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Veröffentlicht am 01.05.2018

Entmythologisierung der Ulrike Meinhof, den 68ern und der RAF

„Die RAF hat euch lieb“
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Bettina Röhl, eine der 1962 geborenen Zwillingstöchter des Ehepaares Klaus Rainer Röhl ( Herausgeber des linken Blattes „konkret“) und Ulrike Meinhof, beschreibt, wie sie als Kind in ihrer Familie und ...

Bettina Röhl, eine der 1962 geborenen Zwillingstöchter des Ehepaares Klaus Rainer Röhl ( Herausgeber des linken Blattes „konkret“) und Ulrike Meinhof, beschreibt, wie sie als Kind in ihrer Familie und in ihrem Umfeld die Auswirkungen der 68 und Entstehung und Aktionen der RAF erlebte oder durch ein Puzzle vielfältiger Textquellen zusammensetzte. Sie selbst gibt an, dass ihr kaum Fotos, Briefe oder andere Unterlagen geblieben waren und, dass sie vieles in diesem Buch Geschriebene anhand ihr ausgehändigter Anwaltsakten, Briefe und Dokumenten sowie selbst geführter Interviewas mit damals tätigen Anwälten und Weggefährten ihrer Eltern akribisch zusammengefügt hat, was auch durch die 439 angehängten Quellenangaben deutlich untermauert wird.

Ihr Buch ist gegliedert in drei große Kapitel ( 1. Auf dem Höhepunkt von 68, 2. Die Entstehung der RAF, 3. Mythos Meinhof sowie zwei Essays.

Bettina Röhl stimmt zunächst ein in die Zeit der 68er, in der Drogen und wilde Musik zu überbordernden Protestphantasien und politischer Selbsterhöhung geführt hätten. Sie beschreibt die dunklen Begleitumstände der Kulturrevulotionen, die als Vorbilder dienten und in Umerziehungslagern zu Massenvernichtung führten und deren Anstreben sie als Horrorvision empfindet. Energisch betont sie, dass man schon sehr naiv sein mußte, um dieses auszublenden und als Ideal anzustreben. Sie beschreibt die 60er Jahre als eine Zeit, in der Protest in Mode kam und man sich in den folgende Jahren immer mehr einfallen lassen mußte, um in den Protest-Charts plaziert zu sein, so wie beispielsweise Gudrun Enslin und Andreas Baader mit ihrem Kaufhausbrand. Wichtig ist der Autorin immer wieder an die Opfer solcher Anschläge und Tötungen zu erinnern, die ihrer Meinung nach leider viel zu wenig bis gar keine Beachtung in der Öffentlichkeit fanden, ganz im Gegensatz zu den „Berufsrevolutionären“, denen ihrer Meinung nach von Beginn an viel zu viel durchgehen gelassen wurde. Im Alter von sechs Jahren liebte sie alles Bürgerliche, das ihre Mutter nun bekämpfte...

Selbstverständlich handelt es sich um eine persönliche Darstellung der Zeit, die auch gleichzeitig ein Stück ihrer eigenen Biographie enthält. Sehr interessant fand ich unter anderem die von ihr beschriebenen Erziehungsstrategien und Maxime in ihrer frühen Kindheit, als sie mit ihrer Schwester und Mutter in Berlin lebte, beispielweise die Statements zu Kleidern, langen Haaren oder Vorkommnissen im Kinderladen, die Entführung nach Sizilien sowie die abgewendete Abschiebung in ein palästinensisches Waisenlager mit Waffenausbildung. Auch die ausführliche Korrespondenz der Ulrike Meinhof an ihre Anwälte und die einzelnen Briefe an ihre Kinder aus ihrer Haft heraus, ihre Gedanken und weiterentwickelten Pläne fand ich sehr aussagekräftig.

