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Veröffentlicht am 09.09.2021

Schöne Bescherung...

SCHWEIG!
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Weihnachten ist für Esther das Fest der Liebe und der Familie. Selbstverständlich fährt sie, wie in jedem Jahr, zu ihrer Schwester und überreicht ihr ein Geschenk. Auch wenn die Verbindung zwischen den ...

Weihnachten ist für Esther das Fest der Liebe und der Familie. Selbstverständlich fährt sie, wie in jedem Jahr, zu ihrer Schwester und überreicht ihr ein Geschenk. Auch wenn die Verbindung zwischen den beiden Schwestern nicht unbedingt die innigste ist, gehört es sich doch, dass man sich beschenkt. Die Stimmung ist irgendwie eisig und aufgewühlt, passend zum Schneegestöber draußen. Da fassen sich beide ein Herz und bringen Themen aufs Tablett, die schon lange unter der Oberfläche schwelen. Und dann passieren Dinge, die das Fest der Liebe für immer nachhaltig beeinflussen....


Wow, was ein Brett - dieser Thriller ist definitiv mein ganz persönliches Lesehighlight 2021 und ich bin immer noch total geflasht von diesem zermürbenden Schwesternkrieg, der mich in Abgründe blicken lässt, die ich besser nicht gesehen hätte,. Ein facettenreicher Psychotrip, der nach und nach die Fassaden bröckeln lässt und die absolut kranken Seiten der Figuren offen legt.

Esther ist unglaublich dominant und weiß, wie sie sich die Menschen so zurecht biegt, dass sie nach ihrer Pfeife tanzen. Ihre kleine heile Welt ist ein perfekt inszeniertes Schauspiel, ihre Kinder und der ihr Mann Martin gleichen Marionetten. Sie werden von ihr manipuliert und beeinflusst, sodass die bald wirklich den verfälschten Darstellungen glauben, die Esther sich so schön ausgedacht hat.

Martin, devot und zu keiner eigenen Meinung fähig, hat sich kampflos seinem Schicksal ergeben und flüchtet sich in immer häufiger werdende Umarmungen mit Freund Alkohol. Wie er es an der Seite seiner Frau überhaupt aushält, ist mir ein Rätsel. Aber auch er hat seine Schattenseiten, die nach und nach hervorbrechen.

Sue ist labil, wirkt auf den Leser stoisch und emotionslos. Sie will einfach nur ihre Ruhe haben und dieser Wunsch wird von ihrer Schwester übergangen, so als würde Sue nicht existieren. Mir ihrer kühlen Gelassenheit wirkt sie aber trotzdem unheimlich und bedrohlich, auch wenn sie ein zartes Persönchen ist. Stille Wasser sind eben tief..

Mit Einsetzen des Schneegestöbers beginnt Judith Merchant, die sorgsam errichteten Fassaden einzureißen und zerrt ihre Leser in eine unheilschwangere Szenerie, die dem Leser emotional einiges abverlangt. Die Schwestern beherrschen perfekt die verschiedenen Varianten ihrer perfiden Psychospielchen. Wie ein Ping-Pong wechseln die fiesen kleinen Stiche, Schuldzuweisungen und aufgestauten Emotionen hin und her und der unterdrückte Konflikt kann ungehindert die "heilige" Ordnung durcheinander wirbeln, bis diese im vollkommenen Kontrollverlust komplett zerstört ist und der Leser fassungslos dabei zusehen muss, wie hier längst vergangene Taten aufs Tablett kommen und sich die sicheren Strukturen auflösen.

Beide Schwestern sind vollkommen irrational unterwegs, krankhaft besessen von dem Gedanken, der jeweils anderen einen reinzuwürgen. Es sind erschreckend glaubhafte Einblicke in menschliche Abgründe, die sich hier auftun und so fesselt die Autorin ihre Leser an das Buch. Beide Figuren spucken Gift und Galle, übertrumpfen sich in Boshaftigkeit und Hinterhältigkeit, geizen nicht mit Sarkasmus und Scheinheiligkeit.Es entsteht eine Gänsehaut, die das drohende Unheil ankündigt. Obwohl man es nie greifen kann, ist eine Langzeitwirkung zu spüren - es ist wie bei einem Verkehrsunfall. Man weiß, dass man nicht hinsehen soll, tut es aber unweigerlich weil man von der Erregung und Sensationslust gepackt wird.

