Gelungener Auftakt
Horizon„...Ein König ist nicht nur ein Herrscher über sein Volk, er ist auch ein Diener am Volk. Die Menschen vertrauen auf sein Urteil, auf faire Entscheidungen, die weder durch Voreingenommenheit beeinflusst ...
„...Ein König ist nicht nur ein Herrscher über sein Volk, er ist auch ein Diener am Volk. Die Menschen vertrauen auf sein Urteil, auf faire Entscheidungen, die weder durch Voreingenommenheit beeinflusst werden sollten noch durch Bestechlichkeit...“
Corin ist der uneheliche Sohn von Daven Etienne Bryant, dem König von Carbonn. Er lebt mit seiner Mutter Elise und dem Stiefvater Phillippe Perrot weit ab vom Hofe des Königs. Als der Junge neun Jahre ist, stattet der König der Familie einen Besuch ab. Corin ist davon nicht begeistert.
Sieben Jahre später trägt der König seinen erstgeborenen Sohn zu Grabe. Er wurde heimtückisch ermordet. Nur Frederic Durant, sein Vertrauter weiß, dass Raoul, der Zweitgeborene, ein Kuckuckskind ist und kein königliches Blut in seinen Adern trägt. Deshalb holt er nun den 16jährigen Corin an den Königshof. Es schmerzt Corin, seine Mutter und seine Zwillingsgeschwister verlassen zu müssen.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Fantasyroman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das liegt unter anderen auch darin, dass ein Teil der Handlung nahe an der Realität ist. Außerdem wird auf brutale Kampfszenen verzichtet.
Corin ist ein verantwortungsbewusster junger Mann. Nach dem Tode seines Stiefvaters hat er sich um die Landwirtschaft und seine kleinen Geschwister gekümmert. Das Geld, das der König für ihn geschickt hat, hat zum Leben gereicht, aber keine großen Sprünge erlaubt.
Am Königshof trifft er auf Raoul. Der macht ihm schnell klar, was er von ihm hält und dass er sich seine Pläne nicht kaputt machen lässt. Er zeichnet sich durch Machtbesessenheit und Überheblichkeit aus.
Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Die innere Spannung entsteht vor allem dadurch, dass der König beide Söhne drüber im Dunkeln lässt, was er wirklich plant. Nur scheibchenweise lässt er sie an seinen Gedanken teilhaben. Das facht einerseits Raouls Wut an, lässt andererseits aber Corin hoffen, das er eines Tages zu seiner Familie zurückkehren kann.
Gut beschrieben werden die Bauwerke und die Landschaft. Corin muss erkennen, dass Völker und Tiere, die er bisher für Fabelwesen und Märchengestalten hielt, wirklich existieren. Der Flug mit dem Riesenadler wird für ihn zu einem besonderen Erlebnis, wie das folgende Zitat zeigt:
„...Allmählich genoss Corin den Flug...Der Himmel verfärbte sich zunächst orange, schließlich rötlich und tauchte die Landschaft damit in ein warmes Licht. Corin versuchte sich zu erinnern, wann er je so etwas Schönes gesehen hatte...“
Hier wird auch deutlich, dass die Autorin das Spiel mit Adjektiven und passenden Metaphern beherrscht. Gut ausgearbeitet sind die Dialoge. Corin vertritt offensiv seine Meinung und lässt sich nicht verbiegen.
Ein besonderes Erleben wird für Corin der Aufenthalt beim Volk von Lindora, das über magische Fähigkeiten verfügt und mit dem Königreich Carbonn verbündet ist. Aber hier deuten sich erste Probleme an, die in den folgenden Teilen der Serie sicher stärker thematisiert werden. Bryan möchte sein Herrschaftsgebiet ausweiten. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob er in jedem Fall das umsetzt, was er im Eingangszitat äußert. Wenn er hofft, dass ihn Corin auf diesem Weg folgt, sehe ich für ihn Schwarz. Corin legt Wert auf ein friedliches miteinander. Das zeigt sich schon an seinem Verhalten auf dem Königshof. Er geht davon aus, dass Raoul der rechtmäßige Nachfolger ist und gönnt ihm das von ganzem Herzen. Doch Raoul hat keine Antenne für die feinen Schwingungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Das wird Folgen haben.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Personen werden gut charakterisiert. Wer allerdings von einem Fantasyroman vorwiegend Action und Abenteuer erwartet, ist bei dem Buch falsch. Hier steht mehr das menschliche Miteinander und Gegeneinander, vertrauen und Verantwortung im Mittelpunkt der Handlung.