Profilbild von kati-katharinenhof

kati-katharinenhof

Lesejury Star
offline

kati-katharinenhof ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kati-katharinenhof über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.03.2021

Journalisten: Die Sekundenzeiger der Weltgeschichte (Joachim Kaiser)

Lebenssekunden
0

Angelikas Herz schlägt für die Fotografie und sie möchte so gerne unvergessliche Momente für immer festhalten. Als sie bei der Detonation eines Blindgängers ihre beste Freundin verliert, ist natürlich ...

Angelikas Herz schlägt für die Fotografie und sie möchte so gerne unvergessliche Momente für immer festhalten. Als sie bei der Detonation eines Blindgängers ihre beste Freundin verliert, ist natürlich ein Bericht über das Unglück in der Zeitung zu finden. Das abgebildete Foto ruft in Angelika Wut und Groll hervor und sie schwört sich, dass es in Zukunft nur noch Fotos geben wird, die zwar Gefühle beim Betrachten hervorrufen, jedoch ohne jemanden bloß zu stellen oder zu verletzen. Zeitgleich wird in Ostberlin Christine in der "Talentschmiede" der DDR darauf getriezt, Leistung zu bringen und ihr Land bei den Olympischen Spielen zu vertreten. Die gnadenlose Maschinerie der SED-treuen Trainer macht auch nicht davor Halt, die jungen Menschen körperlich zu malträtieren und sie so über die Grenze ihrer Belastbarkeit zu treiben. Christine beginnt zu hinterfragen und eckt an.....

Mit "Lebenssekunden" hat Katharina Fuchs wieder einen grandiosen Roman geschrieben, der den Leser in die späten 1950er Jahre mitnimmt und sowohl das noch zerbombte Kassel als auch die um Wiederaufbau bestrebte DDR zeigt.

Man streift mit Angelika durch die Karlsaue, genießt die beeindruckenden Wasserspiele am Herkules und wird Zeuge einer Katastrophe, die nicht nur die Kasseläner, sondern auch den Leser bis ins Mark erschüttern. Das reißerische Foto in der Tageszeitung legt bei Angelika den Schalter um und ebnet ihr den Weg zu einer außergewöhnlichen Karriere als Fotojournalistin. Bis zum ersten Erfolg muss sie einige Hürden überspringen und doch lässt sie sich nie die Butter vom Brot nehmen, steht für ihre Überzeugungen ein und weiß sich in einer von Männern dominieren Berufssparte durchzusetzen.

Mit Christine erlebt man den harten Drill der DDR- Trainerschmiede und ich frage mich manchmal wirklich, ob diese Menschen kein Herz im Leib haben. Ihre Methoden sind grauenvoll, ja schon menschenverachtend und ich habe mehr als einmal die Zähne zusammengebissen, wenn Christine so viel körperlicher Schmerz zugefügt worden ist. Die Einblicke in die Trainings- & Wettkampfwelt einer Kunstturnerin zeigen ein ungeschöntes Bild von Leistungs- & Erwartungsdruck, Training bis zur Selbstaufgabe und Überstrapazieren der eigenen Leistungs- & Leidensfähigkeit.

Die Autorin erzählt abwechselnd aus dem Leben von Christine und Angelika und bietet so dem Leser ein breites Spektrum an Erlebnissen, deren Gemeinsamkeiten und Bedeutung für die Zukunft noch nicht zu erahnen sind, aber je mehr Kapitel gelesen sein, desto mehr werden die Zusammenhänge sichtbar und man inhaliert quasi die Seiten, weil der Schreibstil aufregend, fesselnd und unglaublich mitreißend ist.

Die politische Lage in Ost und West ist von Katharina Fuchs sehr gut recherchiert und für den Leser in dreidimensionalen Bildern aufbereitet. Die Lebensstationen und die damit verbundenen wichtigen Augenblicke werden von ihr wie mit einer Kamera für die Ewigkeit festgehalten, rufen Sympathie und Anteilnahme an den Schicksalen hervor und lassen den Leser zu einem Teil der Ereignisse werden.