Die Schreibende legt durch die ständigen Perspektivenwechsel die Gefühls- & Gedankenwelt schonungslos offen und es ist wie ein Horrortrip auf der Achterbahn des Grauens. Immer am Rande eines Nervenzusammenbruchs, begleiten Traumata, Intrigen und perfide Ideen den Leser bis zum Showdown.

Spannend vom ersten bis zum letzten Buchstaben und mit einer absoluten Leseempfehlung versehen !!


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Veröffentlicht am 08.09.2021

Fein strukturiert und sehr schwer zu durchschauen

Sag mir, wen du hörst. Sag mir, wen du siehst. Sag mir, wer du bist.
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Stell dir vor, du wirst Zeugin eines Mordes, aber keiner glaubt dir....genauso ergeht es Laura, als sie erst ihrer Mutter und dann der Polizei erzählt, was sie gesehen hat. Eine Rückkehr an den vermeintlichen ...

Stell dir vor, du wirst Zeugin eines Mordes, aber keiner glaubt dir....genauso ergeht es Laura, als sie erst ihrer Mutter und dann der Polizei erzählt, was sie gesehen hat. Eine Rückkehr an den vermeintlichen Tatort zeigt, dass dort niemals ein Verbrechen geschehen ist, denn das Haus ist seit Jahren verlassen. Ist Laura wieder einmal ein eine akute Phase ihrer Schizophrenie abgerutscht ? Spielt ihr ihre eigene Psyche einen fiesen Streich ? Alles sieht danach aus. Als aber ein zweiter Mord geschieht, greifen Lauras Dämonen immer heftiger um sich und sie muss sich ihnen stellen...

Für diesen Psychothriller gibt es nicht genügend Superlative, um ihn wirklich treffend zu beschreiben - spektakulär, außerordentlich, erstklassig, grandios, sensationell...

Andrea Nagele spielt von Anfang an mit ihren Lesern, führt sie in die Irre, verzerrt Wahrnehmungen und lässt sie so ebenfalls in den nicht enden wollenden Strudel aus Wahn und Realität hinein rutschen, der nur ganz schwer zu durchschauen ist.

Die Figur Laura verkörpert alles, um zu einem echten Anti-Held zu werden, denn ihre psychische Erkrankung zerrt und reißt mit aller Macht an ihr, verändert ihr Wesen und lässt sie zu einem unsteten Menschen werden, der nicht Fisch nicht Fleisch ist.

Es fällt dem Leser schwer, hier selbst die Grenze zwischen Lauras Wahnvorstellungen, akustischen und optischen Halluzinationen und tatsächlichen Ereignissen zu ziehen. Ist der Mord tatsächlich geschehen Was wurde aus dem kleine Mädchen ? Genau diese Fragen brennen Laura, wie dem Leser, unter den Nägeln und die Schreibende weiß, wie sie die Persönlichkeitsveränderungen von Laura geschickt auf die Lesenden überträgt, um so die bizarren Wahninhalte zu projizieren und den starken inneren Konflikt sichtbar zu machen.

Dabei bringt sie auch die Überfürsorglichkeit von Lauras Mutter mit ins Spiel und irgendwie hat man das Gefühl, sich in einem eng geschnürten Korsett zu befinden, aus dem es kein Entrinnen gibt und das einem die Luft zum Atmen nimmt.

Die Suche nach dem Täter entpuppt sich als fein strukturiertes, kleinteiliges Puzzle bei dem es gilt, den Vorhang aus der Vergangenheit zu lüften, dunkle Schatten zu verjagen und sich den Dämonen zu stellen.

Unvorhergesehene Twists sorgen für dramatische Augenblicke, es fehlt nur noch die musikalische Untermalung aus Hitchcocks "Psycho", um hier die perfekte Illusion zu erzeugen.

Bei der Ausarbeitung ihrer beiden Polizistenfiguren hat Andrea Nagele ein extrem glückliches Händchen bewiesen - mit ihnen steht und fällt die ganze Handlung. Ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, Strenge an genau den richtigen Stellen, der richtige Riecher für Spuren, die man normalerweise übersieht und eine gute Kombinationsgabe verhelfen ihnen zum Erfolg und zum Lösen des Falles.

Dieser überzeugt mit raffinierten Tricks, perfiden psychologischen Spielchen und einer Auflösung, die ich so niemals vermutet hätte.

Chapeau !!


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Veröffentlicht am 07.09.2021

Wo Licht ist, ist auch Schatten (Goethe)

Wenn die Schatten sterben
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Becky kehrt nach dem Tod ihres Mannes zurück auf den Familiensitz in der Schweiz und möchte dort gemeinsam mit Sohn Adrian noch einmal ganz von vorne beginnen. Als bei Renovierungsarbeiten im Keller des ...

