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Veröffentlicht am 03.05.2018

Vom Einfluss anderer und dem unreflektierten Mitmachen....

Fleisch essen für Vegetarier
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Marissa Landrigan erzählt, wie sie von kleinauf Hausfrauenarbeiten wie Kochen ablehnte, lieber unter dem Tisch saß als mitzuhelfen, saftiges Fleisch liebte und es genoss, den Fleischsaft herauszusaugen. ...

Marissa Landrigan erzählt, wie sie von kleinauf Hausfrauenarbeiten wie Kochen ablehnte, lieber unter dem Tisch saß als mitzuhelfen, saftiges Fleisch liebte und es genoss, den Fleischsaft herauszusaugen. Sie beschreibt einzelne Phasen ihrer Kindheit, Jugend und dem Erwachsenwerden, in denen sie, irgendetwas mitmachte, was gerade alle in ihrem Umfeld machten, ohne dass sie sich selber ganz bewußt dafür entschieden hat, beispielsweise Tatoos und Piercings stechen lassen, gemeinsamen Demos besuchen oder sich vegetarisch ernähren, obwohl sie sich eigentlich vor Gemüse ekelt, nicht selber kocht und auf fettige Fertigprodukte zurückgreift. Als ihr vegetarisch lebender Freund, wie vor der Kurzbeziehung angekündigt, nach Montana zieht, reist sie ihm hinterher; es kommt zu Konflikten und einer neuen Bekanntschaft mit einer Jägerin und Fleischliebhaberin, die meint, sie wisse nicht, ob sie mit einer Vegetarierin befreundet sein könne... und plötzlich erinnert die Autorin sich daran, wie sehr sie Fleisch und den Bratensaft liebt und vermißt hat....

Obwohl mir klar war, dass es sich um eine ganz persönliche Geschichte handeln würde, war ich davon ausgegangen, dass fundierte Aussagen und Fachwissen bzw. Information, also ein gewisser sachlicher Anteil, miteinfließen würden. Die erzählte Lebensgeschichte fand ich ziemlich langweilig und in großen Abschnitten hat es mir einiges abverlangt, weiterzulesen. Eigentlich wird hier eher eine Geschichte vom Mitmachen, was alle machen ohne darüber nachzudenken und dem Erwachsenwerden erzählt.

Veröffentlicht am 03.05.2018

vielleicht doch eher ein Jugendroman

Wie man die Zeit anhält
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Matt Haig erzählt in zwei Zeitsträngen, die sich kapitelweise abwechseln und jeweils ungefähr 2 – 4 Seiten umfassen, die Geschichte von Tom Hazard, der in der Gegenwart als Geschichtslehrer in London arbeitet. ...

Matt Haig erzählt in zwei Zeitsträngen, die sich kapitelweise abwechseln und jeweils ungefähr 2 – 4 Seiten umfassen, die Geschichte von Tom Hazard, der in der Gegenwart als Geschichtslehrer in London arbeitet. Der zweite Erzählstrang beschreibt sein Leben als ein Alba, jener Leute, die eine besondere Veranlagung haben, welche sich Anagerie nennt und bedeutet, dass sie bis zum 11. oder 13. Lebensjahr ( hier macht der Autor im Buch unterschiedliche Angaben) normal altern und danach verlangsamt: alle 15 Jahre altern sie um ein Jahr.
Tom wurde am 3.3. 1581 geboren, seine Mutter wurde aufgrund seiner Veranlagung als Hexe hingerichtet und auch seine Ehefrau samt der gemeinsamen Tochter waren Gefahren ausgesetzt, so dass er sich von ihnen trennte. Durch die Jahrhunderte mußte er immer wieder seine Identität wechseln und begab sich auf verschiedene Reisen, lebte in unterschiedlichen Ländern, war auf der Suche nach seiner Tochter, die seine Veranlagung geerbt hat und trauert seiner Frau Rose nach, die mittlerweile seit mehreren Hundert Jahren verstorben ist. Organisiert ist er in der Albatros-Gesellschaft, die ihm alle acht Jahre einen Auftrag zur Auffindung und Anwerbung eines bekanntgewordenen Albas sowie eine neue Identität gibt.
Tom ist kein Zeitreisender; er lebt nur schon sehr lange und erinnert sich an früher Erlebtes.

