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Veröffentlicht am 03.02.2024

"Wäre ich dann noch ich?"

Demon Copperhead
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„Das haute mich ziemlich um. […] Das Einzige, worauf ich mich hatte verlassen können, war, dass ich ein Idiot war. Und jetzt sollte ich das bisschen, das von Demon noch übrig war, wegschmeißen ...

„Das haute mich ziemlich um. […] Das Einzige, worauf ich mich hatte verlassen können, war, dass ich ein Idiot war. Und jetzt sollte ich das bisschen, das von Demon noch übrig war, wegschmeißen und intelligent sein? Wäre ich dann noch ich?“

Ein Blick in den Klappentext des Romans „Demon Copperhead“ ließ mich sofort an J.D. Vances „Hillbilly – Elegie. Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise.“ denken, da es thematisch durchaus Überschneidungen gibt. (Die Verfilmung der „Hillbilly - Elegie“ ist übrigens sehenswert, Glenn Close verkörpert ganz großartig eine streitbare Matriarchin.) Auch „Befreit: Wie Bildung mir die Welt erschloss“ (“Educated: A Memoir“) von Tara Westover könnte man mit dem Roman vergleichen, da die Wichtigkeit einer guten (Aus)Bildung betont wird, als Schlüssel zur Emanzipation. Natürlich kam mir der Film „Forrest Gump“ ebenfalls in den Sinn.

Doch zurück zu „Demon Copperhead“, das in Kern ein David-Copperfield- Retelling ist:

Ein Ich-Erzähler führt durch das Geschehen. Damon („Demon“) Fields wird als Kind einer drogenabhängigen Mutter in West Virginia geboren (der Vater ist tot), in einem Trailerpark. Als er elf Jahre alt ist, stirbt seine Mutter. Die verarmten Bewohner, die man auch an den Rändern der Appalachen findet, werden oft abschätzig als „White Trash“ oder „Hillbillies“ bezeichnet, obwohl diese Menschen nicht selten einen starken Familiensinn und eine große Hilfsbereitschaft aufweisen. Die abfällige Rede von “flyover states“ ist da nicht hilfreich. Außerdem – sind diese Angehörigen der Arbeiterklasse schuld daran, dass ganze Industrien weggebrochen sind (man denke nur an die ehemalige ‚Motor City‘ Detroit oder den Niedergang der Kohleindustrie)? Nicht jeder kann sich ein kostspieliges Studium leisten, wenn Jobs nach Fernost abwandern, ist die Arbeitslosigkeit vorprogrammiert und das Abrutschen in die Sucht nicht weit - dennoch wird in „Demon Copperhead“ auch die Eigenverantwortung betont, aber eben auch die Schwäche des Turbokapitalismus aufgezeigt, die Gier der Pharmaindustrie, die für die Opioid-Krise in den USA mitverantwortlich ist. Man sollte jedoch nicht den Fehler machen, das Ganze als amerikanisches Problem abzutun. Soziale Ungerechtigkeit gibt es auch in Europa.
Ist Demons Lebensweg vorgezeichnet? Er durchläuft die klassischen Stationen eines Kindes aus der Unterschicht, wechselnde Pflegefamilien und Armut prägen seinen Alltag, natürlich bleibt auch die Drogensucht nicht aus. Aber es gibt auch schöne Momente, bei aller Tragik auch Komik und ein Fünkchen Hoffnung. Das Besondere an „Demon Copperhead“ ist die sprachlich – stilistische Ausarbeitung durch die Autorin Barbara Kingsolver.
Nie driftet die Erzählung ins Kitschige ab, und es ist auch kein Inspirationsklischee, das präsentiert wird. Das Stilmittel des zunächst kindlichen Erzählers, dessen Weltsicht naturgemäß eingeschränkt ist, hat sich in Film und Literatur natürlich bewährt. Trotzdem wirkt es in „Demon Copperhead“ nicht wie ein abgedroschenes Erzählinstrument, und im Coming of Age - Genre bietet es sich natürlich an, nicht einen allwissenden Betrachter sprechen zu lassen.

