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Veröffentlicht am 06.01.2022

Porträt eines Lebens

Heiner
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Das ist meine kleine Welt,
Sie ist frei und ohne Sorgen,
Denn in meiner kleinen Welt
Freu' ich mich auf jeden Morgen.

(Waterloo & Robinson)

Heiner träumt davon, nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule ...

Das ist meine kleine Welt,
Sie ist frei und ohne Sorgen,
Denn in meiner kleinen Welt
Freu' ich mich auf jeden Morgen.

(Waterloo & Robinson)

Heiner träumt davon, nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule nach Afrika zu reisen, um dort sein Wissen an die Menschen weiterzugeben und ihnen beim Aufbau ihrer Landwirtschaft hilfreich unter die Arme zu greifen. Doch das Schulgeld ist teuer und sein Lohn als einfacher Knecht ist verschwindend gering. Von den Goldenen Zwanzigern merkt Heiner auf dem Land herzlich wenig und so scheint es, dass die Verwirklichung seiner Träume immer mehr in weite Ferne rückt.Um sich zumindest den Traum vom eigenen Hof zu erfüllen, muss Heiner einen hohen Preis zahlen....


Fritz Stiegler erzählt mit leisen Worten die Stationen eines Lebens, das von Kargheit, Entbehrung, Armut und Träumen geprägt ist und in eine längst vergessene Welt entführt, die sich in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts harter bäuerlicher Alltag nennt.

Selten habe ich einen so geradlinigen Menschen erlebt, wie es Heiner ist und der Autor schafft es, diese genügsame Persönlichkeit für den Leser wieder lebendig werden zu lassen und gemeinsam mit ihm die Stationen seines bewegten Lebens mitzuerleben.

Heiners kleine Welt ist im ländlichen Franken fest verankert und das erste Jahr als Knecht ist schwer zu ertragen, denn die Hussnätterin gönnt ihm nicht mal das Schwarze unterm Fingernagel. Zwar hat sie selbst nicht viel auf der hohen Kante, aber Heiner für seinen schwere Arbeit zu entlohnen, liegt ihr fern. Selbst als der Ertrag dank seines Eifers mehr wird, vergällt sie ihm den Erfolg.

Für die Leser:innen wird mit dem Wechsel der Jahreszeiten die Arbeit und das Leben auf dem Hof zugänglich gemacht und durch den sehr bildlichen Schreibstil des Autors hat man das Gefühl, es könne man einen Blick durch das halb blinde Stall- oder zugige Stubenfenster werfen, um ein Teil dieser Szenerie zu werden.

Obwohl unaufgeregt und manchmal schon mit stoischer Gelassenheit erzählt, fesselt der Lebensweg von Heiner die Leser:innen an die Seiten, denn im Verlauf der Jahrzehnte spiegelt sich die Zeitgeschichte des letzten Jahrhundterts wieder. Der politische Wandel macht auch vor der Landbevölkerung nicht halt und hier wird deutlich, wie einfach es gewesen sich, sich der Verantwortung zu entziehen, in dem man einfach wegschaut. Denn was nicht sein darf, kann nicht sein, wenn man es einfach ignoriert.

Dabei wird der Bogen zum aktuellen Zeitgeschehen gespannt und Stiegler braucht nicht einmal mahnend den Zeigefinger zu heben- seine Botschaft kommt ohne große Worte und Gesten aus und erreicht die Leser:innen klar und unmissverständlich.

Für mich einer der schönsten Momente im Buch - das WM-Finale 1954. Die Beschreibung der jubelnden Menschen vor dem Fernseher und Heiners kleiner, ganz persönlicher Glücksmoment lassen mir das Herz aufgehen.

Mit fortschreitendem Alter muss Heiner erkennen, dass er einen hohen Preis für sein Lebensglück bezahlt hat. Seine mehr als gottesfürchtige Ehefrau macht ihm das Leben an ihrer Seite nicht gerade leicht, aber Heiner erfreut sich täglich an seinen Tieren und seiner Arbeit auf dem Hof.