Zu Beginn des Buches hatte ich den Eindruck, dass Bettina Röhl mit harter Wortwahl, viel Wut und Hass mit ihrer Mutter und ihren politischen Begleitern abrechnet und bei vielem hatte ich vorher einen anderen Eindruck. Doch mit der Zeit wurde der Ton ruhiger und sachlicher und ihr Bemühen, den Mythos Ulrike Meinhof, die ihrer Meinung und Darstellung nach zur Ikone und Märtyrerfigur der Linken stilisiert wurde, hat sie sehr ausführlich, reichlich belegt, klar dargestellt.
Zudem war es ihr ein großes Bedürfnis mit „selbst ausgedachten Fakten“ anderer, um ihre Erlebnisse und Erinnerungen als Buch oder Film gewinnbringend zu veröffentlichen aufzuräumen und richtigzustellen.

Insgesamt fand ich Bettina Röhls Analyse und Teilbiographie bis ins Jahr 1974 äußerst interessant und aufschlußreich und empfehle es unbedingt weiter.

Veröffentlicht am 25.04.2018

schönes, reichlich bebildertes Buch mit konkreten Anleitungen und ganz viel Inspiration....

Zweite Chance für Kellerfunde
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Der Autor Max McMurdo arbeitet als britischer Designer mit eigener Upcyclingfirma ( Reestore) und Fernsehsendung, in der er eigene Design-Projekte vorstellt, beispielsweise einen Schreibtisch aus Flugzeugteilen. ...

Der Autor Max McMurdo arbeitet als britischer Designer mit eigener Upcyclingfirma ( Reestore) und Fernsehsendung, in der er eigene Design-Projekte vorstellt, beispielsweise einen Schreibtisch aus Flugzeugteilen. Im Buch wird deutlich, dass er auch Auftragsarbeiten in Serie durchführt, wie 300 Wannen-Stühle aus alten Badewannen.

Nach seiner Einführung in die Grundlagen des Upcyclen, in denen er unter anderem auf gute Qualität beim Ausgangsmaterial setzt ( also keine Spanplatten!), stellt er 20 Upcycling-Projekte
vor, deren Arbeitsschritte er schrittweise erklärt, ergänzt durch reichlich Fotos, die die einzelnen Arbeitsschritte aufzeigen. Die einzelnen Anleitungen finde ich ausgesprochen gut gelungen und leicht verständlich, also perfekt um die einzelnen Arbeitsprozesse nachzuvollziehen und evtl. nachzuarbeiten.

Unterteilt in die Kapitel: Möbel, Stauraum & Deko, Licht und Accesoires sowie Werkzeug & Techniken erhält man viele Beispiele, Anregungen, Anleitungen und jede Menge Tipps und Tricks – nicht nur zur Verarbeitung, sondern auch zur Materialbeschaffung.
Sehr gut gefällt mir die Anleitung zum Auseinandernehmen der Paletten und auch die Tipps, wo man diese günstig oder vielleicht auch kostenlos erhalten kann. Allerdings fehlt mir in diesem Zusammenhang schon der Hinweis, dass die Paletten wegen ihrer kurzen Nutungsdauer meist nicht gegen holzfressende Schädlinge behandelt wurden und man sich mit diesen Paletten auch eine Überraschung oder Gefahr für seine restlichen Holzmöbel mit einschleppen kann.

Unter den vorgestellten Projekten befinden sich unter anderem Couchtische, Sitzgelegenheiten, Regale, Lampen; mein Favorit ist der Schubkarrensessel mit Kunstrasenpolster. Gerade die verschiedenen Materialien und Techniken bieten eine große Vielfalt so dass man, auch wenn man die Werkstücke nicht wirklich nacharbeiten möchte, jede Menge Inspiration für eigene Upcycle-Stücke erhält. Die Tricks und Techniken zum Ende des Buches bieten auch jede Menge Hilfe um eigene Projekte fertigzustellen.

