Mit spitzer Feder, scharfer Zunge und einer guten Portion Voyeurismus ein absolut gelungenes Debüt
AmeisenmonarchieSie wohnen alle zusammen unter einem Dach und doch sind sie sich fremd. Dabei ahnen sie nicht, dass sie mehr miteinander verbindet, als das freundlichen Nicken zu Begrüßung oder die zur Schau gestellte ...
Sie wohnen alle zusammen unter einem Dach und doch sind sie sich fremd. Dabei ahnen sie nicht, dass sie mehr miteinander verbindet, als das freundlichen Nicken zu Begrüßung oder die zur Schau gestellte Ignoranz. Hinter den Türen lassen alle Bewohner ihre Maske fallen und wuseln in ihrem mehr oder weniger aufregenden Alltag umher...
Selten habe ich einen Debütroman gelesen, der so bissig und scharfzüngig die Eigenarten seiner Figuren auf den Punkt bringt wie "Ameisenmonarchie". Romina Pleschko lässt den Leer zum Voyeur werden und zeigt ihm mit dem Blick durchs Schlüsselloch und den Türspion die sorgfältig zurecht gelegten Lebensbilder der Bewohner, die mehr Schein als Sein und in ihrem Hamsterrad des Alltags gefangen sind.
Da ist Herb Senior, der nach langer beruflicher Tätigkeit als Frauenarzt die Praxis an seinen Junior übergibt. Müde von all den Anforderungen im Job, aber auch von dem wortkargen Zusammenleben mit seiner Frau, muss er miterleben, wie sein Körper ihm den Dienst versagt und ihn mehr oder weniger ins Aus stellt. Herb Junior verheimlicht seine Neigung zum männlichen Geschlecht, weil er die Eltern nicht enttäuschen möchte und kämpft immer noch um Anerkennung und Liebe.
Ein Mann namens Klaus; der aus der Schattenseite des Lebens heraustritt und plötzlich von Fortuna geküsst wird, eine alternde Kosmetikiverkäuferin; die mit dem Älterwerden noch so ihre liebe Not hat und ein ständig schlecht gelaunter Politiker beleben die Szenen im Haus mit ihren skurrilen Eigenarten, durchbrechen die Monotonie ihres Alltags mit ausgeklügelten Taktiken und sorgen so für einen abwechslungsreichen Verlauf der Geschichte.
Die Schreibende nimmt kein Blatt vor den Mund, bricht Tabus und verarbeitet sie mit spitzer Feder zu unglaublich schrägen Szenen, die abwechselnd für aberwitzige Episoden sorgen, um dann wieder in leichtes Entsetzen umzuschlagen.
Die kuriosen Eigenarten der Hausbewohner bieten ein breites Spektrum an grotesken Blicken, die man in Momentaufnahmen erhascht und formen sich doch zu eindrucksvollen Begegnungen, die Spuren hinterlassen. Glück und Leid, Freude und Trauer, Hoffnung und Resignation liegen nur eine Wohnungstür voneinander entfernt und Romina Leschko öffnet jede dieser Türen einen Spalt breit, um hinter die sorgsam errichtete Fassen zu blicken und eine Abrechnung der besonderen Art für ihre Leser bereit zu halten.
Das Debüt der Autorin ist mehr als gelungen und macht neugierig auf weitere Bücher aus ihrer Feder.