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Veröffentlicht am 26.05.2019

Tödliche Geheimnisse der Gezeiten

Totenfang
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„Der menschliche Körper, selbst zu über sechzig Prozent aus Wasser bestehend, ist nicht von sich aus schwimmfähig. Er treibt nur so lange an der Wasseroberfläche, wie Luft in den Lungen vorhanden ist. ...

„Der menschliche Körper, selbst zu über sechzig Prozent aus Wasser bestehend, ist nicht von sich aus schwimmfähig. Er treibt nur so lange an der Wasseroberfläche, wie Luft in den Lungen vorhanden ist. Sobald sie den Körper verlässt, sinkt er langsam auf den Grund.“


Inhalt


In seinem fünften Fall verschlägt es den forensischen Anthropologen David Hunter in das unwirtliche Mündungsgebiet der Backwaters in Essex, einer von den Gezeiten gezeichneten Umgebung, in denen Menschen zwar ein abgeschottetes Leben führen können, sich jedoch tagein, tagaus mit den geografischen Naturgegebenheiten auseinandersetzen müssen. Und so dominiert auch das Element Wasser diese Erzählung. Die erste Leiche, die auf einer Sandbank angespült wird, ist männlich, rein theoretisch könnte es der vermisste Leo Villiers sein, ein Millionärssohn, der seinem Zuhause den Rücken gekehrt hat und möglicherweise der Mörder einer ebenfalls vermissten Frau, die wahrscheinlich seine Geliebte war.

Doch David Hunter identifiziert den Leichnam als einen anderen und pflegt schon bald zu der Familie der vermissten Emma Darby ein gutes Bekanntschaftsverhältnis, denn er mietet sich in deren Bootshaus ein, um möglichst schnell bei der Obduktion anwesend sein zu können. Emmas Schwester Rachel und David Hunter beginnen auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen, denn so unschuldig, wie sich die junge Frau gegeben hat, war sie anscheinend gar nicht. Als wenig später eine weitere männliche Leiche von der Ebbe freigelegt wird und es wieder nicht Leo Villiers ist, vermutet Hunter einen Zusammenhang zwischen den Opfern und der wahre Mörder ist nicht nur auf freiem Fuß, sondern kennt die Backwaters sehr genau, viel besser als es Hunter vermag.


Meinung


Diese Thriller Reihe des englischen Bestsellerautoren Simon Beckett verfolge ich mit viel Interesse und hohen Erwartungen. Gerade sein Hauptprotagonist David Hunter , der weder Ermittler, Täter noch Opfer ist, führt den Leser auf intensive Art und Weise in das Verhalten toter Körper und die diversen Leichenzersetzungsprozesse ein – kein schönes aber ein überaus interessantes Thema, selbst wenn es sich dabei wie hier um Wasserleichen und ihre wahre Todesursache handelt. Tatsächlich begeistert mich der forensische Teil des Buches ohnehin am meisten, während die Spannungskurve bei diesem Thriller doch nur schwach ausgeprägt ist und mich die Auflösung des Falls so rein gar nicht begeistern konnte.

Der Schreibstil ist ruhig, untermalt von eindrücklichen Naturerscheinungen und vielen sprachlichen Bildern, so dass man immer einen gedanklichen Film vor Augen hat – diese Erzählart mag ich ebenfalls sehr gern und ich finde immer wieder Gefallen an den unscheinbaren, nebensächlichen Entdeckungen, die sich letztlich zu entscheidenden Schlüssel bei der Aufklärung der Morde entpuppen. Dennoch empfand ich „Totenfang“ als einen der schwächeren Bände der Reihe, einfach weil das belanglose Private einen viel zu großen Spielraum bekommt und ganz besonders wegen der schwachen Konturen der Mordfälle. Stattdessen viel Forensik und Biologie – der Täter bleibt lange vollkommen blass, die Opfer scheinen selbst ebenfalls ihre dunklen Geheimnisse zu hüten und ob es nun ein großes Familiendrama oder ein Mord aus Rache war, steht auf gut 500 Seiten immer nur im Hintergrund. Ein ganz klarer Fall von verschenktem Potential.


Fazit


Ich vergebe 3 Lesesterne. Für Freunde der Forensik oder der David-Hunter-Reihe ist dieser Thriller durchaus lesenswert, wer auf der Suche nach Spannung und Nervenkitzel ist, wird wohl eher enttäuscht. Und so gern wie ich das subtile, intensive Erzählen des Autors auch mag, hier tritt die Handlung etwas auf der Stelle, die Auflösung konnte mich ebenso wenig packen wie der Plot, gelesen habe ich das Buch trotzdem gerne, wenn auch in quälend langsamer Zeit, da der Funke einfach nicht übergesprungen ist.

Veröffentlicht am 18.04.2019

Der Glaube an das Unwahrscheinliche

Milchzähne
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„Ein vertrautes Gebiet verlassen, in dem ich mich blind bewegen könnte. Was bleibt bestehen, und was bleibt übrig, wenn ich gehe? Wer wird sich an den von mir zurückgelegten Weg erinnern?“


Inhalt


Skalde ...

„Ein vertrautes Gebiet verlassen, in dem ich mich blind bewegen könnte. Was bleibt bestehen, und was bleibt übrig, wenn ich gehe? Wer wird sich an den von mir zurückgelegten Weg erinnern?“


Inhalt


Skalde und Edith leben in einer kleinen Gemeinschaft am Rande der Zivilisation. Nach einer scheinbaren Naturkatastrophe, die klimatische und biologische Veränderungen mit sich brachte, deren Ende keiner absehen kann, beginnt ein Wettlauf gegen das Unbekannte. Der Kiefernwald ist das letzte lebenswerte Stück Erde, nur dort herrscht scheinbare Sicherheit vor einer diffusen Gefahr. Die wenigen Bewohner dieser Gegend kämpfen ums Überleben, halten sich mit Tauschhandel über Wasser und beäugen jeden misstrauisch und mit einer direkten Abwehrhaltung. Nicht nur Fremde sind nicht willkommen, auch die unmittelbaren Nachbarn stehen auf dem Prüfstand. Neid und Missgunst sind die Charakterisierungen dieser neuen Zeit, in der nicht einmal mehr die Familie Rückhalt geben kann. Wer sich nicht selbst vernichtet, den vernichten andere oder der Zahn der Zeit. Als ein junges, rothaariges Mädchen in die Siedlung kommt, spaltet sich der Verband erneut. Denn Skalde nimmt das Kind bei sich auf und rückt damit gleich an die zweite Stelle des Feindes – zuerst muss das Kind weg, dann ihre Retterin, andernfalls schweben alle in höchster Gefahr …


Meinung


Die deutsche Jungautorin Helene Bukowski widmet sich in ihrem Debüt einer sehr interessanten Mischung aus dystopischem Roman und zerrütteter Familienbeziehung.

Zunächst einmal schafft sie eine sehr bedrohliche, wenn auch nicht ganz fassbare Endzeitstimmung, die deutlich macht, das die Menschen hier, geflüchtet sind und geblieben, weil sie nicht wissen, wo es noch einen besseren Ort geben könnte. Das Klima wird immer heißer, die Tiere verenden oder verschwinden ganz, keiner weiß, was hinter dem Fluss wartet und ob das Meer irgendwo in der weiteren Umgebung, Verderben sein wird oder eine Chance bieten könnte. Diese Hintergründe streut sie immer wieder in den Text, leider erfährt man so erst nach und nach, mit was die Bevölkerung konfrontiert ist und es erschließt sich auch nicht restlos, welcher Art diese Naturkatastrophe sein soll.