Becky kehrt nach dem Tod ihres Mannes zurück auf den Familiensitz in der Schweiz und möchte dort gemeinsam mit Sohn Adrian noch einmal ganz von vorne beginnen. Als bei Renovierungsarbeiten im Keller des Schlosses eine eingemauerte weibliche Leiche gefunden wird, muss sich Becky mit der dunklen Vergangenheit des Schlosses und den schwarzen Flecken in der Familiengeschichte auseinandersetzen. Sie taucht tief ein in die Zeit, als selbst in der neutralen Schweiz die verqueren Ideen der braunen Ideologie glühende Anhänger hat...

Christof Gasser hat mit "Wenn die Schatten sterben" erneut einen sehr einfallsreichen und spannenden Kriminalroman geschrieben, der von der ersten Seite an mit unvorhergesehenen Wendungen vor realpolitischer Kulisse punkten kann.

Dabei spielt Gasser gleich zu Beginn mit der beklemmenden Angst von Becky, wenn sie nachts durch das alte Gemäuer schleicht und knarzende Dielen, schlagende Türen und leise Stimmen flüstern hört. Dass dieses ganze Szenario aber zu einer grausamen Entdeckung führt, die die Schatten der Vergangenheit heraufbeschwören, ahnt sie zu diesem Zeitpunkt nicht.

Die Erzählstränge der Gegenwart und Vergangenheit sind beide dynamisch und ausdrucksstark verfasst und bilden so eine sehr authentische Szenerie, um sich gemeinsam mit Becky auf Spurensuche zu begeben.

In der Zeit, als Hass und Hetze, Denunziation und Verrat, Antisemitismus und falsche Ideale die Atmosphäre vergiften, lässt der Autor mit seinen Schilderungen die Vergangenheit wieder aufleben und zieht den Leser mitten hinein in ein Komplott, dessen Auswirkungen bis zum heutigen Tag spürbar sind. Ständig fragt man sich, wem man noch trauen kann und schaut gehetzt um sich, denn irgendwie spürt man beim Lesen ein ungutes Gefühl im Nacken.

Die Figuren sind extrem gut angelegt und bieten ein breites Spektrum an vielschichtigen Charakterzügen: vom schmierigen Nazi-Bonzen über die vermeintlich einfältige Küchenhilfe, freiheitsliebender Widerständler, smarter Anwalt und liebender Mutter, die ein Geheimnis mit sich trägt - alle Darsteller sind von Gasser sehr gut ausgearbeitet und glaubwürdig gezeichnet, sodass sich der Leser in sie hineinversetzen kann und eins mit ihnen wird.

Perfektes Timing für geschickte Wechsel zwischen Anspannung, vergifteter Atmosphäre, Enthüllung der Geheimnisse und dem Zusammenfügen der Puzzleteilchen in der Gegenwart ziehen den Leser wie ein Magnet in das Buch und lassen ihn nur schwer den Roman aus der Hand legen. Es brennt regelrecht unter Nägeln , zu erfahren, wie sich damals alles zugetragen hat.

Der Twist zum Schluss ist noch einmal ein Höhepunkt und setzt dem ganzen die Krone auf - für mich ist dieser historische Krimi wieder einmal absolute Spitzenklasse!

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Veröffentlicht am 06.09.2021

Glück ist, was das Herz erreicht und die Seele wärmt (Monika Minder)

Libellentage
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Bea ist so ganz anders, als sich ihre Eltern das wünschen. Anstatt brav und sittsam sich den Regeln der Etikette unterzuordnen, genießt Bea lieber ihre Zeit in der Natur und widmet sich voller Hingabe ...

Bea ist so ganz anders, als sich ihre Eltern das wünschen. Anstatt brav und sittsam sich den Regeln der Etikette unterzuordnen, genießt Bea lieber ihre Zeit in der Natur und widmet sich voller Hingabe den Insekten, die sie immer wieder aufs Neue faszinieren. Als sie es wieder einmal auf die Spitze treibt und einen handverlesenen Heiratskandidaten in die Schranken weist, ziehen Beas Eltern die Reißleine und schicken sie zu ihrem Onkel in die Toskana, damit sie dort in Ruhe über ihren Fehltritt nachdenken kann. Und ausgerechnet in Italien lernt Bea kennen, was es heißt, wenn das Herz schneller schlägt, die Schmetterlinge im Bauch flattern und die Romantik im Leben Einzug hält...