Fazit: „Demon Copperhead“ ist ein lesenswerter Roman. Komik trifft auf Tragik; daher empfehle ich die berührende Geschichte gern zur Lektüre.

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Veröffentlicht am 28.01.2024

Her name is Luca

Run For Love
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„Du wolltest immer, dass ich schlank werde. Ich will das nicht, denn ich bin gut, wie ich bin.“

Als ein Mann ihre beste Freundin Charly belästigt und die 34jährige Luca dem Widerling eins auf ...

„Du wolltest immer, dass ich schlank werde. Ich will das nicht, denn ich bin gut, wie ich bin.“

Als ein Mann ihre beste Freundin Charly belästigt und die 34jährige Luca dem Widerling eins auf die Nase gibt, wird sie angezeigt und bekommt Sozialstunden aufgebrummt. In einem Jugendhaus soll sie diese abarbeiten. Dort trifft sie auf den Adonis Noel, der neben seiner Arbeit als Betreuer auch als freier Übersetzer jobbt. Luca arbeitet im Marketing – Sektor und sie ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, ein Problem mit ihrem Übergewicht (im Roman ist immer von „Mehrgewicht“ die Rede) hat vor allem ihre toxische Mutter. Luca registriert mit großem Bedauern, dass sich ihre schöne & schlanke Freundin immer mehr von ihr entfernt, sie kämpft im Jugendtreff gegen eine Clique, die ein moppeliges Mädchen mobbt. Als der durchtrainierte Noel Luca küsst, genießt und erwidert sie seine Avancen, aber sie ist heimlich froh, als er verkündet, keine Beziehung zu wollen…

„Run for Love“ hat mich gut unterhalten. Ich fand es klasse, dass Berlin der Schauplatz ist und nicht wie so oft im NA-Bereich ein USA-Traumbild. Ich bin kein Fan von Wokeness, daher fand ich es toll, dass im Roman viele Themen ohne den erhobenen Zeigefinger angesprochen werden: Selbstsabotage, Mobbing, Fatshaming, Mansplaining, Übergriffigkeit und Egozentrik. Auch das Thema Endometriose spielt eine große Rolle. Beim Thema „schlechte Frauenärzte und die Pille als Lösung für alles“ werden auch schlanke Frauen aufhorchen (Ich finde es jedoch schwierig, bei Myomen das Wort „Tumor“ ins Spiel zu bringen). Nina Dias zeigt auf, welchen Einfluss gerade Mütter auf das (negative) Selbstbild ihrer Töchter haben. Auch Misogynie allgemein wird thematisiert, aber es wird auch gezeigt, dass man es beim Thema Gleichberechtigung übertreiben kann, wenn man jedes Hilfsangebot gleich als Machogehabe abtut.
„Run for Love“ bietet die perfekte Mischung aus Unterhaltung und Tiefgang. Stilistisch liest sich das Ganze aber wie eine Wattpad – oder Ao3 – story. Ich fand es unglaubwürdig, dass Luca sofort ohne Komplexe mit dem Sonnyboy Noel herumknutscht (aber später immer wieder über ihren dicken Bauch lamentiert). Ich fand es auch schade, dass die Protagonistin Sport für sich entdeckt und mit dem Joggen beginnt, da die Autorin die Themen Body Positivity, Feminismus und Polyamorie großschreibt. Zwar wird hier die „vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan“ – Schiene nicht bedient, aber es wäre auch okay, wenn die Protagonistin ein couch potatoe wäre.
Es wird die These aufgestellt, dass zwischen Gelenkschäden und Übergewicht kein Zusammenhang besteht. Ich halte diese These für falsch. Das Ende der Geschichte erinnert an einen kitschigen Hollywoodfilm. Das happy ending fand ich aber ganz zauberhaft. Der Roman vermittelt gerade jungen Leserinnen wichtige Botschaften, weswegen ich ihn der Hauptzielgruppe empfehlen würde, obwohl er ein paar stilistische Schwächen aufweist. „Run for Love“ kann mit einer tollen Figurenzeichnung, wichtigen Botschaften und einer spritzigen Handlung überzeugen.