Bis zum Lebensabend dürfen die Leser:innen hier an Heiners Seite sein und ihm in die Seele schauen, seine Gefühle und Gedanken kennenlernen. Ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Lebensgeschichte eine wundervolle Botschaft enthält - das Glück liegt oft in den kleinen Dingen des Lebens.

Ein wundervoller Roman mit vielen berührenden Momenten und ab und zu einem kleinen Augenzwinkern.

Absolute Leseempfehlung für diese kleine Kostbarkeit

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Veröffentlicht am 04.01.2022

Die grossen Augenblicke unseres Lebens sind die leisesten (Monika Minder)

Ein Ort, der sich Zuhause nennt
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Ein großes Fest zum 30. Geburtstag - so hatte sich Maya ihren Ehrentag vorgestellt. Stattdessen geht es drunter und drüber, denn ein Mann namens Muck bringt ihre Großmutter vollkommen aus der Fassung und ...

Ein großes Fest zum 30. Geburtstag - so hatte sich Maya ihren Ehrentag vorgestellt. Stattdessen geht es drunter und drüber, denn ein Mann namens Muck bringt ihre Großmutter vollkommen aus der Fassung und Maya besucht ihre Großmutter im Krankenhaus. Es ist an der Zeit, dass Charlotte ihr Schweigen bricht und ihre Lebensgeschichte zugänglich macht...

Astrid Ruppert erzählt im abschließenden Teil der Winter-Frauen-Trilogie die Geschichte von Charlotte und katapultiert die Leser:innen von der ersten Seite an mitten ins Geschehen. Viel zu lange hat Lotte geschwiegen und wichtige Stationen ihres Lebens sowohl ihrer Tochter als auch ihrer Enkelin vorenthalten. Ein Manko, denn es steht so viel Ungesagtes zwischen den Frauen der Winter-Familie, dass das Schweigen schon fast wie eine Mauer erscheint.

Dabei hat Charlotte Kopf und Kragen riskiert und war in der dunkelsten Zeit Deutschlands im Widerstand aktiv. Die Autorin schildert die Szenen sehr plastisch und realitätsnah, sodass die Bilder aus der Zeit der hirnverbrannten Ideologien, Hass und Hetze wie ein sepiafarbenenes Leporello aneinandergereiht werden und tiefe Einblicke in das Leben von damals geben.

Das Herz klopft den Leser:innen bis zum Hals, wenn man gemeinsam mit Lotte verbotene Dinge tut - die Gefahr und die Angst vor Entdeckung sind ständige Begleiter. Die Szenen auf dem Bahnsteig bleiben in Erinnerung und es macht sich ein ungutes Gefühl in der Magengegend breit. Und immer bleibt die Frage im Hinterkopf, ob nicht vielleicht doch der eigene Bruder zum Denunzianten geworden ist...

Lotte ist die stille Heldin der Geschichte und hat dabei Großes geleistet - ihr Einsatz für die jüdische Familie, der sie ein Versteck organisiert, der geheime Austausch von gefälschten Papieren, die unmenschlichen Bedingungen in der Haft und letztendlich die Narben - nicht nur an den Fingerkuppen- die sich für immer einbrennen. All das in berührende Worte zu fassen gelingt Astrid Ruppert vortrefflich und die Seiten fliegen nur so dahin.

Der Zwiespalt von Lotte, das Geheimnis zu lüften oder für immer zu schweigen, steht stellvertretend für eine ganze Generation, die nicht nur Schlimmes erlebt hat, sondern auch damit zurechtkommen musste und lieber ihre Vergangenheit mit Nebelschleiern verhüllt haben. Das Schweigen der Mütter prägt die Erziehung der Töchter und die Autorin legt behutsam die alten Wunden frei, um hier eine beeindruckende Vita zu erzählen.

Spannungsgeladen, emotional aufwühlend und mit jedem Buchstaben lesenswert gelingt es Astrid Ruppert von Schuld und Vergebung, Liebe und Verrat und Familienbanden zu erzählen, die unsichtbar prägen, aber doch immer ein festes Band bilden.

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Veröffentlicht am 23.12.2021

Hunger auf ferne Länder

Heinrich Schliemanns Reisen
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Heinrich Schliemann - Weltenbummler, Entdecker, Archäologe und Sprachgenie. Besonders angetan von den Mythen um die Stadt Troja und dem festen Entschluss zu beweisen, dass die Dichtung HOMERS nicht nur ...

Heinrich Schliemann - Weltenbummler, Entdecker, Archäologe und Sprachgenie. Besonders angetan von den Mythen um die Stadt Troja und dem festen Entschluss zu beweisen, dass die Dichtung HOMERS nicht nur Fantasie, sondern einer gewissen Wirklichkeit zugrunde liegt, wagt er den Schritt, um die Stätten Illias auszugraben.

Dieses wundervolle Buch umfasst die bisher unveröffentlichten Tagebuchauszüge und Briefe seiner vier Reisen im Zeitraum 1858 bis 1888 erstmals in einer einheitlichen, deutschsprachigen, Übersetzung, denn die Einträge und der Schriftverkehr wurde in 6 Sprachen (Schliemanns Tick - er schrieb die Zeilen in der jeweiligen Landessprache - italienisch, griechisch, arabisch etc) verfasst und waren daher bisher nur schwer zugänglich.

So gelingt es dem Autor die Gedanken und Gefühle Schliemanns für die Leser:innen zugänglich zu machen, die Reisen lesend mitzuerleben und so ein Gefühl zu bekommen, welche Eindrücke und Umstände Schliemann begleitet haben.

Ergänzt werden die schriftlichen Erinnerungen mit zeitgenössischem Bildmaterial, das keine Wünsche offen lässt - handkolorierte Holzschnitte, sepiafarbene Fotografien von Ausgrabungsstätten, faszinierende Aquarelle und Abbildungen der Tagebucheinträge im Original, die die Handschrift Schliemanns in der jeweiligen Landessprache zeigen.

Das Buch atmet Vergangenheit, ohne verstaubt und überholt zu wirken. Es macht vielmehr den Leser:innen möglich, die Welt mit Schliemanns Augen zu sehen und seinen Eifer zu spüren. Fast könnte man meinen, dass er mit seiner Schaufel ungeduldig neben den Leser;innen steht, um gemeinsam mit ihnen die nächsten Ausgrabungsstätten aufzusuchen, den Spuren der Antike nachzugehen und deren Geheimnisse zu lüften. Esel und Kamele stehen schon bereit, um neue Länder, Kulturen und Menschen zu entdecken, kennenzulernen und mit ihnen in den Dialog zu treten.

Das Buch würdigt seine Arbeit, seinen Pioniergeist und seinen ungebrochenen Eifer auf eindrucksvolle Weise.

Absolute Leseempfehlung !

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Veröffentlicht am 22.12.2021

Bandwissen von A-Z

MAGNIFICO!
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Für Fans von Queen ist "Magnifico!" ein echter Glücksgriff - eine Enzyklopädie gespickt mit Wissen, Anekdoten und vor allen Dingen vielen unbekannten Details, die es bisher in noch keiner Band-Biografie ...

Für Fans von Queen ist "Magnifico!" ein echter Glücksgriff - eine Enzyklopädie gespickt mit Wissen, Anekdoten und vor allen Dingen vielen unbekannten Details, die es bisher in noch keiner Band-Biografie zu finden gab.

Von A wie "Alternative Bandnamen" bis Z wie "Zwischenfragen" mit mal mehr mal weniger geistreichen Statements der Bandmitglieder ist hier alles zusammengetragen, was das Fanherz höher schlagen lässt.

Dabei fühlt es sich für die Leser:innen so an, als wäre man inmitten eines angeregten Gesprächs mit den Bandmitgliedern, um hier Insider-Geschichten zu lauschen und so noch näher dran zu sein an den Idolen aus der Jugend, deren Songs unsterblich sind.

Wie ist der geniale Soundtrack zu "Highlander" entstanden, wie schaffen es Queen immer wieder, Meilensteine der Rock-/Pop-Geschichte zu erschaffen und Hymnen für die Ewigkeit zu produzieren, mit denen ganze Generationen aufwachsen. Bereits bekannte Facts (Live Aid, Beziehung zu Mary Austin, Zusammenarbeit mit David Bowie) werden mit interessanten neuen Details kombiniert (ein Fan namens "Jesus", Pinguine, "Heimkehr" der Freddy-Statue) und es entsteht daraus ein Nachschlagewerk, das immer wieder aufs Neue fasziniert und begeistert.

Auch wird hier der Erfolgt des Films "Bohemian Rhapsody" genauer erläuert, die Entstehungsgeschichte betrachtet und dargestellt, wie weit entfernt die filmische Darstellung von den tatsächlichen Ereignissen ist.

Ob es die Aufzählung der größten Queen-Nicht-Hits , weltmeisterliche Leistungen in einer Quizshow, Queen als Thema einer Doktorarbeit oder das Missverständis zwischen Freddy und Montserrat Caballé ist, das in einem Gänsehautduett "Barcelona" endet - hier gibt es kurzweilige Informationen, unerwartete Einblicke und unvergessliche Momente.

Einen Biografie, die sich in ihrer Art so gänzlich von allen anderen unterscheidet, die bisher über diese Band veröffentlicht worden sind

Magisch und intensiv, mitreißend und überraschend.


Q - ueen

U- nsterblich

E- erfolgreich

E- pisch

N- ostalgisch

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Veröffentlicht am 20.12.2021

Ein echter Nagelbeißer

Etzelpass
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Eine brennende Kapelle, eine Brandleiche und ein gestohlenes Kreuz Jesu - Valérie Lehmann sieht sich dunklen Mächten gegenüber gestellt, die im neuen Fall die Finger im Spiel haben. Dass sich die Tatorte ...

Eine brennende Kapelle, eine Brandleiche und ein gestohlenes Kreuz Jesu - Valérie Lehmann sieht sich dunklen Mächten gegenüber gestellt, die im neuen Fall die Finger im Spiel haben. Dass sich die Tatorte auf dem Jakobsweg befinden, macht das ganze noch mysteriöser. Doch wie bringt sie die apokalyptisch anmutenden Spuren auf einen gemeinsamen Nenner, um hier den Täter zu finden ?


Silvia Götschi hat mit "Etzelpass" den wohl intensivsten Krimi geschrieben, der je aus ihrer Feder geflossen ist. Schon nach wenigen Seiten ist eine düstere und mystische Grundstimmung vorhanden, die sich durch das ganze Buch durchzieht.

Das Prasseln des Feuers, die gierig leckenden Flammen und das Bersten des Holzes zeigen die mit aller Deutlichkeit die Macht der Zerstörung, die durch den Brand entsteht. Der Täter ist bereit, eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen, um alles zu vernichten.

Die Beschreibungen des Geisterhauses sind so realitätsnah, dass die Leser:innen sofort den modrigen Geruch und den Gestank nach Fäulnis und Tod direkt in der Nase haben und die Gänsehaut auf den Armen dauerhaft präsent bleibt.

Der Teufel ist am Werk und bekommt durch Götschi hier die Möglichkeit, sämtliche Facetten von Böse auszuleben. Es entsteht dadurch eine ungeheure Spannung, die ihre Klauen nach den Leser:innen ausstreckt, sie wie in einem Schraubstock gefangen hält und bis zum Schluss nicht mehr los lässt.

Valérie hat dabei alle Hände voll zu tun, um undurchsichtige Charaktere zu durchleuchten und ihre persönlichen, moralischen und weltanschaulichen Beweggründe aufzudecken.

Es gelingt der Autorin, Ursache und Wirkung aus den Gespenstern der Vergangenheit herauszufiltern und in einen ausgefeilten Plot münden zu lassen. Die Leser:innnen erhalten sogar den Einblick in die Psyche der Figuren, auch wenn diese mitunter eingesperrt im eigenen Gedankengefängnis sind.

Auf dem Pilgerweg finden Exorzismus, Schuld und Sühne einen fruchtbaren Boden, auf dem die Saat des Bösen perfekt aufgehen kann. Die Schreibende zieht ihre Leser:innen in dieses unheimliche Szenario hinein und entlässt sie wirklich erst auf der letzten Seite aus diesem klaustrophobischen Nervenzerrer.

Für mich das beste Buch, das ich bisher von Silvia Götschi gelesen habe !

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