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Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Steinige Weg zum Erwachsenwerden

Für immer Blue
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Die 19-Jährige Blue hat ihren eigenen Kopf, rebelliert wo sie nur kann, gibt sich mit unabhängigen, zwielichtigen Jungs ab und hat keine Freunde, weil sie um sich herum eine Mauer des Schweigens errichtet ...

Die 19-Jährige Blue hat ihren eigenen Kopf, rebelliert wo sie nur kann, gibt sich mit unabhängigen, zwielichtigen Jungs ab und hat keine Freunde, weil sie um sich herum eine Mauer des Schweigens errichtet hat, die bisher niemand überwinden konnte. Als sie in ihrem letzten Schuljahr auf den jungen, gutaussehenden Geschichtslehrer Darcy Wilson trifft, kommt ihr bisheriges Weltbild ins Wanken. Erstmals erfährt sie im Leben, wie es sich anfühlt, wenn man akzeptiert und wahrgenommen wird, wenn trotz aller charakterlichen Defizite das Positive im Mittelpunkt steht und durch beständigen Zuspruch ein gesundes Selbstvertrauen aufgebaut werden kann. Doch gerade als Blue Hoffnung für ihre persönliche Zukunft schöpft, versetzt ihr eine ungewollte Schwangerschaft den nächsten Dämpfer. Aber Darcy Wilson gibt sie nicht auf, steht ihr zur Seite und weckt bald Gefühle in ihr, die weit über eine unverbindliche Lehrer-Schüler-Verbindung hinausgehen. Als Blue endlich innerlich dazu bereit ist, ihre schmerzliche Vergangenheit aufzuarbeiten, beginnt eine zarte Freundschaft, aber wird sich Darcy auch auf mehr einlassen?

Dieser Roman befasst sich in weiten Teilen mit dem steinigen Weg des Erwachsenwerdens. Gefühlvoll und intensiv beschreibt er wichtige Lebensfragen, erörtert sehr facettenreich die verschiedenen Phasen der Selbstfindung und die Herausbildung einer Identität. Es geht um Familienbande und Zugehörigkeitsgefühl, um die seelischen Schmerzen, die Ablehnung und Isolation in der Kindheit verursachen und um die Kraft, aus eigenem Antrieb wieder aufzustehen und die Zukunft aktiv mitzugestalten.

Der Schreibstil des Romans ist angenehm, detailliert und bildlich, so dass eine wunderschöne, feinfühlige Geschichte entsteht, die den Leser mitnimmt auf eine Reise in die Vergangenheit – zurück zu den Wurzeln eines jungen Lebens.

Meine Hauptkritik bezieht sich im Wesentlichen auf die angedeutete Liebesbeziehung zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin. Dieses Thema, die damit verbundene Problematik (Altersunterschied, Gesetzesbruch, Umgang mit Schutzbefohlenen) blieb vollkommen auf der Strecke. Bei jedem neuen, farblich untermaltem, Kapitel habe ich sehnsüchtig auf diesen Aspekt gewartet und wurde leider bis zum Ende des Buches nicht fündig.

Fazit: Ich vergebe 4 Sterne für eine reife, literarische Erzählung, die durch ihre Intensität und Emotionalität besticht. Die aber leider nur Bruchstücke einer „verbotenen“ Liebesgeschichte liefert und damit meine Erwartungen an das Buch nicht gänzlich erfüllen konnte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Los einer Unbestimmten

Die Bestimmung
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Beatrice ist Mitglied einer Gesellschaftsordnung, die sich in fünf Fraktionen splittet, von denen jede eine andere wichtige Aufgabe erfüllt. Mit dem 16. Geburtstag können sich die Jugendlichen entscheiden, ...

Beatrice ist Mitglied einer Gesellschaftsordnung, die sich in fünf Fraktionen splittet, von denen jede eine andere wichtige Aufgabe erfüllt. Mit dem 16. Geburtstag können sich die Jugendlichen entscheiden, welcher Gruppe sie sich fortan anschließen wollen. Als kleine Entscheidungshilfe findet ein persönlicher Eignungstest statt, der Klarheit über die Zugehörigkeit geben soll. Beatrice entscheidet sich gegen ihre Familie, die zur Fraktion der „Selbstlosen“ (Altruan) gehört und wählt stattdessen eine Zukunft bei den „Mutigen“ (Ferox). Mittels Initiationsverfahren wird sie bei ihrer gewählten Fraktion aufgenommen und sieht sich währenddessen mit ihren schlimmsten Ängsten konfrontiert. Doch als sie ihre Eignung unter Beweis gestellt hat, beginnen die Ferox mit dem Angriff auf die Altruan und Beatrice muss erkennen, was es bedeutet eine „Unbestimmte“ zu sein, ein Mensch mit Fähigkeiten und Denkweisen aus ganz verschiedenen Fraktionen.

Der erste Teil dieser mittlerweile verfilmten Dystopie besticht durch eine rasante Handlung, eine bemerkenswerte Hauptprotagonistin und eine beginnende Liebesgeschichte inmitten einer düsteren, kargen Welt. Sehr atmosphärisch und beeindruckend wirken die Schauplätze, ebenso die verschiedenen Prüfungen auf dem Weg zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Fraktion. Das Fesselnde sind die unrealistisch, fantastischen Rahmenbedingungen gepaart mit allzu menschlichen Verhaltensweisen wie Angst oder Wut. Es entsteht ein eindrucksvolles Gesamtwerk, welches mich von Anfang bis Ende begeistern konnte und mich dazu veranlasst, möglichst bald den zweiten Teil dieser Reihe zu lesen.

Einziger kleiner Kritikpunkt sind die teils brutalen, menschenverachtenden Szenen, die hier gerade im Mittelteil einen großen Stellenwert einnehmen. Für ein Jugendbuch ziemlich extrem und selbst als Erwachsener könnte ich auf das entsprechende Kopfkino verzichten.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne für ein eindrucksvolles dystopisches Werk voller mitreißender, spannender Szenen und einer geschickt erdachten Story. Ein gelungener Auftakt der Trilogie – lesenswert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn die Trennlinie nicht überwunden wird

Die Einsamkeit der Primzahlen
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Erzählt wird die Geschichte von Alice und Mattia, die beide eine schwierige Kindheit erlebten, deren Jugend ganz anders als die „normaler“ Teenager verlief und die sich letztlich zu Erwachsenen entwickelten, ...

Erzählt wird die Geschichte von Alice und Mattia, die beide eine schwierige Kindheit erlebten, deren Jugend ganz anders als die „normaler“ Teenager verlief und die sich letztlich zu Erwachsenen entwickelten, die immer noch und gerade wegen ihrer Vergangenheit Komplexe haben. Das Buch schlägt einen großen Bogen, zeichnet drastische Konturen und entwickelt einen ganz individuellen Charakter, der es zu etwas Besonderem macht. Die teils düstere Stimmung, die vielen unausgesprochenen Gefühle werden zwischen den Zeilen regelrecht greifbar, so dass man als Leser schwankt zwischen entsetztem Kopfschütteln und andächtigem Schweigen.

Kaum vorstellbar sind die vollzogenen Handlungen und doch erschreckend realistisch. Gibt es sie wirklich irgendwo? Menschen, die derart befangen, eigenbrötlerisch und anders sind, dass keine Menschenseele Zugang zu ihnen finden kann? Wie in einer Seifenblase gefangen verrinnen die Jahre, viele bedeutungslose Jahre die keine Entwicklung, Veränderung oder Verbesserung bringen. Zwei einsame Seelen, die nicht genügend Mut aufbringen konnten, einander jenes Vertrauen zu schenken, welches für eine gemeinsame Zukunft unabdingbar ist.

Der Autor wählt hier wechselnde Erzählperspektiven: Zum einen spricht der männliche Part Mattia, der seine geistig behinderte Zwillingsschwester in seiner Kindheit im Park zurück lies und zum anderen die weibliche Protagonistin Alice, die nach einem Skiunfall körperlich behindert ist und ihre Ohnmacht gegenüber dem Vater mittels Magersucht ausdrückt. Beide sind sich ähnlich, verschlossen, korrekt und am liebsten allein mit ihren persönlichen Schuldzuweisungen. In kurzen Momenten, in denen sie sich einander öffnen, entwickelt sich eine Art Freundschaft, ein wertvoller Augenblick für beide, weil sie erkennen, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein sind. Doch langfristig betrachtet, können sie die Ansprüche an den anderen und auch an sich selbst nicht erfüllen und gehen getrennter Wege.

Fazit: Dieses Jugendbuch wird mir lange in Erinnerung bleiben, denn es erzeugt einen traurigen, nachdenklich stimmenden Nachklang. Ausgehend von einer stillen, über Jahrzehnte dauernden Erzählung bleibt eine Art Einsamkeit zurück, die bewegt. Ich spreche eine Leseempfehlung aus, für all jene, die sich gern in einem Roman verlieren und mit einem unbestimmten, wenn auch realistischem Ende zufrieden sind. Ein einprägsames Debüt des jungen italienischen Autors, von dem ich schon bald sein aktuelles Buch „Schwarz und Silber“ lesen werde.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Traum vom Fliegen

Dem Himmel entgegen
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„Er war gegangen, da er Jude war. Es war das einzig Richtige für ihn. Dafür musste er sie zurücklassen. Er hatte entschieden, für sich das Beste zu tun. Und damit hatte er auch eine Entscheidung gegen ...

„Er war gegangen, da er Jude war. Es war das einzig Richtige für ihn. Dafür musste er sie zurücklassen. Er hatte entschieden, für sich das Beste zu tun. Und damit hatte er auch eine Entscheidung gegen sie getroffen.“
Für Emmanuelle bricht eine schwere Zeit an, nachdem sie erfahren hat, dass sie von ihrer großen Liebe Julian ein Kind erwartet. Denn Julian verlässt ohne ein Wort des Abschieds das Land und Emmanuelle konnte ihm nicht einmal von der Schwangerschaft berichten. So entschließt sie sich ihr Kind zur Adoption freizugeben, um ein neues, ein anderes Leben zu führen. Doch Jahre später holt sie die Vergangenheit ein, denn plötzlich steht Julian wieder vor ihrer Tür und sie bemüht sich über einen Privatdetektiv herauszufinden, was mit ihrer Tochter geschah, denn den Verlust des Kindes konnte sie seit damals nicht überwinden. Als die Ermittlungsarbeit schließlich Früchte trägt, offenbart sich Emmanuelle ein gut gehütetes Geheimnis, welches ihr ganzes bisheriges Leben in Frage stellt.
Die Autorin Katja Maybach greift in diesem Buch auf die Faszination des Fliegens zurück und entwirft in diesem emotionalen Roman eine berührende Familiengeschichte, die sich mit den Entscheidungen dreier Frauen beschäftigt. Dabei geht sie gekonnt auf die vielen schicksalhaften Begegnungen und Ereignisse im Leben der drei Hauptprotagonistinnen ein und zeigt, wie anders und unerwartet sich eine Situation in eine vollkommen neue verwandeln kann. Sie sensibilisiert den Leser für verschiedene Lebenskonzepte und plädiert für Toleranz und den Mut, eine Verzeihung auszusprechen und anzunehmen. Die vielfältigen Gefühlsregungen wie Verzagen, den Wunsch etwas zu erreichen, die verpassten Chancen und die Akzeptanz des Unvermeidlichen ziehen sich wie der rote Faden durch den Roman. Begleitet wird die Erzählung durch eine leichte, schöne Sprache, einen zeitlich geteilten Handlungsverlauf und dem Fokus auf die jeweilige Erzählerin des Kapitels.
Fazit: Ich vergebe eine Leseempfehlung und 4 Sterne für diesen bewegenden Roman über die Liebe, das Leben und die Fliegerei. Eine ausgewogene Erzählung mit eingeflochtenen Geheimnissen und dramatischen Wendungen machen das Buch zum Lesevergnügen. Lediglich an der Erzähltiefe und damit am Nachklang des Buches, mache ich meinen Punktabzug fest. Denn trotz sehr aufwühlender Ereignisse und Rückschläge der handelnden Personen, finden diese erstaunlich schnell wieder in ein „normales“ Leben zurück.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Abschied in jungen Jahren

Auf Zehenspitzen berühre ich den Himmel
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Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits ...

Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits die Knochen angegriffen hat und im vorliegenden Stadium unheilbar ist. Plötzlich verliert alles in Poppys Leben an Bedeutung: die Unbeschwertheit kommt abhanden und sie versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine Zukunft für ihren Mann und die geliebten Kinder zu schaffen. Langsam schleicht sie sich aus dem Leben, weil die körperlichen Beeinträchtigungen immer stärker werden, doch noch hat sie Träume, die es zu verwirklichen gilt, Hoffnungen und Pläne, die sie in die Tat umsetzen möchte. So wird es ein langer Abschied mit vielen Tränen aber mindestens genau so vielen wunderschönen, lebenswerten Momenten.

Dieser Roman beschäftigt sich mit der schweren Thematik des Sterbens, insbesondere wenn man noch jung ist, Verantwortung trägt und ganz andere Gedanken hegt, als die an ein baldiges Lebensende. Generell beschreibt die englische Autorin Amanda Prowse hier nicht nur die Geschichte einer Krankheit und den bitteren Leidensweg, der damit in Verbindung steht sondern in erster Linie eine anrührende, von Liebe geprägte Erzählung, die eine ganz normale Familie durch dieses Szenario begleitet. Traurige Momente stehen neben lebensbejahenden Handlungen, Tränen und Freude gehen Hand in Hand und dadurch entsteht ein authentischer, bewegender Roman, der die Normalität und ihr Abhandenkommen wunderbar einfängt und direkt ins Herz des Lesers trifft. Eine Geschichte wie sie uns jeden Tag und überall auf der Welt begegnen könnte, voller zerplatzter Seifenblasen und bunter Traumschlösser – ein Abschied in Würde und gleichermaßen ein Verlust der beweist, dass das Leben weitergeht, auch wenn ein geliebter Mensch fehlt.

Dieses Buch und die Autorin durfte ich in einer Leserunde kennenlernen. Schreibstil und Handlung des Romans sind einprägsam und zeitgemäß und die Geschichte geht zu Herzen. Ein paar kleine Schönheitsfehler möchte ich dennoch nennen. Manchmal hat mir das bedrückende Gefühl gefehlt, welches sich einstellt, wenn man weiß, dass die Hauptprotagonistin sterben wird. Und auch der Umgang mit dem Tod, dem Sterben und seiner elementaren Bedeutung innerhalb der Familie hat mich etwas enttäuscht, denn die Kinder wurden meist außen vor gelassen und nicht wirklich darauf vorbereitet, wie es ohne Mutter sein wird.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne für eine bewegende, realistische Erzählung, der es spielend gelingt Tränen der Freude und des Leids zu vereinen und die Hoffnung am Lebensende in den Vordergrund stellt. Ich spreche eine Leseempfehlung für all jene aus, die Gefallen an emotionalen Romanen finden und sich für die Thematik Trauer, Verlust und Sterben interessieren.