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Veröffentlicht am 22.01.2024

Zwei Frauen

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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„Chani spürte die feste Wölbung von Shulamis vorstehendem Bauch an ihrem eigenen Unterleib und schluckte einen Kloß hinunter.“

Mit „Die Hochzeit der Chani Kaufmann“ konnte Eve Harris einen ...


„Chani spürte die feste Wölbung von Shulamis vorstehendem Bauch an ihrem eigenen Unterleib und schluckte einen Kloß hinunter.“

Mit „Die Hochzeit der Chani Kaufmann“ konnte Eve Harris einen Überraschungserfolg landen, mit „Die Hoffnung der Chani Kaufman“ hat sie nun den Folgeband vorgelegt.
Ich interessiere mich für verschiedene Lebensformen, da in der säkularen Welt eigentlich „anything goes“ gilt – außer für konservative Lebensentwürfe?
Meine Rezension ist formal ein Vergleich. Im ersten Teil der Rezension gehe ich daher auf ein anderes Buch ein, um dann im zweiten Teil „Die Hoffnung der Chani Kaufman“ zu analysieren.

Zum Thema „Orthodoxes Judentum“ habe ich zuletzt „Shmutz“ von Felicia Berliner gelesen. Ich bin keine Jüdin, aber ich habe mich über die Geschichte geärgert, da es nur vordergründig um die Emanzipation einer orthodoxen Jüdin geht:
Raizl ist eine junge Frau, die in Brooklyn lebt. Ihre Familie gehört zum orthodoxen Judentum, da sie einer chassidischen Sekte angehört, die eine strenge Glaubensauslegung praktiziert; verheiratete Frauen tragen Perücken, die Männer natürlich Bärte, Jarmulke und Hut. Raizl arbeitet und geht auf’s College, während sich ihre Brüder (auch durch die finanzielle Unterstützung ihrer Schwester) in Vollzeit der Thora widmen können. Für das Studium der Buchhaltung und des Rechnungswesens macht ihr Vater eine Ausnahme, da er seiner Tochter mit Stipendium erlaubt, einen internetfähigen Computer zu besitzen. Leider wird Raizl süchtig nach Internetpornographie. Im Internet gibt es Frauen aller Formen und Farben, und die Studentin fühlt sich in gewisser Weise verstanden. Auch kann sie ihre verbotene Lust ausleben. Doch sie soll auch heiraten. Unstrittig ist, dass die Geschichte durchweg eine Kritik am Patriarchat transportiert. Große Teile des Romans scheinen aber darauf ausgelegt zu sein, säkulare Lebensentwürfe zu glorifizieren und konservative (bzw. religiöse) Lebensformen zu verdammen.

Auch Eve Harris‘ Roman „Die Hoffnung der Chani Kaufman“ transportiert im Kern eine Kritik am Patriarchat. Anders als in Berliners Erzählung wird in Harris’ Roman tatsächlich die Geschichte von Emanzipation erzählt. Es geht darum, seinen Platz in der Welt zu finden, ohne notwendigerweise alle Brücken hinter sich abzubrechen. Ich mochte die differenzierte, empathische und kluge Herangehensweise der Autorin sehr gerne, auch gelingt es ihr, eine gelungene Fortsetzung zu präsentieren – es geht um zwei Frauen und um ihre Position im orthodoxen Judentum. Frausein zwischen Tradition und Moderne?
Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen, es gibt alternierende Perspektiven, was die Geschichte auch rein formal lesenswert macht.
Schauplatz Jerusalem: Chani Kaufmann ist es gelungen, den Mann ihrer Träume zu heiraten, was in ihrer streng orthodoxen Glaubensgemeinschaft keine Selbstverständlichkeit ist. Seit einem Jahr ist sie mit Baruch happy, nur der Kinderwunsch will sich nicht erfüllen, daher entschließt sich das Paar, nicht nur in Israel sein Glück zu versuchen. Eine Kinderwunschklinik in London soll zum Erfolg führen. Eine „richtige“ Frau muss im orthodoxen Judentum Nachkommen gebären, da der Mann sich sonst problemlos trennen kann (und darf).
Rivka Zilberman hingegen bricht aus dem Korsett der Orthodoxie aus – und das als Frau eines Rabbis! Sie möchte in London ein säkulares Leben führen, „opfert“ dafür ihre Kinder. Im Roman gibt es noch andere Protagonisten, mich hat aber der struggle der Frauen am meisten bewegt. Der Einsatz von jidddischen und hebräischen Einsprengseln in der „Hoffnung der Chani Kaufman“ ist gelungen, über das Glossar habe ich mich sehr gefreut (Bei Berliner wirkt der Einsatz von jiddischer Terminologie zu gewollt).
Meines Erachtens kann man den Roman auch ohne Kenntnis des „Vorgängers“ („Die Hochzeit der Chani Kaufman“) lesen - dieser Folgeband kann auf ganzer Linie überzeugen.



