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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.02.2022

Ein Highlight meines Lesejahres 2022

Single, weiblich (50) sucht Mutter...
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Es ist eine außergewöhnliche Suche, die für Esther so wichtig erscheint. Nicht nur die Tatsache, dass sie alle Brücken hinter sich abbrach und in einem abgelegenen Ort nach Ruhe suchte. Nein, gleichzeitig ...

Es ist eine außergewöhnliche Suche, die für Esther so wichtig erscheint. Nicht nur die Tatsache, dass sie alle Brücken hinter sich abbrach und in einem abgelegenen Ort nach Ruhe suchte. Nein, gleichzeitig die Suche nach Geborgenheit, veranlasste sie dazu. Das Ziel ihrer Wünsche ist nämlich nicht so, wie sie sich das vorstellte. Sie lernt ihre Nachbarin Pia näher kennen und beginnt eine Mailkorrespondenz mit einer ihr völlig Unbekannten. Dass sie auf diesem Weg ihr Inneres nach außen kehrt, liegt wohl daran, dass sie ihr Gegenüber nicht sieht. Ich kann auch mein Herz viel leichter „ausschütten“, wenn ich den Gesprächspartner nicht anschaue.

Ein Buch, das mich noch immer beschäftigt, obwohl bereits etliche Tage nach dem Lesen vergingen. Zunächst gibt es da die Frage, warum eine Frau nach einer „Mutter“ sucht. Was geschah zwischen ihr und der Frau, die sie geboren hat? Beim Lesen der Ereignisse, die dazu führten, habe ich tatsächlich geweint. So hart waren die Fakten und zudem wurden einige Trigger in mir hervorgerufen, die schmerzhafte Erinnerungen enthalten. Die Vorfälle schreiben die Autorinnen so realistisch, dass ich sie in den Arm nehmen und trösten wollte.

Und dann gibt es noch die anderen Momente beim Lesen. Nämlich jene, die mich lauthals lachen ließen. Beides, sowohl Leid als auch Freude halten sich in dem Buch die Waage und das ist gut so. Nicht nur der gehobene Sprachstil, sondern auch die Tiefe der Ausführungen, sind lesenswert. Die Überlegungen für mich sind zum Beispiel: Welchen Einfluss hat meine Mutter bis heute auf mein Leben? Sie wurde vor dem Krieg geboren und erlebte ihn hautnah mit. Was ändert sich, wenn Eltern alt werden und gepflegt werden müssen? Und sind Kinder tatsächlich zu jung oder zu klein, ihnen die Wahrheit zu sagen? Über Trennung oder Tod von Elternteilen?

Die oben angeführten Fragen werden in dem Buch angestoßen, nicht beantwortet. Für Menschen, die gehobene Literatur mögen, wird die Lektüre mehr als normale Unterhaltung sein. Ich gebe eine klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 15.02.2022

Mir fehlen die Superlative

Der Erinnerungsfälscher
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Der Ich-Erzähler Said Al-Wahid bekommt die Nachricht, dass seine Mutter sehr krank ist und wohl bald sterben wird. Er macht sich sofort auf in sein Geburtsland, den Irak. Während der Fahrt schweifen seine ...

Der Ich-Erzähler Said Al-Wahid bekommt die Nachricht, dass seine Mutter sehr krank ist und wohl bald sterben wird. Er macht sich sofort auf in sein Geburtsland, den Irak. Während der Fahrt schweifen seine Gedanken zurück in die Vergangenheit. Er erinnert sich an seine Flucht, an die Schwierigkeiten während und nach der Aktion und seine Besuche im Irak.

Welch ein berührendes Buch. Der Autor nahm mich schon beim Lesen der ersten Seite an die Hand und ließ mich nicht mehr los. Ich ging mit ihm zu Behörden, deren Mitarbeiter ihre Macht demonstrierten. Aber auch seine Besucher bei der Familie im Iran begleitete ich. Für mich unglaublich, was Menschen mitmachen, die in ihrer Heimat verfolgt werden. Sie wollen doch nur eins: In Frieden leben.

Der Autor beschreibt die Reise zur kranken Mutter sowie die Zeit vor und während seinem Entkommen aus den Fängen der Despoten, bis nach Deutschland. Den Sturz des Diktators, die Straßenkämpfe zwischen Anhängern und Gegnern, und das alles verbunden mit dem Leid der Zivilbevölkerung. Es gibt so viele traumatisierte Asylbewerber, die nicht automatisch durch Therapien „geheilt“ werden. Auch das schildert Abbas Khider klar und unmissverständlich. Mein Fazit: Auf jeden Fall lesen und das mit klarem Blick und wachem Verstand.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Ein sehr unterhaltsames und geradliniges Buch

Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte …
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Das Buch „Der Amerikaner der den Kolumbus zuerst entdeckte“ ist eine Sammlung von Vorträgen, Briefen oder Betrachtungen des Autors Ingo Schulze. Roter Faden ist dabei für mich, dass er immer wieder darauf ...

Das Buch „Der Amerikaner der den Kolumbus zuerst entdeckte“ ist eine Sammlung von Vorträgen, Briefen oder Betrachtungen des Autors Ingo Schulze. Roter Faden ist dabei für mich, dass er immer wieder darauf hinweist, dass es uns nur aus dem Grund gut geht, da es anderen schlecht geht.

Mir war Herr Schulze völlig unbekannt. Aber immer wieder stelle ich fest, dass es sich lohnt, Bücher zu lesen, die nicht meinem sonst üblichen Genre entsprechen. In
„Der Amerikaner der den Kolumbus zuerst entdeckte“ gibt es so viele interessante Passagen, dass ich einige davon in meiner Rezension erwähne. Da ist der Hinweis auf Ludwig Greve, der auch ein Passagier des bekannten Schiffes „St. Louis“ war. Oder die Erwähnung von Scharping, Schröder und Fischer bezogen auf ihr Verhalten beim Kosovokrieg. Die Spekulation mit Lebensmitteln, die von Politikern bis heute unterstützt wird.

