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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.03.2019

Empfehlenswert!

Ein seltsamer Ort zum Sterben
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Ein skandinavischer Krimi von einem Amerikaner? Die Globalisierung macht auch vor der Literatur keinen Halt. Zum Glück, denn dem in Boston geborenen Wahl-Norweger Derek B. Miller ist mit "Ein seltsamer ...

Ein skandinavischer Krimi von einem Amerikaner? Die Globalisierung macht auch vor der Literatur keinen Halt. Zum Glück, denn dem in Boston geborenen Wahl-Norweger Derek B. Miller ist mit "Ein seltsamer Ort zum Sterben" ein eindrucksvolles Romandebut gelungen.

Nach dem Tod seiner Frau zieht der 82-jährige Sheldon zu seiner Enkelin und deren Ehemann nach Norwegen. Dem Amerikaner fällt es schwer, sich in dem fremden Land einzuleben. Er wird unsanft aus seinem Alltag gerissen, als eines Tages eine serbische Nachbarin mit ihrem kleinen Sohn vor Sheldons Tür steht und Schutz vor dem gewalttätigen Vater des Jungen sucht. Die Frau wird ermordet und Sheldon flieht mit dem Jungen. Da der Kleine kein Englisch spricht und nach den turbulenten Ereignissen ohnehin verstummt ist, nennt Sheldon ihn kurzerhand Paul. Sheldon versucht nun, Paul vor dem Mörder seiner Mutter in Sicherheit zu bringen. Dabei erleben beide eine gefährliche, aber abenteuerliche Flucht per Boot, Traktor und Anhalter.

Der kauzige Sheldon und der schüchterne Paul sind ungewöhnliche, aber auf ihre eigene Art sympathische Protagonisten. Derek B. Miller findet auch in ungewöhnlichen Momenten einen unterschwelligen Humor, der den Leser kurzzeitig vergessen lässt, wie ernst die Lage für Sheldon und Paul eigentlich ist. Das gelingt ihm, ohne die Situation oder die Charaktere ins Lächerliche zu ziehen. Der meist nüchterne, unprätentiöse Stil entfaltet eine ganz eigene Kraft, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Die Handlung wird von Sheldons Erinnerungen an seine verstorbene Frau und seinen verstorbenen Sohn sowie seinen Kriegseinsatz durchzogen. So lernt der Leser den Protagonisten besser kennen, zudem nutzt der Autor die Rückblicke, um beinahe philosophische und existentielle Gedanken aufs Papier zu bringen. Das gibt dem Buch zusätzliche Tiefe.

In der atemberaubenden norwegischen Wildnis kommen nach einer dramatischen Jagd Menschen aus den USA, Serbien, dem Kosovo und Norwegen zusammen. „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ ist ein liebevoll geschriebener Krimi, der den Leser gleichermaßen berührt und fesselt. Spannend bis zur letzten Seite.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Überzeugend gruslig

Die Mädchenwiese
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Werbesprüche sind ja oft übertrieben blumig und nicht unbedingt glaubwürdig. Bei "Die Mädchenwiese" von Martin Krist ist das anders: Auf dem Buchrücken steht "Hochspannung bis zur letzten Seite" und dem ...

Werbesprüche sind ja oft übertrieben blumig und nicht unbedingt glaubwürdig. Bei "Die Mädchenwiese" von Martin Krist ist das anders: Auf dem Buchrücken steht "Hochspannung bis zur letzten Seite" und dem kann ich uneingeschrenkt zustimmen. Die Geschichte ist sehr spannend und durch die schnellen "Szenenwechsel" entsteht ein hohen Erzähltempo. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.
Die verschiedenen Handlungsstränge, die zu Beginn anscheinend nur wenig miteinander zu tun haben, werden nach und nach sehr geschickt verknüpft. Martin Krist versteht es außerdem, den Leser irrezuleiten, so dass ich bis zum Schluss nicht geahnt habe, wer der wahre Täter ist.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Kurz und knackig

In die Füße atmen
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Die Geschichte rund um Jan, seine ewige Jugendliebe Lina und seinen Zwillingsbruder Henrik wird in kurzweiligen, knackigen Episoden erzählt. Die kurzen Kapitel sind wie kleine appetitliche Häppchen, die ...

Die Geschichte rund um Jan, seine ewige Jugendliebe Lina und seinen Zwillingsbruder Henrik wird in kurzweiligen, knackigen Episoden erzählt. Die kurzen Kapitel sind wie kleine appetitliche Häppchen, die man sowohl zwischendurch langsam vernaschen als auch hintereinander verschlingen kann. Ich habe mir zwar oft vorgenommen, nur noch ein Kapitel zu lesen. Aber da ich bei dem Buch schnell auf den Geschmack gekommen bin, wurden es dann doch noch zwei, drei, vier Kapitel mehr - und im Endeffekt habe ich das ganze Buch an zwei Tagen ausgelesen. Man merkt beim Lesen gar nicht, wie die Zeit verfliegt.