Linientreue, Sehnsucht nach dem Liebsten, die Jagd nach dem besten Foto und letztendlich die prekäre Situation zwischen Ost und West sind nur wenige Schlagworte, die für den Leser hier aufwendig und mit Hingabe zu einer schicksalhaften Geschichte verarbeitet werden. Man hat das Gefühl, dass die Schreibende den Vorhang der Zeitgeschichte hebt und so den Leser in die Szenen schlüpfen lässt, um ein Teil der aufregenden Momente ihres Romans zu werden. Immer verbunden mit der Suche nach dem perfekten Foto, um die Sekunden der Weltgeschichte mit all ihren Emotionen und Ereignissen für immer festzuhalten und in das Herz des Leser einzubrennen.

Für mich ist "Lebenssekunden" noch einen Hauch besser als die Vorgänger und beschert mit ganz großes Kino.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.03.2021

La Serenissima wird sterben...

Als ich einmal in den Canal Grande fiel
0

Venedig ist ein Sehnsuchtsort, der für Romantik, zärtliche Gefühle und Krimi-Handlungen zwischen den Kanälen steht. Von geldgeilen Profiteuren meistbietend verschachert, schreitet die Zerstörung unweigerlich ...

Venedig ist ein Sehnsuchtsort, der für Romantik, zärtliche Gefühle und Krimi-Handlungen zwischen den Kanälen steht. Von geldgeilen Profiteuren meistbietend verschachert, schreitet die Zerstörung unweigerlich voran und die Ausschlachtung der geheimnisvollen Stadt am Meer gleicht einer unaufhörlichen Jagd nach dem besten Schnäppchen.

Petra Reski lebt seit 30 Jahre in Venedig und zeigt dem Leser, wie die Venezianer aus ihrer Stadt gescheucht werden, fast so, als würde man Adam und Eva aus dem Paradies vertreiben. Wo gestern noch der Käsehändler persönlich den Hartkäse abgewogen und eingepackt hat, steht heute ein Ramschladen für Touristennepp. Der Gemüsehändler muss einer Billgsupermarktkette weichen, die Palazzi werden in Airbnb's umgewandelt und so gehen die Alltagsgepflogenheiten der Venezianer immer mehr verloren, weil man sie nicht mehr im touristisch wirksamen Dauerwerbespot "gebrauchen" kann. Wo früher Handwerkskunst und altehrwürdige Palazzi zu finden waren, wird heute großzügig über bestehende Baubestimmungen hinweggesehen, wenn nur der Euro rollt und sich Investoren finden, die im Handumdrehen eine neue Nobelboutique oder einen neuen Wellnesshotel entstehen lassen.

Der Charme Venedigs geht immer mehr verloren, die Verstümmelung der Sehenswürdigkeiten und Denkmäler gleicht einem Herausreißen des Herzens bei vollem Bewusstsein und Venedigs Herzschlag nähert sich der Null-Linie.

Die Zerstörungen an Umwelt, Lagune und Bauten sind gewaltig, hinterlassen irreparable Schäden und doch ist die grenzenlose Begeisterung für die einzigartige Stadt ungebrochen. Touristen werden zu Hunderten regelrecht durchgeschleust, abgefertigt und mit den üblichen Infos versorgt, aber die eigentliche Faszination Venedigs bleibt ihnen so verborgen.

Die Autorin nimmt den Leser auf ihre Streifzüge durch die Lagunen und erlaubt ihm so einen ganz besonderen Blick auf das Leben in dieser unglaublich schönen, aber doch arg ausgebeuteten Stadt. Ein kritischer, aber nicht minder liebevoller Blick auf Venedig, das auf der einen Seite ausblutet und ausgeschlachtet wird, um möglichst viel Profit mit der Sehnsucht der Touristen zu machen. Auf der anderen Seite ist die Faszination von jahrhunderter alter Stadtgeschichte, liebenswerten Bewohnern und ihren Eigenarten auch der Blick in die Seele von Petra Reski, die ihr Herz nicht nur an eine Venezianer, sondern auch an ihre neue Heimat verloren hat.

Mit dem Einzug des Lockdown während der Corona-Pandemie 2020 erstrahlt Venedig in einem ungewohnten Glanz - die Sonne taucht die ganze Stadt in mildes Licht, die Stille umfängt die Bewohner wie ein kuscheliges Plaid und spätestens jetzt wird jedem klar, warum er sein Herz an die faszinierendste Stadt der Welt verloren hat.