Veröffentlicht am 25.04.2018

verschiedene Aspekte fundiert und sehr humorvoll durchleuchtet

Wollen wir ewig leben?
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Barbara Ehrenreich hat sich in zwölf Kapiteln mit unterschiedlichem Schwerpunkten dem Altern samt unterschiedlichen Strategien und Mitteln möglichst alt zu werden, auseinandergesetzt.
Zum einen durchleuchtet ...

Barbara Ehrenreich hat sich in zwölf Kapiteln mit unterschiedlichem Schwerpunkten dem Altern samt unterschiedlichen Strategien und Mitteln möglichst alt zu werden, auseinandergesetzt.
Zum einen durchleuchtet sie, welche Kontrolle wir dafür ausüben und wie sinnvoll das alles ist, z.B. die mittlerweile häufig diskutierten Vorsorgeuntersuchungen, bei denen entdeckte Ergebnisse Operationen nach sich ziehen, obwohl in den meisten Fällen die mögliche Erkrankung das Leben eher nicht verkürzt hätte, vielleicht noch nicht einmal in bedrohlichem Maße ausgebrochen wäre ( beispielsweise bei Brustkrebs- oder Prostatavorsorge). Zudem beschreibt sie modische Zwänge, denen man sich der Gesundheit und des langen Lebens willen unterwirft, obwohl die Wirkung nicht belegt ist, sei es unter anderem durch Fitnesskultur, neueste Ernährungstrends, die neue Achtsamkeit.
Barbara Ehrenreich betrachtet nicht nur die Aspekte des Alterns, sondern zeigt auch eine andere Sichtweise gegenüber Krankheiten, Abnutzungserscheinungen und Entzündungsaltern auf, in der der Körper sich langsam selber bekämpft und dem Ende zuführt. Besonders interessant fand ich in diesem Zusammenhang auch Ihre ausführlichen Erläuterungen einiger der vielfältigen Wirkungsweisen von Makrophagen sowie paradoxen Effekten bei Immunzellen.

Sowohl ihren Schreibstil als auch ihren feinen, manchmal auch recht bissigen aber niemals plumpen Humor habe ich genossen; selbst sehr ernste Themen und Aspekte hat sie für den Leser so als fast leichte Kost dargeboten. Die vielen verschiedenen Aspekte hat sie abwechslungsreich dargestellt; gerade dieser Wechsel zwischen anspruchsvollem Sachtext, humorvoller Darstellung und Auseinandersetzung mit verschiedenen Texten, beispielsweise von alten Philosophen, fand ich äußerst ansprechend und fesselnd.

Veröffentlicht am 13.04.2018

intensiv, tiefgründig und bewegend - - meine absolute Leseempfehlung

Flüchtige Seelen
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Janie arbeitet als Neurologin in Montreal; als ihr Freund, Mentor und Arbeitskollege Hiroji plötzlich verschwindet, macht sie sich auf die Suche nach ihm und ihrer eigenen Vergangenheit.
Beide haben während ...

Janie arbeitet als Neurologin in Montreal; als ihr Freund, Mentor und Arbeitskollege Hiroji plötzlich verschwindet, macht sie sich auf die Suche nach ihm und ihrer eigenen Vergangenheit.
Beide haben während der Revolution der Roten Khmer ihren Bruder verloren, aus ihren Augen, aber nicht aus ihrem Leben. Immer wieder haben sie in den Gesichtszügen anderer, in Träumen oder Erinnerungen den Bruder erkannt und schmerzlich vermißt.
Herojis Bruder war damals als Arzt mit dem Roten Kreuz in Kambodscha, Janie, die damals Mei hieß und als Kind zu einer Pflegefamilie in die USA verschifft wurde, hat eigene Erinnerungen an diese Zeit.