Zugeordnet wurde dieses Buch als Liebesroman, wobei ich die kurzen Szenen, die dieses erfüllen etwas dürftig finde um sie diesem Genre zuzuordnen. Beim Lesen des Klappentaxtes hatte ich zunächst an den Highländer gedacht und war auf unterschiedliche, dargestellte Epochen gespannt. Leider erfolgten diese im Schnelldurchgang ohne einen Ansatz von Tiefe; ein großer Bestandteil dieser Zeitbeschreibungen stellen Aneinanderreihungen von Schriftsteller, Komponisten, Kapitänen oder anderen Personen dieser Zeit dar. Ein Eindruck wird zwar vermittelt, den ich sehr oberflächlich und langweilig empfand. Gerade mal zum Ende des Buches hin, vielleicht die letzten 30 Seiten, kommt ein wenig Spannung auf.
Bei anderen habe ich gelesen, dass sie dieses Werk philosophisch empfanden und ich denke, dieser Eindruck war auch gewollt. Es finden sich ein paar Aussprüche, die kursiv gedruckt wurden, die auf mich allerdings nicht wirklich Eindruck gemacht haben. Einige Beispiele dieser hervorgehobenen Aussprüche möchte ich hier zitieren:

„Alles verändert sich, und nichts verändert sich.“ ( S. 125)
„Das Leben ist verwirrend.“ ( S. 159)
„Wir sind die Saiten.“ ( S. 165, Ausspruch beim Betrachten einer Laute)
„Die Menschen, die du liebst, sterben nie.“ (S. 331)
"Alles wird irgendwie" ( S. 379)
oder „Hendrich seufzte philosophisch.“ ( S. 228)

Ich weiß nicht, wie man philosophisch seufzt und auch die anderen Zitate bringen mir keine neuen Erkenntnisse. Demzufolge würde ich diesen „Liebesroman“ auch nicht als philosophisch angehaucht bezeichnen. Für mich war der Roman eher langweilig und unspannend; das Lesen bis zum Ende stellte für mich eher eine Herausforderung als Genuss dar. Ehrlich gesagt würde ich diesen Roman viel eher als einen Jugendroman ansehen, der vielleicht Leser ab 11 Jahren etwas über frühere Epochen vermitteln könnte.

Veröffentlicht am 03.04.2018

too much - verschreckt mich eher als dass es mich zu begeistern vermag

Man wohnt nur mit dem Herzen gut
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In diesem Buch stellen fünf eifrige Flohmarktgängerinnen ihre gesammelten und weiß angestrichenen Werke vor, wobei sich jede von ihnen nach eigenen Angaben einem anderen Shabby-Chic-Stil zugehörig fühlt: ...

In diesem Buch stellen fünf eifrige Flohmarktgängerinnen ihre gesammelten und weiß angestrichenen Werke vor, wobei sich jede von ihnen nach eigenen Angaben einem anderen Shabby-Chic-Stil zugehörig fühlt: rustikal-romantisch, elegant, barock, französisch-skandinavisch oder verschnörkelt. Vieles entdeckt man bei allen wieder und außer, dass vielleicht beim romantischen Stil ein paar Häkeldeckchen mehr aufgelegt wurden, konnte ich keine wirklich großen Unterschiede finden. Zudem berichten sie von ihrer Sammelleidenschaft, die sich stetig verändert ( „Ich durchlief im Laufe der Jahre nahezu alle angesagten Stilrichtungen“ S.6), je nachdem, was gerade in ist, also offensichtlich alle toll finden. Das hat für mich nicht ganz so viel mit eigenem Geschmack und Stil zu tun, aber das kann man ja auch anders sehen... immer wieder finden sich Blasen mit Tipps zum Sammeln, Umgestalten und Plazieren der Schätze. Da wird beispielsweise ein 20 Jahre alter Röhrenfernseher shabbychic „versteckt“, indem die Mauer aufgestemmt wurde und das Hinterteil des Fernsehers im Nachbarraum heraushängt ( ich vermute, darüber wird ein weißer Schrank gestülpt, damit es nicht so stört). Der „Rahmen des eingelassenen Fernsehers wird weiß gestrichen und eine verschnörkelte Leiste obendrüber geklebt.

Wie schon erwähnt, wird in jedem der unterschiedlichen Stile gesammelt, was das Zeug hält und in jede (noch) freie Ecke gestellt, nachdem es weiß gestrichen wurde. Alte Fenster auf der Fensterbank, an das Fenster angelehnt, jede Menge Dekoschränke gefüllt mit Dekoartikeln, menschengroße Schneiderbüsten / Puppen, die alte Kleider tragen, eine neben der Toilette an die Wand gelehnte Tür, auf die der Toilettenpapierrollenhalter montiert wurde, an den Wänden kaum ein freier Platz, alles vollgehängt und vollgestellt. Vieles wirkt auf mich äußerst krampfhaft; es muß partout irgendein alter Flohmarktfund zweckentfremdet extrem originell ausgestellt werden; sei es ein montierter Fleischwolf, in den eine Stumpenkerze gestellt wurde oder eine Lampe, die als Deko einfach so in einem Blumenkübel gestopft wurde

Ich kenne keine der vorgestellten Shabby-Chic und DIY Darstellerinnen von Instagram oder ihrem Blog. Bislang war ich davon überzeugt, dass mir Shabbychic gefällt, stelle nach Durchsicht dieses Buches fest, dass ich da ein ganz anderes Verständnis als die Autorinnen habe: Ich selber mag schöne, alte Sachen, denen man ihr Alter auch ruhig ansehen darf. Mich stört es nicht, wenn da mal etwas Lack abgeblättert ist und ich käme nie auf die Idee, alles, was in der Wohnung steht, weiß überzutünchen, damit alles so herrlich zusammenpaßt. Zudem mag ich es, wenn einzelne, schöne Stücke besonders dekorativ in Szene gestzt werden, viel Freifläche besteht und nicht Staubfänger meinen Lebensraum okkupieren. Ich muß gestehen, für mich grenzt das alles eher an zugestellte Rumpelkammern in Weiß als an schön dekorierte Räume, in denen man leben könnte. Mich schreckt das, was ich zu sehen bekomme eher ab, als dass es mich in seinen Bann zieht und mir spukt die ganze Zeit beim Durchblättern ein Lied von Georg Danzer im Kopf herum und, würde mein Zuhause so aussehen, würde ich auch nach dem Notausgang fragen.

Das Buch wurde sehr aufwändig gestaltet und zahlreiche professionelle Fotos vermitteln ein detailliertes Bild des vorgestellten Shabby-Chics. Am Ende des Buches finden sich fünf Shabby-Kuchenrezepte ( z.B. eine Bisquitrolle) sowie Shabby-Chic-Adressen ( Flohmärkte und Geschäfte).
Dennoch konnte mich das Buch trotz seiner hochwertigen Aufmachung und Gestaltung nicht in seinen Bann ziehen.
Für mich ist das gezeigte Sammelsurium viel zu viel, die Fotos sind Wimmelbilder für Erwachsene mit Hang zum Ansammeln weißer Sachen. Was ich sehe, inspiriert mich nicht, sondern schreckt mich eher ab. Aber zum Glück sind die Geschmächer da ja ganz unterschiedlich....

Veröffentlicht am 02.04.2018

hilfreich für alle, die auf Anglizismen stehen und noch nie etwas von Vorbereiten oder Vorratshaltung gehört haben

Alles schön vorbereitet
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Die beiden Autoren erklären, wie man sich einfache Mahlzeiten die ganze Woche über zubereiten kann; dabei geben sie im Buch selber an, dass man die Rezepte nicht ganz so ernst nehmen sollte; dem stimme ...

Die beiden Autoren erklären, wie man sich einfache Mahlzeiten die ganze Woche über zubereiten kann; dabei geben sie im Buch selber an, dass man die Rezepte nicht ganz so ernst nehmen sollte; dem stimme ich unbedingt zu. Der Gedanke an sich, dass man am Wochenende einen groben Speiseplan für die nächste Woche erstellt wird jetzt für die meisten nicht ganz so revolutionär daherkommen – viele nutzen dafür die Sonderangebotsblätter, die als Werbung den zum Wochenende verteilten Stadtteilzeitungen beiliegen. Das wurde hier auch gar nicht thematisiert, sondern vielmehr liegt diesem Buch die Idee zugrunde, am Wochenende, an dem man endlich mehr Freizeit hat als in der Woche, das Essen für die nächste Woche vorzubereiten und den Kühl-, Vorrats- sowie Gefrierschrank so voll zu bestücken, dass man stets einfach nur hineinlangen kann und nicht auf Fertigprodukte zurückgreifen muß.

Da wird Obst kleingeschnibbelt und in Einzelbeuteln eingefroren um Smoothies schnell herzustellen; diese Gefrierbeutelportionen nennen sich dann „Smoothie Prep Packs“, auf Vorrat selbst zusammengemischtes Müsli heißt nun „Home Granola“ und das seit Langem beliebte Bananenbrot wird hier als Cookies gebacken. Fertigsuppen stellt man durch Schichten von kleingeschnittenem Gemüse und Trockennudeln selber auf Vorrat her und dort sollte auch immer Pesto, Guacamole, eingekochte Gemüsemischungen, Dressings oder Croutons vorbereitet stehen, damit man an den Wochentagen daraus schnell eine Mahlzeit zaubern kann. Als weiteres Basic wird noch das Erstellen des „Kaffee-Skyr Smoothie Packs“ beschrieben, für den man Skyr und Kaffee jeweils in Eiswürfelformern einfriert – und schwupps an Wochentagen damit ganz schnell einen Smoothie mixen kann. Neben der Abbildung des Glases mit eben einem solchen Smoothie ( S. 55) kann man lesen „Cooler Drink – cooles Buch“, wobei diese Eigenwertung nicht ganz meiner Ansicht und meinem Geschmack entspricht.

Neben den Basics gibt es auch Rezeptfolgen, bei denen man aus einem extra mehr und deshalb übriggebliebenen Essen in Kombination mit anderen am Sonntag hergestellten oder eingelagerten Lebensmitteln ( z.B. vorgekochten Nudeln, Reis, Salatblättern, Tortillas, Burgerbrötchen u.v.m.) ratzfatz was zu Essen auf den Tisch, in eine der vorgestellten Lunchboxen, Gläser, Dosen.... zaubern kann.
Beispielsweise kann man am Sonntag eine große Portion des „meal Prep goes Gourmet“-Rezeptes „Indoor BBQ – Pulled Pork“, altbewährt im Backofen zubereiten und es am Sonntag mit BBQsauce essen, den Rest dann in Portionsbeuteln für die Woche bereithalten: einmal mit Krautsalat, einmal im Wraps gewickelt, einmal als Kartoffelpie überbacken mit Kartoffelpüree, einmal als Rührei mit Pulled Pork. Die nächste Rezeptreihe widmet sich dann Pulled Chicken, pur, im Burgerbrötchen, im Wrap.... es gibt auch noch eine Serie mit Roastbeef: sonntags pur, dann als Roastbeefröllchen mit Mango,auf einem Sandwich mit Feige, als Roastbeefpäckchen mit Gorgonzola, in Scheiben mit geröstetm Gemüse sowie einzelne Suppenrezepte.

Das Buch wurde schön gestaltet, zu den Rezepten finden sich jeweils professionelle Fotos. Manche Rezepte fand ich ausgesprochen anstrengend zu lesen, besonders wenn die Schrift filigran weiss auf hellgrauem Untergrund wenig Kontrast bietet. Ich muß gestehen, dass ich für mich kein neues Rezept gefunden habe und davon ausgehe, dass jeder, der sich selber bekocht Übriggebliebenes an Folgetagen zu weiteren Mahlzeiten zubereitet – und nicht, dass er es entsorgt um sich von Fastfood zu ernähren. Die Strategie am Sonntag stundenlang in der Küche zu stehen um für die Woche Mahlzeiten vorzubereiten, finde ich wenig reizvoll; da weiß ich meine Freizeit schon besser zu verbringen und freue mich dann im Laufe der Woche lieber über frisch zubereitetes, das nicht schon seit Tagen im Kühlschrank auf seinen Einsatz lauert. Für mich erscheint es auch wenig erstrebenswert, eine Woche lang täglich Pulled Pork zu essen oder anderes mehrere Tage hintereinander ähnliche. Die Planung der Mahlzeiten für ein paar Tage im Voraus war schon immer sinnvoll und ist auch keine wirklich neue Idee, auch nicht mit den vorgestellten Rezepten. Für mich persönlich weiß ich eine frische Zubereitung der Mahlzeiten weitaus mehr zu schätzen und, wenn man über ein wenig Routine verfügt, läßt sich das auch schnell bewältigen. Nudeln lassen sich auch nebenbei kochen, das muß ich nicht schon am Sonntag auf Vorrat.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, für wen dieses wirklich schön aufbereitete Buch tatsächlich eine Hilfe sein sollte, denn wer braucht schon Rezepte, wie er ein Brötchen oder Wrap belegt und aus den seit Jahren angesagten Zutaten Smoothies mixt? Mir scheint, dass sobald man nicht mit kernigen Anglizismen geizt, etwas zwangsläufig zum neuesten Trend erklärt wird.

Veröffentlicht am 25.11.2017

Alles neu macht... das Wort "Lagom"

Lagom
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Lagom, das soll die typisch schwedische Lebensweise sein, die besonders glücklich macht. Ich war neugierig darauf, neue Erkenntnisse zum glücklich in Ballance leben zu erhalten, dessen Merksatz lautet: ...