Ein Buch, das man gelesen haben m u s s, weil es voller Melancholie und Ehrlichkeit, aber auch voller Gefühl und Liebe für eine Stadt und ihre Bewohner steckt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2021

Authentisch, ehrlich, nachdenklich

Ins Mark getroffen
0

Professor Dr. Thomas Bein steht normalerweise am andere Ende des Krankenbettes, kümmert sich um seine Patienten und weiß die Annehmlichkeiten der modernen Intensiv-Medizin nach bestem Wissen und Gewissen ...

Professor Dr. Thomas Bein steht normalerweise am andere Ende des Krankenbettes, kümmert sich um seine Patienten und weiß die Annehmlichkeiten der modernen Intensiv-Medizin nach bestem Wissen und Gewissen sinnvoll einzusetzen. Bis zu dem Tag, an dem aus einer Routineuntersuchung plötzlich die Schockdiagnose wird: Knochenmark-Krebs.

In seinem Buch "Ins Mark getroffenen" schildert er seinen notwendig gewordenen Rollentausch vom Arzt zum Patienten und berichtet, was passiert, wenn man als Spitzen-Mediziner sich plötzlich als Erkrankter im Getriebe der Hightech-Medizin wiederfindet.

Vom ungläubigen entgegennehmen der Diagnose, über das Phänomen der Verdrängung (lt. eigenen Aussagen seien Ärzte wahre Meister darin), bis hin zum Akzeptieren der Erkrankung und dem damit verbundenen leben lernen gibt Thomas Bein hier einen sehr authentischen und ehrlichen Einblick in seine Krankheitsgeschichte.

Damit es nicht allzu wissenschaftlich und fachlich fundiert zugeht, arbeitet er mit vielen anschaulichen Bildern die er für den Leser projiziert, um sich in der Welt der Intensiv-Medizin und Krebserkrankungen zurecht zu finden.

Dabei geht es ihm hauptsächlich um die Autonomie und Würde des schwerkranken Menschen, die im Vordergrund stehen sollten. Doch die moderne Medizin ist leider zu einem Kosten-Nutzen-Faktor verkommen und so stellt sich nicht nur der Mensch Thomas Bein, sondern auch der Arzt Thomas Bein die Frage, was sich schnellstens verändern muss, damit der Erkrankte auch unter ethischen Gesichtspunkten bestens behandelt wird. Er soll und muss Mensch bleiben können, auch wenn das bedeuten sollte, dass er am Ende verstirbt. Doch ist es wirklich immer ein Vorteil, ein Leben um jeden Preis zu erhalten ? Allein diese Frage beschäftigt mich sehr, sehr lange....

Eine ergreifende und beeindruckende Krankheitsgeschichte, die nachdenklich stimmt und mit sehr vielen persönlichen Empfindungen des Schreibenden dafür sorgt, dass seine Worte einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2021

Frösche geküsst - Schatz gefunden :-)

Sie dürfen den Frosch jetzt küssen
0

Mit "Sie dürfen den Frosch jetzt küssen" hat Mimi Fiedler wieder einmal bewiesen, dass sie ihre LeserInnen verzaubern und für extrem gute Unterhaltung sorgen kann.

Man begleitet sie auf ihrer mehr als ...

Mit "Sie dürfen den Frosch jetzt küssen" hat Mimi Fiedler wieder einmal bewiesen, dass sie ihre LeserInnen verzaubern und für extrem gute Unterhaltung sorgen kann.

Man begleitet sie auf ihrer mehr als chaotischen Reise durch das Liebesleben und erfährt dabei, wie aus den anfänglichen Traumprinzen echte Knalltüten werden und kommt nicht umhin, sich die Lachtränen aus den Augen zu wischen, denn ihre Fehlgriffe in Sachen Herzensmensch fürs Leben sind mit so viel Wortwitz und Unverblümtheit geschildert, dass kein Auge trocken bleibt.

Allein die Suche nach dem Brautkleid für ihre erste Hochzeit ist unglaublich schräg und die Kommentare ihrer Mutter brüllend komisch. Dass es aber immer noch eine Spur verrückter geht, dafür liefert ihr Vater den besten Beweis. Ich hab mich vor Lache nicht mehr eingekriegt, als er, Mimi am Arm, den Weg zum Altar mit seien Kommentaren anstatt mit Rosenblütenblättern besprenkelt.