Madeleine Thien erzählt in ihrem Roman „Flüchtige Seelen“ diese Erinnerungen aus verschiedenen Perspektiven, von unterschiedlichen Leuten, vom Vertreiben aus der Heimatstadt, den Erziehung-, Schulungs- und Arbeitslagern, Befragungen durch das „Amt für Sicherheit“, Hinrichtungen, von Kindersoldaten und der Ohnmacht, selber in dieser Situation etwas zu verändern, davon, wie man mit Hunger verzweifelt versucht, zu überleben - wenn es nicht anders geht, Morde begeht um sich selber zu retten, das langsame Abstumpfen bis zur Aufgabe der eigenen Identität, denn bei den wiederholten Befragungen nach dem Lebenslauf, war es überlebenshilfreich, sich eine neue Identität auszudenken, vorzugsweise als Vollwaise.

Ganz ohne reißerische, blutige Szenen, sondern eher poetisch, immer wieder mit vielen wunderschönen, tiefsinnigen Sätzen beschreibt die Autorin, wie die politische Säuberung unter Pol Pot die Menschen in Kambodscha verändert hat, wie sie damals die Dinge sahen und mit den Folgen umgehen. Sehr interssant fand ich die Frage der Betroffenen, wieviele Leben sie gelebt haben und das Problem, die eigene Identität zu begreifen und ohne Schuldgefühle weiterzuleben, nicht nur wegen eigener Taten, sondern auch wegen des Gefühls, die Familie zurückgelassen zu haben, wenn man gerettet und in Sicherheit war. Die Beschreibungen der Träume und Sichtweisen, dass die Vermissten endlos in uns weiterleben, dass man die Vergangenheit loslassen muß um weiterleben zu können, dass je weiter man flieht, der Heimweg umso länger wird, haben mich sehr beeindruckt, genauso wie die Beschreibungen der Versuche danach Normalität herzustellen, beispielsweise mit zusammengefundenen neuen Familien.

Ganz leise, durch kleine Szenen, häufig auch einfach zwischen den Zeilen, erzählt Madeleine Thien eine zeitlose Geschichte über eine Revolution, die ursprünglich eine bessere Welt für alle im entsprechenden Land bringen sollte, den wütenden Krieg samt Massenvernichtung und seiner Folgen auch für spätere Generationen; ein Thema, das eigentlich immer aktuell ist und sehr zum Nachlesen und -denken auffordert. Das Buch ist so fesselnd geschrieben, dass man es kaum aus der Hand legen möchte - und doch mußte ich es zwischendurch, um mich online über Einzelheiten weitergehend zu informieren.

Für mich war dieses ein ganz besonderes Buch, dem ich, wenn die Möglichkeit bestünde, mehr als fünf Sterne geben würde.

Veröffentlicht am 11.04.2018

vielfältige Rezepte von süss bis herzhaft

Das große kleine Buch: Strudel und Striezel
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Zunächst gibt Elisabeth Ruckser gibt kurze Einblicke in die Geschichte und Tradition des Strudelbackens samt der verschiedenen verwendeten Teigsorten und erklärt, ausreichend bebildert, das Flechten des ...

Zunächst gibt Elisabeth Ruckser gibt kurze Einblicke in die Geschichte und Tradition des Strudelbackens samt der verschiedenen verwendeten Teigsorten und erklärt, ausreichend bebildert, das Flechten des Sechsstragzopfes sowie das Ausziehen des Strudelteiges.
Danach folgen 18 abwechslungsreiche Rezepte für verschieden Strudel, mal süß, mal herzhaft, mal gebacken und mal gedämpft, als längliche Rolle oder auch zu einer Schnecke eingedreht. Unter den verständlich erklärten und gut nachzuarbeitenden Rezepten finden sich Klassiker wie Millirahmstrudel oder der klassische Apfelstrudel, aber auch für mich ganz neue Varianten, mit Bohnen oder Kartoffeln. Zu jedem Rezept gibt es ein Foto des fertigen Strudels, Striezel oder Stollen.
Insgesamt spricht mich die Vielfalt der verschiedenen Rezepte sehr an, auch, dass man mit eigenen Resten die Füllungen individuell variierench, dass man mit eigenen Resten die Füllungen individuell variieren und kreativ werden kann.