"Libellentage" ist ein unglaublich zarter und zugleich ausdrucksstarker Roman, der mit einer eigenwilligen, liebenswerten Protagonistin punktet, die absolut nicht auf den Mund gefallen ist und weiß, wie sie ihren Kopf durchsetzen kann.

Bea ist von Anfang an so etwas wie eine gute Freundin für die Leser, denn ihr fliegen im Nu alle Herzen zu. Ich habe mir das Lachen nicht verkneifen können, als ich die Szene bildlich vor mir gesehen habe, wie sie dem Pfarrer vom Liebesleben der Glühwürmchen erzählt und dem armen Mann vor Entrüstung fast die Luft zum Atmen wegbleibt.

Die Szenen in der Toskana sind malerisch eingefangen und bieten dem Leser eine Komposition aus sonnigen Farben, Aromen und fast schon poetischer Schreibweise. Das mediterrane Flair strahlt behagliche Wärme aus und das trubelige Leben in der Villa fühlt sich so an, als wäre man inmitten dieser bunten Mischung von Künstlern.Ein Kaleidoskop an unterschiedlichen Persönlichkeiten bereichert die Szenerie und sorgt für Abwechslung, tolle Dialoge und einem tiefen Einblick in die Gefühls- & Gedankenwelt.

Laura Wood hat ein echtes Händchen für romantische Szenen und so spürt man beim Lesen ganz deutlich den Kloß im Hals, das aufgeregte Flattern der Schmetterlinge und die Magie der zarten Gefühle, die sich zwischen Bea und Ben anbahnen. Beas Entwicklung ist enorm und man spürt mit jeder Seite, wie sie freier wird, die Ketten der Konventionen sprengt und zu einer aufgeschlossenen, neugierigen jungen Frau wird, die Hunger auf Leben hat.

Geheimnisvolle Feiern zu nachtschlafener Stunde, aber auch der immer deutlicher werdende politische Rechtsruck, das Auseinandersetzen mit den eigene Wünschen und Träumen - auf den ersten Blick sind das Themen, die nicht wirklich zueinander passen wollen. Aber die Autorin zieht geschickt die Fäden im Hintergrund, um daraus eine romantische Lovestory mit ernstem Kontext zu machen. So verhindert sie, dass ihre Erzählung verkitscht.

Ein Buch voller wunderbarer Wohlfühlmomente, das man gerne liest und in dessen romantischem Zauber man sich gerne verliert.

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Veröffentlicht am 06.09.2021

Du bist, wie du bist - und das ist gut so

Prinz & Ritter
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Irgendwie hat sich der Prinz seine Brautschau anders vorgestellt. Ja, es sind ganz hübsche und nette Prinzessinnen unter den Kandidatinnen, aber so richtig Schmetterlinge im Bauch kann keine von ihnen ...

Irgendwie hat sich der Prinz seine Brautschau anders vorgestellt. Ja, es sind ganz hübsche und nette Prinzessinnen unter den Kandidatinnen, aber so richtig Schmetterlinge im Bauch kann keine von ihnen hervorzaubern. Erst als der Prinz gemeinsam mit dem tapferen Ritter gegen den bösen Drachen kämpft, breitet sich wohlige Wärme und ein Kribbeln aus - er hat seine große Liebe gefunden und einer Hochzeit steht nichts mehr im Weg.


Endlich, endlich haben zwei Autoren sich den Mut gefasst und ein zuckersüßes Bilderbuch zum Thema gleichgeschlechtliche Liebe gestaltet. Hier hinken nämlich andere Kinderbücher noch ordentlich der Zeit nach und das Duo Haack/Lewis zeigt, wie modern und kindgerecht man ein Buch zu diesem Thema ausarbeiten kann.

Die Geschichte ist in Reimform verfasst und damit ist der Zugang zum Inhalt für Jungen und Mädchen ganz fix möglich. Es zeigt, dass Jeder/Jede ernst genommen wird, zu seinen Gefühlen stehen darf und so die Möglichkeit bekommt, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, die aufgeschlossen und offen für das Glück des jeweils anderen ist. Vielfalt und Diversität werden respektiert und angenommen und ermöglichen so den zwanglosen und selbstverständlichen Umgang mit Homosexualität und Regenbogenfamilien.

Ein wichtiger Beitrag, um Kindern den Weg zu vorurteilsfreien und weltoffenen Menschen zu ebnen.


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