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Veröffentlicht am 18.01.2024

„Und Verlangen nach etwas zu verspüren, ist eine hoffnungsvolle Sache.“

Ein klarer Fall von Schicksal
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„[…] Drittens: Lass dir ganz viel von ihm erklären. Spätestens seit Rebecca Solnit wissen wir alle, dass sie das mögen, aber anders als Rebecca finde ich: Warum dagegen anarbeiten?“
Ein Blick auf das Cover ...

„[…] Drittens: Lass dir ganz viel von ihm erklären. Spätestens seit Rebecca Solnit wissen wir alle, dass sie das mögen, aber anders als Rebecca finde ich: Warum dagegen anarbeiten?“
Ein Blick auf das Cover von „Ein klarer Fall von Schicksal“ von Madeleine Gray weckte mein Interesse. Die Kombination von Umschlaggestaltung und Titel (der einigermaßen hochtrabend klingt) ließ mich einen hochliterarischen Roman erwarten. Bei Beginn der Lektüre war ich dann überrascht, da der Ton der Ich - Erzählerin zwar nicht flapsig, aber auch nicht gewählt ist; der Roman ist dennoch lesenswert – die Schauplätze Australien und Großbritannien gefielen mir gut. Obwohl es im Roman popkulturelle Bezüge gibt, die recht aktuell wirken (ob ältere Leser wohl etwas mit den Hinweisen anfangen können?), und obwohl Queerness eine Rolle spielt, ist der Roman nicht zu woke. Gegliedert ist er in fünf Teile.
Worum geht’s?
Der bisexuelle Millennial Hera ist hochqualifiziert und unterbezahlt, ihre Uniabschlüsse kann sie nicht wirklich in bare Münze verwandeln. Sie wohnt mit ihrem Vater in Sydney, die Beziehung zu ihrer Mutter gestaltet sich schwierig. Als sie in einer Firma für Onlinecontent anheuert, lernt die Mittzwanzigerin den circa vierzigjährigen britischen Journalisten Arthur kennen. Aus Geplänkel am Arbeitsplatz wird bald mehr. Die hochintelligente Hera verliebt sich unsterblich in ihren Kollegen, sie fühlt sich gesehen und geliebt, da auch Arthur von Liebe spricht und beteuert, dass seine Ehe sowieso am Ende sei. Hera ist überglücklich, wenn sie das grüne Icon sieht, welches bedeutet, dass ihr Geliebter online ist…
Nach anfänglicher Skepsis war ich von der Lektüre bis etwa zur Mitte des Buches begeistert, ganz nebenbei werden viele Wahrheiten ausgesprochen und kluge Gedanken geäußert. „Boomer“ versus „Millennials“. Die Figurenzeichnung ist gelungen, ich mochte Heras treue Freundinnen. Nomen est omen - es ist sicher kein Zufall, dass die Protagonistin (die Abbildung ihres Innenlebens war durchaus bewegend) den Namen der griechischen Göttin trägt. Ich fand es spannend, dass die Heldin den Leser direkt anspricht, war aber verwundert, als sie von einem „Tatsachenbericht“ sprach. Die Weisheiten der Protagonistin haben mich oft zum Lachen gebracht.
Ich habe nie verstanden, weshalb Frauen sich dazu herablassen, die zweite Geige zu spielen. Nach der Lektüre von „Ein klarer Fall von Schicksal“ ist es mir klar.
„Ein klarer Fall von Schicksal“ ist eine Geschichte von Emanzipation und Empowerment, wirklich überrascht hat mich das Ende der Erzählung aber nicht. Ich finde auch, dass der englische Originaltitel „Green Dot“ irgendwie ins Deutsche hätte tradiert werden müssen, da die deutsche Wendung „Ein klarer Fall von Schicksal“ falsche Erwartungen weckt. „Green Dot“ ist die Quintessenz der Geschichte.