Die kleinen und größeren Katastrophen in Sachen Liebe geben sich die Klinke in die Hand und zeigen Mimi, dass sie auf der Suche nach Mr. Right noch immer nicht das Non-plus-ultra gefunden hat. Sie schildert äußert amüsant ihre Fehlgriffe im Froschteich (Notarzt- & Feuerwehreinsatz bei der Verlobung mit Luigi) und gibt nebenbei noch Tipps, wie es mit dem Finden von d e m Einen doch noch klappen kann.

Man merkt dem Buch an, dass die Schreibende Entertainment und Temperament im Blut hat und so verfliegen die Seiten in Null-Komma-nix. Hier stimmt die Mischung, denn zwischen all der Szenekomik gibt es auch Momente, die zum Innehalten verleiten und nachdenklich stimmen. Ein Buch voller Charme und Liebe, das eine wundervolle Botschaft in sich trägt- es ist nie zu spät für den eigenen Schatz. Du musst nur an ihn glauben

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.03.2021

Mitten im Leben und trotzdem ein Fels in der Brandung

»Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe...«
0

Der Mangel an Landärzten (m/w/d) ist mir nur allzu gut bekannt, denn auch ich lebe auf dem Land, bin beruflich im Gesundheitswesen unterwegs und kenne die andere Seite des Landarztlebens daher ziemlich ...

Der Mangel an Landärzten (m/w/d) ist mir nur allzu gut bekannt, denn auch ich lebe auf dem Land, bin beruflich im Gesundheitswesen unterwegs und kenne die andere Seite des Landarztlebens daher ziemlich gut.

Und dann kommt Dr. Ulrike Koock mit einem Lächeln um die Ecke, schenkt dem Leser einen erfrischenden und zugleich ernsten Blick in ihr Leben als Landärztin und macht möglich, was eigentlich unmöglich ist - nämlich den Ablauf einer Praxiswoche kennenzulernen, der es in sich hat.

Sie räumt mit Vorurteilen auf, legt den Finger in die sprichwörtliche Wunde und zeigt dem Leser, wo das Gesundheitssystem selbst kränkelt. Doch bei all dem schwingt eines mit- ihre unglaubliche Sympathie für ihre Patienten, ihre große Leidenschaft für den Beruf und eine große Portion an Einfühlungsvermögen, um mit offenem Ohr und einem großen Herzen für ihre Kranken da zu sein.

Da gibt es Anekdoten, die einem die Lachtränen in die Augen treiben (ich sage nur reifer Pfirsich, ), die für unglaubliches Staunen sorgen (Verträglichkeit der Medikamente wird ausgependelt) oder einfach nur Fassungslosigkeit hervorrufen, wenn der Egoismus des Menschen über Einsatz- & Hilfsbereitschaft der Ärztin noch negativ urteilen will (Ja, ihr reanimiert. Aber kann ich meine Spritze haben ?).

Die geschilderten Szenen sind wirklich mitten aus dem Leben gegriffen, kommen mir auf die eine oder andere Weise so unglaublich bekannt vor und wenn dann auch noch der heißgeliebte hessische Dialekt (Mir kloppt's im Kopp) mit in die Erzählungen einfließt, geht mir das Herz auf.

Das Fachwissen wird alltagstauglich für den Leser aufbereitet und bietet so den einen oder anderen Aha-Effekt und ich mag diese außergewöhnliche Sprechstunde mit der äußert sympathischen Landärztin. Man merkt, dass sie mit Herz und Seele ihren Beruf ausübt, gerne für ihre Patienten da ist und sich auf dem Land pudelwohl fühlt. Sie mag ihr Leben zwischen kleinen und großen Wundern, schrulligen Eigenarten und der Gewissheit, immer und überall als die Frau Doktor erkannt und angesprochen zu werden. Sie ist mittendrin im Leben und für viele ein Fels in der Brandung. Für mich ist sie eine Frau mit Herz, unschlagbar in dem, was sie tut und ein Vorbild, wenn es mal wieder nicht so richtig läuft, wie es laufen soll.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere