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Veröffentlicht am 17.03.2017

Toller Schmöker

Die amerikanische Nacht
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Ashley Brett Cordova stirbt mit gerade einmal 24 Jahren. Tot in einer verlassenen Fabrikhalle Manhattans. Sie ist die Tochter des berühmt - berüchtigten Regisseurs Stanislas Cordova, der von seinen Fans ...

Ashley Brett Cordova stirbt mit gerade einmal 24 Jahren. Tot in einer verlassenen Fabrikhalle Manhattans. Sie ist die Tochter des berühmt - berüchtigten Regisseurs Stanislas Cordova, der von seinen Fans geradezu kultisch als Meister des Horrogenres gefeiert wird. Scott McGrath, ein Journalist, der seit einem Rechtsstreit mit Cordova beruflich ruiniert ist, beginnt mit zwei zunächst völlig Fremden im Fall Ashley Cordova zu ermitteln, undercover natürlich.
Hat womöglich Inez Gallo, die Assistentin des Filmemachers, etwas mit dem Fall zu tun? Und warum ist "Stan" seit Jahren untergetaucht? Fragen über Fragen, der Fall wird immer geheimnisvoller, je tiefer McGrath gräbt...

Ich konnte das Buch buchstäblich nicht mehr aus der Hand legen, es ist wirklich ein pageturner. Aber kein Fantasyroman. Eher ein Genremix. Ich habe mich immer auf' s Weiterlesen gefreut und kann für diese heimliche Liebeserklärung an NY guten Gewissens 5 Sterne geben.

Ein paar kleine Kritikpunkte habe ich dennoch:

Idee und Plot sind nicht wirklich originell und erinnern ein wenig an Roszaks "Schattenlichter".
Pessl hat ein Faible für Vergleiche und similees, und dass so gut wie jede Figur in Vergleichen und Bildern spricht, nicht nur der Ich - Erzähler, ist in meinen Augen nicht so gut gelungen. Fast wirkt der Roman hier und da ein wenig selbstverliebt.

Außerdem findet Pessl einfach kein Ende - ich habe das
vermeintliche Ende viel passender als den offenen Schluss empfunden. Ein wenig Straffung hätte der Geschichte gut getan, nach der Mitte gab es eine kurze Passage, die ich doch als etwas langatmig geschrieben empfand.

Sehr gut gefiel mir aber die Hommage an New York, und auch die patchworkartigen Einsprengsel, collagenhaft, konnten mich überzeugen.

Alles in allem - tolle Unterhaltung.

Ich habe mich auch gefragt, wer wohl reale Inspirationsquellen gewesen sein könnten: Asia Argento (Ashley Cordova) ? Hitchcock, Bunuel, Martin Scorsese, Klaus Kinski, Werner Herzog, Fassbinder gar ?

Ein Buch nicht nur für Cineasten!

Veröffentlicht am 16.03.2017

Tiefgründig und unterhaltsam

Die seltsame Reise mit meinem Bruder
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Nachdem sie das Studium geschmissen hatte, zog Nelly Schrader von der deutschen Provinz nach Hamburg, um sich mit ihrem eigenen Unternehmen selbständig zu machen. Ihre kleine Cateringfirma "Pausenbrot" ...

Nachdem sie das Studium geschmissen hatte, zog Nelly Schrader von der deutschen Provinz nach Hamburg, um sich mit ihrem eigenen Unternehmen selbständig zu machen. Ihre kleine Cateringfirma "Pausenbrot" hat einen Angestellten, den Inder Ashok, und der Stullen vertickende Foodtruck läuft gut, bis sich die Konkurrenz anmeldet, ebenfalls mit einem Foodtruck, und Nelly das Geschäft vermiest.

Zu allem Überfluß soll Nelly auch noch zuhause auf ihren gehandicapten Bruder Nils aufpassen, obwohl sie mit ihrem Umzug so viel Distanz wie möglich geschaffen hatte. Doch da die Mutter im Krankenhaus liegt, stellt sich Nelly höchst widerwillig der Aufgabe.

Und dann geht's ab nach Großbritannien, denn Nelly & Nils sind zur Hochzeit ihres Cousins eingeladen, und langsam , aber sicher findet bei Nelly ein Umdenken statt, denn ein sympathischer Schotte bringt sie ins Grübeln...

Stil und Sprache haben mir unheimlich gut gefallen, die eingefügten Rezepte liessen mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Auch Nils' Postkarten fand ich spitze. Die ersten zwei Drittel des Buches fand ich fantastisch, das letzte aber deutlich schwächer.

Anfangs hütet sich die Autorin vor Kitsch und Banalitäten, doch dann wird es doch klischeehaft, es fallen Sätze wie : "Die Liebe ist das Beste, was wir haben. "
Manches am Buch fand ich nicht stimmig : Zum Beispiel, dass Nils 'Krankheit nie genau bestimmt wurde. Man hätte ihm doch die richtige Therapie bieten können im Falle einer genauen Diagnose.
Ergotherapie, Physiotherapie etc.

Dann ist der Küchenzauberer "natürlich" Inder - das gab es in Film und Literatur schon so oft, "Lunchbox" lässt grüßen.

Nellys Beau ist natürlich ein kerniger Schotte, der - wie könnte es anders sein - ein richtiger Mann ist.
Das Verständnis für Nils bringt er auf, weil auch seine Schwester einen schweren Start ins Leben hatte. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte Nils einfach "grundlos" akzeptiert.

Nelly ging mir anfangs mit ihrer Lamentiererei gehörig auf den Senkel, und doch ist die Figur ein Spiegel des Zeitgeistes.
Ich war dann versöhnt, weil es ein paar richtig starke Szenen gab - etwa, als Nelly die Unmenschlichkeit im Heim nicht geheuer war, oder als sie auf der Hochzeit die Isolation ihres Bruders anprangerte.

Und der offene Schluss war einfach klasse, keine Spur von Kitsch.

Das Buch war mein Sommerhighlight 2015 und ich spreche gerne eine Leseempfehlung aus!

Veröffentlicht am 15.03.2017

Auftakt zu einer Krimireihe

Leo Berlin
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Berlin 1922

Leo Wechsler, ein junger Witwer mit zwei Kindern, ist für die Kriminalpolizei tätig. Seine Schwester Ilse führt ihm seit dem frühen Tod seiner Frau den Haushalt und wohnt mit ihm zusammen. ...

Berlin 1922

Leo Wechsler, ein junger Witwer mit zwei Kindern, ist für die Kriminalpolizei tätig. Seine Schwester Ilse führt ihm seit dem frühen Tod seiner Frau den Haushalt und wohnt mit ihm zusammen.
Merkwürdige Morde geschehen: Ein wohlhabender Wunderheiler, bei dem die feine Gesellschaft der Stadt ein- und ausging, wird erschlagen aufgefunden. Ebenso wird eine abgehalfterte Prostituierte in einem Armenviertel Berlins ermordet.
Leos Instinkt sagt ihm, dass die Fälle vielleicht zusammenhängen, und er soll Recht behalten…

„Leo Berlin“ ist der Auftaktband rund um einen Kommissar, der in der Weimarer Republik lebt und arbeitet. Es ist ein mehr als solider Beginn einer Reihe, und ich habe den Roman richtig gerne gelesen. Die Autorin streift auch die politischen Ereignisse des Jahres 1922 und die soziale Problematik – Arbeitslosigkeit, Inflation, Verelendung.
Sie geht bei ihrer Figurenzeichnung und bei ihren Beschreibungen nicht ins Detail, sodass der Protagonist und die agierenden Personen für mich etwas blaß blieben. Aber da es der Beginn einer Reihe ist, denke ich, dass weitere Feinheiten noch folgen werden.
Der Krimi verzichtet auf Gewaltexzesse und er ist kein Spannungskracher. Dies hat mich aber nicht gestört, weil Gogas ruhige Erzählweise angenehm zu lesen ist.
Auch ist der Roman kein klassisches Whodunit. Für mich war auch der Fall vorhersehbar, dies hat mich aber auch nicht gestört.
Die Lektüre hat mir einfach sehr viel Freude bereitet. Daher vergebe ich für „Leo Berlin“ 4,5 von insgesamt 5 Sternen und spreche für alle, die gerne Geschichten lesen, welche in der Weimarer Republik spielen, eine Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 06.03.2017

4,5 Sterne

Schlafwandler
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Berlin 1932/1933:
„Schlafwandler“ von Grossman ist ebenso wie „Kindersucher“ ein spannender Histo-Thriller.

Hier tut man jedoch gut daran, auch das Nachwort des Autors zu lesen, in welchem er den Text ...

Berlin 1932/1933:
„Schlafwandler“ von Grossman ist ebenso wie „Kindersucher“ ein spannender Histo-Thriller.

Hier tut man jedoch gut daran, auch das Nachwort des Autors zu lesen, in welchem er den Text erläutert. Er räumt ein, viele geschichtliche Ereignisse, die später stattfanden, teils 10 Jahre vorher (!) platziert zu haben, was natürlich völlig ahistorisch ist. Und er erklärt so manche Figur im Roman; dies fand ich sehr spannend. Fakten und Fiktion mixt er jedoch zu einem spannenden Cocktail.
Natürlich können sich auch nicht sämtliche Berühmtheiten Berlins an einem Tag über den Weg gelaufen sein. Stellenweise trägt der Autor einfach arg dick auf.

Worum geht’s?


' Inspektor Kraus ist bei der Berliner Polizei eine Legende. Im Weltkrieg war er ein Held, und nun hat er einen gefährlichen Kinderschänder gefasst. Doch als Jude sieht er die Entwicklung in Deutschland mit größter Besorgnis, zumal er Kontakte zu den höchsten Kreisen hat und weiß, was von Hitler zu erwarten ist. Als in der Spree eine Frauenleiche gefunden wird, ruft man Kraus. Die junge Frau ist schon länger tot. Auffällig sind die Wunden an ihren Beinen. Man hat ihr die Knochen unter dem Knie abgetrennt. Wenig später verschwindet die Prinzessin von Bulgarien aus dem Hotel Adlon, und Kraus erhält von Hindenburg persönlich den Auftrag, sie zu finden. Er glaubt an einen eher harmlosen Kriminalfall – doch er wird auf dramatische Weise eines Besseren belehrt… '

Leider benimmt sich der Protagonist Wilhelm Kraus teils ziemlich out of character, vor allem, als er mit der Prostituierten Paula anbandelt, die als Figur auf ihre „Brüste“ und ihr „neurotisches Kindheitstrauma“ reduziert wird.
Die Liebesszenen lasen sich wie eine schwülstige Altherrenfantasie & sie waren einfach nur peinlich. Ich dachte, plötzlich einen Groschenroman zu lesen; überhaupt gab es ziemlich viel Chauvi – Gequatsche. Frauen und ihre „Beine“. Landei Gunther wurde plötzlich zum Don Juan, der quasi in jedem Hafen eine Braut hatte. Sehr abgeschmackt!
Der eigentliche Fall war aber wieder sehr spannend, obschon für mich ein wenig vorhersehbar. Spitze beschrieben wurde der Untergang der Weimarer Republik, die aufgeheizt-ängstliche Stimmung und das Gebaren der Nazis. Kraus‘ Liebe zu seiner Heimatstadt Berlin wird aber richtig schön beschrieben.
Richtig toll fand ich das Veteranentreffen. Kraus‘ Kameraden aus dem Ersten Weltkrieg liessen ihn nicht im Stich, und mein Liebling Kai spielte auch wieder eine Rolle.
Der Horroranteil ist geringer als in „Kindersucher“, und Vieles, was sich absurd und übertrieben anhörte, wurde von der deutschen Wirklichkeit noch übertroffen, leider. Stichwort: Doktor Mengele.
Trotz mancher Schwächen vergebe ich daher für „Schlafwandler“ von Paul Grossman 4,5 von insgesamt 5 möglichen Sternen, denn der Thriller ist sehr spannend.

Veröffentlicht am 02.03.2017

Packender Pageturner

Kindersucher
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Berlin 1929-30:

Dieser historische Thriller ist nichts für schwache Nerven!
Aber er ist so packend verfasst worden, dass ich das Buch gar nicht mehr beiseite legen konnte. Jede einzelne Seite ist spannend ...

Berlin 1929-30:

Dieser historische Thriller ist nichts für schwache Nerven!
Aber er ist so packend verfasst worden, dass ich das Buch gar nicht mehr beiseite legen konnte. Jede einzelne Seite ist spannend geschrieben, und die Figuren, ob Protagonist oder Nebenfigur, sind spitze charakterisiert und wahrhaft rund. Die Darstellungen sind sehr plastisch, zum Beispiel die eines Veretanenheims für Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Dem Leser bleibt in Sachen Wirklichkeit nichts erspart - gut so! Krieg ist nicht schön und auch nicht glamourös, wie es der Hurra - Patriotismus die Leute vor dem Großen Krieg glauben machen wollte. Grossman beschreibt die Zustände gegen Ende der Weimararer Republik akkurat, ohne zu sie zu Romantisieren - einerseits eine Dekadenz der Eliten, Varietes und Theater in Berlin, andererseits die Witschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Verelendung, Kinderprostituierte auf den Strassen, Kämpfe zwischen "Roten" und "Braunen". Siegeszug der Nazis unter einer Person, die anfangs "nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft" besaß. Joseph Goebbels hat der Autor übrigens gut beschrieben. Beim Lesen musste ich schaudern. Historisch ist der Roman auch wertvoll, wobei sich der Autor am Ende in die Karten schauen lässt, was Fakten und Fiktion betrifft. Gut so, denn ich dachte die ganze Zeit während der Lektüre, dass mir eine berüchtigte Figur seltsam bekannt vorkam :(
Aber worum geht es im Kriminalfall ?

Willi Kraus ist der beste Ermittler in Berlin. Als Jude jedoch wird er von seinen Vorgesetzten schikaniert. Als in Berlin immer mehr Kinder verschwinden und an dunklen Orten seltsame Knochen auftauchen, beginnt Kraus zu ermitteln. Buchstäblich im Untergrund der Stadt findet er eine heiße Spur. Dann aber entzieht man ihm den Fall und protegiert einen anderen Polizisten, der sich als Anhänger einer neuen, angeblich patriotischen Partei erweist. Für Kraus wird die Luft im Präsidium immer dünner. Juden gelten plötzlich wieder als Vaterlandsverräter. Doch dann wird der Mordfall immer monströser - und seinen Vorgesetzten bleibt nichts anderes übrig, als Kraus zurückzuholen...

Kraus als Figur ist unglaublich gut charakterisiert und glaubhaft, ein "runder Protagonist". Als Weltkriegsveteran noch mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet, fällt er zu Beginn des neuen nationalistisch-chauvinistisch-rassistischen Zeitalters nur seiner Wurzeln wegen in Ungnade und kriegt anfangs nicht einmal einen Helfer zugeteilt. Assistent Gunther, den Willi Kraus erst spät bewilligt bekommt, mochte ich auch, und auch eine Figur namens Kai. Doch lest selbst! Der Thriller ist nichts für zart besaitete Gemüter - man muss jedoch auch sagen, dass die NS-Wirklichkeit die im Roman beschriebenen Gräuel eigentlich noch getoppt hat.

Im Roman gibt es absolut keine Längen, alles ist stimmig und perfekt komponiert.


Für diesen spannenden Thriller, in welchem Grossman genau das
richtige Maß zwischen Privatleben und Ermittlungen findet und den Leser nie mit Unwichtigem langweilt, vergebe ich volle fünf Sterne.

Für den packenden Roman "Kindersucher" spreche ich für Thrillerfans mit starken Nerven eine absolute Leseempfehlung aus!