut in den Bann gezogen, auch dem Ermittlerduo konnte ich Sympathien entgegenbringen. Der Schreibstil, die kurzen Abschnitte und die Perspektivwechsel waren gut kombiniert. Leider wurde die Handlung im späteren Verlauf sehr verwirrend, Ermittlungsansätze und Spuren wurden nicht weiter verfolgt, die Befragungen wurden auf ein Minimum reduziert, Verdächtige über Verdächtige, aber inkompetente Polizeiarbeit. Hinzu kamen noch Toms eigene Befindlichkeiten, die sehr viel Raum eingenommen haben. Dies ging leider zu Lasten der Spannung und der Sympathieträger.

Ich hätte jetzt erwartet, dass der Hauptfall in diesem Teil seinen Abschluss findet und die vielen offenen Handlungsstränge in den zwei Folgenbänden mit unerwarteten Wendungen aufgeklärt werden, oder aber noch ein weiterer Fall hinzukommt. Dieser Teil lässt mich sehr enttäuscht zurück. Wahrscheinlich werde ich die Folgebände nicht lesen, da bei mir jetzt schon die Spannung fehlt.

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Veröffentlicht am 02.11.2022

Agententhriller mit Potenzial

EAST. Welt ohne Seele
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Jan Jordi Kazanski, suspendierter CIA-Agent, wird nach einem persönlichen sowie sehr tragischen Verlust zum Alkoholiker. Überraschend wird er zurückbeordert und sein neuer Auftrag heißt, die Witwe in Krakau ...

Jan Jordi Kazanski, suspendierter CIA-Agent, wird nach einem persönlichen sowie sehr tragischen Verlust zum Alkoholiker. Überraschend wird er zurückbeordert und sein neuer Auftrag heißt, die Witwe in Krakau ausfindig zu machen. Kaum angekommen, wird bereits ein Mordanschlag auf ihn verübt, dem er nur knapp entgehen kann. Nicht nur der CIA auch andere Geheimdienste sind involviert und auf der Suche nach dem Kopf der größten Verbrecherorganisation Krakaus.

Trotz des guten Schreibstils bin ich anfangs nicht richtig ins Buch reingekommen. Der ständige und plötzliche Perspektivwechsel und die teils langatmigen Ausführungen haben den Lesegenuss leider sehr getrübt. Hier war allerhöchste Konzentration gefragt, um den Anschluss nicht zu verlieren. Auch bei den einzelnen Handlungssträngen ist lange nicht ersichtlich, wie sie zusammengehören, werden jedoch am Ende gut verknüpft. Leider hat dies alles den Spannungsaufbau sehr gehemmt, so dass mich die Handlung nicht nachhaltig fesseln konnte.

Für den ständig trinkenden und rauchenden Hauptprotagonisten konnte ich bisher leider keinerlei Sympathie entwickeln, was wirklich sehr schade ist. Ein sehr spezieller Charakter. Auch die Klischees Alkohol und Sex wurden hier gut bedient.

Allem zum Trotz finde ich das Cover sehr gut gelungen, mit dem einsamen Mann der ins Licht geht. Es könnte tatsächlich Kazanski sein, der mit diesem Auftrag wieder Fuß fasst und zurück ins Leben kommt. Das ist aber reine Interpretation.

Leider war ich etwas enttäuscht, habe von diesem Thriller mehr erwartet. Ich denke, da gibt es noch Potenzial nach oben.

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