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Veröffentlicht am 01.04.2024

Kunstbild der Nazis und der Umgang mit Raubkunst gut aufgearbeitet

Die Reise der Bilder
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In Linz sollte es entstehen - das "Führermuseum" und es sollte viele Kunstwerke zeigen, die dem Kunstbild der Nazis entsprachen. Um dieses wahnwitzige Zeil zu erreichen, wurden Bilder beschlagnahmt, geraubt, ...

In Linz sollte es entstehen - das "Führermuseum" und es sollte viele Kunstwerke zeigen, die dem Kunstbild der Nazis entsprachen. Um dieses wahnwitzige Zeil zu erreichen, wurden Bilder beschlagnahmt, geraubt, zwangs­ver­kauft und ver­scho­ben, in Salzstollen oder Schlössern eingelagert und aufbewahrt.

Hitler empfand dieses Vorgehen als Notwendigkeit, um seiner treuen Gefolgschaft aufzuzeigen, dass der "entarteten Kunst", als Werke der Moderne, so viel mehr "gute" Kunst, eben echte Meisterwerke von Munch, Goya, Tizian u.v.m das Auge der Betrachtenden verwöhnen und es sie zu huldigen gilt.

Das vorliegende Begleitbuch zur Ausstellung zeigt viele wundervolle Aufnahmen der Bilder, die eine ganz eigene Geschichte erzählen und eine wahre Irrfahrt hinter sich haben. Die kurzen Abhandlungen geben auch einen kleine Einblick in das mehr aus zeitaufwendige Klären der Provenienzen, die teilweise bis zum heutigen Tag unklar sind.

Die Ausstellung setzt sich sensibel mit der Thematik auseinander und ist gleichzeitig ein kleiner Hoffnungsschimmer, das Kunst, ganz gleich ob in Form von Bildern, Skulpturen oder Installationen, auch in unruhigen Zeiten und widrigen Umständen überlebt.

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Veröffentlicht am 30.03.2024

Gerücht ist der Klage Anfang (Sprichwort)

Hundswut
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Es ist eine ländliche Idylle, die anno 1932 im kleinen bayerischen Dorf zu finden ist, alle halten zusammen und sind eine eingeschworene Gemeinschaft, Diese Ruhe und Beschaulichkeit wird regelrecht zerfetzt, ...

Es ist eine ländliche Idylle, die anno 1932 im kleinen bayerischen Dorf zu finden ist, alle halten zusammen und sind eine eingeschworene Gemeinschaft, Diese Ruhe und Beschaulichkeit wird regelrecht zerfetzt, als mysteriöse Morde geschehen. Schnell steht fest, dass ein Wolf sein -Unwesen treibt...aber ist es wirklich ein Tier, das seine Opfer so grausam zurichtet ? Der Gemeinderat muss handeln und das schnell, denn ein Gerücht jagt das nächste....


Es gibt wenige Bücher, die so grausam sind und bis ins Mark erschüttern, doch Daniel Alvarenga spielt sein psychologisches Spiel fast bis zur Perfektion und zeigt seinen Leser:innen, was passiert, wenn sich ein ganzes Dorf wie eine Wand gegen einen einzelnen Menschen stellt. Dabei kehrt der Autor die Machtpositionen einiger erlauchten Dörfler sehr schön aus und zeigt, wie sich dieses Ansehen schnell in manipulative Gesten verwandelt.

Zwischen Furcht und Neugierde, Aberglaube und rationellem Denken mischen sich die Leser;innen unter die Bewohner:innen des Dorfes und werden so ein Teil der Geheimnisträger:innen, die immer tiefer in den Strudel aus menschlichen Abgründen, Verzweiflungstaten und Verunsicherung mit hineingezogen werden.

Die Figuren sind vielschichtig angelegt, vermitteln sowohl ihre Bigotterie als auch ihre manchmal eher einfältige Denkweise sehr glaubhaft und bieten immer wieder einen Nährboden für Ängste und Abgründe. Das gesprochene Wort, einmal in die Welt gesandt und als Gerücht verbreitet, kann nicht zurückgenommen werden und richtet im Verlauf der Handlung mehr Schaden als, als gut für das kleine Dorf ist. Hinter jeder Ecke, jedem Gässchen und jedem Winkel lauern Misstrauen und Verrat und bald können weder Provinzler:innen noch Leser:innen sich sicher sein, wem man noch sein Vertrauen schenkt.

Es geht hart zu im Buch und einige Szenen sind so grausam, dass sich mir ab und zu der Magen dreht...harter Tobak und nichts für zarte Gemüter. Das Grauen bekommt durch die Dorfbewohner;innen eine menschliche, wenn auch sehr verzerrte Fratze und zeigt, wie stark eine Gruppendynamik das eigene Tun und Handeln beeinflusst, wenn der Weg zurück zur Wahrheit unmöglich scheint.

Ein paar Ungereimtheiten bleiben dennoch offen im Raum stehen, die leider keine Auflösung finden und auch die Rolle der Kirche, gerade zum Ende des Buches, erscheint klischeehaft und recht überspitzt dargestellt. Solide 4 Sternchen für einen Krimi, der einem die Haare zu Berge stehen lässt.

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Veröffentlicht am 29.03.2024

...Und erhalte dir die Farben Seines Himmels, weiß und blau (Bayernhymne)

Beautiful Places Bayern
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Auch wenn Buddy mit seiner musikalischen Aufforderung "Ab in den Süden" wohl eher den Urlaub in mediterranen Gefilden meint, so braucht sich unser heimischer Süden - nämlich Bayern - vor nichts zu verstecken. ...

Auch wenn Buddy mit seiner musikalischen Aufforderung "Ab in den Süden" wohl eher den Urlaub in mediterranen Gefilden meint, so braucht sich unser heimischer Süden - nämlich Bayern - vor nichts zu verstecken. Britta Mentzel hat die Reiseziel von der Rhön bis an die Zugspitze einmal etwas genauer unter die Lupe genommen und dabei wirklich schöne Fleckerl entdeckt, die sehens- & reisenswert sind.

Mal von den üblichen Postkartenansichten abgesehen, finden sich in diesem Buch wirklich tolle An- & Einsichten, die auch mit Wissenswertem und um die Städte, Dörfer und Bauwerke ergänzt werden. Aber es ist kein schönes Präsentieren von Bildern und Geschichten rund um malerische Dörfer und prunkvolle Schlösser, sondern schon eine Art Liebeserklärung an die Landschaften und die Menschen, die aus Bayerns Idylle eine Region mit Herz machen.
Die "Scheibum" ist Balsam für die Seele und spült mit dem Wasser die Hektik des Alltags einfach davon. Der Rosengarten der Neuen Residenz in Bamberg lädt mit seinem Duft aus abertausend Blüten die Besucher;innen zum Träumen ein und bei einem Spaziergang durch Dinkelsbühl wird die Stadt zum begehbaren Geschichtsbuch.

Kultur, Brauchtum, Religion und Traditionen sind fest verankert, bilden eine Brücken zwischen dem dem Alten und dem Modernen. Sanfter Tourismus in Verbindung mit weltbekannten Sehenswürdigkeiten gelingt hier schon an vielen Orten und Stellen und macht Lust , die im Buch vorgestellten 50 Reiseziele wieder einmal zu besuchen.

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Veröffentlicht am 27.03.2024

Überleben und Lieben, wenn die Menschlichkeit fehlt

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Für Juni war der Großvater immer eine starke Schulter zum Anlehnen, ein Mann voller Liebe und Herzlichkeit. Doch seine eigentliche Lebensgeschichte ist geprägt vom Gegenteil, denn Konrad hat Schlimmes ...

Für Juni war der Großvater immer eine starke Schulter zum Anlehnen, ein Mann voller Liebe und Herzlichkeit. Doch seine eigentliche Lebensgeschichte ist geprägt vom Gegenteil, denn Konrad hat Schlimmes im Krieg erlebt. Aber wie hat er es geschafft, aus den Narben und seelischen Wunden so viel Kraft und Liebe zu ziehen, um Juni der Großvater zu sein, als den sie ihn kennt....


Mit "Und Großvater atmete mit den Wellen" erzählt Trude Teige die Geschichte von Konrad weiter und verlangt ihren Leser;inne unglaublich viel ab. Sie füllt die Seiten mit einer Brutalität, die das Leben der Internierten in den japanischen Straflagern mit einer solchen Wucht regelrecht in die Knie zwingen, dass die Schmerzen - körperlicher und seelischer Art - mit dem Umblättern fühlbar werden.

Die Ausweglosigkeit der Gefangenen überträgt sich auf die Lesenden und hält sie regelrecht in einer eisernen Faust gefangen. Und doch sind da immer wieder kleine Hoffnungsschimmer, die den Mut und den Willen zu Überleben immer wieder aufblitzen lassen. Die Figur des Konrad ist dabei der tragende Charakter, der schier Unmenschliches erleidet, aber trotz allem ist sein Wille nicht gebrochen. Was mir aber ins Auge springt sind die vielen Zufälle, die wichtige Bezugspersonen von Konrad immer wieder in seinen Lebenslauf spülen. Manches wirkt dadurch etwas zu konstruiert und unglaubwürdig, aber das nimmt den Gräueltaten nicht Schrecken, den Schmerz und das Unfassbare.

