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Veröffentlicht am 06.12.2023

Spannende Zeit, wunderschön beschrieben

Die Unbestechliche
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Das Cover ist ungewöhnlich, mutig, und graphisch bis ins Detail durchdacht - spricht mich sehr an. Kleiner Makel für den älter werdenden Menschen: die weiße Schrift auf dem dunkelgelben Untergrund säuft ...

Das Cover ist ungewöhnlich, mutig, und graphisch bis ins Detail durchdacht - spricht mich sehr an. Kleiner Makel für den älter werdenden Menschen: die weiße Schrift auf dem dunkelgelben Untergrund säuft etwas ab, aber ich wollte ja auch nicht nur den doch eigentlich sehr ansprechenden Klappentext lesen...
Das Thema ist leider aktueller denn je (Alleinerziehend = schlechterer Job, schlechter bezahlt, drohender sozialer Abstieg, Sexismus im beruflichen Alltag ...). Ein interessanter Ansatz, es in dieser Form umzusetzen, angelehnt an verschiedene berufliche Erfahrungen Maria von Welsers und in die 60er und 70er Jahre situiert. Maria von Welser arbeitet in einem von ihr verfassten Epilog heraus, welche Anteile des Romans tatsächlich ihre damalige persönliche Situation wiedergeben und welche Anteile der Handlung und der Protagonistin - Alice - von der Autorin, Waltraud Horbas, schlicht erfunden und liebevoll in Szene gesetzt wurden.
Die Zeitungsmeldungen gleich zu Beginn lassen erkennen, dass nicht nur Sexismus und Frauenrechte heute noch genauso aktuell sind. Es ist schlicht erschreckend, wie viele der damaligen "Themen" bis jetzt unsere Gesellschaft prägen, wie bewusst z.B. damals seitens der Springer-Presse Ängste geschürt werden um politische Abläufe zu beeinflussen. Die Rolle der Presse und die auch damals betriebene Desinformation wird über die einfache Sprache einer beharrlichen jungen Frau sehr schön vermittelt. Das betrifft das Engagement und den Ethos, mit dem damals Journalismus betrieben wurde und der heute zum Glück noch einen hohen Stellenwert hat aber eben (nicht nur) von "Click-Zahlen" und durch die vielen scheinbar lesenswerteren Influencer und Trolls gefährdet wird.
Alice versucht weiterzukommen, sie reibt sich an der damaligen Realität der Zeitungsmacher und der Antrieb ist spürbar: welche Themen werden in einem Lokalblatt publiziert und wie komme ich aus dieser Misere raus - wie gelingt es mir, tatsächlich die Gesellschaft in ihren vielen Nuancen mitzugestalten.
Alice ist eine sympathische junge alleinerziehende Frau mit durchaus auch sehr eigenwilligen Eigenschaften. Ihr Spagat zwischen Lebensfreude, Träumen und der harten Realität, um ihr Kind und sich selbst über Wasser zu halten, wird im weiteren Text klug herausgearbeitet. Der zugleich erkennbare hohe Anspruch von Alice, journalistisch aktiv zu werden und Themen zu gestalten machen während des Lesens sehr, sehr neugierig auf die folgenden Seiten des Romans - man möchte mehr über diese junge Reporterin und ihren Werdegang lesen, auch wie sie die private Situation meistert. Sprachlich ist der Roman schön und klar geschrieben. Kompliment an die Autorinnen, ich halte den Roman für unbedingt lesenswert und werde ihn weiterempfehlen!

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