Lagom, das soll die typisch schwedische Lebensweise sein, die besonders glücklich macht. Ich war neugierig darauf, neue Erkenntnisse zum glücklich in Ballance leben zu erhalten, dessen Merksatz lautet: „Nicht zu wenig, nicht zuviel, gerade recht.“
Genau mit diesem Eindruck hielt ich das Buch zum ersten Mal in den Händen: es handelt sich um ein Hardcover, ungefähr in Taschenbuchformat, reichlich bebildert und sehr kreativ gestaltet: Die Seiten werden von Fotos, einfachen Bildern, Texten, Textkästchen, Tippboxen und auch Rezepten ( z. B. Zimtschnecke, Holundersirup, Käsequiche) geziert. Häufig sind Texte auflockernd farbig unterlegt, leider manchmal so dunkel, dass es anstrengend wird, den Text zu lesen.
Die schwedische Art zu leben und alles leicht und glücklich zu nehmen wird an vielen Beispielen erläutert: Viele Schweden arbeiten „nur“ sechs Stunden am Tag ( kenne ich bei uns auch, nennt sich hier „Teilzeit“) und machen etliche kreative Kaffeepausen, pünktlich Feierabend – manchesmal sogar früher, aber dann weiß der Chef: Schweden machen das nur, wenn die Arbeit getan ist. Entsprechend dem Grundsatz „Nicht zu wenig, nicht zuviel, gerade recht“, der sich durch das ganze Buch zieht, erfährt man, dass die Schweden nicht den Geiz preisen, sondern die Verschwendung verurteilen; es geht um bewußten Konsum, Zugehörigkeitsgefühl, Umweltbewußtsein, die Wichtigkeit sozialer Kontakte und eines Hobbys, Achtsamkeit, Maßhalten, Entrümpeln – und immer wird klargestellt, dass das alle Schweden machen, z.B. Picknick lieben, bei dem jeder etwas mitbringt oder Resteessen, bei dem alles zusammengeschnibbelt wird, was sich im Kühlschrank findet oder mit dem Fahrrad fahren um die Umwelt zu schonen oder abends nicht auszugehen, sondern sich mit Freunden oder Nachbarn zu treffen, gemeinsam zu kochen oder zu essen, wobei auch hier wieder jeder etwas mitbringt. Schweden lieben Schrebergärten mit eigenem Gemüseanbau und Kräuteranzucht auf dem Balkon; umweltbewußte Schweden kaufen auch Secondhand oder leihen sich etwas, was sie nur selten brauchen oder setzen auf Kaufstopp. Urlaub macht man lagom im Wohnwagen und auch sonst versucht man nicht zu übertreiben. Spazierengehen im Wald, Schneeballschlacht oder andere Aktivitäten in der freien Natur machen Spaß, sind gesund und kosten nichts; Plastikmüll soll vermieden werden und man kann sogar in Unverpacktläden einkaufen; man sollte einen Knopf annähen können und, wenn man sich steigert kann man sogar seine Kleidung ändern. Das ist nur ein Auszug der Tipps, die dann noch ergänzend erklärt werden, manchmal angereichert mit Statistiken, die belegen sollen, warum die Schweden das alles so einzigartig und toll machen – und immer wieder der Hinweis, dass alle Schweden das so machen – und wenn nicht, dann sind die Schweden eben auf dem besten Weg dahin, dass alle es so entspannt angehen.
Ich hatte schon den Eindruck, selber in Schweden zu leben, so alltäglich kommt mir dieses „neue Lebensgefühl“ vor; doch dann gibt es auch Unterschiede zu entdecken, die mich verwundern. Da wird von Ikea berichtet, die Möbel herstellen, die alle Schweden lieben, denn sie entsprechen genau dem, was das Leben so vereinfacht, werden umweltbewußt und ohne Abfälle hergestellt. Zudem wird die hohe Qualität der Ikea-Möbel sehr gelobt, da sie ein Leben lang halten. Nicht nur dieser schwedische Möbelkonzern, sondern auch eine äußerst umweltbewußte, schwedische Bekleidungskette wird lobend erwähnt: H&M nimmt jetzt sogar Altkleidung gegen Einkaufsgutscheine zurück. Bei diesen beiden Firmen verfüge ich eindeutig über eine andere, weitaus kritischere Sicht, die ich gar nicht vereinfachen möchte. Immer wieder liest man in diesem Buch auch, wie gerne Schweden Regeln von oben auferlegt bekommen und sich freuen, dass sie es ohne viele eigene Entscheidungen leichter haben. Das liest sich für mich so wie mit den Schotten, die alle geizig sind und schürt nur Vorurteile, Klischees und den Eindruck von kritikloser Masse.
Es gibt noch andere Beschreibungen, die mich irritiert zurücklassen, z.B. „Lördagsgodis - die Samstagsbelohnung“: „Es hat in Schweden Tradition, am Samstag Einkaufstüten mit Süßigkeiten vollzufüllen, um sie dann alle auf einmal aufzuessen.“ ( S.67). Das wird aufgeführt als Beispiel des Maßhaltens, weil dies ja nur an einem Tag in der Woche landesweit praktiziert wird, genau wie Freitagabend alle Schweden in Jogginghosen auf dem Sofa sitzen, Fastfood und Knabbereien essen und dabei fernsehen. Ist halt auch bewusster Konsum, muß man nur so nennen und als neues Lebensgefühl definieren. Sehr niedlich finde ich die schwedischen Worte, die für alle möglichen Ideen, Kaffeetrinken, Ansichten und Traditionen mit aufgeführt werden und die ich vorher noch nicht kannte. Trotzdem waren für mich in diesem Buch nicht wirklich neue Ideen für das ausgerufene Lebensgefühl enthalten; das hat man doch alles schon gelesen, allerdings nicht unter dem Begriff „Lagom“, verbunden mit dem Hinweis, dass es der neue Trend aus Schweden wäre. Die Buchgestaltung ist nett und kreativ.

Vielleicht finden andere in diesem Buch neue Ideen oder werden an gute Vorsätze erinnert.