„In die Füße atmen“ lässt sich nicht nur leicht lesen, sondern ist auch wirklich witzig. Ich musste oft grinsen und sogar mehrmals lauthals lachen. Ein Großteil des Humors entsteht durch die Kombination der eigenartigen Menschen, die aufeinander treffen und dadurch, dass Jan immer wieder die gleichen Fehler macht. Die Eigenironie mit der er sein Verhalten kommentiert, ist wirklich zum Brüllen. Selbst Witze, die eigentlich ausgelutscht und vorhersehbar sind (wie beispielsweise das Verwechseln von Zwilligen) werden hier frisch und amüsant dargestellt.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Ein irres Puzzle

Vater, Mutter, Tod
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Nichts ist wie es scheint. Ein Kind stirbt irgendwo in Berlin. Eine Frau trifft sich mit ihrer Mutter, die eigentlich seit zwei Jahren tot ist. Und das ist nur der Anfang einer verrückten Achterbahnfahrt ...

Nichts ist wie es scheint. Ein Kind stirbt irgendwo in Berlin. Eine Frau trifft sich mit ihrer Mutter, die eigentlich seit zwei Jahren tot ist. Und das ist nur der Anfang einer verrückten Achterbahnfahrt der Ereignisse.

Ich möchte nicht zu viel von der Handlung vorweg nehmen, denn das Buch lebt maßgeblich davon, dass sich die Geschichte nach und nach entfaltet und der Leser versucht, den Sinn zu erkennen. Das ist manchmal wirklich schwer, denn die Handlung ist wie ein riesiges Puzzle mit ganz kleinen Puzzleteilen. Immer wenn man denkt, man hat ein größeres Stück zusammengesetzt, merkt man, dass noch so viele Teile lose in der Gegend rumfliegen und man noch weit entfernt davon ist, das ganze Bild zu sehen. Man folgt der Handlung Schritt für Schritt und versucht, einen Sinn zu erkennen - was ist Realität und was Einbildung? Wer hat Recht, wer ist das Opfer und wer der Täter? Und was passiert überhaupt? Streckenweise ist das etwas frustrierend, man hat das Gefühl, die Handlung nicht richtig zu verstehen oder etwas Wesentliches überlesen zu haben. Doch das treibt einen nur an, weiterzulesen. Und dann breitet sich nach und nach der Sinn vor einem aus. Am Ende werden schließlich alle Fragen beantwortet und man erfährt, was tatsächlich passiert ist. Ich fand es wirklich faszinierend, wie diese scheinbar wirren Handlungsstränge am Ende aufgelöst wurden. "Vater, Mutter, Tod" ist wirklich unglaublich einfallsreich. Es besticht durch spannende Charaktere, eine Handlung, die Nervenkitzel auslöst, und eine dichte Atmosphäre. So surreal und verwirrend einige Geschehnisse auch waren, Siegfried Langer schafft es mühelos, den Leser in die aktuelle Situation zu versetzen und die passende Stimmung zu vermitteln.

Ein unheimlich spannendes Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte. Toll!

Veröffentlicht am 12.11.2018

Wichtig für alle deutschen Himmelsrichtungen

Integriert doch erst mal uns!
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Mit ihrer Streitschrift versucht die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping mit dem Klischee des Jammer-Ossis aufzuräumen. Von der wenig transparenten Abwicklung ehemaliger DDR-Betriebe durch ...

Mit ihrer Streitschrift versucht die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping mit dem Klischee des Jammer-Ossis aufzuräumen. Von der wenig transparenten Abwicklung ehemaliger DDR-Betriebe durch die Treuhand bis zur Abwertung ostdeutscher Bildungsabschlüsse und Berufserfahrung nach der Wende: Sie beleuchtet auf vielen Ebenen, wie der Nachwende-Frust entstanden ist und warum sich so viele Ostdeutsche bis heute abgehängt und ignoriert fühlen. Am stärksten ist das Buch, wenn sie über Schicksale von Personen und Personengruppen wie etwa den ostdeutschen Kohlearbeitern berichtet, mit denen sie im Laufe ihrer Politik-Karriere selbst in Berührung gekommen ist.

Gleichzeitig bleibt Köpping nicht in der Opferrolle, sondern untersucht auch, wie beispielsweise die Naivität und das Verlangen nach Westwaren einige Entwicklungen im Osten begünstigt haben. Sie zeigt, dass es auch in den alten Bundesländern Städte und Regionen gibt, die mit starkem Strukturwandel kämpfen, auch wenn dieser nicht so plötzlich wie im Osten eintrat. Zudem betont sie immer wieder, dass all diese Entwicklungen keinen Fremdenhass rechtfertigen. Damit plädiert Petra Köpping nachvollziehbar für eine gegenseitige Wertschätzung von Menschen in Ost und West.

Einige Argumente werden immer wieder aufgegriffen, sodass das Buch relativ viele Wiederholungen enthält. Köpping schreibt eher locker und teils umgangssprachlich. Man merkt, dass der Autorin das Thema am Herzen liegt und dass sie sich schon sehr lange damit beschäftigt. Die Streitschrift liest sich wie eine Erweiterung von Petra Köppings Rede vom politischen Reformationstag 2016, für die sie damals viel Aufmerksamkeit erhielt. Die Rede ist auch im Anhang abgedruckt.