Teige besitzt die Gabe, mit einer beeindruckenden Sprachgewalt und einer Prise Melancholie die fiktive Handlung mit den realen Ereignissen zu verbinden, um daraus einen neue, schmerzhafte Wahrheit zu kreieren, die auch beim Lesen des Romans nicht spurlos an der Leserschaft vorbeizieht. Vor allen Dingen gibt die Autorin all denjenigen eine Stimme, die in den japanischen Lagern fernab der Heimat geknechtet, misshandelt, gedemütigt und erniedrigt worden sind.

Nicht ganz so gut gelungen wie der erste Teil, aber dennoch eine wichtiger Beitrag gegen das Vergessen. Der Roman wird noch lange nach dem Lesen im Gedächtnis bleiben, gerade weil Konrad eine Figur ist, die aus den Gräuel der Vergangenheit eine persönliche Stärke zieht, um die Zukunft für diejenigen mit Wärme und Liebe zu füllen, die ihm an Herzen liegen.

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Aller Tage ist kein Sonntag (Verfasser unbekannt, Volkslied aus Ostpreußen)

Beelitz Heilstätten
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Antonia Marquardt wird mit Verdacht auf Tuberkulose in den Beelitz-Heilstätten aufgenommen. Dort tut man alles dafür, um auf der Station für weibliche Patienten für eine schnelle Genesung zu sorgen. Doch ...

Antonia Marquardt wird mit Verdacht auf Tuberkulose in den Beelitz-Heilstätten aufgenommen. Dort tut man alles dafür, um auf der Station für weibliche Patienten für eine schnelle Genesung zu sorgen. Doch Antonia findet dieses ewige Nichtstun, die ständigen Liegekuren und den fest vorgeschrieben Tagesablauf einfach ermüdend. Das ändert sich immer schlagartig, wenn sie dem jungen Assistenzarzt Henrik gegenübersteht. Denn dieser lässt Antonias Herz höher schlagen. Aber die Zeiten ändern sich, die Nazis gewinnen immer mehr die Oberhand und mit Ausbruch des Krieges scheint auch der Wind in den Beelitz Heilstätten eine andere Richtung einzunehmen. Ob das das Aus bedeutet ?


Lea Kampe lässt die Beelitz Heilstätten in ihrem Buch wie aus einer Pop-up-Karte emporsteigen und verwandelt so den Lost Place nach und nach in ein, für seine Zeit, sehr modernes Quartier für Lungenkranke, dessen repräsentative Architektur zwischen üppigem Waldbestand wieder zu altem Glanz findet.

Die Bäume in der weitläufigen Parkanlage erzählen leise die Geschichten, die sich dort einst zugetragen haben. Lea Kampe hat dieses Wispern zu einer emotionalen und mitreißenden Geschichte zusammengefügt, die von den verqueren völkischen Ideologien, ihren fanatischen Anhänger:innen und deren Widersacher;innen handelt.

Mit Antonia Marquardt ist der Autorin eine authentische weibliche Hauptfigur gelungen, der es mit Leichtigkeit gelingt, die Lese;rinnen für ihre Lebensgeschichte zu begeistern. Sie nimmt sie an die Hand, zeigt ihnen ihre Welt, die sich nach und nach immer mehr wandelt. Die politische Abgründe und die verheerenden Auswirkungen zeigen allzu deutlich, was passiert, wenn der braune Sumpf seine Hirngespinste auslebt und es ist erschreckend, wie viele Parallelen sich im aktuellen Tagesgeschehen wiederfinden.

Die endlosen Flure, die Krankensäle und das Turmzimmer werden wiederbelebt und selbst die leisen Töne des Klaviers sind zu vernehmen, wenn Assistenzarzt Henrik "Alle Tage ist kein Sonntag" spielt. So leicht die Töne auch klingen, so unfassbar und unmenschlich sind die Entscheidungen, die die durch die rechte Politik , Denunziantentum und falsche Ideale getroffen werden.

Umso schöner ist es zu lesen, dass am Ende die Menschlichkeit siegt, wenngleich es ein bisschen schwülstig wirkt Facettenreiche Charaktere, die wirklich das ganze Spektrum von gut bis niederträchtig bedienen, geben den Leser:innen einen Einblick in ihre Gefühls- & Gedankenwelt, um sie von ganzem Herzen zu mögen oder für ihr Tun zu verachten.

Der flüssige Schreibstil ist gut lesbar, die Handlung ist strukturiert und logisch aufgebaut. Ein Roman, der nicht nur die Zimmertüren der Patientinnen öffnet, sondern auch die Möglichkeit gibt, den Lost Place mit anderen Augen zu sehen.

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