Auf der anderen Seite thematisiert sie eine vollkommen unvorstellbare Mutter-Tochter-Beziehung, die in engem Kontext mit den generell brutalen menschlichen Verbindungen in einer kleinen Gemeinschaft steht. Dorthin, wo die Geschichte den Leser trägt, möchte man tatsächlich keinen Fuß hinsetzen. Neid, Missgunst, Rachsucht und die vollkommene Normalität von Verletzten, Sterben oder Töten prägen die Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe und machen weder vor Bekannten, noch Familienmitgliedern und erst recht nicht vor Fremden halt. Jeder gegen Jeden – die Furcht vor dem Fremden, die Sehnsucht nach einer besseren Welt, die Verbundenheit mit einer Heimat, die keine mehr ist – Schnittpunkte und wichtige Bausteine des menschlichen Daseins werden hier aufgegriffen und in Kontext zueinander gestellt.

Prinzipiell liest sich der Roman sehr flott, er unterhält, macht neugierig und stellt viele Fragen. Hinzu kommt eine klare Gliederung und ein kontinuierlicher Handlungsverlauf, vor dem Hintergrund der Frage: „Gehen oder Bleiben?“ Dabei bedient sich Helene Bukowski einiger mystischer Symbole, vieler ansprechender Wörter und einer objektiven, zielgerichteten Sprache. Literarisch habe ich deswegen auch kaum etwas daran auszusetzen. Doch dann kommt das leider viel zu große Feld der Möglichkeiten und Spielräume …

Es ist mir einfach nicht gelungen, eine konkrete Aussage zu finden, die Geschichte verwischt immer wieder in ihren Konturen. Zunächst fehlte mir der dystopische Hintergrund, die Bedrohung war da, die Ursachen jedoch unbekannt. Doch sobald ich mich auf die familiäre Beziehung eingelassen hatte, die voller Abschreckung und Brutalität gekennzeichnet ist, schwenkt die Erzählung hin zur Gruppendynamik. Und auch dort nur ein kurzes Verweilen, mehr ein Augenblick in der Gesamtzeit, wieder hin zum Aufbruch in eine neue Welt.


Fazit


Obwohl ich das Buch wirklich ganz gern gelesen habe, konnte mich die inhaltliche Umsetzung der Thematik nicht überzeugen. Deshalb vergebe ich auch nur 3 Sterne, wobei ich 4 für die literarische Arbeit vergeben möchte und 2 für die Idee und ihre Aussagekraft. Möglicherweise kann man den Text als ein modernes Märchen auffassen, denn er hat Symbolkraft, vielleicht findet man Zugang, wenn man sich mit dem Glauben an Unwahrscheinlichkeiten anfreunden kann. So bleibt die Gesamtwirkung hinter meinen Erwartungen zurück. Mir würde der Roman besser gefallen, wenn sich die Autorin auf eine der beiden Möglichkeiten konzentriert hätte. Allein die Mutter-Tochter-Beziehung in ihrer Vielfalt wäre erzählenswert oder auch die Umstände, die diesen Endzeitcharakter festigen und sichtbar machen. Die Autorin werde ich mir aber vormerken, denn eins kann man von „Milchzähne“ voller Überzeugung behaupten: „Ein Roman jenseits der ausgetretenen Wege, irgendwie innovativ.“

Veröffentlicht am 01.04.2019

Lebensglück im Rückblick

Die Angehörigen
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„Hinsichtlich eines lebenden Menschen konnte man die Fantasie schweifen lassen, im Falle eines verstorbenen Menschen war jedoch alles abgeschlossen. Was sich zwischen dem Toten und einem selbst zugetragen ...

„Hinsichtlich eines lebenden Menschen konnte man die Fantasie schweifen lassen, im Falle eines verstorbenen Menschen war jedoch alles abgeschlossen. Was sich zwischen dem Toten und einem selbst zugetragen hatte, spielte in Gegenwart und Zukunft keine Rolle mehr.“


Inhalt


Gene und Ed sind seit ihren Jugendtagen dicke Freunde, sie haben sich nie aus den Augen verloren und sind gemeinsam mit ihren Frauen gealtert, haben viele Urlaube miteinander verbracht und behandeln die Kinder des jeweils anderen Paares wie ihre eigenen. Doch nun ist Genes Frau Maida plötzlich verstorben, die erste von ihnen, die nun nicht mehr zum eingeschworenen Team gehört. Und dadurch verändert sich unwillkürlich die bestehende Bande, denn Gene merkt, dass Maida ein ganz wesentlicher Bestandteil seines eigenen Ichs war und sich sein Leben ohne die geliebte Frau nun ändern wird. Doch nicht nur das, er beginnt auch seine Vergangenheit zu hinterfragen und bemerkt, dass er niemals zu dem Mann geworden wäre, der er jetzt ist, wenn die Weichen seines Lebens in jungen Jahren anders verlaufen wären. Doch das Alter nimmt keine Rücksicht aus Sentimentalitäten, Gene muss sich mit seiner Gegenwart arrangieren und mit den Erinnerungen aussöhnen …


Meinung


Auf den Debütroman der kalifornischen Autorin Katharine Dion war ich sehr gespannt, nicht nur weil ich mir eine tiefgreifende, melancholische Geschichte erhofft hatte, sondern in erster Linie einen Familienroman, der die Kraft der Zuwendung durch geliebte Menschen gerade in schweren Zeiten thematisiert. Auf die Angehörigen und ihren Einfluss, auf die Verarbeitung eines schweren Verlusts und möglicherweise auch auf schwarze Stellen in der Vergangenheit war ich eingestellt, doch leider konzentriert sich dieser zeitgenössische Roman auf ganz andere Sachverhalte, die er darüber hinaus auch nur willkürlich aufgreift und sie wie Momentaufnahmen skizziert.

Die große Unbekannte ist hier nicht die Ehe oder die Liebe zwischen Gene und Maida, nein es ist der Lebensverlauf eines gealterten Mannes, der plötzlich seine ganze Vergangenheit in Frage stellt und sich pessimistisch auf ein Leben in Einsamkeit einstellt – eine Entwicklung, der die anderen Menschen in diesem Buch fast gar nichts entgegensetzen können, die sich auch ohne sie vollzogen hätte und nicht minder schnell verlaufen wäre.

Auch die Charakterisierung der Protagonisten lässt zu wünschen übrig, erscheinen sie doch alle nicht nur blass, sondern regelrecht abgestumpft. Gene, der sich kurz nach der Trauerfeier in eine Affäre mit der Haushälterin rettet, Dary die ewig einsame, alleinerziehende Mutter und Ed, der dem Vergessen nichts entgegenzusetzen weiß.

Ein prinzipiell philosophisches Thema verliert sich hier zwischen dem Irgendwo und dem Nirgendwo – aber auf keiner Buchseite fühlte ich mich einem der Protagonisten wirklich nahe. Sowohl die Grundidee als auch die sprachliche Umsetzung haben mir gefallen, einige Textpassagen fand ich ausgesprochen gelungen, nur die Handlung folgt keiner klaren Ausrichtung. Zunächst eine Männerfreundschaft, die durch die Frauen bereichert wird, dann ein turbulentes Familienleben mit den Kleinkinder, letztlich zwei Familien, die sich nicht viel zu sagen haben, weder zwischen den Paaren noch in der Interaktion mit den Kindern, alle Kraft, alles Leben steht nun hintenan und verzweifelt begibt man sich auf die Suche nach dem Lebensglück im Rückblick.


Fazit


Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen Roman über das Glück, die Zeit der Erinnerung und die Aussöhnung mit der gelebten Version einer Wunschvorstellung. Irgendwie gehen hier die Ansätze ins Leere, sie zeigen immer nur kurz die Einblicke und stagnieren dann wieder. Dieses willkürliche Verschieben des Grundthemas hat mich ziemlich gestört - ich konnte einfach nicht finden, was ich gesucht habe. Deswegen bin ich gerade von diesem Buch auch ziemlich enttäuscht, denn normalerweise sind es genau die hier angerissenen existentiellen Fragen, die mich persönlich ansprechen, doch vermögen es der resümierende Gene und seine wenigen Vertrauten nicht, mir den Mehrwert der Geschichte zu verkaufen. Prädikat: Nicht so gut, wie erwartet.

Veröffentlicht am 16.03.2019

Bauernsohn sucht Frau

Unter den Menschen
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„Ich habe nachgedacht“, sagt sie. “Vielleicht ist es am besten, wenn wir einfach nicht zu viel miteinander reden, denn bis jetzt hat es dann immer nur Ärger gegeben.“


Inhalt


Jan lebt nach dem frühen ...

„Ich habe nachgedacht“, sagt sie. “Vielleicht ist es am besten, wenn wir einfach nicht zu viel miteinander reden, denn bis jetzt hat es dann immer nur Ärger gegeben.“


Inhalt


Jan lebt nach dem frühen Tod seiner Eltern ganz allein auf dem Bauernhof direkt am Deich. Er bestellt das Land, versorgt die Tiere und bringt die Ernte ein, doch als der Winter kommt und die Arbeit ruht, beschließt er, nicht länger einsam auf seinem Hof an der Nordsee zu bleiben, sondern sich nach einer Frau umzuschauen. Die erste und einzige Frau, die er im Rahmen seiner Anzeige kennenlernt, ist Will. Eine temperamentvolle, entschlossene Frau, die sich auf die praktischen Dinge des Lebens konzentriert. Nur leider sucht Wil nicht die große Liebe, sondern in erster Linie ein Haus mit Meerblick, in dem sie so sein kann wie sie möchte. Ihre klar definierten Wünsche gleich nach dem ersten Kennenlernen faszinieren Jan ebenso, wie sie ihn abstoßen. Andererseits fragt er sich, was dagegen spricht, ob er nun mutterseelenallein am Küchentisch sitzt oder in Gegenwart einer Frau, die ihn zwar nicht liebt aber immerhin akzeptiert. Ihr Partnerschaftsabkommen ist ebenso ungewöhnlich, wie individuell, erfüllt aber genau den richtigen Zweck. Erst als Will erfährt, dass sie schwanger ist, wird die Sache kompliziert, doch mit Geduld und ausreichend Abstand, lässt sich so manches Ärgernis bewältigen …


Meinung


Der vorliegende Roman des niederländischen Schriftstellers und Radioproduzenten Mathijs Deen erschien bereits 1997, wurde aber 2016 in einer überarbeiteten Fassung wiederentdeckt. Der Ausgangspunkt seiner Geschichte sind zwei Menschen, die sehr unterschiedlich sind und eigentlich nicht sonderlich gut zueinander passen, am besten, wenn sie sich aus dem Weg gehen und möglichst wenig miteinander sprechen. Dennoch wagen sie es, gemeinsam eine Art Zweckgemeinschaft zu errichten, die auf Arbeitsteilung und Freiraum ausgerichtet ist und in der die Körperlichkeit auf die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse ausgerichtet zielt.

Trotzdem spürt der Leser auf feine und subtile Art, wie sehr sich die beiden Protagonisten nach einem Gegenüber sehnen, um ihre innere Einsamkeit zu überwinden. Und während Wil ihre Gedanken in Tagebuchaufzeichnungen festhält, die innere Zwiespältigkeit ausdrücken, äußert Jan seine durcheinandergeratenen Gefühle in Wutausbrüchen, bei denen er die Einrichtung zerstört. Aber auf jeden Streit folgt eine Versöhnung und eine geraume Zeit der gemeinsamen Leichtigkeit und partnerschaftlichen Freude.