Ja, und dann gibt es noch die Riesterrente. Wie wurde sie doch hochgelobt. Dabei haben viele, die ihre Unterschrift unter die Verträge setzten, wohl kaum das Kleingedruckte gelesen. Denn dort steht, dass weder ökologische noch soziale Kriterien bei der Anlage des Geldes keine Rolle spielen. Hier gehören Investitionen in Rüstungsfirmen, die unter anderem Streubomben herstellen, zur Normalität. Einige Bücher stellt Herr Schulze ebenfalls vor und ich wurde einmal mehr für mir völlig fremde Autoren eingenommen.

Ingo Schulze wuchs in der DDR auf und schreibt, wie er die Zeit um den „Anschluss“ an die BRD erlebte. Dieser Spruch einer Politikerin aus den USA steht ebenfalls im Buch: „Fuck the EU“. Wer das wann und zu wem sagte, das können Sie in
„Der Amerikaner der den Kolumbus zuerst entdeckte“ nachlesen. Es ist ein ganz besonderes Buch in einer ansprechenden und gehobenen Sprache geschrieben.

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Veröffentlicht am 07.02.2022

Ein ganz großer Autor, bis heute unvergessen

Falladas letzte Liebe
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Wer war „Falladas letzte Liebe“? Der Autor Michael Töteberg schildert die letzten Jahre Falladas in Berlin mit seiner Ehefrau Ursula. Die Freundschaft zu Johannes R. Becher und die schreckliche Sucht nach ...

Wer war „Falladas letzte Liebe“? Der Autor Michael Töteberg schildert die letzten Jahre Falladas in Berlin mit seiner Ehefrau Ursula. Die Freundschaft zu Johannes R. Becher und die schreckliche Sucht nach Alkohol und Morphium. Wer war dieser getriebene Mann, der doch so eindrückliche Romane schrieb?

Hans Fallada war ein Familienmensch. Auch während der Ehe mit Ulla wollte er nicht ohne seine Kinder sein. Dass das nicht gut für den Nachwuchs sein konnte, lässt sich nachvollziehen. Fallada und seine Frau mussten in regelmäßigen Abständen eine Klinik aufsuchen. Beide hingen an der Nadel und wenn der Entzug zu heftig war, wurde Fallada aggressiv und laut. Vielleicht hätte das Ehepaar dauerhaft geheilt werden können, wenn sie getrennt worden wären. Aber da beide abhängig waren, kamen sie für gegenseitige Hilfe nicht in Frage.

Für mich ein herausragendes Buch in angenehmer und gehobener Sprache. Sehr beeindruckend für mich war die Schilderung, dass Fallada in den letzten Lebenswochen noch den Roman „Jeder stirbt für sich allein“ schrieb. Der Mensch Hans, der eigentlich ja Friedrich Ditzen hieß, ist mir beim Lesen sehr nahe gewesen. Seine schlimme Zeit als Bürgermeister und der Druck während der Zeit des Nationalsozialismus haben gewiss dazu beigetragen, dass er seine Probleme mit der Hilfe von Suchtmitteln zu vergessen suchte. Das Buch ist die unterhaltsame Biographie eines ganz großen Mannes.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Mein erstes Highlight 2022

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein radikal ehrliches und inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von Mädchen, Frau etc.
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Für Bernardine Evaristo war es ein harter Weg, bis sie den Booker - Preis entgegennehmen konnte. Sie war damit die erste „schwarze“ Autorin, die damit ausgezeichnet wurde. „Manifesto“ ist eine Biographie, ...

Für Bernardine Evaristo war es ein harter Weg, bis sie den Booker - Preis entgegennehmen konnte. Sie war damit die erste „schwarze“ Autorin, die damit ausgezeichnet wurde. „Manifesto“ ist eine Biographie, die ihren Kampf um Anerkennung beschreibt. Vorurteile sind ihr nicht fremd und sie weiß, wie verletzend Herabsetzungen von Unwissenden sein können. Niemals aufgeben, das ist ihr Wahlspruch. Vor ihrem Durchbruch zur Bestsellerautorin galt sie als Lesbe, unangenehmes Gegenüber und erfolglose Schriftstellerin. Wie sie den Durchbruch schaffte und was bis heute antreibt, das können Sie in ihrem neuesten Werk nachlesen.

Von dem Buch Mädchen, Frau, etc. hörte ich zwar viel, las es allerdings nicht. „Manifesto“ wurde ebenfalls von Bernardine Evaristo geschrieben und es ist das erste Lesehighlight 2022 für mich. So tiefgründig und gleichzeitig niemals langweilig schreibt sie. Ihre Meinung zu Rassismus, der DNA aller Menschen und über die ach so überragenden „Weißen“, die kann ich nur unterstreichen. Ihr Weg bis zum Erfolg war steinig und trotzdem wirkt sie in keinem Satz anklagend oder nachtragend.

Was mich besonders für sie einnahm, sie bekam den Booker-Preis im Jahr 2019. Da war sie 60 Jahre alt. Die zweite Botschaft in der Autobiographie für ist, dass wir auch im „hohen Alter“ (für viele jungen Leute) noch sehr gut schreiben und renommierte Preise bekommen können. Das Buch regt zum mitdenken an. Es zeigt, welche Möglichkeiten jeder Mensch in seinem Leben hat. Egal, wo er aufwächst und wer seine Eltern sind. Die Leseempfehlung gebe ich ohne Einschränkungen.

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