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Veröffentlicht am 14.01.2024

Dialoglastiger Histokrimi

Paris Requiem
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„Ohne ein Wort tat er so, als nähte er seine Lippen zusammen.“

1940: Das nationalsozialistische Deutschland hat Frankreich unterworfen. Mit dem Verfassungsgesetz vom 10. Juli löst das Vichy ...

„Ohne ein Wort tat er so, als nähte er seine Lippen zusammen.“

1940: Das nationalsozialistische Deutschland hat Frankreich unterworfen. Mit dem Verfassungsgesetz vom 10. Juli löst das Vichy – Regime die Dritte Französische Republik ab, bis 1944 sollte der autoritäre Staat unter Pétain bestehen; es kam zur Kollaboration, aber auch zum Widerstand. Dies zum geschichtlichen Hintergrund von Chris Lloyds historischem Kriminalroman „Paris Requiem“. Es handelt sich hierbei um den zweiten Band der Reihe rund um Inspecteur Eddie Giral. Obwohl ich den ersten Teil der Serie („Die Toten von Gare d’Austerlitz“) nicht gelesen habe, hatte ich bei der Lektüre von „Paris Requiem“ keine Verständnisschwierigkeiten.

Worum geht’s?

Paris wird von mysteriösen Morden erschüttert. In einem abgewrackten Jazzclub wird eine Leiche entdeckt. Die Lippen des Opfers sind zugenäht, und als Édouard „Eddie“ Giral herausfindet, dass der Tote ein Sträfling war, der eigentlich im Gefängnis hätte sitzen müssen, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Cui bono? Giral muss gegen mächtige Gegner antreten und sich durch ein Dickicht von Kollaboration und Intrigen kämpfen…

Ein Ich-Erzähler führt durch das Geschehen. Stil und Sprache sind (wie so oft in dem Genre) nicht kompliziert, daher kann man das Buch relativ zügig lesen; es bleibt die Frage, ob die einigermaßen moderne Sprache (bzw. die deutsche Übersetzung) zu der beschriebenen Ära passt. Der Ansatz des Autors, seine Geschichte im Zweiten Weltkrieg spielen zu lassen, ist natürlich nicht neu. Auch sind manche Motive nicht neu – vernähte Münder gehören in Thrillern fast schon zum Inventar. Logisch, dass Giral traumatische Erlebnisse aus dem ersten Weltkrieg eher verdrängt als verarbeitet hat (man denke nur an Thomas Shelby von den Peaky Blinders oder an Volker Kutschers Gereon Rath). Lloyds Ausarbeitung ist dennoch reizvoll, die kurzen, dialoglastigen Kapitel ließen mich an spannende Filmszenen denken, nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Charaktere mit dem heutigen Wissen vergangene Ereignisse kommentierten. Als Autorin hätte ich die Handlung stellenweise ein wenig gestrafft.
Am besten gefiel mir der historische Hintergrund des Krimis sowie die plastische Darstellung von Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Epoche, auch die Figuren haben durchaus Potential, die Charakterisierung kann mit jedem neuen Band vertieft werden.

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