Die Bausteine dieser Erzählung sind Sehnsüchte, Träume und Wunschvorstellungen, wie man das Leben angenehmer gestalten kann, ohne sich allein zu fühlen aber unter der Option sich mehr als genügend Freiraum zu erkämpfen. Eine Partnerschaft, die sich langsam wandelt und in der die Menschen erst nach und nach zueinander finden, weil es schlicht und einfach nicht ihrem Temperament entspricht, ihre Selbstständigkeit zu Gunsten eines anderen anzupassen und sich auf Kompromisse zu einigen.


Fazit


Ich vergebe 3 Lesesterne für diesen netten, sehr unterhaltsamen Roman über ein ungewöhnliches Paar und ihre erste gemeinsame Zeit. Sowohl die Landschaftsbeschreibungen als auch der atmosphärische Erzählstil haben mir ausgesprochen gut gefallen, selbst wenn die Verhaltensweisen und Entscheidungen der Protagonisten mich auf eine harte Probe gestellt haben.

Mir haben die verschrobenen Charakterzüge und die Aktionen von Will und Jan nach und nach immer weniger gefallen. Zu Beginn empfand ich es noch amüsant, während ich mich im Verlauf des Textes immer mehr vom Geschehen distanziert habe. Nicht nur, weil ich eine derartige Beziehung so schlecht nachvollziehen kann, nein auch weil mir das generelle Verständnis für beide gefehlt hat.

Leider konnte der Autor nicht den Knackpunkt treffen, den ich mir gewünscht habe, immer wieder zielt seine Erzählung auf die Handlungen ab und nur selten zeigt sich die tiefe Auseinandersetzung mit den inneren Ansichten. Deshalb ziehe ich nur ein mittelmäßiges Resumé: Unterhaltungsliteratur - ja, interessanter Plot – ja, Tiefgang und Emotionalität – nein. Mir bleibt es zu oberflächlich und damit irgendwie bedeutungslos, ein Buch, welches nicht allzu lange in Erinnerung bleiben wird.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Die Stolpersteine einer ambivalenten Mutterrolle

Frau im Dunkeln
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„Ich war sehr unglücklich. Ein Eindruck von Auflösung, als wäre ich ein ordentlicher Haufen Staub, der vom Wind kräftig aufgewirbelt worden war und nun formlos in der Luft hing.“


Inhalt


Leda möchte ...

„Ich war sehr unglücklich. Ein Eindruck von Auflösung, als wäre ich ein ordentlicher Haufen Staub, der vom Wind kräftig aufgewirbelt worden war und nun formlos in der Luft hing.“


Inhalt


Leda möchte in ihrem Sommerurlaub entspannen, ihre Freiheit genießen und die wärmende italienische Sonne, zwar reist sie allein, doch gerade diese Unabhängigkeit ist es, die ihr gefällt. Einzig eine neapolitanische Großfamilie, die viel Platz und Raum am Strand beansprucht, wird ihr von Tag zu Tag lästiger. Zur Familie gehört auch die junge Nina mit ihrer kleinen Tochter Elena, die Leda bereits viele Stunden beobachtet hat und deren Einheit die Endvierzigerin angenehm an ihre eigenen Erfahrungen aus den Kindertagen der beiden mittlerweile erwachsenen Töchter erinnert. Aber natürlich sind es nicht nur die guten Gefühle, die dabei präsent sind, sondern auch die Unzulänglichkeiten einer jungen Frau, die ihrem Kind stellenweise nichts entgegenzusetzen hat und sich dem Geschrei und Gequengel des Kindes niedergeschlagen beugt. Leda selbst schwankt zwischen Neid, Bewunderung und Zweifeln und knüpft lockeren Kontakt zu Nina und ihrer Tochter, nur um dann zu erkennen, dass auch hinter der offensichtlich glücklichen Fassade dunkle Abgründe und geheimnisvolle Gefühlsregungen verborgen sind …


Meinung


Dieser frühe Roman der Autorin, deren Neapolitanische Saga ich mit viel Freude gelesen habe, kann nicht so ganz an dieses Werk heranreichen. Einerseits kommt mir die Thematik der Mutterrolle seltsam bekannt vor und bietet daher nur wenig Raum für Neues, zum anderen konfrontiert die Autorin uns hier mit einer unsympathischen, eigenwilligen Person, die dermaßen unzufrieden und verbittert wirkt, dass es mir schwerfiel, mich mit ihren Handlungen auch nur objektiv vertraut zu machen.


Das Augenmerk liegt vor allem auf den Bürden und Lasten, die ein Leben mit Kindern mit sich bringt, sei es die Entbehrung der eigenen Freizeitgestaltung, die Liebe zu einem Mann, der sich nun immer weiter distanziert, oder auch die kleinen und größeren Machtkämpfe die eine Mutter mit ihren Kindern führt, während sie sich bemüht ihnen das bestmögliche zu bieten und sie zu selbstsicheren, anständigen Menschen zu erziehen. Nur bleibt Leda tatsächlich in diesen übereifrigen Bemühungen stecken. Denn obwohl sie zwei gesunde, gebildete Töchter großgezogen hat, sieht sie in deren Dasein immer noch eine Bedrohung und einen ganz wesentlichen Faktor, warum ihr eigenes Leben eine so elementare Wende genommen hat.


Beim Lesen habe ich mich sehr oft gefragt, warum Leda überhaupt Mutter geworden ist, wenn sie doch so wenig Liebe für ihre Kinder empfindet, dass sie sogar fremde Urlauber unter dem Fokus einer ähnlichen Beziehung beobachtet und deren Verhaltensweisen regelrecht seziert. Im Grunde genommen wirkt die Protagonistin egozentrisch, verbittert und anmaßend auf sehr dominante Art und Weise. Was mich aber vielmehr irritiert ist die scheinbare Allgemeingültigkeit, mit dem die Autorin nicht nur diese spezielle Familie ins Visier nimmt, sondern jedwede Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Und spätestens an dieser Stelle muss ich mich deutlich von den Aussagen des Buches distanzieren, weil sie mir so fremd und unvorstellbar erscheinen. Könnte man doch nach der Lektüre vermuten, das eigene Kinder die Mutter in die Opferrolle drängen und sich selbstbewusst alles nehmen, ohne jemals zu hinterfragen, wie sich die Frau, die sie „Mutter“ nennen fühlen könnte.


Positiv bewerten möchte ich hier den ganz entspannten, bildhaften Erzählstil, der gerade die Umgebung und das Strandleben aufs Beste einfängt, und die Stimmung vor Ort auch in die Geschichte selbst hineinbringt. Bedeutsame Formulierungen, viele aussagekräftige Momentaufnahmen und eine mit Leichtigkeit erzählte Handlung, die sehr gut vorstellbar und greifbar wird.


Fazit


Ich vergebe leicht zwiegespaltene 3 Lesesterne, denn eigentlich war das Leseerlebnis selbst wesentlich positiver, während mir der Inhalt und die Charaktere um einiges unsympathischer waren. Sicherlich kommt es auch auf die Erwartungshaltung an, die bei mir im oberen Bereich angesiedelt war und die durch die abermalige Wiederholung der Thematik Frau und Mutter in der Gesellschaft (die später wesentlich umfassender in der Neapolitanischen Saga verankert ist) schnell abgenutzt wird. Hervorragend getroffen hat die Autorin allerdings eine ganz bestimmte Sorte Mensch: nämlich diejenigen, die die Schuld immer bei anderen suchen und sich die eigenen Verfehlungen nicht eingestehen wollen, geschweige denn eine Charakterwandlung vollziehen und dieses Phänomen gibt es längst nicht nur bei Müttern …